Urteil des BVerfG vom 01.02.2005
BVerfG: verfassungsbeschwerde, vollziehung, kindeswohl, unterlassen, aussetzung, akte, diplom, verwaltung, präsenz, hauptsache
Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2790/04 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn G...
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwältin Azime Zeycan,
Herner Straße 79, 44791 Bochum -
gegen
a)
den Beschluss des Oberlandesgerichts Naumburg vom 20. Dezember 2004 - 14 WF
234/04 -,
b)
den Beschluss des Oberlandesgerichts Naumburg vom 8. Dezember 2004 - 14 WF
236/04 -
h i e r: Widerspruch
1. des Jugendamts des Landkreises W...
als Amtsvormund
- Bevollmächtigte des Widerspruchsführers zu 1:
Rechtsanwälte Bettina Carl und Koll.
in Sozietä Göhmann, Wrede, Haas, Kappus & Hartmann,
Ferdinand-Rhode-Straße 3 b, 04107 Leipzig -
2. der Frau B...,
3. des Herrn B...
- Bevollmächtigte der Widerspruchsführer zu 2 und 3:
Rechtsanwältin Susanne Jacob,
Ferdinand-Rhode-Straße 3 b, 04107 Leipzig -
4. der Frau E.... (Verfahrenspflegerin)
gegen die einstweilige Anordnung der 3. Kammer des Ersten Senats des
Bundesverfassungsgerichts vom 28. Dezember 2004
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Papier,
die Richterin Hohmann-Dennhardt
und den Richter Hoffmann-Riem
gemäß § 32 in Verbindung mit § 93 d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993
(BGBl I S. 1473) am 1. Februar 2005 einstimmig beschlossen:
Die Widersprüche werden verworfen.
Gründe:
I.
1
Die Widerspruchsführer wenden sich gegen die vom Bundesverfassungsgericht zum Umgangsrecht des
Kindesvaters (Beschwerdeführer) erlassene einstweilige Anordnung.
2
Mit Beschluss vom 20. Dezember 2004 schloss das Oberlandesgericht Naumburg auf die Untätigkeitsbeschwerde
des Amtsvormundes (Widerspruchsführer zu 1) und der Pflegeeltern (Widerspruchsführer zu 2 und 3) unter anderem
den Umgang zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Sohn in Abänderung der einstweiligen Anordnung des
Amtsgerichts vom 2. Dezember 2004 bis zur abschließenden Entscheidung des Amtsgerichts in der Hauptsache aus.
Hiergegen legte der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde ein; zudem beantragte er den Erlass einer
einstweiligen Anordnung.
3
Mit Beschluss vom 28. Dezember 2004 setzte die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts
im Wege einer einstweiligen Anordnung die Wirksamkeit der den Umgang des Beschwerdeführers mit seinem Sohn
ausschließenden Regelung des Oberlandesgerichts Naumburg bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde
aus.
4
Hiergegen haben die Widerspruchsführer zu 1 bis 3 sowie die Verfahrenspflegerin des Kindes, die
Widerspruchsführerin zu 4, Widerspruch eingelegt, mit dem sie die Aufhebung der einstweiligen Anordnung
beziehungsweise die Aussetzung ihrer Vollziehung anstreben.
II.
5
1. Die Widersprüche sind unzulässig. Widerspruch gegen eine vom Bundesverfassungsgericht erlassene
einstweilige Anordnung kann nur einlegen, wer am verfassungsgerichtlichen Verfahren beteiligt ist. Der Begünstigte
des der Verfassungsbeschwerde zugrundeliegenden Ausgangsverfahrens ist zwar äußerungsberechtigt (§ 94 Abs. 3
BVerfGG). Ihm fehlt aber als einem nicht am Verfahren Beteiligten die Befugnis zum Widerspruch (stRspr beider
Senate des Bundesverfassungsgerichts, vgl. BVerfGE 99, 49 <50> m.w.N.). Eine Beteiligtenstellung können im
Verfassungsbeschwerdeverfahren außer dem Beschwerdeführer selbst, der allerdings gemäß § 32 Abs. 3 Satz 2
BVerfGG nicht widerspruchsberechtigt ist, nur die in § 94 Abs. 1, 2 und 4 BVerfGG genannten Verfassungsorgane
erlangen, § 94 Abs. 5 BVerfGG (vgl. BVerfGE 99, 49 <50>).
6
Da die Widerspruchsführer hiernach eindeutig nicht zur Einlegung eines Widerspruchs befugt sind, konnte gemäß
§ 93 d Abs. 2 Satz 1 BVerfGG die Kammer die Widersprüche ohne mündliche Verhandlung verwerfen (vgl. BVerfGE
99, 49 <50 f.>).
7
2. Die Widersprüche geben auch keine Veranlassung, die einstweilige Anordnung von Amts wegen (vgl. hierzu
BVerfGE 31, 87 <93>; 35, 12 <14>) aufzuheben, abzuändern oder ihre Vollziehung gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2
BVerfGG auszusetzen.
8
Vor allem bringen das von dem Widerspruchsführer zu 1 vorgelegte „fachpsychologische Gutachten“ der Frau Dr. H.
vom 28. Dezember 2004 und die von ihm zur Akte gereichten „Ergänzenden psychologischen Stellungnahmen“ der -
für das Landesjugendamt tätigen - Diplom-Pädagogin K. vom 3. Mai 2004 und vom 9. November 2004 keine
verwertbaren Erkenntnisse, die eine Änderung der einstweiligen Anordnung angezeigt erscheinen ließen. Im Kern
beziehen sie sich auf die Frage der Herausnahme des Kindes aus der Pflegefamilie. Demgegenüber hat die hier
gegenständliche einstweilige Anordnung lediglich das Umgangsrecht des Beschwerdeführers zum Gegenstand. Dazu,
dass die vorläufig angeordneten Umgangskontakte das Kindeswohl gefährden könnten, enthalten die vorgenannten
Bewertungen keine verlässlichen Feststellungen. Die in dem Gutachten der Frau Dr. H. erwähnte Präsenz eines
Fernsehteams anlässlich eines für April 2004 geplanten Umgangstermins gibt allerdings Anlass, auf die Verpflichtung
der Beteiligten hinzuweisen, alles zu unterlassen, was das Kindeswohl gefährden könnte.
9
Nach alledem ist die Haltung der Widerspruchsführer, dem Beschwerdeführer den Umgang trotz entgegenstehender
einstweiliger Anordnung des Bundesverfassungsgerichts zu verweigern, in keiner Weise zu rechtfertigen. Dafür, dass
der Widerspruchsführer zu 1 als Teil der öffentlichen Verwaltung seine Bindung an Recht und Gesetz in der gebotenen
Weise berücksichtigen wird, haben nötigenfalls die ihm übergeordneten Behörden Sorge zu tragen.
Papier
Hohmann-Dennhardt
Hoffmann-Riem