Urteil des BVerfG vom 25.05.2010
BVerfG: verfassungsbeschwerde, öffentliche gewalt, absichtliche täuschung, hessen, gaststätte, raucherraum, missbrauch, billigkeit, presse, bibliothek
Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1602/08 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn F...
des Herrn Sch...
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Hünlein,
Eschenheimer Anlage 1, 60316 Frankfurt -
gegen das Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens
(Hessisches Nichtraucherschutzgesetz ) 
vom 6. September 2007 (GVBl I S. 568)
h i e r : Antrag auf Erstattung der notwendigen Auslagen
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterin Hohmann-Dennhardt
und die Richter Gaier,
Paulus
am 25. Mai 2010 einstimmig beschlossen:
Das Land Hessen hat dem Beschwerdeführer zu 2) die im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen zu erstatten. Im Übrigen wird der Antrag auf Anordnung der Erstattung der notwendigen
Auslagen abgelehnt.
Dem Beschwerdeführer zu 1) wird eine Missbrauchsgebühr in Höhe von 500 € (in Worten: fünfhundert Euro) auferlegt.
Gründe:
I.
1
Die  Beschwerdeführer  beantragen  die  Anordnung  der  Erstattung  ihrer  Auslagen,  nachdem  sie  ihre
Verfassungsbeschwerde  gegen  Vorschriften  des  Gesetzes  zum  Schutz  vor  den  Gefahren  des  Passivrauchens  des
Landes Hessen (Hessisches Nichtraucherschutzgesetz ) für erledigt erklärt haben. 
2
Die Beschwerdeführer sind Gastwirte. Zur Begründung ihrer im Juni 2008 erhobenen Verfassungsbeschwerde trugen
sie  vor,  dass  sie  jeweils  eine  Einraumgaststätte  betrieben,  bei  der  keine  bauliche  Möglichkeit  bestehe,  einen
speziellen Raucherraum einzurichten. Deshalb würden sie von dem gesetzlich vorgesehenen Rauchverbot existenziell
betroffen und in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG verletzt. Nachdem durch das Gesetz
zur  Änderung  des  Hessischen  Nichtraucherschutzgesetzes  vom  4.  März  2010  (GVBl  I  S.  86)  unter  anderem  eine
Ausnahmeregelung  für  kleine  Einraumgaststätten  geschaffen  worden  ist  (§  2  Abs.  5  Nr.  2  HessNRSG),  haben  die
Beschwerdeführer ihre Verfassungsbeschwerde für erledigt erklärt und beantragt, die Erstattung ihrer Auslagen durch
das Land Hessen anzuordnen. Das Land Hessen hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Der Beschwerdeführer
zu 1) ist auf Zweifel an der Richtigkeit seines Beschwerdevorbringens hingewiesen worden.
II.
3
Nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ist auch im Falle der Erledigung der Verfassungsbeschwerde über die Erstattung der
Auslagen  des  Beschwerdeführers  nach  Billigkeitsgesichtspunkten  zu  entscheiden.  Dabei  kann  insbesondere  dem
Grund,  der  zur  Erledigung  geführt  hat,  wesentliche  Bedeutung  zukommen.  Beseitigt  die  öffentliche  Gewalt  von  sich
aus  den  mit  der  Verfassungsbeschwerde  angegriffenen  Akt,  so  kann,  falls  keine  anderweitigen  Gründe  ersichtlich
sind,  davon  ausgegangen  werden,  dass  sie  das  Begehren  des  Beschwerdeführers  selbst  für  berechtigt  erachtet.  In
einem solchen Fall ist es billig, die öffentliche Hand ohne weitere Prüfung an ihrer Auffassung festzuhalten und dem
Beschwerdeführer  die  Erstattung  seiner  Auslagen  in  gleicher  Weise  zuzubilligen,  wie  wenn  seiner
Verfassungsbeschwerde  stattgegeben  worden  wäre  (vgl. BVerfGE 85, 109 <114 f.>; 91, 146 <147>). Zwar erscheint
es im Hinblick auf Funktion und Tragweite der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bedenklich, im Falle
der  Erledigung  einer  Verfassungsbeschwerde  aufgrund  einer  überschlägigen  Beurteilung  der  Erfolgsaussichten  über
die  Auslagenerstattung  zu  entscheiden  und  dabei  zu  verfassungsrechtlichen  Zweifelsfragen  aufgrund  einer  lediglich
kursorischen Prüfung Stellung zu nehmen (vgl. BVerfGE 33, 247 <264 f.>). Diese Bedenken greifen jedoch nicht ein,
wenn  die  Erfolgsaussicht  der  Verfassungsbeschwerde  unterstellt  werden  kann  oder  wenn  die  verfassungsrechtliche
Lage - etwa durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in einem gleich liegenden Fall - bereits geklärt
ist (vgl. BVerfGE 85, 109 <115 f.>).
4
Nach diesen Grundsätzen entspricht es im vorliegenden Fall der Billigkeit, zugunsten des Beschwerdeführers zu 2)
eine  Auslagenerstattung  anzuordnen.  Die  Verfassungsbeschwerde  hat  sich  dadurch  erledigt,  dass  der  hessische
Landesgesetzgeber  die  angegriffene  Vorschrift  geändert  und  eine  Ausnahmeregelung  für  getränkegeprägte
Einraumgaststätten geschaffen hat. Vorausgegangen war, dass das Bundesverfassungsgericht ähnliche Vorschriften
in  Nichtraucherschutzgesetzen  anderer  Bundesländer  für  mit  dem  Grundgesetz  unvereinbar  erklärt  hatte,  weil  sie
Betreiber  kleinerer  Einraumgaststätten  mit  getränkegeprägtem  Angebot  in  unzumutbarer  Weise  belasteten  (vgl.
BVerfGE 121, 317 <355 ff.>). Der Beschwerdeführer zu 2) betreibt eine solche Gaststätte.
5
Demgegenüber entspräche es nicht der Billigkeit, auch dem Beschwerdeführer zu 1) eine Erstattung seiner Auslagen
zuzusprechen. Bei seiner Gaststätte handelt es sich - entgegen seinem Vorbringen in der Beschwerdeschrift - nicht
um eine Einraumgaststätte, bei der die Einrichtung eines Rauchernebenraums aus baulichen Gründen nicht möglich
ist.  Vielmehr  erstrecken  sich  die  Räumlichkeiten,  wie  der  Beschwerdeführer  zu  1)  inzwischen  eingeräumt  hat,  über
mehrere  Räume,  die  auf  zwei  Stockwerke  seines  Hauses  verteilt  sind.  Im  Internet  wird  unter  anderem  damit
geworben, dass „im separaten Billard-Raum oder im großen Snooker-Salon im 1. Stock“ kleinere Versammlungen oder
Geselligkeiten  stattfinden  könnten.  Damit  gehört  die  Gaststätte  des  Beschwerdeführers  zu  1)  gerade  nicht  zu  dem
besonderen Typus von Gaststätten, die durch die ursprüngliche Fassung des Gesetzes unzumutbar belastet wurden.
III.
6
Nach § 34 Abs. 2 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht eine Gebühr bis zu 2.600 € auferlegen, wenn die
Einlegung der Verfassungsbeschwerde einen Missbrauch darstellt. Ein solcher Missbrauch liegt unter anderem dann
vor,  wenn  gegenüber  dem  Bundesverfassungsgericht  falsche  Angaben  über  entscheidungserhebliche  Umstände
gemacht werden. Dabei genügt es, wenn die Falschangabe unter grobem Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten erfolgt;
ein vorsätzliches Verhalten oder gar eine absichtliche Täuschung ist nicht erforderlich (vgl. BVerfG, Beschluss der 2.
Kammer des Zweiten Senats vom 13. November 2009 - 2 BvR 1398/09 -, juris  m.w.N.). Die Frage, ob es 
sich  bei  den  Gaststätten  der  Beschwerdeführer  um  Einraumgaststätten  handelte,  war  erkennbar
entscheidungserheblich. Der Beschwerdeführer zu 1) richtete seine gesamte Argumentation - ebenso wie bereits bei
einer  früheren  erfolglosen  Verfassungsbeschwerde  -  maßgeblich  auf  diesen  Gesichtspunkt  aus.  Dabei  war  die
Aussage,  bei  seiner  Gaststätte  handele  es  sich  um  eine  Einraumgaststätte,  bei  der  keine  bauliche  Möglichkeit
bestehe, einen speziellen Raucherraum einzurichten, offenkundig wahrheitswidrig. Soweit er nunmehr geltend macht,
aus  seiner  subjektiven  Sicht  handele  es  sich  wegen  einer  eingeschränkten  Nutzung  der  Räume  gleichwohl  um  eine
Einraumgaststätte,  lässt  sich  dies  kaum  nachvollziehen.  Jedenfalls  die  Aussage,  es  bestehe  keine  bauliche
Möglichkeit, einen speziellen Raucherraum zu schaffen, lässt sich angesichts der bestehenden Nebenräume in keiner
Weise vernünftig erklären.
7
Der  Auferlegung  einer  Missbrauchsgebühr  steht  es  nicht  entgegen,  dass  der  Beschwerdeführer  zu  1)  die
Verfassungsbeschwerde für erledigt erklärt hat. Während nach § 34 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG in der bis zum 10. August
1993 geltenden Fassung eine Missbrauchsgebühr nur in Betracht kam, wenn eine Verfassungsbeschwerde abgelehnt
oder  verworfen  wurde,  setzt  die  heute  geltende  Fassung  keine  bestimmte  Art  der  Erledigung  voraus.  Mit  seinem
Antrag  auf  Auslagenerstattung  macht  der  Beschwerdeführer  zu  1)  deutlich,  dass  er  inhaltlich  an  seiner
missbräuchlichen  Verfassungsbeschwerde  festhält,  und  behindert  das  Bundesverfassungsgericht  durch  diese
sinnentleerte Belastung seiner Arbeitskapazitäten bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben.
Hohmann-Dennhardt
Gaier
Paulus