Urteil des BVerfG vom 24.03.2010
BVerfG: versicherung, befangenheit, beihilfe, untreue, wirtschaftsprüfer, steuerberater, kapital, anzeichen, strafverfahren, prozessbeteiligter
Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 2092/09 –
- 2 BvR 2523/09 -
In den Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerden
1. des Herrn L...
- Bevollmächtigter:
Rechtsanwalt Udo Jacob,
Grindelallee 1, 20146 Hamburg -
gegen a) das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. Juli 2009 - 5 StR 263/08 -,
b)
das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23. November 2007 - 608 KLs 3/07 -
- 2 BvR 2092/09 -,
2. der Frau L...
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. Wolf-Günther Cohnitz & Dr. A. W. Heinrich Langhein,
Grindelallee 180, 20144 Hamburg -
gegen a) das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. Juli 2009 - 5 StR 263/08 -,
b)
das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23. November 2007 - 608 KLs 3/07 -
- 2 BvR 2523/09 -
hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richter Broß,
Di Fabio
und Landau
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S.
1473) am 24. März 2010 einstimmig beschlossen:
Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angnommen.
Gründe:
A.
1
Gegenstand  der  Verfassungsbeschwerden  sind  Fragen  der  Zulässigkeit  einer  Fristsetzung  zur  Stellung  von
Beweisanträgen im Strafverfahren.
I.
I.
2
Wegen Bestechlichkeit in Tateinheit mit Untreue in zwei Fällen wurde der Beschwerdeführer zu 1), ein Steuerberater,
Wirtschaftsprüfer  und  Rechtsbeistand,  durch  Urteil  des  Landgerichts  Hamburg  vom  23.  November  2007  zu  einer
Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen seine Ehefrau, die Beschwerdeführerin zu
2),  wurde  wegen  Beihilfe  zur  Bestechlichkeit  in  zwei  Fällen,  jeweils  in  Tateinheit  mit  Beihilfe  zur  Untreue,  eine
Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verhängt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt
wurde.  Das  Landgericht  sah  es  als  erwiesen  an,  dass  sich  der  Beschwerdeführer  zu  1)  als  Mitglied  des
Verwaltungsausschusses  des  Versorgungswerks  der  Rechtsanwältinnen  und  Rechtsanwälte  in  H...,  von  einem
Bezirksdirektor  der  P...-Versicherung  im  Zuge  des  Abschlusses  zweier  Rentenversicherungsverträge  zwischen  dem
Versorgungswerk  und  der  Versicherung  hat  bestechen  lassen.  Die  Gelder  flossen  absprachegemäß  auf  das  Konto
einer von der Beschwerdeführerin zu 2) beherrschten Gesellschaft.
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1.  Durch  das  Gesetz  über  das  Versorgungswerk  der  Rechtsanwältinnen  und  Rechtsanwälte  in  der  Freien  und
Hansestadt  Hamburg  (RAVersG)  vom  21.  November  2000  (HmbGVBl  S.  349)  wurde  das  Versorgungswerk  als
Körperschaft  des  öffentlichen  Rechts  errichtet.  Leitungsorgan  ist  ein  fünfköpfiger  Verwaltungsausschuss.  Dessen
Hauptaufgabe  besteht  in  der  Prüfung  von  Geldanlagemöglichkeiten  für  das  durch  die  Mitgliedsbeiträge  gebildete
Kapital  des  Versorgungswerks.  In  der  Mitgliederversammlung  im  April  2001  wurde  der  Beschwerdeführer  zu  1)  zum
stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses gewählt.
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2. Der Beschwerdeführer zu 1) war bereits vor den streitgegenständlichen Taten als sogenannter stiller Vermittler für
die  P...-Versicherung  tätig,  da  er  als  Steuerberater  und  Wirtschaftsprüfer  eine  Vielzahl  vermögender  Mandanten
besaß,  die  teilweise  Beratungsbedarf  hinsichtlich  Kapitalanlagen  hatten.  In  vorliegender  Sache  wirkte  er  darauf  hin,
Gelder  des  Versorgungswerks  bei  der  P...-Versicherung  anzulegen,  wofür  er,  verdeckt  als  „Vermittlungsprovision“,
einen  Anteil  erhalten  sollte.  Der  Beschwerdeführer  zu  1)  erklärte  den  übrigen  Mitgliedern  des
Verwaltungsausschusses,  das  von  der  P...-Versicherung  angebotene  Kapitalanlageprodukt  biete  die  gewünschte
Mindestverzinsung von 3,5%; weitere Verwaltungsgebühren oder sonstige Kosten fielen nicht an. Tatsächlich bezog
sich  dieser  Garantiezins  jedoch  nicht  auf  die  effektive  Rendite,  sondern  auf  das  Kapital,  das  nach  Abzug
beträchtlicher  Kosten  angelegt  werden  würde.  Seitens  des  Versorgungswerks  wurden  in  der  Folgezeit  zwei
Rentenversicherungsverträge  mit  der  P...-Versicherung  abgeschlossen.  Der  Beschwerdeführer  zu  1)  erhielt
„Provisionen“ in Höhe von knapp 900.000 Euro sowie knapp 1,1 Millionen Euro.
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3. Im Laufe der Verhandlung setzte das Landgericht Hamburg eine Frist zur Stellung von Beweisanträgen. Nachdem
die Hauptverhandlung vom 18. Juni bis zum 9. Juli 2007 an insgesamt neun Sitzungstagen durchgeführt worden war,
wurde  das  Verfahren  gegen  einen  Mitangeklagten  am  9.  Juli  2007  abgetrennt.  Der  Vorsitzende  bestimmte  die
Fortsetzung  in  dem  abgetrennten  Verfahren  für  denselben  Tag  um  11:00  Uhr  und  traf  hinsichtlich  des  vorliegenden
Verfahrens anschließend folgende Anordnung:
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„Die Frist zur Anbringung von Beweisanträgen wird bestimmt bis Dienstag, den 10. Juli 2007,
10.00 Uhr.“
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Bereits  am  fünften  und  sechsten  Verhandlungstag  wurden  die  Verfahrensbeteiligten  darauf  hingewiesen,  nach
Vernehmung  von  zwei  noch  anzuhörenden  Zeugen  sei  „gegebenenfalls  damit  zu  rechnen,  dass  die  Schlussvorträge
zu  halten  sein“  würden.  Mit  Antrag  vom  9.  Juli  2007  lehnten  die  Beschwerdeführer  sämtliche  zur  Entscheidung
berufenen  Richter  wegen  der  Besorgnis  der  Befangenheit  ab.  Dieses  Gesuch  wurde  durch  Beschluss  der
Vertreterkammer vom 10. Juli 2007 zurückgewiesen.
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4.  Durch  Urteil  vom  9.  Juli  2009  hob  der  Bundesgerichtshof  das  Urteil  gegen  den  Beschwerdeführer  zu  1)  im
gesamten  Strafausspruch  mit  den  zugehörigen  Feststellungen  sowie  im  Ausspruch  über  den  Verfall  von  Wertersatz
auf.  Hinsichtlich  der  Beschwerdeführerin  zu  2)  änderte  der  Bundesgerichtshof  den  Schuldspruch  dahingehend  ab,
dass sie der Beihilfe zur Untreue in zwei Fällen schuldig sei und hob das Urteil im gesamten Strafausspruch mit den
zugehörigen  Feststellungen  auf.  Zu  neuer  Verhandlung  und  Entscheidung  über  die  Strafaussprüche  wurde  das
Verfahren zurückverwiesen.
II.
9
Die  Beschwerdeführer  rügen  eine  Verletzung  von  Art.  2  Abs.  1  GG,  Art.  19  Abs.  4  GG,  Art.  20  Abs.  3  GG  und
Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
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1.  An  der  Entscheidung  des  Landgerichts  hätten  zuvor  wegen  der  Besorgnis  der  Befangenheit  abgelehnte  Richter
mitgewirkt.  Die  Fristsetzung  zur  Stellung  von  Beweisanträgen  sei  willkürlich  gewesen.  Die  angenommene
Fristsetzungsbefugnis beruhe auf unzulässiger Rechtsfortbildung und die Frist von weniger als 24 Stunden sei evident
zu  kurz.  Weder  der  Beschwerdeführer  zu  1)  noch  sein  Verteidiger  hätten  durch  vorangegangenes  prozessuales
Verhalten  Veranlassung  zur  Fristsetzung  gegeben.  Das  entsprechende  Verhalten  anderer  Prozessbeteiligter  könne
dem Beschwerdeführer zu 1) nicht zugerechnet werden. Soweit der Verteidiger der Beschwerdeführerin zu 2) „in dem
einen  oder  anderen  Zusammenhang  aufgrund  (meiner)  seiner  persönlichen  Verbundenheit  mit  den  Angeklagten  zu
emotional agiert haben mag“, seien weder standes- noch strafrechtliche Grenzen überschritten worden. Jedenfalls sei
es  unzulässig,  dieses  Verhalten  der  Beschwerdeführerin  zu  2)  zuzurechnen,  mit  der  Folge,  dass  die  Richter  für  die
Anordnung einer „absurd kurzen Frist“ exkulpiert würden.
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2.  Der  Beschwerdeführer  zu  1)  rügt  ferner  einen  Verstoß  gegen  Art.  103  Abs.  2  GG  infolge  der  Annahme  seiner
Amtsträgereigenschaft.
B.
12
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des
§  93a  Abs.  2  BVerfGG  nicht  vorliegen.  Die  Verfassungsbeschwerden  haben  keine  Aussicht  auf  Erfolg.  Sie  sind
unbegründet.  Die  angegriffenen  Entscheidungen  verletzen  die  Beschwerdeführer  nicht  in  ihren  Grundrechten  oder
grundrechtsgleichen Rechten.
I.
13
Die  Verwerfung  des  Ablehnungsgesuchs  und  die  anschließende  Mitwirkung  der  abgelehnten  Richter  an  der
Verurteilung verletzt die Beschwerdeführer nicht in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
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1.  Dieses  prozessuale  Grundrecht  schützt  den  Anspruch  des  Bürgers  auf  eine  Entscheidung  seiner  Rechtssache
durch  den  hierfür  von  Gesetzes  wegen  vorgesehenen  Richter,  indem  es  eine  sachfremde  Einflussnahme  auf  die
rechtsprechenden Organe verbietet (vgl. BVerfGE 22, 254 <258>). Hierdurch wird dem Einzelnen garantiert, vor einem
Richter  zu  stehen,  der  unabhängig  und  unparteilich  ist  und  die  Gewähr  für  Neutralität  und  Distanz  gegenüber  den
Verfahrensbeteiligten  bietet.  Diesem  Ziel  dienen  die  strafprozessualen  Vorschriften  der  §§  24  ff.  StPO  über  die
Ablehnung  von  Richtern  (vgl.  BVerfGK  5,  269  <280>).  Da  sich  die  Prüfung  des  Bundesverfassungsgerichts  auf  die
Verletzung  spezifischen  Verfassungsrechts  beschränkt,  rechtfertigt  aber  nicht  jede  fehlerhafte  Anwendung  der
einfachgesetzlichen  Bestimmungen  über  die  Richterablehnung  das  Eingreifen  des  Bundesverfassungsgerichts.  Die
Grenzen zum Verfassungsverstoß sind erst überschritten, wenn sich die Handhabung der §§ 24 ff. StPO im Einzelfall
als  willkürlich  oder  offensichtlich  unhaltbar  erweist  oder  wenn  die  richterliche  Entscheidung  über  das
Ablehnungsgesuch  Bedeutung  und  Tragweite  der  Verfassungsgarantie  des  Art.  101  Abs.  1  Satz  2  GG  grundlegend
verkennt  (vgl. BVerfGE 82, 286 <299>). Ob die Entscheidung eines Gerichts auf Willkür, also auf einem Fall grober
Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts beruht, oder ob sie darauf hindeutet, dass ein Gericht
Bedeutung  und  Tragweite  der  Verfassungsgarantie  des  Art.  101  Abs.  1  Satz  2  GG  grundlegend  verkennt,  kann  nur
anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. BVerfGK 5, 269 <280>).
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2.  Nach  diesen  Maßstäben  sind  die  angegriffenen  Entscheidungen  verfassungsrechtlich  nicht  zu  beanstanden.
Obgleich  die  der  Befangenheitsrüge  zugrunde  liegende  Rechtsanwendung  des  Landgerichts  mit  dem  Recht  des
Angeklagten  auf  aktive  Teilhabe  an  der  Wahrheitsfindung  kollidiert  und  in  einigen  Punkten  nicht  die  seitens  des
Bundesgerichtshofs  aufgestellten  Voraussetzungen  erfüllt,  ist  hierin  im  Ergebnis  kein  Grund  zur  Befangenheit  zu
sehen.
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Das  Setzen  einer  Frist  zur  Stellung  von  Beweisanträgen  im  Strafverfahren  ist  verfassungsrechtlich  dem  Grunde
nach nicht zu beanstanden. Eine solche Fristsetzung wird jedoch nur in gewissen Prozesskonstellationen ernsthaft in
Betracht zu ziehen sein (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Oktober 2009 - 2 BvR
2580/08  -,  juris,  Absatz-Nr.  29).  Der  Bundesgerichtshof  spricht  von  einer  „vorsichtigen  und  zurückhaltenden“
Handhabung und konkretisiert die Voraussetzungen vorliegend dahingehend, dass regelmäßig zehn Verhandlungstage
verstrichen  sein  müssen,  das  gerichtliche  Beweisprogramm  erledigt  ist  und  bestimmte  Anzeichen  für
Verschleppungsabsicht im bisherigen Verteidigungsverhalten gegeben sein müssen (vgl. auch BGH, Beschluss vom
23.  September  2008  -  1  StR  484/08  -,  NJW  2009,  S.  605  <607>).  Unabhängig  von  den  einfachrechtlichen
Voraussetzungen  im  Einzelnen,  steht  die  Pflicht  des  Gerichts  zur  Aufklärung  des  Sachverhalts  und  damit  zur
Wahrheitserforschung im Vordergrund (vgl. BVerfG, a.a.O., Absatz-Nr. 18 und 25). Hieran kann sich der Angeklagte
durch die Stellung von Beweisanträgen aktiv beteiligen.
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Diese  Möglichkeit  auf  effektive  Teilhabe  an  der  Sachverhaltsaufklärung  wird  vorliegend  durch  die  sehr  kurze  Frist
von unter 24 Stunden unzulässig beschnitten. Gerade im Hinblick auf die neue Prozesssituation, welche unmittelbar
zuvor  infolge  der  Abtrennung  des  Verfahrens  gegen  einen  geständigen  Mitangeklagten  entstanden  ist,  werden  die
Verfahrensbeteiligten hierdurch gedrängt, binnen kurzer Zeit ihre Schlussfolgerungen aus dem prozessualen Vorgehen
des Gerichts zu ziehen, dieses aus ihrer Sicht zu bewerten und ihr weiteres Prozessverhalten festzulegen. Die Frist
muss  es  den  Verfahrensbeteiligten  jedoch  ermöglichen,  auf  der  Basis  des  bisherigen  Prozessverlaufs,  darüber  zu
entscheiden,  ob  und  gegebenenfalls  welche  Beweisanträge  noch  gestellt  werden  sollen.  Dies  setzt  die  Zubilligung
eines derartigen Zeitrahmens voraus, der eine sachgerechte Überzeugungsbildung sowie anschließende Entscheidung
und damit eine effektive Verfahrensteilhabe ermöglicht. Ob hierzu weniger als 24 Stunden ausreichen, ist im Einzelfall
zu entscheiden und erforderlichenfalls zu begründen. Eine solche ist vorliegend weder erfolgt noch sonst ersichtlich.
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Im Ergebnis stellt es jedoch keine Verkennung von Bedeutung und Tragweite des grundrechtsgleichen Rechts aus
Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar, wenn diese Rechtsanwendung nicht als die Besorgnis der Befangenheit begründender
Umstand angesehen wird. Das Verhalten ist insgesamt betrachtet nicht willkürlich. Das Setzen einer Frist zur Stellung
von  Beweisanträgen  verstößt  als  solches  weder  gegen  die  Grundsätze  des  fairen  Verfahrens  noch  stellt  es  eine
unzulässige Rechtsfortbildung dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Oktober 2009 -
2 BvR 2580/08 -, juris, Absatz-Nr. 17).
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Es fehlt ferner an Anhaltspunkten, dass allein infolge der Äußerung des Verteidigers der Beschwerdeführerin zu 2),
man werde in der Hauptverhandlung „schon ordentlich Feuer“ machen (vgl. Bl. 35 UA LG), ein nicht ausschließlich auf
die Wahrheitserforschung zielendes Verteidigerverhalten vorlag. Unerheblich ist dabei, dass entsprechende Aussagen
nicht  auch  vom  Verteidiger  des  Beschwerdeführers  zu  1)  getätigt  wurden.  Erfolgt  die  Fristsetzung  als  Reaktion  auf
das  Verhalten  eines  von  mehreren  Verteidigern  oder  Angeklagten,  lässt  sich  nicht  ohne  Weiteres  darauf  schließen,
das  Gericht  werde  -  auch  -  den  anderen  Angeklagten  gegenüber,  die  sich  entsprechende  Aussagen  nicht  zu  eigen
machten, nicht mehr unvoreingenommen tätig. Die mit einer Fristsetzung intendierte Beschleunigung des Verfahrens
kann  nur  erreicht  werden,  wenn  diese  gegenüber  sämtlichen  Verfahrensbeteiligten  gesetzt  wird.  Dabei  liegt  die
rechtsstaatlich  geforderte  Beschleunigung  des  Strafverfahrens  sowohl  im  Interesse  des  Opfers  als  auch  des
Beschuldigten (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Oktober 2009 - 2 BvR 2580/08 -,
juris, Absatz-Nr. 32). Gerade der Angeklagte, der durch sein vorheriges Verhalten zur Fristsetzung nicht unmittelbar
Veranlassung  bot,  dürfte  ein  Interesse  an  einer  zügigen  Durchführung  des  Verfahrens  haben.  Der  fehlende
Ursachenbeitrag  kann  im  Folgenden  bei  der  Prüfung  der  Zurückweisung  eines  Beweisantrags  wegen
Verschleppungsabsicht  berücksichtigt  werden.  Hat  der  Angeklagte  im  bisherigen  Prozessverlauf  keine  Anzeichen
eines nicht primär auf die Wahrheitsermittlung ausgerichteten Verhaltens gezeigt, werden strengere Anforderungen an
das Vorliegen der subjektiven Voraussetzung der Prozessverschleppungsabsicht zu stellen sein.
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Zudem  wurden  die  Beschwerdeführer  durch  die  Fristsetzung  im  Ergebnis  nicht  unzumutbar  beeinträchtigt.  Das
Gericht  hat  bereits  zuvor  auf  einen  baldigen  Abschluss  der  Beweisaufnahme  hingewiesen,  wodurch  die
Beschwerdeführer  in  der  Lage  waren,  ihr  Verteidigungsverhalten  entsprechend  einzurichten.  Da  es  sich  um  keine
Ausschlussfrist  handelt,  kann  sich  ein  Angeklagter  auch  nach  Fristablauf  noch  aktiv  an  der  Sachverhaltsaufklärung
beteiligen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Oktober 2009 - 2 BvR 2580/08 -, juris,
Absatz-Nr.  27),  was  in  einer  Gesamtschau  die  mit  der  Fristsetzung  einhergehende  Beschränkung  der  Rechte
abmildert.
II.
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Von  einer  weiteren  Begründung  der  Nichtannahmeentscheidung  wird  gemäß  §  93d  Abs.  1  Satz  3  BVerfGG
abgesehen.
22
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Broß
Di Fabio
Landau