Urteil des BVerfG vom 04.04.2000
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Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 768/98 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der Prinzessin C. ,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. Matthias Prinz und Koll.,
Tesdorpfstraße 16, Hamburg -
gegen
a)
das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 10. März 1998 - 7 U
206/97 -,
b)
das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 26. September 1997 - 324 O 348/97 -
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den
Vizepräsidenten Papier
und die Richter Steiner,
Hoffmann-Riem
gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I
S. 1473) am 4. April 2000 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
1
Die Verfassungsbeschwerde betrifft Fragen des Persönlichkeitsschutzes gegenüber der Bildberichterstattung der
Presse. Die Beschwerdeführerin wendet sich dagegen, dass ihr Begehren auf Unterlassung der Veröffentlichung einer
Reihe von Fotos aus unterschiedlichen Zusammenhängen gerichtlich erfolglos war.
2
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Ihr kommt keine grundsätzliche
verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne des § 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG zu. Die von ihr aufgeworfenen
grundsätzlichen Fragen sind mit dem Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember
1999 - 1 BvR 653/96 - geklärt worden. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Einzelfall einschließlich der
Zuordnung kollidierender Grundrechte im Zuge einer Abwägung ist eine Aufgabe der Fachgerichte. Eine grundsätzliche
verfassungsrechtliche Bedeutung folgt nicht allein aus dem Interesse an weiteren Konkretisierungen, und zwar auch
nicht insoweit als die vom Bundesverfassungsgericht vorgenommenen Klärungen Spielräume bei der Anwendung und
Abwägung im Einzelfall belassen.
3
Die Annahme der Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung der Fachgerichte ist auch nicht nach § 93 a Abs.
2 Buchstabe b BVerfGG zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt. Dies wäre der Fall,
wenn die geltend gemachte Verletzung von Grundrechten besonderes Gewicht hätte oder den Beschwerdeführer in
existentieller Weise beträfe.
4
Die angegriffenen Entscheidungen halten den Maßstäben des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG
stand. Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, dass die Gerichte die Beschwerdeführerin - in abkürzender
Ausdrucksweise - zu den "absoluten Personen der Zeitgeschichte" gezählt und einen Bezug der beanstandeten
Fotografien zu einer irgendwie gearteten öffentlichen Funktion nicht verlangt haben (vgl. das Urteil des Ersten Senats
des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 653/96 -, Umdruck S. 43 ff.). Auch begegnet es
keinen verfassungsrechtlichen Einwänden, dass der im Rahmen des § 23 Abs. 2 KUG berücksichtigte Schutz der
Privatsphäre in den vorliegenden Fällen von der Voraussetzung des Rückzugs in eine örtliche Abgeschiedenheit
abhängig gemacht worden ist (Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1999 - 1
BvR 653/96 -, Umdruck S. 46 ff.). Eine Schutzwürdigkeit ist dort zwar nicht nur dann anzuerkennen, wenn der
Betroffene ein Verhalten an den Tag legt, das er unter den Augen der Öffentlichkeit vermeiden würde. Auf diesen
Gesichtspunkt kommt es hier aber nicht an. Die angegriffenen Entscheidungen stützen sich darauf, dass sich die
Beschwerdeführerin nach den räumlichen und situativen Umständen in den dem Ausgangsverfahren
zugrundeliegenden Konstellationen nicht in eine örtliche Abgeschiedenheit zurückgezogen hätte; die jeweiligen
Örtlichkeiten seien ohne weiteres allgemein zugänglich gewesen; jedenfalls habe die Beschwerdeführerin
Zugangsbeschränkungen oder eine Absonderung von der Öffentlichkeit nicht hinreichend substantiiert vorgetragen.
5
Soweit das Bundesverfassungsgericht diese - im Wesentlichen den Zivilgerichten obliegende - Beurteilung zu
überprüfen hat (zur begrenzten Prüfungskompetenz vgl. etwa BVerfGE 97, 391 <401>; Urteil des Ersten Senats des
Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 653/96 -, Umdruck S. 39), ist sie verfassungsrechtlich
nicht zu beanstanden.
6
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
7
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Papier
Steiner
Hoffmann-Riem