Urteil des BVerfG vom 06.04.1999

BVerfG: verfassungsbeschwerde, winter, ddr, gestaltungsspielraum, sozialstaatsprinzip, subsidiarität, diskriminierung, verantwortlichkeit, bekanntmachung, presse

Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 2279/97 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
1. des Herrn P... ,
2. des Herrn P... ,
3. des Herrn P... ,
4. der Frau P...
-
gegen a)
den Beschluß des Thüringer Oberlandesgerichts
vom 6. November 1997 - 2 Ws-Reha 18/97 -,
b)
den Beschluß des Landgerichts Gera
vom 9. Dezember 1996 - 6 Reha 126/96 -,
c)
mittelbar gegen § 1 Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 StrRehaG
hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungs-
gerichts durch die Richterin
Präsidentin Limbach
und die Richter Winter,
Hassemer
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S.
1473) am 6. April 1999 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
1
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat.
2
Die angegriffenen Entscheidungen, mit denen die Anträge der Beschwerdeführer auf strafrechtliche Rehabilitierung
abgelehnt worden sind, sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein Verstoß gegen das Willkürverbot aus Art.
3 Abs. 1 GG (vgl. dazu BVerfGE 87, 273 <279>) liegt nicht vor.
3
Der Gesetzgeber war verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, die Opfer des Fürstenenteignungsgesetzes in die
Regelungen des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes einzubeziehen. Eine Verantwortlichkeit der Bundesrepublik
Deutschland im Sinne eines Einstehenmüssens für aus ihrer Sicht rechts- oder verfassungswidrige Maßnahmen der
deutschen Staatsgewalt im Gebiet der ehemaligen DDR besteht nicht (vgl. BVerfGE 84, 90 <122 f.>). Bei der
Regelung der Wiedergutmachung von einer anderen Staatsgewalt zu verantwortenden Unrechts hat der Gesetzgeber
einen besonders weiten Gestaltungsspielraum (BVerfGE 13, 31 <36>; 13, 39 <43>; 84, 90 <125 f.>). Daher kommt
ein Anspruch der Opfer des Fürstenenteignungsgesetzes aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechts- oder
Sozialstaatsprinzip gerade auf strafrechtliche Rehabilitierung nicht in Betracht. Ihre strafrechtliche Rehabilitierung ist
auch nicht nach dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG geboten. Die Opfer des Fürstenenteignungsgesetzes
unterscheiden sich von den Opfern strafrechtlicher Maßnahmen dadurch, daß sie einer allein an ihren Status
anknüpfenden, pauschalen Diskriminierung ohne individuellen Vorwurf ausgesetzt waren, während strafrechtliche
Maßnahmen die staatliche Reaktion auf den individuellen Vorwurf eines für strafwürdig erachteten Verhaltens
darstellen.
4
Ob der Gesetzgeber verfassungsrechtlich verpflichtet war, für die Opfer des Fürstenenteignungsgesetzes eine
anderweitige als die strafrechtliche Wiedergutmachung vorzusehen, ist hier nicht zu entscheiden. Denn es ist noch
offen, ob den Beschwerdeführern nicht nach den neben dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz bestehenden
gesetzlichen Regelungen - insbesondere des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes und des
Vermögensgesetzes - Wiedergutmachung zusteht. Dies ist nach dem Grundsatz der Subsidiarität (§ 90 Abs. 2
BVerfGG) zunächst vor den Fachgerichten zu klären.
5
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Limbach
Winter
Hassemer