Urteil des BVerfG vom 14.10.2008
BVerfG: verordnung, aufteilung, abstrakte normenkontrolle, betriebsinhaber, produktion, ausübung der option, gleichbehandlungsgebot, gemeinschaftsrecht, anteil, reform
Entscheidungen
Leitsatz
zum Beschluss des Ersten Senats vom 14. Oktober 2008
- 1 BvF 4/05 -
Bei der Umstellung von Agrarmarktbeihilfen darf der Gesetzgeber die im Gemeinschaftsrecht vorgesehene Einteilung
des Bundesgebiets in Regionen an den Ländergrenzen ausrichten. Er darf bei der Ausgestaltung des Fördersystems
grundsätzlich zur Vermeidung struktureller Verwerfungen auch bisherige Förderelemente berücksichtigen, selbst wenn
dies in verschiedenen Regionen Deutschlands zu unterschiedlichen flächenbezogenen Förderbeträgen führt.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvF 4/05 -
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
zur verfassungsrechtlichen Prüfung
von Artikel 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik vom 21. Juli 2004 (BGBl I S.
1763) - Gesetz zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie (Betriebsprämiendurchführungsgesetz -
BetrPrämDurchfG) (BGBl I S. 1763) - in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des
Betriebsprämiendurchführungsgesetzes vom 23. Juli 2004 (BGBl I S. 1861) in der Fassung der Bekanntmachung der
Neufassung des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes vom 26. Juli 2004 (BGBl I S. 1868),
Antragstellerin: Regierung des Saarlandes,
vertreten durch den Ministerpräsidenten,
Staatskanzlei, 66024 Saarbrücken,
- Bevollmächtigter:
Prof. Dr. Rudolf Wendt,
Schulstraße 45, 66386 St. Ingbert-Hassel -
hat das Bundesverfassungsgericht - Erster Senat - unter Mitwirkung der Richterin und Richter
Präsident Papier,
Hohmann-Dennhardt,
Bryde,
Gaier,
Eichberger,
Schluckebier,
Kirchhof,
Masing
am 14. Oktober 2008 beschlossen:
Artikel 1 §§ 2, 4 Absatz 1 mit Anlage 1, § 5 Absatz 1 und § 6 Absatz 1 mit Anlage 3 des Gesetzes
zur Umsetzung der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik vom 21. Juli 2004 (Bundesgesetzblatt
Teil I Seite 1763) - Gesetz zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie
(Betriebsprämiendurchführungsgesetz - BetrPrämDurchfG) - in der Fassung des Ersten Gesetzes zur
Änderung des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes vom 23. Juli 2004 (Bundesgesetzblatt Teil I
Seite 1861), in der Neufassung bekannt gemacht am 26. Juli 2004 (Bundesgesetzblatt Teil I
Seite 1868), sind mit dem Grundgesetz vereinbar.
Gründe:
A.
1
Die abstrakte Normenkontrolle betrifft die unterschiedliche Behandlung der Inhaber
landwirtschaftlicher Betriebe in verschiedenen Regionen Deutschlands bei der Gewährung von
Betriebsprämien nach dem Gesetz zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie
(Betriebsprämiendurchführungsgesetz - BetrPrämDurchfG).
I.
2
1. Das Betriebsprämiendurchführungsgesetz dient der Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen
Verordnung Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 (ABl Nr. L 270 vom 21. Oktober 2003;
im Folgenden: VO 1782/2003). Diese Verordnung ist Teil der von den Agrarministern der
Europäischen Union (EU) im Juni 2003 in Luxemburg beschlossenen grundlegenden Reform der
Gemeinsamen Agrarpolitik. Die Verordnung sieht unter anderem eine Einkommensstützungsregelung
für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe in Form einer einheitlichen Betriebsprämie vor.
3
Die Reform zielt darauf ab, die Überproduktion im Agrarbereich zurückzuführen, die durch
produktionsmengenbezogene Subventionierung und Preisstützungssysteme in der Vergangenheit
gefördert worden war. Die Landwirte sollen sich bei ihrer Produktion deutlicher als bisher am Markt
orientieren. Nach dem neuen Fördersystem soll eine Einkommensstützung erfolgen, die stärker an
der Bewirtschaftung und Pflege von Flächen ausgerichtet ist. Daneben soll dem Umwelt- und
Gesundheitsschutz größere Bedeutung zukommen, indem grundlegende Anforderungen an die
Betriebsführung gestellt werden. Diese beziehen sich auch auf die Lebensmittelsicherheit, die
Tiergesundheit und den Tierschutz sowie die Erhaltung der Flächen in einem guten
landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand. Die Zahlung der Betriebsprämien wird auch von der
Erfüllung dieser Anforderungen abhängig gemacht („cross compliance“ oder „Einhaltung anderweitiger
Verpflichtungen“). In Verfolgung dieser Ziele wurde seit dem Jahr 2005 ein erheblicher Teil der
Agrarmarktbeihilfen von der Produktion bestimmter Agrarerzeugnisse gelöst (Entkoppelung von der
Produktion). Sie werden fortan in ein System einer einheitlichen Einkommensstützung für
landwirtschaftliche Betriebe überführt und als Betriebsprämien gewährt, die als Direktzahlungen
erfolgen. Damit wird auch die Stabilisierung der Einkommen der Betriebsinhaber bezweckt; zudem
soll den vielfältigen, namentlich ökologischen Gemeinwohlleistungen der Landwirtschaft Rechnung
getragen werden.
4
Neben den von der Produktion entkoppelten Betriebsprämien gibt es indessen weiter
produktionsgekoppelte Beihilfen, die zum Teil Gegenstand, zum Teil nicht Gegenstand der VO (EG)
1782/2003 sind. Der Reformprozess ist damit nicht beendet. Zielvorstellung ist es, die
Agrarmarktbeihilfen sukzessive auf das neue System umzustellen. Am Ende dieses Prozesses kann
die Zusammenfassung möglichst aller Agrarmarktbeihilfen unter einem einheitlichen
Verordnungsdach mit einem einheitlichen Verwaltungs- und Kontrollrahmen stehen. Damit soll das
komplexe Förder- und Stützungssystem auch übersichtlicher gestaltet werden. Die
Stützungsregelungen sollen schließlich, wenn erforderlich, an die fortschreitende Entwicklung
angepasst werden.
5
Die gemeinschaftsrechtliche Verordnung setzt für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union
nationale Obergrenzen für die Betriebsprämie fest (Anhang VIII zu Art. 41 VO 1782/2003).
Diese Obergrenzen kennzeichnen letztlich das gesamte auf einen Mitgliedstaat entfallende
Prämienvolumen. Zur Umsetzung der Betriebsprämienregelung in den Mitgliedstaaten sieht die
Verordnung ein Standardmodell für die Aufteilung der Beihilfen vor, für das ein
vergangenheitsbezogener Ausgangspunkt festgelegt ist: Zugrunde gelegt wird insoweit für die
Berechnung die - noch produktionsgekoppelte - Förderung im sogenannten Referenzzeitraum der
Jahre 2000 bis 2002 und damit der drei letzten Jahre vor Erlass der Verordnung (vgl. Art. 37, 38 VO
6
Die Mitgliedstaaten konnten sich bei der Umsetzung der Betriebsprämienregelung allerdings auch
für andere Modelle entscheiden. Bis zum 1. August 2004 konnten sie anstelle des Standardmodells
eine in der VO (EG) 1782/2003 vorstrukturierte „regionale Durchführung“ wählen. Zugleich war es
möglich, den für das Jahr 2005 vorgesehenen Beginn der Betriebsprämienregelung auf die Jahre
2006 oder 2007 zu verschieben. Während das gleichsam als Auffanglösung vorgesehene
Standardmodell ausschließlich an die Förderung im Referenzzeitraum - nach alter Regelung
(gekoppelte Beihilfen) - anknüpft, wurde den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnet, ein rein
flächenbezogenes Modell zu realisieren oder ein Kombinationsmodell zu wählen. Mit den
unterschiedlichen Umsetzungsmodellen sollten den Mitgliedstaaten Gestaltungsspielräume
eingeräumt werden, um erhebliche Einbrüche und Umbrüche bei der Förderung zu vermeiden. Dieser
Gesichtspunkt spielte sowohl bezogen auf die einzelnen innerstaatlichen Regionen als auch auf die
einzelnen Betriebe eine Rolle, die dafür aufgrund der in der Landwirtschaft naturgegebenen
Produktionszyklen, der vorherrschenden Betriebsgrößen und der an der Betriebsstruktur
ausgerichteten Ausstattung mit Sach- und Produktionsmitteln als besonders anfällig galten.
Entschloss sich ein Mitgliedstaat zur regionalen Durchführung, hatte er - jeweils nach objektiven
Kriterien - die Regionen festzulegen und die nationale Obergrenze auf die Regionen aufzuteilen
(Art. 58 VO 1782/2003; vgl. zu dem Reformmodell zusammenfassend etwa: Busse, in:
Schulze/Zuleeg, Europarecht, 1. Aufl. 2006, § 25, „Agrarrecht“, Rn. 107 ff.).
7
2. Der deutsche Gesetzgeber entschied sich für die Umsetzung der Reform ab dem 1. Januar 2005
und - in Abweichung vom Standardmodell - für die regionale Durchführung.
8
Als Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik vom 21. Juli
2004 (BGBl I S. 1763 ff.) beschloss der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates das am
1. August 2004 in Kraft getretene Betriebsprämiendurchführungsgesetz. Auch die Antragstellerin
stimmte dem Gesetz im Bundesrat zu. Das Gesetz wurde bereits durch das am 29. Juli 2004 in Kraft
getretene Erste Gesetz zur Änderung des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes vom 23. Juli 2004
(BGBl I S. 1861 ff.) geändert (Bekanntmachung der Neufassung am 26. Juli 2004, BGBl I
S. 1868 ff.). In dieser Fassung ist das Gesetz zum Gegenstand des Normenkontrollantrags gemacht
worden. Es sieht - soweit hier bedeutsam - Folgendes vor:
9
a) § 2 BetrPrämDurchfG bestimmt zunächst, dass die einheitliche Betriebsprämie entsprechend
Art. 58 VO (EG) 1782/2003 ab dem 1. Januar 2005 auf regionaler Ebene gewährt wird. Das
Bundesgebiet wird in eine Mehrzahl von Regionen aufgeteilt. Die Einteilung der Regionen folgt den
Grenzen der Bundesländer. Abweichend davon bilden allerdings die Länder Brandenburg und Berlin,
Niedersachsen und Bremen sowie Schleswig-Holstein und Hamburg jeweils eine Region. Die
Vorschrift lautet:
10
§ 2
11
Regionale Anwendung der einheitlichen Betriebsprämie
12
(1) Die einheitliche Betriebsprämie nach Titel III der Verordnung (EG)
Nr. 1782/2003 wird entsprechend Artikel 58 Abs. 1 der Verordnung (EG)
Nr. 1782/2003 ab dem 1. Januar 2005 auf regionaler Ebene nach Maßgabe der
nachfolgenden Vorschriften und der zu ihrer Durchführung erlassenen
Vorschriften gewährt.
13
(2) Region im Sinne des Artikels 58 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003
sowie dieses Gesetzes und der zu seiner Durchführung erlassenen Vorschriften
ist das Land. Abweichend von Satz 1 bilden die Länder Brandenburg und Berlin,
Niedersachsen und Bremen sowie Schleswig-Holstein und Hamburg jeweils eine
Region.
14
b) Sodann wird die nationale Obergrenze auf die Regionen verteilt (§ 4 Abs. 1 BetrPrämDurchfG).
Die Aufteilung richtet sich nach dem in Anlage 1 zum Gesetz vorgesehenen Verteilungsschlüssel.
Dieser legt für jede der 13 Regionen einen bestimmten Prozentanteil an der nationalen Obergrenze
fest, der zuvor nach bestimmten, im Gemeinschaftsrecht angelegten Vorgaben gekürzt und
angepasst worden ist. Der Schlüssel berücksichtigt zu 35 % den Anteil der jeweiligen Region an der
beihilfefähigen Gesamtfläche im Sinne der VO (EG) 1782/2003; zu 65 % geht er -
vergangenheitsbezogen - auf die bisherigen Anteile der Regionen am Prämienvolumen derjenigen
Stützungsregelungen zurück, die in die Betriebsprämienregelung einbezogen wurden. Diese
Berechnungsgrundlage des Verteilungsschlüssels ergibt sich nicht aus dem Gesetz und der
zugehörigen Anlage, sondern ist lediglich in der Begründung des Gesetzentwurfes genannt
(BTDrucks 15/2553, S. 23). Die Regelung hat folgenden Wortlaut:
15
§ 4
16
Aufteilung der Obergrenze auf die Regionen
17
(1) Die nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 um 1,0 vom Hundert gekürzte angepasste nationale
Obergrenze wird auf die einzelnen Regionen nach dem in Anlage 1 vorgesehenen
Schlüssel als Grundlage für die Berechnung des Referenzbetrages nach § 5
aufgeteilt (regionale Obergrenzen). …
18
Anlage 1 (zu § 4 Abs. 1)
19
Aufteilung der angepassten nationalen Obergrenze auf die Regionen
20
Region Anteil in % an der angepassten nationalen Obergrenze
Baden-Württemberg
7,6017
Bayern
19,6701
Brandenburg und Berlin
7,2815
Hessen
4,1374
Mecklenburg-Vorpommern
8,1409
Niedersachsen und Bremen
15,3941
Nordrhein-Westfalen
9,2730
Rheinland-Pfalz
3,1693
Saarland
0,3723
Sachsen
5,8367
Sachsen-Anhalt
7,4850
Schleswig-Holstein und Hamburg 6,5504
Thüringen
5,0876
21
c) Schließlich regelt das Betriebsprämiendurchführungsgesetz einen bundeseinheitlichen Modus für
die Verteilung des jeweiligen Prämienvolumens innerhalb der einzelnen Regionen. Gemäß § 5 Abs. 1
BetrPrämDurchfG wird für jeden Betriebsinhaber aus einem betriebsindividuellen und einem
flächenbezogenen Betrag ein bestimmter Betrag (Referenzbetrag der einheitlichen Betriebsprämie)
festgesetzt (vgl. Art. 41, Art. 59 Abs. 1, Abs. 3 VO 1782/2003). In § 5 BetrPrämDurchfG heißt
es:
22
§ 5
23
Bestimmung des Referenzbetrages der einheitlichen Betriebsprämie
24
(1) Der Referenzbetrag der einheitlichen Betriebsprämie wird für jeden
Betriebsinhaber in Anwendung des Artikels 59 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3
der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 aus einem betriebsindividuellen Betrag und
einem flächenbezogenen Betrag festgesetzt. …
25
Das Modell einer gemischten Berechnung der Betriebsprämien nach betriebsindividuellen und
flächenbezogenen Beträgen (Kombinationsmodell) soll nach einer Übergangsphase in das Modell
ei ner innerhalb der Regionen rein flächenbezogenen Betriebsprämie überführt werden (reines
Flächenmodell): Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 BetrPrämDurchfG ist jeder Zahlungsanspruch eines
Betriebsinhabers in einer Region für das Jahr 2009 (Startwert) bis zum Jahr 2013 („Anpassungspfad“,
wobei 2013 schon der Zielwert erreicht ist) nach dem in Anlage 3 zu dem Gesetz bestimmten
Berechnungsverfahren zu einem für jede Region einheitlichen Zahlungsanspruch, dem regionalen
Zielwert, anzugleichen. Der jeweilige Zielwert einer Region wird von der zuständigen Behörde im
Bundesanzeiger oder elektronischen Bundesanzeiger bekannt gemacht (§ 6 Abs. 1 Satz 4
BetrPrämDurchfG).
26
§ 6
27
Anpassung der Zahlungsansprüche
28
(1) Jeder Zahlungsanspruch eines Betriebsinhabers in einer Region für das Jahr
2009 (Startwert) ist bis einschließlich des Jahres 2013 (Anpassungsjahre) nach
dem in Anlage 3 bestimmten Berechnungsverfahren zu einem für jede Region
einheitlichen Zahlungsanspruch (regionaler Zielwert) anzugleichen. Bei der
Berechnung der Anpassung der Zahlungsansprüche ist dazu ab dem Jahr 2010
der Startwert um den zusätzlichen betriebsindividuellen Tabakbetrag zu erhöhen.
Der regionale Zielwert ergibt sich aus der Summe der Werte aller
Zahlungsansprüche einer Region für das Jahr 2009, erhöht um die Summe der
zusätzlichen Werte der Zahlungsansprüche, die sich aus der Berechnung nach
§ 5 Abs. 4a ergeben, geteilt durch die Summe der Zahlungsansprüche einer
Region für das Jahr 2009. Der jeweilige Zielwert einer Region wird von der
zuständigen Behörde im Bundesanzeiger oder elektronischen Bundesanzeiger
bekannt gemacht.
29
…
30
Anlage 3 (zu § 6 Abs. 1), die den sogenannten Anpassungspfad in den Jahren 2009 bis 2013 regelt,
sieht folgendes Berechnungsverfahren vor:
31
Anlage 3 (zu § 6 Abs. 1)
32
Berechnungsverfahren zur Bestimmung des Wertes der Zahlungsansprüche im
Zeitablauf
33
Berechnungsformel: Yt = Z + (xt * )
34
wobei:
35
Yt: Wert eines Zahlungsanspruchs im jeweiligen Anpassungsjahr
36
S: Startwert (Wert des Zahlungsanspruchs im Jahr 2009, erhöht ab dem Jahr
2010 um den zusätzlichen betriebsindividuellen Tabakbetrag)
37
Z: Zielwert (Wert des Zahlungsanspruchs ab dem Zieljahr)
38
xt: Angleichungsfaktor für das jeweilige Anpassungsjahr
39
Der Faktor xt hat folgende Werte:
40
für das Jahr 2009: 1,00
41
für das Jahr 2010: 0,90
42
für das Jahr 2011: 0,70
43
für das Jahr 2012: 0,40
44
ab dem Jahr 2013: 0,00
45
3. Dieses Verfahren hat zur Folge, dass nach Abschluss der Übergangsphase gemäß den
Schätzwerten des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (zuletzt
Stand vom April 2007), auf die sich auch die Antragstellerin stützt, ein saarländischer Landwirt im
Jahr eine regionale Einheitsprämie von 258 € je Hektar erhalten wird, während sich diese bei einem
Landwirt in Nordrhein-Westfalen oder in Schleswig-Holstein und Hamburg auf 359 € je Hektar
belaufen wird und die Betriebe in den übrigen Bundesländern zwischen diesen Beträgen liegen
werden. In der Tabelle der Schätzwerte des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz stellen sich die Hektarprämien für das Jahr 2013 wie folgt dar:
46
Region
2013
Schätzwerte für die regional einheitlichen
Zahlungsansprüche in €/ha
Baden-Württemberg
310
Bayern
354
Brandenburg/Berlin
301
Hessen
299
Mecklenburg-Vorpommern
330
Niedersachsen/Bremen
353
Nordrhein-Westfalen
359
Rheinland-Pfalz
295
Saarland
258
Sachsen
359
Sachsen-Anhalt
355>/td>
Schleswig-Holstein/Hamburg 359
Thüringen
347
Deutschland
340
II.
47
Die Regierung des Saarlandes (im Folgenden: Antragstellerin) hat am 20. Juli 2005 die Feststellung
beantragt, dass „Artikel 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik
vom 21. Juli 2004 (BGBl I S. 1763) - Gesetz zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie
(Betriebsprämiendurchführungsgesetz - BetrPrämDurchfG) (BGBl I S. 1763) - in der Fassung des
Ersten Gesetzes zur Änderung des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes vom 23. Juli 2004
(BGBl I S. 1861)
in
der
Fassung
der
Bekanntmachung
der
Neufassung
des
Betriebsprämiendurchführungsgesetzes vom 26. Juli 2004 (BGBl I S. 1868) verfassungswidrig“ ist.
48
In
verfahrensrechtlicher
Hinsicht
spricht
sich
die
Antragstellerin
aufgrund
des
gemeinschaftsrechtlichen Hintergrunds dafür aus, das angegriffene Gesetz nicht für nichtig, sondern
für mit dem Grundgesetz unvereinbar zu erklären. Ansonsten sieht sie keine Einschränkung der
Prüfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts (1.). Zur Begründetheit des Antrags führt die
Antragstellerin aus, sowohl der vom Betriebsprämiendurchführungsgesetz vorgesehene Endzustand,
also das Konzept einer lediglich landesweiten (gemeint: regionsinternen) Gleichbehandlung durch
Normen des Bundes (2.), als auch die Übergangsregelung für die Jahre 2009 bis 2013 (3.) verstießen
gegen das Grundgesetz.
49
1. Die Antragstellerin ist der Auffassung, das Betriebsprämiendurchführungsgesetz unterliege
uneingeschränkt der verfassungsrechtlichen Beurteilung durch das Bundesverfassungsgericht.
50
Die Verordnung VO (EG) 1782/2003 eröffne dem nationalen Gesetzgeber in Art. 58 und Art. 59
hinsichtlich der Betriebsprämienregelung insofern einen Gestaltungsspielraum, als die Mitgliedstaaten
regionale Prämienobergrenzen festlegen und den Gesamtbetrag der jeweiligen regionalen Obergrenze
ganz oder teilweise auf alle Betriebsinhaber aufteilen könnten. Mache der nationale Gesetzgeber von
der Möglichkeit einer Regionalisierung nach Art. 58 und Art. 59 VO (EG) 1782/2003 keinen Gebrauch,
so gelte unmittelbar das in der Verordnung geregelte Standardmodell. Diese Wirkung träte auch ein,
wenn
das
Bundesverfassungsgericht
auf
den
Normenkontrollantrag
das
Betriebsprämiendurchführungsgesetz für nichtig erklären würde. Allerdings sei dies nicht Ziel des
Antrags. Die in der gemeinschaftsrechtlichen Verordnung VO (EG) 1782/2003 vorgesehene
Verteilungsregelung, das Standardmodell, stehe dem deutschen Verfassungsrecht nämlich noch
ferner als die derzeitige - inkonsequente - nationale Regelung. Damit sei die typische Situation für die
Entscheidungsform der Unvereinbarkeitserklärung gegeben, die die nationale Regelung für eine
Übergangszeit in Kraft lasse. So würde auch der Spielraum des Gesetzgebers, dem Verstoß gegen
den Gleichheitsgrundsatz abzuhelfen, gewahrt.
51
Korrekturen im nationalen Recht seien auch nicht durch die Fristbestimmung in der VO (EG)
1782/2003 ausgeschlossen, wonach bis spätestens 1. August 2004 die Entscheidung des
Mitgliedstaates über eine Regionalisierung getroffen sein müsse. Für die Festlegung der Regionen
und der Aufteilung des Prämienvolumens auf die Regionen (regionale Obergrenzen) nach Art. 58 VO
(EG) 1782/2003 gelte die Fristbestimmung nicht.
52
2. Die Antragstellerin meint weiter, der vom Betriebsprämiendurchführungsgesetz vorgesehene
Endzustand einer „regional einheitlichen“ Flächenbeihilfe, der im Jahre 2013 erreicht werden solle, sei
verfassungswidrig.
53
Die Bezeichnung als „regional einheitlich“ verdecke, dass das ab diesem Zeitpunkt als endgültige
Lösung zur Anwendung kommende Hektarprämienrecht eben keine bundeseinheitliche Förderung,
sondern eine lediglich auf die einzelnen Regionen bezogene einheitliche Förderhöhe beinhalte.
„Regional einheitlich“ heiße damit soviel wie „für Landwirte aus verschiedenen Regionen
uneinheitlich“. Für einen saarländischen Bauern werde sich die regionale Einheitsprämie nach den
ursprünglichen Schätzwerten für die regionalen Zielwerte auf 265 € je Hektar belaufen, für einen
Landwirt in Schleswig-Holstein aber auf 360 € je Hektar, während die Betriebe der übrigen
Bundesländer zwischen diesen Extremwerten lägen. Somit werde durch einen Hoheitsakt des
Bundes eine länderbezogene Ungleichbehandlung von Gewaltunterworfenen des Bundes in
vergleichbarer Situation geschaffen.
54
Die flächenbezogene Förderung, für die sich der Gesetzgeber grundsätzlich entschieden habe,
werde in ihrer Höhe wesentlich durch den Durchschnitt der historischen Förderdaten der Betriebe
einer Region determiniert, letztlich also durch die historischen Erträge der im Referenzzeitraum
landwirtschaftlich tätigen Betriebe einer Region. Es finde - trotz des Bekenntnisses zur einheitlichen
Flächenförderung - somit hinsichtlich der Bemessung der Flächenförderung größtenteils keine an
diesem Maßstab orientierte Neuausrichtung statt. Vielmehr bleibe es bei einer Wahrung des
Besitzstands der bisher begünstigten Regionen und bei einer Umverteilung weitgehend nur innerhalb
der Grenzen der Regionen.
55
Politische Kompromisslösungen hätten dazu geführt, dass weder zwischen den Mitgliedstaaten der
Europäischen Union noch zwischen den Bundesländern eine Vergabe der Subventionen nach einem
sachgerechten Maßstab zustande gekommen sei. Es sei widersprüchlich, dass die Fläche zwar zum
entscheidenden Kriterium, zum im Prinzip einheitlichen Schlüssel für die Bemessung der
Subventionen erhoben werden solle, die Höhe der Förderung aber sehr stark, zu 65 %, davon
abhänge, in welcher Region die bewirtschafteten Flächen lägen und welches Förderniveau die
Betriebe dieser Region in der Vergangenheit genossen hätten. Eine ehemals intensive
Bewirtschaftungsart werde somit entgegen den Zielen der Reform auf Dauer prämiert. Dies sei
sachlich nicht gerechtfertigt und deshalb in zweierlei Hinsicht verfassungswidrig: Die Verteilung der
Subventionen verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG und sei auch
mit dem föderativen Gleichbehandlungsgebot nicht vereinbar.
56
a) Primärer verfassungsrechtlicher Maßstab für die Verteilung von Subventionen sei der
Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
57
Der
Gleichheitssatz
verpflichte
den
Subventionsgeber,
ein
gleichheitsgerechtes
Verteilungsprogramm zu erstellen. Bei der Abgrenzung des Kreises der Begünstigten dürften nicht
Personen von der Begünstigung ausgeschlossen werden, wenn es für diese Ungleichbehandlung
keine in angemessenem Verhältnis zu dem Grund der Ungleichbehandlung stehende Rechtfertigung
gebe. Das Verteilungsprogramm müsse folgerichtig sein, dürfe den Subventionszielen nicht
zuwiderlaufen und keine gegenläufigen Verhaltensbefehle beinhalten. Dem werde die angegriffene
Regelung nicht gerecht.
58
Der im Betriebsprämiendurchführungsgesetz gewählte Verteilungsmaßstab sei nicht sachgerecht.
Wichtigstes Fixum der Ausgestaltung sei offenbar die Vorgabe gewesen, die in ein Land fließenden
Geldströme nicht zu stark zugunsten anderer Länder zu beeinträchtigen. Da zugleich die
unvermeidliche Entkoppelung der Direktbeihilfen von der Produktion zu bewerkstelligen gewesen sei,
hätten die produktionsunabhängigen, nach bewirtschafteter Fläche zu verteilenden Prämien
weitgehend „bundeslandbezogen“ an die tradierten Förderdaten angebunden werden müssen. So sei
zwar bundesweit ein Flächenschlüssel für die Aufteilung der Subventionen eingeführt worden. Der
Anteil der Regionen an der beihilfefähigen Gesamtfläche sei jedoch nur zu 35 % in die regionalen
Obergrenzen eingegangen. Zu 65 % seien in die Plafonds dagegen besitzstandswahrend die
historischen Anteile der Regionen am Fördervolumen eingeflossen. Hieraus ergäben sich
Ungereimtheiten und Widersprüche, die mit der Zielfestlegung und dem Erfordernis der folgerichtigen
Ausgestaltung des Subventionsprogramms nicht in Einklang stünden.
59
b)
Das
Betriebsprämiendurchführungsgesetz
verstoße
gegen
das
föderative
Gleichbehandlungsgebot, wie es in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Gewährung
von Bundesergänzungszuweisungen (Hinweis auf BVerfGE 72, 330) ausgeprägt worden sei.
60
Das föderative Gleichbehandlungsgebot beanspruche nicht nur für die Vergabe von
Bundesergänzungszuweisungen Geltung, sondern für alle Bereiche des Verhältnisses zwischen Bund
und Ländern. Es verbiete nicht nur eine unterschiedliche unmittelbare Alimentierung verschiedener
Länder ohne sachlichen Grund. Unzulässig sei danach auch eine an die Niederlassung in bestimmten
Ländern anknüpfende unterschiedliche Förderung von Betrieben, wenn für die Unterschiedlichkeit
kein über die Ansiedlung in einem Land hinausgehender sachlicher Grund vorliege. Die Konservierung
historischer Ertragswerte oder das Interesse von Landwirten bestimmter Länder an der
Aufrechterhaltung ihrer bisherigen, im Verhältnis zu anderen Betriebsinhabern bevorzugten Förderung
könnten keine sachliche Rechtfertigung für eine dauerhaft ungleiche Förderung abgeben.
61
3. Die Übergangsregelung des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes sei ebenfalls nicht mit dem
Grundgesetz vereinbar.
62
Hinsichtlich des in der Übergangszeit zu berücksichtigenden betriebsindividuellen Anteils der
Förderung gelte die im Zusammenhang mit dem gesetzlich vorgesehenen Endzustand geäußerte
verfassungsrechtliche Kritik wegen der Fortschreibung historischer Förderdaten entsprechend. Eine
Fortsetzung der betriebsindividuellen Förderung nach Maßgabe historischer Ertragsdaten sei mit
Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz verfassungsrechtlich nicht zulässig. Die
betriebsindividuelle Förderung, wie sie in die Übergangsregelung übernommen worden sei, stelle auf
einen zurückliegenden Zeitraum ab. Hätte sie Bestand, würde sie bestehende Benachteiligungen und
Ungleichgewichte nicht beseitigen, sondern vielmehr zementieren, wie bereits der Europäische
Wirtschafts- und Sozialausschuss für eine derart ausgestaltete Förderung bemängelt habe
(Bezugnahme auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, ABl
Nr. C 208 vom 3. September 2003, S. 64 <68>).
63
Gegenüber der von historischen Durchschnittserträgen auf Landesebene abhängigen
Flächenförderung, die ab 2013 gelten solle, weise die an historischen Förderdaten orientierte
betriebsindividuelle Förderung in der Übergangszeit weiter die Problematik auf, dass diese Förderung
nicht an die tatsächliche Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen gebunden sei. Entsprechend
habe der Wirtschafts- und Sozialausschuss bereits zu dem Verordnungsentwurf und der in dieser
Weise entkoppelten Betriebsprämie zutreffend moniert, dass bei einer Verteilung der
Agrarmarktbeihilfen unter Orientierung an Referenzbeträgen „für die Bürger nicht nachvollziehbar
wäre, für welche Leistungen die künftigen Betriebsprämien gewährt werden, da sie als ’Finanzboni’
ohne ausreichenden Bezug zu der im jeweiligen Betrieb tatsächlich ausgeübten landwirtschaftlichen
Tätigkeit stehen würden“ (so die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und
Sozialausschusses, a.a.O.).
64
Auch die im Blick auf die Umstellung der Förderung unausweichliche Verringerung des
Förderniveaus für einen Teil der Betriebe könne eine Übergangsregelung wie die vorgesehene mit
einer Laufzeit von acht Jahren, in der ein betriebsindividueller Teil der Förderung weiterhin eine
maßgebliche Rolle spiele, nicht rechtfertigen.
III.
65
1. Zu dem Normenkontrollantrag hat die Bundesregierung durch ihren Verfahrensbevollmächtigten
Stellung genommen. Sie hält das von der Antragstellerin erstrebte Ziel, dem Gesetzgeber eine
Neuregelung der Betriebsprämien aufzugeben, für mit der VO (EG) 1782/2003 unvereinbar (a) und
erachtet das Betriebsprämiendurchführungsgesetz sowohl hinsichtlich der Festlegung der regionalen
Obergrenzen nach § 4 in Verbindung mit der Anlage 1 zu dem Gesetz (b), als auch hinsichtlich des in
den §§ 5, 6 vorgesehenen schrittweisen Übergangs vom Kombinations- zum Regionalmodell (c) für
verfassungsgemäß.
66
a) Nach Art. 58 Abs. 1 VO (EG) 1782/2003 hätten die Mitgliedstaaten spätestens bis zum
1. August 2004 beschließen können, die Betriebsprämienregelung auf regionaler Ebene anzuwenden.
Hierbei handele es sich um eine Ausschlussfrist. Das von der Antragstellerin erstrebte Ziel, den
Bundesgesetzgeber
über
die
Feststellung
der
Verfassungswidrigkeit
des
Betriebsprämiendurchführungsgesetzes zu einer Neuregelung der Aufteilung der nationalen
Obergrenze auf die Regionen zu veranlassen, sei somit nach dem Gemeinschaftsrecht nicht
erreichbar. Jedenfalls ohne gemeinschaftsgerichtliche Klärung der Frage, ob Art. 58 VO (EG)
1782/2003 einer Änderung der Aufteilung der nationalen Obergrenze auf die Regionen nach dem
1. August 2004 entgegenstehe und bejahendenfalls, ob die Vorschrift insoweit gültig, also mit
höherrangigem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei, komme eine Änderung der getroffenen Festlegung
der regionalen Obergrenzen nicht in Betracht. Im Ergebnis Gleiches gelte, soweit die Antragstellerin
eine Änderung der Übergangsregelung der §§ 5, 6 BetrPrämDurchfG („Anpassungspfad“) erstrebe.
Die hierin bestimmte schrittweise Anpassung der Zahlungsansprüche sei in Art. 63 Abs. 3 VO (EG)
1782/2003 vorgesehen. Auch hierüber hätten die Mitgliedstaaten aber nur bis zum 1. August 2004
beschließen können.
67
b) Die Aufteilung der nationalen Obergrenze auf die einzelnen Regionen verletze nicht den
allgemeinen Gleichheitssatz.
68
aa) Die Unterschiede der einzelnen Zahlungsansprüche resultierten im Wesentlichen daraus, dass
die einheitliche Betriebsprämie nach den Vorgaben der VO (EG) 1782/2003 einen Gesamtanspruch
darstelle, der sich aus einer bestimmten Anzahl von einzelnen Zahlungsansprüchen je Hektar Fläche
zusammensetze, die nationale Obergrenze aber nicht gleichmäßig auf die beihilfefähigen Flächen in
der Bundesrepublik verteile. Stattdessen habe sich der Gesetzgeber bei der Verteilung der nationalen
Obergrenze auf die Regionen für einen Modus entschieden, der neben dem Anteil der Regionen an
der beihilfefähigen Gesamtfläche auch deren Anteil am Prämienvolumen der bisherigen
Stützungsregelungen berücksichtige.
69
Diese gesetzgeberische Entscheidung sei sachgerecht und rechtfertige auch die daraus folgenden
Differenzierungen. Sie habe zum einen den Schutz der individuellen Interessen der Betriebsinhaber
zum Ziel, die bisher teilweise erheblich höhere Prämienzahlungen je Hektar bewirtschafteter Fläche
erhalten hätten. Zum anderen verfolge sie das allgemeine Interesse daran, die Wirtschaftskraft
bestimmter Regionen nicht zu gefährden. Die getroffene gesetzgeberische Entscheidung bringe die
verfolgten Ziele zu einem angemessenen Ausgleich. Im Übrigen sehe auch die VO (EG) 1782/2003
als Regelfall gerade keine Umverteilung der Prämien vor.
70
bb) An dem in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts herausgearbeiteten föderativen
Gleichbehandlungsgebot sei die Festlegung der regionalen Obergrenzen nicht zu messen. Das
föderative Gleichbehandlungsgebot wurzele im Gebot bundesfreundlichen Verhaltens und somit in der
Statusgleichheit der einzelnen Länder. Bedeutung erlange diese Rechtsfigur daher im unmittelbaren
verfassungsrechtlichen Verhältnis zwischen dem Bund und den Ländern. Durch das
Betriebsprämiendurchführungsgesetz seien die Länder als solche hingegen lediglich mittelbar
betroffen, nämlich vermittelt über die in ihrem jeweiligen Gebiet ansässigen landwirtschaftlichen
Betriebe.
71
Im Übrigen beinhalte das föderative Gleichbehandlungsgebot wie der allgemeine Gleichheitssatz
kein striktes Verbot jedweder Differenzierung. Es sei nicht zu beanstanden, dass bei der Aufteilung
der nationalen Obergrenze auf die Regionen auch die historischen Prämien berücksichtigt worden
seien.
72
c) Auch die Regelungen der §§ 5, 6 BetrPrämDurchfG zum „Anpassungspfad“ in den Jahren 2009
bis 2013 stünden mit der Verfassung in Einklang. Sie verstießen nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der
normierte sukzessive Übergang von einem Kombinationsmodell nach Art. 59 Abs. 3 VO (EG)
1782/2003 zu dem ab 2013 anzuwendenden reinen Regionalmodell im Sinne von Art. 59 Abs. 2 VO
(EG) 1782/2003 beschränke sich auf das Ziel einer Angleichung der Zahlungsansprüche innerhalb der
einzelnen Regionen. Ohne Wahrnehmung der Option des Art. 59 VO (EG) 1782/2003 wäre das
Standardmodell anzuwenden gewesen. Eine Angleichung der Zahlungsansprüche innerhalb der
Regionen wäre damit ausgeschlossen gewesen. Die Wahl des Regionalmodells hätte hingegen zwar
eine Umverteilung erlaubt, dies aber nur übergangslos. Eine schrittweise, die Anpassungsfähigkeit
der Betroffenen nicht überfordernde Angleichung der Zahlungsansprüche sei daher nur durch ein
Kombinationsmodell zu erreichen gewesen, bei dem der nach dem Standardmodell ermittelte Anteil
schrittweise zugunsten des nach dem Regionalmodell ermittelten Anteils abgesenkt werde.
73
2. Der Normenkontrollantrag ist neben der Bundesregierung dem Bundestag, dem Bundesrat, den
weiteren Landesregierungen und dem Deutschen Bauernverband e.V. zugestellt worden. Diese haben
von einer Stellungnahme abgesehen.
74
Die Antragstellerin hat auf mündliche Verhandlung verzichtet.
B.
75
Der Antrag ist zulässig.
76
Die Antragstellerin ist gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 76 Abs. 1 BVerfGG antragsberechtigt. Ihre
Zustimmung zum Betriebsprämiendurchführungsgesetz im Bundesrat lässt ihre Antragsberechtigung
nicht entfallen. Der objektive Charakter des abstrakten Normenkontrollverfahrens macht die
Antragsbefugten zu Garanten einer verfassungsgemäßen Rechtsordnung. Deshalb müssen sie sich
nicht schon im Normentstehungsverfahren bei ihrer Stimmabgabe im Bundesrat schlüssig sein, ob
sie später eine abstrakte Normenkontrolle herbeiführen wollen (vgl. BVerfGE 101, 158 <213>).
C.
77
Die
von
der
Antragstellerin
zur
Prüfung
gestellten
Regelungen
des
Betriebsprämiendurchführungsgesetzes sind förmlich und sachlich mit dem Grundgesetz vereinbar.
Der Antrag beinhaltet bei sachgerechter Auslegung eine Beschränkung der Normenkontrolle auf die
Vorschriften der §§ 2, 4 Abs. 1 mit Anlage 1, § 5 Abs. 1 sowie auf § 6 Abs. 1 mit Anlage 3
BetrPrämDurchfG (I.). Aufgrund der Vorprägung des Verfahrensgegenstandes durch
Gemeinschaftsrecht ist die Prüfung seiner Verfassungsmäßigkeit nicht von vornherein
ausgeschlossen oder eingeschränkt (II.). Die in Rede stehenden Vorschriften sind formell
verfassungsgemäß (III.). Sie verstoßen nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG (IV.) und sind mit dem
föderativen Gleichbehandlungsgebot (V.) sowie mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar (VI.).
I.
78
Die Prüfung und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sind auf die im Beschlusstenor
bezeichneten Vorschriften des Gesetzes zu begrenzen.
79
1. Der Prüfungsumfang bestimmt sich im Normenkontrollverfahren nach dem gestellten Antrag.
Dieser bedarf hier indes der Auslegung (vgl. BVerfGE 73, 118 <151>; 103, 332 <345>). Die
Antragstellerin greift mit ihrem Antrag zwar das gesamte Betriebsprämiendurchführungsgesetz, der
Begründung zufolge aber nur bestimmte Kernregelungen an.
80
Die Antragsschrift enthält keine ausdrückliche Beschränkung des Prüfungsumfangs auf einzelne
Vorschriften des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes. Ebenso wenig setzt sich die Antragsschrift
aber lückenlos mit dem gesamten Normenwerk auseinander. Die Begründung des Antrages geht
allein auf die Grundmechanismen des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes für die regionale
Anwendung der einheitlichen Betriebsprämie ein (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG). Die
Antragstellerin wendet sich gegen die Aufteilung der nationalen Obergrenze auf die Regionen und den
zugrunde
liegenden
Schlüssel
sowie
gegen
die
Beibehaltung
betriebsindividueller,
vergangenheitsbezogener Prämienbestandteile. Ihre Beanstandungen zielen damit auf die Wahl und
die Ausgestaltung des Kombinations- und ab dem Jahr 2013 des sogenannten reinen
Regionalmodells. Sie tritt insbesondere der Berücksichtigung der Förderung aus dem
Referenzzeitraum der Jahre 2000 bis 2002 entgegen, weil damit zu wesentlichen Teilen die
vergangenheitsbezogene Bestimmung und Verteilung der Betriebsprämien auf die einzelnen
Regionen verbunden sind („Zementierungswirkung“), und zwar auch noch nach dem Ende des
„Anpassungspfades“, also ab dem Jahr 2013, sowie während der Übergangsphase auch innerhalb der
einzelnen Regionen.
81
Nicht beanstandet werden hingegen die zahlreichen weiteren Einzelheiten der Regelung. Auch die
gesetzlich getroffene Differenzierung zwischen Dauergrünland einerseits und sonstigen förderfähigen
Flächen (Ackerflächen) andererseits bei der Berechnung des flächenbezogenen Betrags der
einheitlichen Betriebsprämie (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BetrPrämDurchfG in Verbindung mit
Anlage 2) wird in der Begründung der Antragsschrift nicht angegriffen. Um die weiteren
Gesetzesnormen, etwa die für bestimmte Agrarprodukte getroffenen Einzelbestimmungen wie in § 2a
BetrPrämDurchfG für Hopfen, die Bestimmungen über die Bildung einer nationalen Reserve gemäß
§ 3 BetrPrämDurchfG sowie über die Datenübermittlung gemäß § 7 BetrPrämDurchfG geht es der
Antragstellerin erkennbar nicht. Die Angriffsrichtung des Normenkontrollantrags beschränkt sich
somit bei sachgerechtem Verständnis auf die Vorschriften der §§ 2, 4 Abs. 1 mit Anlage 1, § 5
Abs. 1 sowie § 6 Abs. 1 mit Anlage 3 BetrPrämDurchfG. Damit ist auch der Umfang der
verfassungsgerichtlichen Prüfung auf diese Vorschriften begrenzt, die Wahl und Ausgestaltung des
auf nationaler Ebene statuierten Modells tragen.
82
2. Gegenstand der Prüfung sind die in Rede stehenden Vorschriften in der von der Antragstellerin
benannten Fassung des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes. Die nach Eingang des
Normenkontrollantrags durch das am 28. April 2006 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur Änderung
des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes vom 24. April 2006 (BGBl I S. 1298) sowie durch das
Dritte Gesetz zur Änderung des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes vom 28. März 2008 (BGBl I
S. 495) mit Wirkung vom 5. April 2008 erfolgten Änderungen berühren nicht die hier zu prüfenden
Regelungen.
II.
83
Die
Prüfung
der
Verfassungsmäßigkeit
der
bezeichneten
Normen
durch
das
Bundesverfassungsgericht im Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG ist nicht deshalb von
vornherein ausgeschlossen oder eingeschränkt, weil die Vorschriften in wesentlichen Teilen
gemeinschaftsrechtlich determiniert sind (vgl. BVerfGE 118, 79 <95 ff.>).
84
Das Bundesverfassungsgericht ist zwar grundsätzlich gehindert, über die Gültigkeit von
Gemeinschaftsrecht zu entscheiden, weil es sich hierbei nicht um Akte deutscher Staatsgewalt
handelt. Über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht in Deutschland, das von
deutschen Hoheitsträgern als Rechtsgrundlage in Anspruch genommen wird, übt das
Bundesverfassungsgericht seine Gerichtsbarkeit nicht mehr aus und überprüft dieses Recht mithin
nicht am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes, solange die Europäischen Gemeinschaften,
insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, einen
wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell
gewährleisten, der dem vom Grundgesetz jeweils als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im
Wesentlichen gleich zu erachten ist, zumal den Wesensgehalt der jeweiligen Grundrechte generell
verbürgt (vgl. BVerfGE 73, 339 <387>; 102, 147 <162 ff.>; 118, 79 <95 ff.>). Dies gilt für
gemeinschaftsrechtliche Verordnungen und Richtlinien, aber auch für innerstaatliche
Rechtsvorschriften, die eine Richtlinie in deutsches Recht umsetzen, soweit das Gemeinschaftsrecht
keinen Umsetzungsspielraum lässt (vgl. BVerfGE 118, 79 <95>).
85
Im vorliegenden Fall hindert Gemeinschaftsrecht die von der Antragstellerin begehrte
verfassungsrechtliche Prüfung jedoch nicht. Das Betriebsprämiendurchführungsgesetz macht von der
in der VO (EG) 1782/2003 eröffneten Option zur Regionalisierung Gebrauch und gestaltet die Option
in einer bestimmten Weise aus. Diese dem nationalen Gesetzgeber überlassene Ausgestaltung ist
der verfassungsgerichtlichen Prüfung zugänglich. Die gemeinschaftsrechtliche Vorprägung des
Betriebsprämiendurchführungsgesetzes könnte sich allenfalls dann und insoweit auf der
Rechtsfolgenseite der Entscheidung auswirken, als eine etwaige Unvereinbarkeits- oder
Nichtigkeitsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Betriebsprämiendurchführungsgesetz
Rechtsfragen zu der Bedeutung des in der VO (EG) 1782/2003 gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen
Termins zur Ausübung der Option für ein bestimmtes Modell zur Umsetzung bis zum 1. August 2004
und zu der Bewertung des in der Verordnung verankerten Standardmodells aufwerfen würde. Dies ist
indes nicht der Fall, da sich die zur Prüfung gestellten Vorschriften als verfassungsgemäß erweisen.
III.
86
Der
Bund
hatte
die
Gesetzgebungskompetenz
für
den
Erlass
des
Betriebsprämiendurchführungsgesetzes.
87
Die Bestimmungen des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes sind Gegenstand der
konkurrierenden Gesetzgebung. Sie dienen der Förderung der land- und forstwirtschaftlichen
Erzeugung sowie der Sicherung der Ernährung im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 17 GG (vgl. BTDrucks
15/2553, S. 22; für das Erste Gesetz zur Änderung des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes:
BTDrucks 15/3046, S. 7).
88
Das Gesetz wird auch den zum Zeitpunkt seiner Verkündung geltenden Anforderungen des Art. 72
Abs. 2 GG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung (Art. 72 Abs. 2 GG a.F.) gerecht. Das
Betriebsprämiendurchführungsgesetz war zur Wahrung der Rechtseinheit im gesamtstaatlichen
Interesse erforderlich (zu den Anforderungen vgl. BVerfGE 106, 62 <146>). Die Gesetzesbegründung
(BTDrucks 15/2553, S. 22) stellt zu Recht darauf ab, dass gesetzliche Vorschriften auf Bundesebene
zwingend erforderlich waren, um die VO (EG) 1782/2003 sachgerecht umsetzen zu können. Insoweit
weist sie zutreffend auf den Zeitpunkt des Beginns der Entkoppelung, die Höhe der nationalen
Reserve, die Festlegung der regionalen Durchführung und die Verteilung des Prämienvolumens auf
die Regionen hin. Die Erforderlichkeit der bundesgesetzlichen Regelung ist auch für den Umfang der
getroffenen, hier in Rede stehenden Bestimmungen des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes zu
bejahen. Soweit das Betriebsprämiendurchführungsgesetz über den Beginn der Entkoppelung, die
Höhe der nationalen Reserve, die Festlegung der regionalen Durchführung und die Verteilung des
Prämienvolumens auf die Regionen hinaus auch regelt, wie im Endzustand und während der im
Einzelnen spezifizierten Übergangsphase innerhalb der Regionen der jeweilige Prämienplafonds zu
verteilen ist (vgl. §§ 5, 6 BetrPrämDurchfG), dient dies in legitimer Weise einheitlichen
konzeptionellen Rahmenbedingungen für die Landwirte im Bundesgebiet.
89
Das Betriebsprämiendurchführungsgesetz dient überdies der Wahrung der Wirtschaftseinheit im
gesamtstaatlichen Interesse (zu den Anforderungen vgl. BVerfGE 106, 62 <146 f.>). Es bezweckt
die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Wirtschaftsraums der Bundesrepublik Deutschland durch
bundeseinheitliche Rechtsetzung.
IV.
90
Die Vorschriften der §§ 2, 4 Abs. 1 mit Anlage 1, § 5 Abs. 1 sowie § 6 Abs. 1 mit Anlage 3
BetrPrämDurchfG verstoßen nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die
ihnen zugrunde liegenden Differenzierungen beruhen insbesondere auf hinreichend sachbezogenen,
nach Art und Gewicht vertretbaren Gründen. Dem Gesetzgeber ist es danach bei einer Umstellung
eines Subventionierungssystems im Bereich der Gewährung von Agrarmarktbeihilfen grundsätzlich
unbenommen, zur Vermeidung struktureller Verwerfungen auch vergangenheitsbezogene
Förderelemente zu berücksichtigen, selbst wenn dies für die Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe in
verschiedenen Regionen Deutschlands zu unterschiedlichen flächenbezogenen Förderbeträgen (hier:
Hektarprämien) führt.
91
1. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und
Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen
Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl.
BVerfGE 88, 87 <96>; 117, 1 <30>).
92
Bei der gewährenden Staatstätigkeit hat der Gesetzgeber weitgehende Freiheit darüber zu
entscheiden, welche Personen oder Unternehmen durch finanzielle Zuwendungen des Staates
gefördert werden sollen (vgl. BVerfGE 78, 104 <121>; 99, 165 <177 f.>; 110, 274 <293>). Zwar bleibt
er auch hier an den Gleichheitssatz gebunden. Das bedeutet aber nur, dass er seine Leistungen nicht
nach unsachlichen Gesichtspunkten verteilen darf. Sachbezogene Gesichtspunkte stehen ihm in
weitem Umfang zu Gebote, solange die Regelung sich nicht auf eine der Lebenserfahrung geradezu
widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebenssachverhalte stützt (vgl. BVerfGE 17, 210 <216>;
110, 274 <293>). Was für die Abgrenzung des Kreises der Begünstigten gilt, muss erst recht
zugrunde gelegt werden, wenn aufgrund einer Umstellung des Fördersystems staatliche
Gewährungen fortan nach modifizierten Regeln verteilt werden und in der Folge einige Gruppen schon
bisher Begünstigter weniger, andere bis dahin bereits geförderte Gruppen hingegen mehr Förderung
erhalten. Unter diesen Umständen müssen die gesetzlichen Differenzierungen lediglich auf
hinreichend sachbezogenen, nach Art und Gewicht vertretbaren Gründen beruhen (vgl. BVerfGE 99,
367 <390>).
93
2. Eine rechtliche Ungleichbehandlung, die der Rechtfertigung bedarf, ist zwischen den
Vergleichsgruppen der in den verschiedenen Regionen ansässigen Betriebsinhaber feststellbar.
94
Die Verteilung des jeweiligen regionalen Prämienvolumens („regionale Obergrenze“ im Sinne des § 4
Abs.
1
BetrPrämDurchfG)
innerhalb
der
Regionen
erfolgt
zwar
nach
dem
Betriebsprämiendurchführungsgesetz bundesweit in gleicher Weise. Dennoch ergeben sich - auch bei
vergleichbar strukturierten Betrieben - allein aufgrund des regionalen Standorts unterschiedliche
Prämienhöhen, weil das nationale Beihilfevolumen in einer bestimmten Art und Weise auf regionale
Plafonds verteilt wird: Der in Anlage 1 zum Gesetz geregelte Verteilungsschlüssel berücksichtigt zu
35 % den Anteil der jeweiligen Region an der bundesweit beihilfefähigen Gesamtfläche im Sinne der
VO (EG) 1782/2003, während er zu 65 % - vergangenheitsbezogen - darauf zurückgeht, welcher
Anteil am Prämienvolumen der in die Betriebsprämienregelung einbezogenen Stützungsregelungen
bisher auf die jeweilige Region entfiel. Auch nach Abschluss der Übergangsphase von 2009 bis 2013
werden sich daher für die Landwirte in unterschiedlichen Regionen zum Teil deutlich voneinander
abweichende regionale Prämien pro Hektar ergeben. Dies belegen die Schätzwerte des
Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Stand vom April 2007),
wonach sich etwa für einen saarländischen Landwirt eine Prämie von 258 € je Hektar und für einen
Landwirt in Nordrhein-Westfalen oder in Schleswig-Holstein und Hamburg eine Prämie von 359 € je
Hektar ergeben dürfte.
95
In der gesetzlichen Übergangsphase besteht das gleiche Grundproblem. Dieses wird jedoch
dadurch modifiziert, dass die Verteilung des Prämienvolumens auch innerhalb der Regionen nicht nur
von der beihilfefähigen Fläche eines Betriebes, sondern überdies zu einem gewissen, mit dem Lauf
der Zeit jedoch abnehmenden Anteil von dessen früheren Beihilfenbezug in dem Referenzzeitraum
der Jahre 2000 bis 2002 abhängt (Kombinationsmodell), der erst ab dem Jahr 2013 bei der Verteilung
innerhalb einer Region nicht mehr berücksichtigt wird. Dieser zusätzliche Effekt der Fortschreibung in
der Vergangenheit gezahlter Beihilfen in der Übergangsphase bis zum Jahre 2013 stellt sich als
weiteres Gleichheitsproblem dar, unterliegt aber grundsätzlich dem gleichen rechtlichen
Prüfungsmaßstab wie die Aufteilung des nationalen Prämienvolumens auf die Regionen anhand
vergangenheitsbezogener Referenzwerte.
96
Die daraus folgende Kumulation der vergangenheitsbezogenen Fortschreibungseffekte in der
Übergangsphase verstärkt die - an den Differenzierungsgründen des früheren Stützungssystems
ausgerichtete - Ungleichbehandlung der Betriebsinhaber. Das Kombinationsmodell beruht einerseits
auf der Aufteilung des nationalen Prämienvolumens auch anhand regionaler Referenzwerte („65:35-
Lösung“) und andererseits auf der Verteilung der regionalen Plafonds auch anhand
betriebsindividueller Referenzwerte.
97
3. Die im Betriebsprämiendurchführungsgesetz vorgesehenen Differenzierungen für die Aufteilung
des Fördervolumens sind verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Eine an Regionen ausgerichtete
Differenzierung in einem Bundesgesetz ist von Verfassungs wegen nicht grundsätzlich
ausgeschlossen (a). Auch die konkrete Ausgestaltung des gewählten Grundmechanismus im
Betriebsprämiendurchführungsgesetz ist verfassungsgemäß (b). Ferner verstoßen die zur Prüfung
stehenden Regelungen des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes nicht gegen sonstige
verfassungsrechtliche Vorgaben, die die Antragstellerin anführt und die mit dem Gleichheitssatz in
Verbindung gebracht werden können (c).
98
a) Regionale Anknüpfungspunkte können in einem Bundesgesetz ein zulässiges
Differenzierungskriterium sein.
99
Der Gleichheitssatz bindet jeden Träger öffentlicher Gewalt in dessen konkretem
Zuständigkeitsbereich (vgl. BVerfGE 79, 127 <158>). Erlässt der Bundesgesetzgeber ein Gesetz, so
unterliegen die darin getroffenen Differenzierungen einer auf den Gesamtstaat bezogenen
Gleichheitsprüfung. Hiervon kann sich der Gesetzgeber auch nicht entbinden, indem er besondere
Regionen bildet oder bei seinen Differenzierungen an vorgefundene Gebietskörperschaften, etwa die
Länder, anknüpft. Denn Referenzgebiet einer Norm des Bundesgesetzgebers ist das gesamte
Bundesgebiet (vgl. BVerwGE 129, 116 <120 f.>). Diese auf den Gesamtstaat bezogene
Rechtfertigungsbedürftigkeit von Ungleichbehandlungen schließt es aber nicht aus, für besondere
Fallgestaltungen Differenzierungen nach regionalen Merkmalen vorzunehmen, wenn sich für den
Zuschnitt der Regionen und vor allem gerade für deren unterschiedliche Behandlung hinreichende
sachliche Rechtfertigungsgründe finden lassen und der Gesetzgeber ein einheitliches
Regelungsprinzip zugrunde gelegt hat (siehe BVerwGE 129, 116 <122>; vgl. auch BVerfGE 78, 249
<286 ff.> zu räumlichen Differenzierungen bei der Fehlbelegungsabgabe im Bereich der
Subventionierung des Wohnungsbaus).
100
b) Die Regelungen des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes, die zu einer Ungleichbehandlung
der in verschiedenen Regionen ansässigen Betriebsinhaber führen, beruhen auf solchen hinreichend
sachbezogenen, nach Art und Gewicht vertretbaren Gründen. Ihnen liegt auch ein für den
Gesamtstaat einheitliches Regelungsprinzip zugrunde. Das gilt sowohl für die gesetzliche
Übergangsphase vom Kombinations- zum Flächenmodell als auch für das endgültige, rein regionale
Flächenmodell.
101
aa) Für den nationalen Gesetzgeber waren die divergierenden, zu einem Ausgleich zu bringenden
Ziele einer weitgehenden Entkoppelung der Produktion von der Beihilfegewährung einerseits und des
Bestandsschutzes andererseits, die bereits in der VO (EG) 1782/2003 angelegt und vorgegeben
waren, bei deren Konkretisierung und Umsetzung leitend.
102
(1) Die gesamte Land- und Ernährungswirtschaft ist in hohem Maße durch Gemeinschaftsrecht
geregelt (vgl. BVerfGE 82, 159 <184>). Bei der Umsetzung der VO (EG) 1782/2003 musste der
Gesetzgeber einem bereits in der Verordnung selbst angelegten Zielkonflikt Rechnung tragen:
Anliegen der Verordnung ist es zum einen, die Betriebsprämie in Abkehr von dem vorangegangenen
Stützungsmodell von der Produktion zu entkoppeln. Zum anderen ist es ein - vom nationalen
Gesetzgeber aufgegriffenes und fortgeführtes - Anliegen der Verordnung, übermäßige Verwerfungen
zu Lasten der Betriebsinhaber wie auch zu Lasten des Gemeinwohls infolge eines abrupten
Systemwechsels zu vermeiden.
103
Der Erwägungsgrund 28 zu der VO (EG) 1782/2003 bringt einerseits zum Ausdruck, dass die
Betriebsprämie grundsätzlich nicht an die Produktion bestimmter Erzeugnisse gebunden sein soll.
Die Betriebsinhaber sollen im Sinne einer besseren Marktorientierung frei entscheiden können,
welche Erzeugnisse sie auf ihren Flächen produzieren. Andererseits sieht die VO (EG) 1782/2003 in
ihrem Standardmodell einen Bezug zu der Produktion bestimmter Erzeugnisse vor, indem sie die
Höhe der Zahlungsansprüche mit den in der Vergangenheit (Bezugszeitraum der Kalenderjahre 2000,
2001 und 2002) empfangenen, produktionsbezogenen Beihilfen verknüpft.
104
(2) Die im Entwurfsstadium der Verordnung geäußerte Kritik des Wirtschafts- und
Sozialausschusses (vgl. Art. 257 Abs. 1 und Art. 262 EGV) an der teilweisen
„Rückwärtsgewandtheit“ des Regelungsgehalts kann weder unmittelbar noch mittelbar gegen das
Ausgestaltungskonzept des nationalen Gesetzgebers mit Erfolg eingewandt werden (vgl.
Stellungnahme, ABl Nr. C 208 vom 3. September 2003, S. 64 ff.; ähnlich kritisch die Stellungnahme
des Ausschusses der Regionen, ABl Nr. C 256 vom 24. Oktober 2003, S. 18 ff.). Die grundsätzliche
Konstruktion der gemeinschaftsrechtlichen Betriebsprämienregelung ist trotz der Stellungnahme des
Wirtschafts- und Sozialausschusses, die für das weitere Verfahren wegen dessen nur beratender
Aufgabe nicht bindend war, bewusst beibehalten worden. Die Fassung der VO (EG) 1782/2003 war
letztlich das Ergebnis eines politischen Kompromisses (vgl. dazu etwa Krüger/Böhme, NL-BzAR
2003, S. 434 <440>). Es entspricht der Typik politischer Kompromissfindung, dass partiell
widerstreitende Ziele in der Verordnung ihren Niederschlag gefunden haben. Dementsprechend ist
auch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anerkannt, dass die
Gemeinschaftsorgane bei der Verfolgung der Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik „für den ständigen
Ausgleich zu sorgen haben, den etwaige Widersprüche zwischen den verfolgten Zielen, wenn diese
isoliert betrachtet werden, erforderlich machen können“ (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Oktober 1995, Rs.
C-44/94, Slg. 1995, I-3115 ff. <3147, Tz. 37> m.w.N.). Das war auch vorliegend ersichtlich das
Bestreben der Gemeinschaftsorgane (vgl. auch die auf Bewahrung der Proportionen bedachte
Bestimmung der nationalen Obergrenzen in Anhang VIII der VO (EG) 1782/2003).
105
(3) Die divergierenden, zu einem Ausgleich zu bringenden Ziele der Entkoppelung einerseits und
des Bestandsschutzes andererseits hat der nationale Gesetzgeber aufgegriffen; sie waren auch für
ihn bei der Konkretisierung und Umsetzung der VO (EG) 1782/2003 leitend, wobei auch das nationale
Umsetzungsgesetz das Ergebnis eines politischen Diskussionsprozesses ist und sich als Ausgleich
unterschiedlicher Interessen erweist. Dies kommt bereits in der Gesetzesbegründung der
Bundesregierung zum Ausdruck: Danach sollten die gemeinschaftsrechtlich bestehenden
Möglichkeiten zur Entkoppelung in Deutschland zwar in vollem Umfang und so früh wie möglich, das
heißt ab dem Jahre 2005 genutzt werden (BTDrucks 15/2553, S. 18). Die Stützungswirkung der
Direktzahlungen werde durch die Entkoppelung der Produktion vom Erzeugnis hin zum Erzeuger
verlagert und die Einkommenseffizienz der Direktzahlungen verbessert. Die Entscheidungsfreiheit der
Landwirte werde erhöht; sie könnten sich besser an den Marktbedingungen orientieren und sich
dadurch neue Einkommensmöglichkeiten eröffnen. Auf der anderen Seite hielt aber schon die
Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf eine gewisse Bestandsschutzregelung für erforderlich: Die
Umsetzung der Entkoppelung über ein reines System gleich hoher flächenbezogener
Zahlungsansprüche bereits zu Beginn der Neuregelung würde - so die Gesetzesbegründung - zu einer
abrupten Umverteilung von Prämienvolumen zwischen den Betriebsinhabern führen. Dies würde die
Anpassungsfähigkeit vieler Betriebe mit teilweise erheblich über dem Durchschnitt liegenden
Prämienzahlungen je Hektar bewirtschafteter Fläche überfordern und die Gefahr struktureller Brüche
beinhalten (BTDrucks 15/2553, S. 18; siehe auch die Änderungsvorschläge des
Vermittlungsausschusses, BTDrucks 15/3494; vgl. zu dem Problem einer abrupten Umstellung weiter
Ahner, AUR Beil. I/2005 S. 3 <4>; Großkopf, AUR Beil. I/2005 S. 6 <7>).
106
(4) Das Betriebsprämiendurchführungsgesetz bringt die Ziele der Entkoppelung von der Produktion
und des betrieblichen wie regionalen Bestandsschutzes in seiner grundsätzlichen Anlage zu einem
Ausgleich:
107
In einem ersten Schritt wird das Bundesgebiet in eine Mehrzahl von Regionen aufgeteilt. In einem
zweiten Schritt wird das nationale Prämienvolumen nach einem bestimmten Schlüssel auf die
Regionen verteilt. Der Verteilungsschlüssel enthält einerseits ein historisches Moment und
berücksichtigt andererseits den Umfang der beihilfefähigen Fläche innerhalb der jeweiligen Region. In
einem dritten Schritt - dabei unterschiedlich für die Startphase bis 2008, für die Übergangsphase von
2009 bis 2013 und für die danach einsetzende letzte Phase - regelt das
Betriebsprämiendurchführungsgesetz einen bundeseinheitlichen Modus für die Verteilung des
jeweiligen Prämienvolumens innerhalb der einzelnen Regionen.
108
Das vom Gesetzgeber mit seiner differenzierenden Regelung verfolgte Ziel, neben der
Entkoppelung der Direktzahlungen von der Produktion auch regionalen und betrieblichen
Bestandsschutz
zu
gewährleisten
sowie
starke,
zu
Verwerfungen
führende
Umstrukturierungswirkungen zu vermeiden, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht legitim. Die
getroffene Regelung ist jedenfalls im Grundsatz ersichtlich geeignet, dem gesetzgeberischen Ziel
eines gewissen Maßes an Bestandsschutz zu dienen. Sie beruht insoweit auf hinreichend
sachbezogenen, nach Art und Gewicht vertretbaren Gründen.
109
bb) Die Regelung ist schließlich nicht deshalb sachwidrig, weil sie in ihrer konkreten Ausgestaltung
zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung derjenigen Betriebsinhaber führen würde, die aufgrund ihrer
regionalen Ansässigkeit weniger von dem Bestandsschutz profitieren als Betriebsinhaber in anderen
Regionen, und die bei sonst vergleichbaren tatsächlichen Bedingungen geringere Betriebsprämien
erhalten.
110
(1) Die vom Gesetzgeber vorgenommene regionale Gliederung des Bundesgebietes entlang der
Ländergrenzen (§ 2 Abs. 2 BetrPrämDurchfG) rechtfertigt sich hier aus Gründen der
Verwaltungspraktikabilität. Praktischen Erfordernissen der Verwaltung kann Bedeutung bei der
Rechtfertigung gesetzgeberischer Entscheidungen zukommen (vgl. BVerfGE 44, 283 <288>; 103,
225 <235>). Unter den bei der Betriebsprämienregelung zu berücksichtigenden Verhältnissen war die
Anknüpfung an die vorgefundenen Ländergrenzen auch in der speziellen Ausgestaltung des § 2
Abs. 2 BetrPrämDurchfG sachgerecht.
111
Die Gleichsetzung des gesamten Bundesgebiets mit einer einzigen Region im Sinne der regionalen
Durchführung verbot sich ersichtlich aufgrund der Regelung in Art. 58 Abs. 2 VO (EG) 1782/2003.
Danach können Mitgliedstaaten mit einer beihilfefähigen Fläche von weniger als drei Millionen Hektar
als eine Region angesehen werden. In Deutschland liegt die maßgebliche Gesamtfläche weit höher
(vgl. Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2008, S. 335, Tabelle 13.1, wonach die
landwirtschaftlich genutzte Fläche im Jahre 2007 nach den dort zugrunde gelegten Maßstäben
16,9543 Millionen Hektar betrug). Der Gesetzgeber hätte eine Untergliederung des Gesamtstaates
mithin allenfalls nach anderen Kriterien als entlang der Ländergrenzen vorsehen können. Dabei wäre
indes mit einem weniger effektiven Verwaltungsvollzug zu rechnen gewesen. Die bestehenden
Verwaltungsstrukturen in den Ländern sind nach allgemeinen Grundsätzen in erster Linie auf einen an
die Ländergrenzen gebundenen Verwaltungsvollzug angelegt. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte
dafür, dass eine nicht an den Ländergrenzen ausgerichtete Unterteilung des Bundesgebiets, etwa
nach sogenannten „Naturräumen“, eine höhere Einzelfallgerechtigkeit bei vergleichbarer
Rechtssicherheit und vertretbarem Verwaltungsaufwand hätte erwarten lassen (vgl. zu einer
ähnlichen Problematik EuGH, Urteil vom 27. November 1997, Rs. C-356/95, Slg. 1997 I-6589
<6615 f., Tz. 41>, Kulturpflanzen-Ausgleichszahlungs-Verordnung). Ob und inwieweit der
Gesetzgeber unter dem Gesichtspunkt einer naturraumbezogenen Abgrenzung auch andere
Lösungen hätte vorsehen können, ist hier unerheblich.
112
Die Einbeziehung der sogenannten Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg in jeweils
angrenzende Flächenländer war ebenfalls ersichtlich sachgerecht. Diese weisen strukturelle
Eigenarten auf, die eine Sonderbehandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 72, 330 <331>). Bei
der Betrachtung des Agrarbereichs tritt nicht nur die flächenmäßig geringe Größe dieser Länder
besonders hervor, sondern auch die geringe Zahl agrarischer Betriebe (vgl. zu den Motiven der
Zusammenfassung von Brandenburg und Berlin BTDrucks 15/2553, S. 23; zur Zusammenfassung
der Länder Bremen und Niedersachsen sowie Hamburg und Schleswig-Holstein BTDrucks 15/2770,
S. 1 und S. 9).
113
(2) Der Modus der Aufteilung des nationalen Prämienvolumens auf die Regionen hält sich auch in
seiner konkreten Ausgestaltung innerhalb des Spielraumes, der dem Gesetzgeber zukommt. Dieser
hat sich nicht etwa davon leiten lassen, dass die im Gesetz angelegten Unterscheidungen „historisch
gewachsen“ seien, was eine Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen könnte (vgl. BVerfGE 62, 256
<279>; zur Gefahr der Außerkraftsetzung des Art. 3 GG durch Berufung auf die Tradition vgl. ferner
BVerfGE 19, 1 <11>). Vielmehr waren - wie bereits dargelegt - Überlegungen zur Entkoppelung und
zum betrieblichen wie regionalen Bestandsschutz gleichermaßen tragend. Es lässt sich nicht
feststellen, dass der Gesetzgeber bei seinem Ansatz, die Gedanken der flächenbezogenen
Förderung einerseits und des betrieblichen wie regionalen Bestandsschutzes andererseits in einen
angemessenen Ausgleich zu bringen, von unzutreffenden oder unvollständigen Tatsachen
ausgegangen wäre. Die eintretenden regionalen Umverteilungseffekte wurden auf der Grundlage
verschiedener Modelle ermittelt. Diese regionalen Umverteilungseffekte sind beispielhaft für das Jahr
2010 in der folgenden Tabelle - beruhend auf Angaben der Bundesregierung, die in ihrem
wesentlichen Aussagegehalt von keiner Seite in Zweifel gezogen worden sind - wiedergegeben,
wobei die zweite Spalte den Umverteilungseffekt gegenüber dem Zustand vor der Reform und auf der
Grundlage des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes wiedergibt, die dritte Spalte die
Umverteilungswirkung, die bei Annahme eines zu 100 % flächenbezogenen Verteilungsschlüssels
eingetreten wäre:
114
Region
Umverteilungseffekt bei
gemischtem
Verteilungsschlüssel
des BetrPrämDurchfG in %
Umverteilungseffekt bei rein
flächenbasiertem
Verteilungsschlüssel
in %
1. Saarland
+
14,5
+
41,5
2. Rheinland-Pfalz
+
10,3
+
29,3
3. Brandenburg/Berlin
+
6,8
+
19,3
4. Baden-Württemberg
+
4,8
+
13,8
5. Hessen
+
4,8
+
13,8
6. Mecklenburg-Vorpommern +
1,0
+
2,9
7. Niedersachsen/Bremen
+
0,2
+
0,7
8. Bayern
-
2,0
-
5,6
9. Sachsen-Anhalt
-
2,1
-
5,9
10. Thüringen
-
2,6
-
7,3
11. Nordrhein-Westfalen
-
2,8
-
8,1
12. Sachsen
-
3,2
-
9,1
13. Schleswig-
Holstein/Hamburg
-
4,5
-
13,0
115
Aus den Berechnungen ist zu ersehen, dass bei dem gemischten Verteilungsschlüssel des
Betriebsprämiendurchführungsgesetzes im Vergleich zu einem reinen Flächenschlüssel die
Umverteilungseffekte zwischen den Regionen gemindert, aber für keine Region umgekehrt werden.
Insbesondere werden besonders auffällige Umverteilungen zu Lasten oder zu Gunsten einzelner
Regionen vermieden. Die Region Saarland gewinnt etwa 14,5 % und nicht 41,5 % an Fördervolumen
hinzu, die Region Rheinland-Pfalz 10,3 % und nicht 29,3 %. Die Region Schleswig-Holstein/Hamburg
verliert auf der anderen Seite etwa nur 4,5 % und nicht 13 %, die Region Sachsen nur 3,2 % und
nicht 9,1 %. Die Zahlen stützen das Ergebnis, dass es sich, gemessen an dem Ziel der Vermeidung
abrupter Brüche, um eine Regelung handelt, für die gute Gründe ins Feld geführt werden können. Den
zugrunde liegenden Erwägungen durfte der Gesetzgeber auch beachtliches Gewicht beilegen. Die
Aufteilung der nationalen Obergrenze zu 65 % anhand historischer und nur zu 35 % anhand
flächenbezogener Werte überschreitet damit nicht den Wertungsrahmen des Gesetzgebers, den er
bei gewährender Staatstätigkeit in Anspruch nehmen darf.
116
(3) Der nur in der gesetzlichen Übergangsphase bis zum Jahre 2013 zusätzlich auftretende, alle
Regionen betreffende Effekt, dass die Prämiengewährung an die Betriebsinhaber innerhalb einer
Region auch an dem Kriterium der individuellen Förderung in einem zurückliegenden
Referenzzeitraum ausgerichtet ist, unterliegt keiner anderen Beurteilung. Die insofern
rechtfertigungsbedürftige Orientierung an historischen Werten findet ihren Niederschlag bereits in der
Verteilung der regionalen Obergrenzen, und zwar in einer stärker generalisierenden Form. Hält die
Regionalisierung nach dem Betriebsprämiendurchführungsgesetz einer verfassungsrechtlichen
Prüfung aber stand, so gilt für die Verfassungsmäßigkeit des bis zum Ende der Übergangsphase
innerhalb der Regionen abnehmenden und auslaufende, vergangenheitsbezogenen Förderungsanteils
nichts anderes. Während der Vergangenheitsbezug in der nationalen Verteilung Umbrüche in der
interregionalen Vergleichssituation abzufedern vermag, kann er auf regionaler Ebene, also
intraregional, die Auswirkungen des Systemwechsels für die Betriebsinhaber zusätzlich abmildern.
117
Die Kumulation der vergangenheitsbezogenen Verteilungsmechanismen auf nationaler (§ 4 Abs. 1
BetrPrämDurchfG i.V.m. Anlage 1) und auf regionaler Ebene (§§ 5 und 6 BetrPrämDurchfG i.V.m.
Anlage 3) in der gesetzlichen Übergangsphase bis zum Jahre 2013 begegnet ebenfalls keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Regelungen bewirken auch in ihrem Zusammenspiel keine
erkennbar sachwidrigen Härten für vergleichsweise geringer geförderte Betriebsinhaber, die mit den
vom Gleichheitssatz gezogenen Grenzen unvereinbar wären.
118
(4) Ferner erweist sich nach dem verfassungsrechtlichen Maßstab weder die Wahl des
Startzeitpunkts der Übergangsphase bis zur Herstellung einheitlicher Flächenprämien innerhalb der
Regionen (im Jahre 2009) als unangemessen spät, noch ist die Dauer der Übergangsphase (bis zum
Jahre 2013) erkennbar unangemessen lang angesetzt worden.
119
Dem Gesetzgeber kommt für die Einschätzung der weiteren Entwicklung in der Landwirtschaft ein
Prognose- und Gestaltungsspielraum zu, der hier im Blick auf die Komplexität der Materie sehr weit
greift. Bei dessen Ausgestaltung kann er sich zumal am Beginn einer Systemänderung in der
Subventionierung des Agrarbereichs auch mit gröberen Typisierungen und Generalisierungen
begnügen (vgl. BVerfGE 78, 249 <288>).
120
Die Bemessung der hier in Rede stehenden Fristen für den Beginn des „Anpassungspfades“ in den
Regionen und dessen Dauer ist unter diesen Umständen nicht unangemessen. Die Strukturierung des
Systems im Zeitverlauf ist erkennbar daran ausgerichtet, dass im Bereich der Landwirtschaft die
Produktionsbedingungen vergleichsweise wenig flexibel sind. Tierhaltung und unmittelbare
Flächenproduktion unterliegen naturgegebenen Zyklen. Investitionen in Bearbeitungsgeräte und
technische Ausstattungen, wie zum Beispiel Stallungen, sind in der Regel langfristig kalkuliert und
kurz- wie mitunter selbst mittelfristig nur mit erheblichem Aufwand korrigierbar und veränderbar. Die
finanzielle Situation der landwirtschaftlichen Betriebe ist generell nicht durch das Vorhandensein
beachtlicher Reserven und das Anfallen großer Gewinnspannen gekennzeichnet. Die seit
Jahrzehnten für notwendig erachteten Stützungsregelungen sprechen eher für das Gegenteil. Unter
diesen Umständen ist die Prognose des Gesetzgebers hinsichtlich des Beginns und der Dauer der
Übergangsphase nicht zu beanstanden.
121
(5) Einer besonderen verfassungsrechtlichen Bewertung bedarf allerdings die ab dem Jahre 2013
eintretende „Zementierungswirkung“ im Hinblick auf die Berücksichtigung der Förderung aus dem
zurückliegenden Referenzzeitraum bei der Aufteilung des nationalen Prämienvolumens auf die
Regionen. Der Gesichtspunkt der Umstellung der Betriebe und der Vermeidung von Verwerfungen
auch zwischen den Regionen wird im Laufe der Zeit zunehmend an Gewicht verlieren und zu einem
bestimmten Zeitpunkt möglicherweise ganz entfallen. Nach der derzeitigen Konzeption des
Gesetzgebers wird das naheliegenderweise ab dem Jahr 2013 in Betracht zu ziehen sein, es sei
denn, es würde sich für die Fortschreibung dieses Fördereffektes nach alter Systematik ein anderer
sachgerechter Grund anführen lassen. Da dieser Zeitpunkt aber deutlich in der Zukunft liegt und
ohnehin vorgesehen ist, die weitere Entwicklung zu beobachten und gegebenenfalls Korrekturen
möglicherweise schon auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene vorzunehmen (vgl. etwa aus letzter Zeit
„GAP-Health-check“, Mitteilung der Kommission an den Rat und an das Europäische Parlament vom
20. November 2007, Vorbereitung auf den anstehenden „GAP-Health-check“, KOM <2007>, 722
endgültig; Verordnungsvorschläge der Kommission vom 20. Mai 2008, KOM <2008>, 306), lässt sich
derzeit nicht feststellen, dass diese in der Zukunft liegenden Wirkungen schon aus heutiger Sicht mit
dem Gleichheitssatz unvereinbar wären.
122
Die zuständigen staatlichen Organe sind indessen gehalten, die tatsächlichen Auswirkungen der
Betriebsprämienregelung insbesondere im Blick auf das mit der Zeit abnehmende Gewicht des
Bestandsschutzgesichtspunktes und ein Sichaufbrauchen des Zieles der Vermeidung von
strukturellen Verwerfungen im Agrarbereich zu beobachten und gegebenenfalls auch auf eine
Fortentwicklung im Bereich des Gemeinschaftsrechts hinzuwirken, um einer sachlich etwa nicht
mehr zu rechtfertigenden „Zementierung“ des Einflusses vergangenheitsbezogener Referenzwerte
ohne zeitliche Begrenzung entgegenzuwirken (vgl. zu gesetzgeberischen Beobachtungs- und
Nachbesserungspflichten BVerfGE 88, 203 <269, 309 ff.>; 110, 141 <166, 169>; 111, 10 <42>). Dies
ist nicht zuletzt auch in der gemeinschaftsrechtlichen Verordnung selbst bereits angelegt (vgl.
Erwägungsgründe 22 und 28 der VO (EG) 1782/2003). Auch die Organe der Gemeinschaft werden
das aufgrund ihrer gemeinschaftsrechtlichen Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit mit den
Mitgliedstaaten zu beachten haben (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Oktober 2003, Rs. C-339/00, Slg.
2003, I-11757, Tz. 72).
123
c) Die zur Prüfung stehenden Regelungen des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes verstoßen
auch nicht gegen sonstige von der Antragstellerin angeführte verfassungsrechtliche Vorgaben, die
sich aus dem Gleichheitssatz oder in Verbindung mit ihm ergeben.
124
aa) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sind die Bestimmungen nicht in sich oder in einem
übergeordneten Zusammenhang widersprüchlich oder systemwidrig. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts führt die Systemwidrigkeit einer Norm allein noch nicht zur Annahme
eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz; sie kann allenfalls ein Indiz für einen
solchen sein. Entscheidend kommt es darauf an, ob die Abweichung sachlich hinreichend
gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE 9, 20 <28>; 81, 156 <207>; 104, 74 <87>; stRspr).
125
Für die hier zu beurteilenden Vorschriften des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes lässt sich
keine solche Systemabweichung feststellen. Das Gesetz ist nach Art eines gesetzgeberischen
Kompromisses ausgestaltet, der - wie dargelegt - auf mehreren hinreichend sachbezogenen, nach Art
und Gewicht vertretbaren Gründen beruht. Es ist dem Gesetzgeber nicht verwehrt, im Rahmen eines
umfassenden Systems, wie es die gemeinsamen Marktordnungen darstellen, unterschiedliche
Regelungsziele zu verfolgen, auch wenn dies zu einer geminderten Wirkung hinsichtlich der
Einzelziele führen mag. Eine verfassungsrechtlich beachtliche Systemwidrigkeit lässt sich daraus
nicht herleiten.
126
bb) Die in Rede stehenden Regelungen des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes lassen keine
verfassungsrechtlichen Transparenzanforderungen hinsichtlich der verfolgten Gesetzeszwecke außer
Acht. Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit in einem Gesetz, das Lenkungsziele verfolgt, der
Lenkungszweck mit hinreichender Bestimmtheit tatbestandlich vorgezeichnet sein muss (vgl. für
Steuergesetze BVerfGE 93, 121 <148>; zur spezifischen Transparenzpflicht des Gesetzgebers bei
der Berücksichtigung von Sonderlasten der Länder im Rahmen von Bundesergänzungszuweisungen
BVerfGE
72,
330
<332>).
Jedenfalls
war
der
Gesetzgeber
des
Betriebsprämiendurchführungsgesetzes nicht gehalten, über die Ausführungen in der
Gesetzesbegründung hinaus besondere Bestimmungen über die von ihm verfolgten Ziele in den
Gesetzestext aufzunehmen (vgl. dazu, dass Lenkungszwecke im Steuerrecht lediglich von
„erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidungen getragen“ sein müssen BVerfGE 117, 1 <32 und
69>).
127
cc) Soweit das Bundesverwaltungsgericht und andere Verwaltungsgerichte teilweise eine
Verfassungswidrigkeit der früher geltenden, im Verordnungsrange stehenden Subventionsregelungen
im Agrarbereich angenommen haben, lassen sich die hierfür maßgeblichen Erwägungen nicht auf das
Betriebsprämiendurchführungsgesetz übertragen. Die gleichheitsrechtliche Problematik in den von
der Antragstellerin angeführten verwaltungsgerichtlichen Verfahren wurde darin gesehen, dass der
Bundesverordnungsgeber dort seiner Regelung kein bundesweit einheitliches Regelungsprinzip
zugrunde gelegt, sondern sich unterschiedliche Verfahren der Länder zur Untergliederung ihres
Gebietes zu Eigen gemacht hatte (vgl. etwa zur Flächenzahlungs-Verordnung: BVerwGE 129, 116;
zur Kulturpflanzen-Ausgleichszahlungs-Verordnung: Nieders. OVG, Urteil vom 28. April 1997 -
3 L 3851/95 -, RdL 1997, S. 319 f., und Urteil vom 28. April 1997 - 3 L 2724/96 -, RdL 1998, S. 12 f.).
Beim Betriebsprämiendurchführungsgesetz erfolgt die Verteilung des Prämienvolumens innerhalb der
Regionen dagegen bundesweit nach einem einheitlichen Regelungsprinzip. Lediglich die
Differenzierung zwischen Dauergrünland und sonstigen förderfähigen Flächen (Ackerflächen) bei der
Berechnung des flächenbezogenen Betrags der einheitlichen Betriebsprämie folgt innerhalb der
Regionen (gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BetrPrämDurchfG i.V.m. Anlage 2) regionsspezifisch
unterschiedlichen Wertverhältnissen von Dauergrünland und sonstigen förderfähigen Flächen, worauf
es hier aber wegen der Beschränkung des Normenkontrollantrags nicht ankommt, und wofür im
Übrigen tragfähige sachliche Gründe angeführt worden sind (vgl. zur Begründung des § 5 Abs. 3
Satz 1 Nr. 2 BetrPrämDurchfG i.V.m. Anlage 2 BTDrucks 15/2553, S. 24 f.). Zudem werden auch
insoweit die regionsspezifisch unterschiedlichen Wertverhältnisse nach einer bundesweit
einheitlichen Berechnungsformel bestimmt.
V.
128
Die zu prüfenden Regelungen des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes stehen auch mit dem
föderativen Gleichbehandlungsgebot in Einklang.
129
Aus dem Bundesstaatsprinzip und dem allgemeinen Gleichheitssatz folgt ein föderatives
Gleichbehandlungsgebot für den Bund im Verhältnis zu den Ländern (vgl. BVerfGE 72, 330 <331 f.
und 404>; 119, 394 <410 f.>). Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der Bund
dieses Gebot bei der Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen gemäß Art. 107 Abs. 2 Satz 3
GG zu beachten hat. Hat die Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen das Ziel, die
Finanzkraft der leistungsschwachen Länder allgemein anzuheben, so ist der Bund zur
Gleichbehandlung dieser Länder verpflichtet (vgl. BVerfGE 72, 330 <331 f. und 404>). Berücksichtigt
der Bund bei der Gewährung Sonderlasten der Länder, so folgen aus dem föderativen
Gleichbehandlungsgebot
darüber
hinaus
erhöhte
Transparenzanforderungen,
um
die
Gleichbehandlung der Länder sicherzustellen; der Gesetzgeber ist verpflichtet, die Sonderlasten zu
benennen und zu begründen (vgl. BVerfGE 72, 330 <332 und 405>). Auch ist der Gesetzgeber
verpflichtet, die berücksichtigten Sonderlasten in angemessenen Abständen auf ihren Fortbestand zu
überprüfen (vgl. BVerfGE 72, 330 <406>).
130
Das föderative Gleichbehandlungsgebot ist in der Bundesstaatsordnung des Grundgesetzes
angelegt. Es versteht die Länder als staatliche Gebietskörperschaften grundsätzlich gleichen Ranges
und dient der Wahrung einer Balance zwischen der Eigenstaatlichkeit der Länder und der
bundesstaatlichen Solidargemeinschaft (vgl. BVerfGE 101, 158 <222>). Es kann deshalb keine
Anwendung finden, wenn ein Bundesgesetz nicht die Länder zu Adressaten hat, sondern sich
lediglich auf die Finanzkraft der Bürger in den Ländern unterschiedlich auswirkt und so allenfalls
mittelbar Einfluss auf die Finanzkraft der Länder ausüben mag. Ob etwas anderes gelten kann, wenn
sich die mittelbaren Auswirkungen eines solchen Bundesgesetzes als Umgehung bundesstaatlicher
Verpflichtungen erweisen, kann offen bleiben. Dem Betriebsprämiendurchführungsgesetz kommt eine
derartige Wirkung nicht zu.
VI.
131
Die §§ 2, 4 Abs. 1 mit Anlage 1, § 5 Abs. 1 sowie § 6 Abs. 1 mit Anlage 3 BetrPrämDurchfG
verstoßen schließlich auch nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Der durch das Grundrecht der
Berufsfreiheit vermittelte Schutz reicht im vorliegenden Fall nicht weiter als derjenige des
allgemeinen Gleichheitssatzes.
Papier
Hohmann-Dennhardt
Bryde
Gaier
Eichberger
Schluckebier
Kirchhof
Masing