Urteil des BVerfG vom 22.08.2000
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Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2121/94 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des mit Wirkung vom 1. Oktober 1998 kraft Gesetzes aufgelösten S ü d d e u t s c h e n R u n d f u n k s , fortgeführt
durch den Südwestrundfunk, Anstalt des öffentlichen Rechts, vertreten durch den Justitiar,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwalt Dr. Thomas Bohle,
Kurfürstendamm 57, Berlin -
gegen a) das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Juli 1994 - 5 AZR 170/93 -,
b)
das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Juli 1994 - 5 AZR 627/93 -,
c)
das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Juli 1994 - 5 AZR 628/93 -
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den
Vizepräsidenten Papier
und die Richter Steiner,
Hoffmann-Riem
gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I
S. 1473) am 22. August 2000 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
1
Die Verfassungsbeschwerde betrifft arbeitsgerichtliche Entscheidungen zur Einstufung von programmgestaltenden
Rundfunkmitarbeitern als Arbeitnehmer. Gerügt wird die Verletzung des Grundrechts der Rundfunkfreiheit.
2
Die Voraussetzungen für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde gemäß § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht
vor. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG), da
die von ihr aufgeworfenen Fragen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits geklärt sind (vgl.
insbesondere BVerfGE 59, 231 <256 ff.>). Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt gerügten
Grundrechte angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende
Aussicht auf Erfolg (vgl. zu den Annahmevoraussetzungen BVerfGE 90, 22 <24 ff.>).
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1. Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob der Südwestrundfunk nach Auflösung des ursprünglichen
Beschwerdeführers durch § 41 Abs. 1 Satz 4 2. Halbsatz des Staatsvertrages über den Südwestrundfunk vom 31.
Mai 1997 zwischen den Ländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz als Rechtsnachfolger zur Fortführung des
Verfassungsbeschwerdeverfahrens befugt und die Verfassungsbeschwerde mithin zulässig ist. Bislang hat das
Bundesverfassungsgericht lediglich über die Befugnis zur Weiterführung für den Fall des Todes des
Beschwerdeführers entschieden (vgl. BVerfGE 26, 327 <332>; 37, 201 <206>; 69, 188 <201>); mit der Frage der
Weiterführungsbefugnis des Rechtsnachfolgers einer juristischen Person war es bislang - soweit ersichtlich - noch
nicht befasst.
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2. Diese Zulässigkeitsfrage kann jedoch dahinstehen, da eine Annahme jedenfalls deshalb ausscheidet, weil die
Verfassungsbeschwerde in der Sache keine Erfolgsaussichten hat. Die angegriffenen Entscheidungen des
Bundesarbeitsgerichts verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht auf Rundfunkfreiheit gemäß Art. 5
Abs. 1 Satz 2 GG. Wie die Kammer in dem Beschluss vom 18. Februar 2000 (vgl. 1 BvR 491/93, 1 BvR 562/93 sowie
1 BvR 624/98, AfP 2000, S. 164 ff.) ausführlich dargelegt hat - hierauf wird Bezug genommen -, ist es von
Verfassungs wegen nicht ausgeschlossen, auch im Rundfunkbereich von den für das Arbeitsrecht allgemein
entwickelten Merkmalen abhängiger Arbeit auszugehen. Allerdings muss das durch die Verfassung geschützte Recht
der Rundfunkanstalten, frei von fremder Einflussnahme über die Auswahl, Einstellung und Beschäftigung
programmgestaltender Mitarbeiter zu bestimmen, angemessen berücksichtigt werden. Dies bedeutet jedoch nicht,
dass die Rundfunkfreiheit bei solchen Mitarbeitern stets schon bei der Zuordnung zum Arbeitnehmerbegriff
berücksichtigt werden muss, wie der Beschwerdeführer in der Verfassungsbeschwerde geltend macht. Dies kommt
vielmehr nur insoweit in Betracht, als bereits mit der Einordnung des Beschäftigungsverhältnisses als
Arbeitsverhältnis der Schutz aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG versperrt wird. Denkbar ist dies, wenn die verfügbaren
Vertragsgestaltungen - wie Teilzeitbeschäftigungs- oder Befristungsabreden - zur Sicherung der Aktualität und
Flexibilität der Berichterstattung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht nicht in gleicher Weise geeignet sind wie die
Beschäftigung in freier Mitarbeit. Die Frage der Eignung solcher Vertragsgestaltungen lässt sich allerdings nicht
abstrakt, sondern nur unter Berücksichtigung der konkret in Rede stehenden publizistischen Aufgabe des jeweiligen
Mitarbeiters beantworten. Wenn es - wie hier - um eine auf eine ständig wiederkehrende Sendung bezogene
redaktionelle Tätigkeit geht, ist nichts dafür ersichtlich und wird auch von dem Beschwerdeführer nicht substantiiert
dargetan, dass mittels Befristungsabreden dem Bedürfnis nach Personalwechsel nicht in gleicher Weise Rechnung
getragen werden könnte, wie das im Rahmen eines freien Mitarbeiterverhältnisses der Fall ist. Zeitliche oder auf das
jeweilige Projekt oder Sendekonzept bezogene Befristungen hielten der Rundfunkanstalt in gleicher Weise wie bei
freier Mitarbeit die Möglichkeit offen, bei aus publizistischen Gründen erfolgten Programm-, insbesondere Projekt-
oder Konzeptänderungen einen notwendig erachteten Personalwechsel umzusetzen und gegebenenfalls auch
Veränderungen im Stellenplan vorzunehmen. Hinzu kommt - hierauf hat der Beschwerdeführer selbst hingewiesen -,
dass bei einem auf eine gewisse Dauer angelegten freien Mitarbeiterverhältnis auf Grund der dann anwendbaren
Regelung über Auslauffristen nach dem Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen die Flexibilität im Vergleich zu
befristeten Beschäftigungen ohnehin eher weiter eingeschränkt und die soziale Sicherung auch im Übrigen eher
stärker ausgestaltet sein kann.
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3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
6
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Papier
Steiner
Hoffmann-Riem