Urteil des BVerfG vom 20.08.2015

Entschädigung wegen unangemessener Verzögerung eines Verfassungsbeschwerdeverfahrens im Rahmen der Zuständigkeitsklärung

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- Bevollmächtigter:
Rechtsanwalt Hans-Georg Kluge in Sozietät
Rechtsanwälte Röttgen & Kluge PartG mbB,
Littenstraße 108, 10179 Berlin -
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2781/13 - Vz 11/14 -
In dem Verfahren
über
die Verzögerungsbeschwerde
der Frau K …,
gegen
die Dauer des Verfahrens der Verfassungsbeschwerde 1 BvR 2781/13
hat die Beschwerdekammer des Bundesverfassungsgerichts
durch die Richter Landau,
Schluckebier,
Paulus,
Maidowski
am 20. August 2015 beschlossen:
Die Beschwerdeführerin wird wegen der unangemessenen Dauer des
Verfassungsbeschwerdeverfahrens in der Sache 1 BvR 2781/13 mit 3.000 € (in
Worten: dreitausend Euro) entschädigt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin die notwendigen
Auslagen für das Verzögerungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
Der Gegenstandswert für das Verzögerungsbeschwerdeverfahren wird auf 10.000 €
(in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.
G r ü n d e :
Die
Verzögerungsrüge
richtet
sich
gegen
die
Dauer
eines
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Verfassungsbeschwerdeverfahrens.
I.
1 . Die Beschwerdeführerin verfolgte im Ausgangsprozess vor den Arbeitsgerichten im
Wesentlichen drei auf den Vorwurf einer Diskriminierung wegen des Geschlechts gestützte
Begehren: Sie machte geltend, sie sei im Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis zum
9. Dezember 2006 gegenüber einem gleichwertig beschäftigten männlichen Kollegen
schlechter bezahlt worden, und beantragte die Zahlung der Gehaltsdifferenz für diesen
Zeitraum. Für die Zeit ab dem 10. Dezember 2006 wollte sie die Zahlung von
Schadensersatz erreichen, weil sie wegen ihres Geschlechts bei einer Beförderung
übergangen worden sei. Schließlich machte sie einen Anspruch auf Zahlung eines
Schmerzensgeldes in Höhe von 390.000 € anhängig, den sie unter anderem damit
begründete, sie habe unter einem anhaltenden Mobbing gelitten. Das Arbeitsgericht wies ihre
Klage mit Urteil vom 30. Januar 2008 - 35 Ca 7441/07 - ab. Im Berufungsverfahren wies das
Landesarbeitsgericht durch Teilurteil vom 30. Juli 2008 - 15 Sa 517/08 - die Berufung zurück,
soweit die Gehaltsdifferenz für den Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis zum 9. Dezember 2006
betroffen war. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde blieb erfolglos (BAG,
Beschluss vom 11. Februar 2009 - 5 AZN 1023/08 -).
2 . Gegen die arbeitsgerichtlichen Entscheidungen, die sich auf die Nachzahlung der
Gehaltsdifferenz für den Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis zum 9. De-zember 2006 beziehen,
erhob die Beschwerdeführerin am 24. März 2009 eine auf Art. 3 Abs. 2, Art. 101 Abs. 1
Satz 2 sowie Art. 103 Abs. 1 GG gestützte Verfassungsbeschwerde. Diese wurde zur
Klärung der Senatszuständigkeit zunächst im Allgemeinen Register unter dem Aktenzeichen
AR 2453/09 geführt.
3. Am 12. April 2009 beantragte die Beschwerdeführerin vorsorglich, eine Entscheidung des
gemäß § 14 Abs. 5 BVerfGG zur Klärung von Zuständigkeitszweifeln gebildeten
Ausschusses einzuholen und begründete ihre Auffassung, dass eine Zuständigkeit des
Ersten Senats unter dem Gesichtspunkt einer arbeitsrechtlichen Streitigkeit bestehe, nicht
aber eine solche des Zweiten Senats unter dem Aspekt der „Auslegung und Anwendung von
primärem Europarecht“. Zu einer Entscheidung über die Senatszuständigkeit kam es
zunächst nicht, weil die Berichterstatter des Ersten und des Zweiten Senats jeweils die
eigene Zuständigkeit als gegeben erachteten.
4 . Auf Anfragen vom 28. Juni und 15. Dezember 2009 erhielt der Bevollmächtigte der
Beschwerdeführerin die Auskunft, dass mit einer Entscheidung über die Senatszuständigkeit
voraussichtlich im Frühjahr 2010 zu rechnen sei. Mit einem weiteren Schreiben vom
22. März 2010 wandte er sich unmittelbar an den Berichterstatter des Zweiten Senats. Mit
Schreiben vom 9. September 2010 beantwortete der Präsidialrat eine am 17. August 2010 an
den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts gerichtete Aufforderung zu einem
dienstaufsichtlichen Einschreiten gegen wissenschaftliche Mitarbeiter dahingehend, die auf
einen
positiven
Zuständigkeitskonflikt
zurückzuführende
Langwierigkeit
der
Zuständigkeitsklärung im vorliegenden Fall sei ungewöhnlich und zu bedauern.
5. Mit Beschluss vom 13. Oktober 2010 entschied der gemäß § 14 Abs. 5 BVerfGG
gebildete Ausschuss, dass der Zweite Senat zuständig sei. Das Verfahren wurde unter dem
Aktenzeichen 2 BvR 2387/10 im Zweiten Senat dem Berichterstatter zugewiesen.
6 . Durch Beschluss des Plenums vom 22. November 2011 änderte das
Bundesverfassungsgericht die Senatszuständigkeiten. Mit Wirkung vom 1. Januar 2012 war
der Zweite Senat nicht mehr - wie zuvor - zuständig für Verfassungsbeschwerden, bei denen
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die Auslegung und Anwendung von „primärem Europarecht von erheblicher Bedeutung“ ist,
sondern für Verfassungsbeschwerden, bei denen die Auslegung und Anwendung von „Art.
23, 24 oder 59 GG, mit Ausnahme der einzelnen menschenrechtlichen Gewährleistungen
überwiegen“ (Buchstabe A. III. 1. a) des Plenarbeschlusses vom 15. November 1993 in der
Fassung des Beschlusses vom 22. November 2011, BGBl I 2012, S. 71).
7 . Nach dem Ende der Dienstzeit des Berichterstatters wurde das Verfahren am
21. Dezember 2011 einem neuen Berichterstatter zugewiesen. Dies wurde der
Beschwerdeführerin auf ihre entsprechende Anfrage vom 7. Januar 2012 hin mitgeteilt.
8. Am 19. Mai 2013 erhob die Beschwerdeführerin Verzögerungsrüge und wies auf den
Wegfall der Zuständigkeit des Zweiten Senats nach der Änderung der Geschäftsordnung hin.
Der an die frühere Geschäftsverteilung anknüpfende Beschluss des Ausschusses gemäß
§
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Abs.
5
BVerfGG
entfalte
keine
Bindungswirkung
mehr.
Das
Verfassungsbeschwerdeverfahren habe nunmehr eine unangemessene Dauer im Sinne des
§ 97a Abs. 1 Satz 1 BVerfGG erreicht. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Klärung der
Zuständigkeit durch den Beschluss des Ausschusses gemäß § 14 Abs. 5 BVerfGG nicht
gemäß § 44 Abs. 3 GOBVerfG „unverzüglich“ geschehen sei, obwohl die Einberufung des
Ausschusses bereits mit Schreiben vom 9. April 2009 ausdrücklich beantragt worden sei.
Sollte die Zuständigkeit des Zweiten Senats durch die Änderung der Geschäftsverteilung
zwischen den Senaten vom 22. November 2011 wieder entfallen sein, würde auch dies eine
unangemessene Verzögerung des Verfahrens begründen. Denn durch das Übersehen des
abermaligen Zuständigkeitswechsels sei der Erste Senat gehindert gewesen, sich
unverzüglich mit dem Verfahren zu beschäftigen, was angesichts der politischen und
sozialen Bedeutung der Sache jedoch erforderlich gewesen sei. Eine etwaige Überlastung
des europarechtlichen Dezernats könne nicht als Rechtfertigung dienen. Denn die
Geschäftsverteilung des Bundesverfassungsgerichts sehe die Möglichkeit vor, dass in Fällen
der nachhaltigen Überlastung eines Richters ein anderer Richter zum Berichterstatter bestellt
werden könne. Schließlich sei die erhobene Verfassungsbeschwerde auch nicht
ungewöhnlich komplex, sondern betreffe im Kern eine vergleichsweise einfache juristische
Frage. Die Beschwerdeführerin habe sich angesichts ihrer gesundheitlichen Belastung als
Folge
der
überlangen
Verfahrensdauer
inzwischen
gezwungen
gesehen,
Vergleichsverhandlungen mit dem Beklagten des Ausgangsverfahrens aufzunehmen, weil ihr
ein weiteres Zuwarten auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr
zumutbar gewesen sei.
9. Mit Beschluss vom 17. Juni 2013 stellte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
das Zustandekommen eines Vergleichs in dem Verfahren 15 Sa 72/12 zwischen der
Beschwerdeführerin und dem Beklagten des Ausgangsverfahrens fest, nachdem die
Beteiligten einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts angenommen hatten.
10. Mit Wirkung vom 17. Oktober 2013 wurde das Verfassungsbeschwerdeverfahren
gemäß § 44 Abs. 2 GOBVerfG unter dem Aktenzeichen 1 BvR 2781/13 einvernehmlich vom
Ersten Senat übernommen. Das Verfahren wurde durch Nichtannahmebeschluss vom
8. September 2014 unter Verweis auf den zustande gekommenen Vergleich abgeschlossen.
1 1 . Am 9. September 2014 erhob der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin
Verzögerungsbeschwerde und beantragte Akteneinsicht, um die Beschwerde näher
begründen zu können. Am 15. September 2014 legte er „vorsorglich“ nochmals
Verzögerungsbeschwerde ein und begründete diese damit, dass eine fünfeinhalbjährige
Verfahrensdauer unter Berücksichtigung der Vorgaben aus Art. 6 EMRK nicht zu
rechtfertigen sei und deshalb gemäß § 97a Abs. 1 BVerfGG zu einer angemessenen
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Entschädigung führen müsse.
Die Unangemessenheit der Verfahrensdauer ergebe sich schon aus der Dauer der
Zuständigkeitsklärung im Ausschuss gemäß § 14 Abs. 5 BVerfGG. Der Antrag der
Beschwerdeführerin vom 12. April 2009 hätte Anlass geben müssen, eine Klärung der
Zuständigkeit alsbald zu veranlassen. Jedenfalls nachdem das Schreiben vom 22. März
2010 unbeantwortet geblieben sei, könne vorbehaltlich der beantragten Akteneinsicht nur
gefolgert werden, dass das Verfahren schon in dieser Phase nicht gefördert worden sei.
Auch das Übersehen des abermaligen Zuständigkeitswechsels zwischen den Senaten
begründe eine unangemessene Verzögerung der Verfahrensdauer. Der Erste Senat sei lange
Zeit für die Bearbeitung der Verfassungsbeschwerde zuständig gewesen, ohne sich bis zur
Abgabe durch den Zweiten Senat im Oktober 2013 mit dem Verfahren tatsächlich
beschäftigen zu können.
Schließlich sei auch eine der Beschwerdeführerin unzumutbare objektive Überlänge des
Verfahrens ohne erkennbaren Verfahrensfortschritt zu konstatieren, die weder durch eine
besondere Komplexität des Verfahrens noch durch Überlastung des Berichterstatters zu
rechtfertigen sei.
Die Beschwerdeführerin werde zur Höhe der entstandenen Nachteile weiter vortragen. Im
Hinblick auf den entgangenen Gewinn (§ 252 BGB), der entgegen der Gesetzesbegründung
zu den §§ 97a ff. BVerfGG nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte (EGMR) zuzusprechen sei, werde sie Beweisanträge auf Grundlage von
§ 26 BVerfGG stellen und anschließend zur Grundlage eines gegebenenfalls nachfolgenden
Amtshaftungsverfahrens gegen die Bundesrepublik Deutschland machen.
12. Am 1. April 2015 begründete die Beschwerdeführerin die Verzögerungsbeschwerde
weiter. Sie vertritt die Auffassung, die der Verzögerungsbeschwerde zugrunde liegende
Verfassungsbeschwerde sei von der zuständigen Kammer des Ersten Senats zu Unrecht
nicht zur Entscheidung angenommen worden, weil diese von einer materiellen
Erledigungssituation aufgrund des von der Beschwerdeführerin geschlossenen Vergleichs
ausgegangen sei. Deshalb müsse nun die Beschwerdekammer prüfen, ob die
Verfassungsbeschwerde ursprünglich zulässig und begründet gewesen sei, da sie sonst
nicht beurteilen könne, ob die Verzögerung der Entscheidung ursächlich für die geltend
gemachten materiellen und immateriellen Schäden gewesen sei. Der Beschwerdeführerin
wären Vermögensnachteile erspart geblieben, hätte ihre Verfassungsbeschwerde rechtzeitig
Erfolg
gehabt.
Denn
nach
verfassungsgerichtlicher
Feststellung
einer
geschlechterdiskriminierenden Ungleichbezahlung hätte sie sich im Berufungsverfahren nicht
auf einen Vergleichsabschluss einlassen müssen. Auf diese wesentliche Ursache seien
- abgesehen von den unnütz aufgewandten Rechtsanwaltskosten für das
Verfassungsbeschwerdeverfahren - sämtliche ihr entstandenen Schäden zurückzuführen.
Die im Rahmen des Vergleichs gezahlte Abfindung dürfe bei Festsetzung der angemessenen
Entschädigung gemäß § 97a Abs. 1 BVerfGG nicht im Wege eines Vorteilsausgleichs zu
ihren Lasten berücksichtigt werden.
Zu den auszugleichenden Schäden gehörten zunächst die Kosten für das Privatgutachten
einer Professorin für Betriebswirtschaft zur Frage, ob das vom Beklagten des
Ausgangsverfahrens angewandte Auswahlverfahren regelmäßig zu einer Benachteiligung
von Frauen führe. Ein weiterer Vermögensschaden sei ihr aufgrund der Notwendigkeit
entstanden, im Verlauf des Berufungsverfahrens einen weiteren Anwalt hinzuzuziehen.
Dieser Hinzuziehung hätte es nicht bedurft, wäre die Verfassungsbeschwerde zum Zeitpunkt
des Beginns des neuerlichen Berufungsverfahrens erfolgreich gewesen. Weiter hätte sich die
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Beschwerdeführerin
bei
Vorliegen
einer
stattgebenden
Entscheidung
des
Bundesverfassungsgerichts nicht auf eine vom Landesarbeitsgericht befürwortete Mediation
durch einen Coach vorbereiten müssen. Daneben seien die mit dem Bevollmächtigten auf
Stundenbasis ausgehandelten Anwaltskosten zu ersetzen, da diese auch im
Amtshaftungsrecht einen ersatzfähigen Schaden darstellten. Schließlich habe die
Beschwerdeführerin durch die Dauer des Verfassungsbeschwerdeverfahrens erhebliche
immaterielle Nachteile erlitten, weil der Beklagte des Ausgangsverfahrens Gelegenheit
gehabt habe, den seelischen Druck auf sie unter anderem durch Mobbingattacken zu
erhöhen, um sie zu einem Vergleichsschluss und Ausscheiden aus dem Unternehmen zu
bewegen. Wäre das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht innerhalb eines
überschaubaren Zeitraumes mit einem positiven Ergebnis abgeschlossen worden, hätte dies
zu einem früheren Ende des dann deutlich unkomplizierteren Verfahrens vor dem
Landesarbeitsgericht geführt. Die inzwischen eingetretene Erwerbsunfähigkeit der
Beschwerdeführerin hätte möglicherweise verhindert werden können.
13. Die noch nicht aus dem Amt ausgeschiedenen Berichterstatter des Verfahrens haben
am 20. Mai 2015 Stellungnahmen gemäß § 97d BVerfGG abgegeben, zu denen sich der
Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin schriftsätzlich geäußert hat.
II.
Die Beschwerdekammer des Bundesverfassungsgerichts ist in der durch Plenarbeschluss
vom 19. November 2014 bestimmten Besetzung zur Entscheidung über die
Verzögerungsbeschwerde berufen. Richter Masing, der an der abschließenden
Nichtannahmeentscheidung über die der Verzögerungsbeschwerde zugrunde liegende
Verfassungsbeschwerde mitgewirkt hat, ist zwar nicht gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG
von der Ausübung seines Richteramtes ausgeschlossen, da § 97c Abs. 2 BVerfGG eine
Sonderregelung trifft (vgl. BTDrucks 17/3802, S. 27 f.), die im Umkehrschluss eine
Mitwirkung der übrigen Mitglieder des sachentscheidenden Spruchkörpers in Abweichung
von der allgemeinen Regel des § 18 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG zulässt (vgl. auch Haratsch, in:
Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 97c Rn. 5 f. ). Er ist
jedoch urlaubsbedingt an einer Mitwirkung gehindert und wird durch den Richter Paulus
vertreten.
III.
Die Verzögerungsbeschwerde ist zulässig.
1. Der Zulässigkeit der Verzögerungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass die zugrunde
liegende Verfassungsbeschwerde bei Inkrafttreten der §§ 97a ff. BVerfGG bereits anhängig
war. Diese Vorschriften gelten nach der Übergangsbestimmung des § 97e Satz 1 BVerfGG
auch für solche Verfahren.
2. Die Verzögerungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer zuvor beim
Bundesverfassungsgericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge; § 97b
Abs. 1 Satz 2 BVerfGG). Diese Rüge setzt voraus, dass mindestens zwölf Monate seit
Eingang des Verfahrens beim Bundesverfassungsgericht verstrichen sind (§ 97b Abs. 1
Satz 4 BVerfGG). Sie ist schriftlich und unter Darlegung der Umstände, die die
Unangemessenheit der Verfahrensdauer begründen, einzulegen (§ 97b Abs. 1 Satz 3
BVerfGG). Diesen Anforderungen genügt die vom Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin
am 19. Mai 2013 eingelegte Verzögerungsrüge.
3. Die Verzögerungsbeschwerde kann frühestens sechs Monate nach Erheben einer
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Verzögerungsrüge erhoben werden (§ 97b Abs. 2 Satz 1 BVerfGG); ist eine Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts ergangen oder das Verfahren anderweitig erledigt worden,
ist sie binnen drei Monaten zu erheben. Sie ist schriftlich einzulegen und gleichzeitig zu
begründen (§ 97b Abs. 2 Satz 2 BVerfGG). In der Begründung kann zwar grundsätzlich auf
die Ausführungen in der Verzögerungsrüge Bezug genommen werden, doch ist es
unerlässlich,
auf
die
seit
Einlegung
der
Verzögerungsrüge
eingetretenen
verfahrenserheblichen Umstände einzugehen (vgl. BVerfG ,
Beschluss vom 3. April 2013 - 1 BvR 2256/10 - Vz 32/12 -, NJW 2013, S. 2341).
Die am 9. und 15. September 2014 erhobene Verzögerungsbeschwerde genügt diesen
Anforderungen. Dass die Beschwerdeschrift vom 9. September 2014 nicht mit Gründen
versehen war, ist trotz des insofern missverständlichen Wortlauts des § 97b Abs. 2 Satz 2
BVerfGG („gleichzeitig“) unschädlich. Stellt der Beschwerdeführer - wie hier - nach
Abschluss eines Verfassungsbeschwerdeverfahrens mit seiner Verzögerungsbeschwerde
zunächst einen Antrag auf Akteneinsicht, um die von der Beschwerdekammer entwickelten
Darlegungsobliegenheiten hinsichtlich der seit Einlegung der Verzögerungsrüge eingetretenen
verfahrenserheblichen Umstände erfüllen zu können, führt dies nicht dazu, dass er mit einer
später vorgelegten Begründung auszuschließen wäre, sofern er die dreimonatige
Ausschlussfrist des § 97b Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz BVerfGG seit Ergehen der
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einhält. Das Erfordernis der „gleichzeitigen“
Begründung der Verzögerungsbeschwerde in § 97b Abs. 2 Satz 2 BVerfGG soll zwar zur
möglichst frühzeitigen Vorlage einer Begründung führen, zugleich aber entgegen einer im
Schrifttum vertretenen Ansicht (Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei
überlangen Gerichtsverfahren, 2013, § 97b BVerfGG Rn. 15; Haratsch, in: Maunz/Schmidt-
Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 97b Rn. 23 ) die Möglichkeit einer
innerhalb der dreimonatigen Ausschlussfrist des § 97b Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz BVerfGG
gegebenen Begründung nicht ausschließen (so auch Lenz/Hansel, BVerfGG, 2. Aufl. 2015,
§ 97b Rn. 22; Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und
Ermittlungsverfahren, 2013, § 97b Rn. 19 f.). Auch der Gesetzesbegründung sind keine
Hinweise
dafür
zu
entnehmen,
dass
der
Gesetzgeber
die
allgemeinen
Begründungserfordernisse aus § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG dergestalt verschärfen wollte,
dass eine Begründung bereits mit dem verfahrenseinleitenden Schriftsatz zu erfolgen hat
(vgl. BTDrucks 17/3802, S. 27: „Nach Satz 2 ist die Verzögerungsrüge schriftlich einzulegen
und zu begründen; die Regelung enthält, vergleichbar mit § 92, eine verfahrensspezifische
Klarstellung des allgemeinen Begründungserfordernisses aus § 23 Abs. 1 Satz 2.“).
IV.
Die Verzögerungsbeschwerde ist überwiegend begründet.
1
. Wer
infolge
unangemessener
Dauer
eines
Verfahrens
vor
dem
Bundesverfassungsgericht als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird
angemessen entschädigt (§ 97a Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
a) Ob die Dauer eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht angemessen ist,
richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung der Aufgaben und
der Stellung des Bundesverfassungsgerichts (§ 97a Abs. 1 Satz 2 BVerfGG). Bei der
Ermittlung und Bewertung der danach relevanten Umstände ist an die Maßstäbe
anzuknüpfen, die das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte bei der Beurteilung überlanger gerichtlicher Verfahren entwickelt haben (vgl.
BVerfG, Beschluss der Beschwerdekammer vom 1. Oktober 2012 - 1 BvR 170/06 - Vz 1/12
-, NVwZ 2013, S. 789 <790-791>).
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Der verfassungsrechtlich garantierte Rechtsschutz kann nur dann im Sinne von Art. 19
Abs. 4 und Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3
GG wirksam sein, wenn er innerhalb angemessener Zeit gewährt wird (vgl. BVerfGE 55, 349
<369>; 60, 253 <269>; 93, 1 <13>). Allerdings lassen sich dem Grundgesetz keine allgemein
gültigen Zeitvorgaben dafür entnehmen, wann von einer überlangen, die Rechtsgewährung
verhindernden und damit unangemessenen Verfahrensdauer auszugehen ist; dies ist
vielmehr eine Frage der Abwägung im Einzelfall (vgl. BVerfGE 55, 349 <369>; BVerfG,
Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20. September 2007 - 1 BvR 775/05 -,
NJW 2008, S. 503; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Dezember 2010 -
1 BvR 404/10 -, juris, Rn. 11). Bei dieser Abwägung müssen insbesondere die Natur des
Verfahrens, die Bedeutung der Sache und die Auswirkungen einer langen Verfahrensdauer
für die Beteiligten, die Schwierigkeit der Sachmaterie, das den Beteiligten zuzurechnende
Verhalten, insbesondere von ihnen zu verantwortende Verfahrensverzögerungen, sowie die
gerichtlich nur begrenzt zu beeinflussende Tätigkeit Dritter, vor allem der Sachverständigen,
berücksichtigt werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom
20. Juli 2000 - 1 BvR 352/00 -, NJW 2001, S. 214 <215>; Beschluss der 3. Kammer des
Ersten Senats vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 -, juris, Rn. 11). Dagegen kann sich
der Staat nicht auf solche Umstände berufen, die in seinem Verantwortungsbereich liegen
(vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Oktober 2003 - 1 BvR
901/03 -, NVwZ 2004, S. 334 <335>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom
24. September 2009 - 1 BvR 1304/09 -, juris, Rn. 14; Beschluss der 3. Kammer des Ersten
Senats vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 -, juris, Rn. 11). Ferner haben die Gerichte
auch die Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen und sich mit zunehmender Dauer
nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen (vgl. BVerfG, Beschluss der
1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Juli 2000 - 1 BvR 352/00 -, NJW 2001, S. 214 <215>;
Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 24. September 2009 - 1 BvR 1304/09 -,
juris, Rn. 14; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7. Juni 2011 - 1 BvR 194/11
-, juris, Rn. 26 f.).
In vergleichbarer Weise verpflichtet Art. 6 Abs. 1 EMRK nach der Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Konventionsstaaten dazu, ihr
Gerichtswesen so einzurichten, dass die Rechtssachen innerhalb angemessener Frist
entschieden werden können (EGMR, Urteil vom 27. Juli 2000, Nr. 33379/96, Klein ./.
Deutschland, Rn. 42). Darüber, ob die Dauer eines Verfahrens angemessen ist, muss unter
Berücksichtigung der Schwierigkeit des Falles, des Verhaltens des Beschwerdeführers und
der zuständigen Behörden und Gerichte sowie der Bedeutung des Rechtsstreits für den
Beschwerdeführer entschieden werden (EGMR, Urteil vom 2. September 2010,
Nr. 46344/06, Rumpf ./. Deutschland, Rn. 41; Urteil vom 21. Oktober 2010, Nr. 43155/08,
Grumann ./. Deutschland, Rn. 26).
Diese für fachgerichtliche Verfahren entwickelten Regeln gelten dem Grundsatz nach auch
für das Bundesverfassungsgericht, das nach Art. 92 GG Teil der rechtsprechenden Gewalt
ist. Allerdings werden sie gemäß § 97a Abs. 1 Satz 2 BVerfGG durch die Aufgaben und die
Stellung des Bundesverfassungsgerichts mit den daraus folgenden organisatorischen und
verfahrensmäßigen Besonderheiten modifiziert (vgl. BTDrucks 17/3802, S. 26). So ist in
organisatorischer Hinsicht anders als bei den Fachgerichten eine Kapazitätsausweitung zur
Verkürzung der Verfahrensdauer als Reaktion auf gesteigerte Eingangszahlen ohne ein
Eingreifen des Gesetzgebers grundsätzlich nicht möglich, da die Struktur des Gerichts durch
seine Funktion bedingt und durch die Verfassung und das Bundesverfassungsgerichtsgesetz
vorgegeben ist. Auch ergeben sich verfahrensmäßige Besonderheiten aus der Aufgabe der
verbindlichen Auslegung der Verfassung (vgl. § 31 BVerfGG), die grundsätzlich in jedem
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verfassungsgerichtlichen Verfahren eine besonders tiefgehende und abwägende Prüfung
erfordert, die einer Verfahrensbeschleunigung ebenfalls Grenzen setzt (vgl. BTDrucks
17/3802, S. 26). Schließlich kann die Rolle des Bundesverfassungsgerichts als Hüter der
Verfassung es gebieten, bei der Bearbeitung der Verfahren in stärkerem Maße als in der
Fachgerichtsbarkeit andere Umstände zu berücksichtigen als nur die chronologische
Reihenfolge der Eintragung in das Gerichtsregister, etwa weil Verfahren, die für das
Gemeinwesen von besonderer Bedeutung sind, vorrangig bearbeitet werden müssen oder
weil ihre Entscheidung von dem Ergebnis eines Pilotverfahrens abhängig ist (vgl. BTDrucks
17/3802, S. 26; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Oktober
2011 - 2 BvR 1010/10 und 2 BvR 1219/10 -, juris, Rn. 32; EGMR, Urteil vom 25. Februar
2000, Nr. 29357/95, Gast und Popp ./. Deutschland, Rn. 75; Urteil vom 8. Januar 2004,
Nr. 47169/99, Voggenreiter ./. Deutschland, Rn. 49; Urteil vom 6. November 2008,
Nr. 58911/00, Leela Förderkreis e.V. u.a. ./. Deutschland, Rn. 63 f.).
Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erkennt in seiner Rechtsprechung
zu Art. 6 Abs. 1 EMRK an, dass die Verpflichtung, Gerichte so einzurichten, dass sie
Rechtssachen innerhalb angemessener Fristen entscheiden können, für ein
Verfassungsgericht nicht in derselben Weise wie für ein Fachgericht ausgelegt werden kann,
weil die Rolle eines Verfassungsgerichts als Hüter der Verfassung es erfordert, auch andere
Überlegungen zu berücksichtigen als die Zeitfolge, in der Fälle registriert werden, zum
Beispiel die Art der Sache und ihre politische und soziale Bedeutung (EGMR, Urteil vom
25. Februar 2000, Nr. 29357/95, Gast und Popp ./. Deutschland, Rn. 75; Urteil vom 8. Januar
2004, Nr. 47169/99, Voggenreiter ./. Deutschland, Rn. 49, 52; Urteil vom 6. November 2008,
Nr. 58911/00, Leela Förderkreis e.V. u.a. ./. Deutschland, Rn. 63; Urteil vom 22. Januar 2009,
Nr. 45749/06 und 51115/06, Kaemena und Thöneböhn ./. Deutschland, Rn. 61 ff.).
Andererseits kann ein ständiger Rückstand infolge chronischer Überlastung nach dieser
Rechtsprechung auch beim Bundesverfassungsgericht eine überlange Verfahrensdauer nicht
rechtfertigen (EGMR, Urteil vom 25. Februar 2000, Nr. 29357/95, Gast und Popp ./.
Deutschland, Rn. 78; Urteil vom 27. Juli 2000, Nr. 33379/96, Klein ./. Deutschland, Rn. 29,
43).
b ) Eine Entschädigung nach den §§ 97a ff. BVerfGG setzt weiter voraus, dass ein
Verfahrensbeteiligter oder ein Beteiligter eines zur Herbeiführung einer Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts ausgesetzten Verfahrens einen Nachteil erlitten hat. Eine
Entschädigung kann allerdings nur zugesprochen werden, wenn die unangemessene Dauer
des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht ursächlich für die geltend gemachten
Nachteile ist. In Betracht kommen sowohl materielle wie immaterielle Nachteile; für den
Ausgleich sind die Grundsätze der §§ 249 ff. BGB heranzuziehen, soweit keine
spezialgesetzlichen Vorschriften bestehen (BTDrucks 17/3802, S. 19). Ein Nachteil, der nicht
Vermögensnachteil
ist,
wird
vermutet,
wenn
ein
Verfahren
vor
dem
Bundesverfassungsgericht unangemessen lange gedauert hat (§ 97a Abs. 2 Satz 1
BVerfGG). Für einen solchen Nachteil kann Entschädigung jedoch nur beansprucht werden,
soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise,
insbesondere durch die in den Tenor der Entscheidung über die Verzögerungsbeschwerde
aufzunehmende Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer, ausreichend ist
(§ 97a Abs. 2 Satz 2 BVerfGG). Diese Entschädigung beträgt 1.200 € für jedes Jahr der
Verzögerung, sofern nicht das Bundesverfassungsgericht aus Gründen der Billigkeit einen
höheren oder niedrigeren Betrag festsetzt (vgl. § 97a Abs. 2 Satz 3 und 4 BVerfGG).
c ) Der Verfahrensbeteiligte, der eine Entschädigung für erlittene Nachteile geltend macht,
muss die Umstände, aus denen sich die Unangemessenheit der Verfahrensdauer, das
Vorliegen und der Umfang eines materiellen oder immateriellen Nachteils sowie die Kausalität
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der Verfahrensdauer für den Eintritt des Nachteils ergeben, substantiiert darlegen, soweit das
Vorliegen eines immateriellen Nachteils nicht nach § 97a Abs. 2 Satz 1 BVerfGG vermutet
wird. Die Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO, wonach im Zivilprozess nicht bestrittene
Tatsachen als zugestanden anzusehen sind, ist bei der Feststellung der erforderlichen
Indiztatsachen im nicht kontradiktorischen Verzögerungsbeschwerdeverfahren entgegen der
Auffassung der Beschwerdeführerin ausgeschlossen.
2 . In Anwendung dieser Maßstäbe ist die Dauer des hier zugrunde liegenden
Verfassungsbeschwerdeverfahrens angesichts der außergewöhnlichen Besonderheiten des
Verfahrensverlaufs im Umfang von insgesamt 30 Monaten als unangemessen anzusehen.
Zwar erscheint die Gesamtdauer des Verfahrens unter Berücksichtigung der Aufgaben und
der Stellung des Bundesverfassungsgerichts für sich gesehen nicht ohne Weiteres
unangemessen. Die Unangemessenheit der Dauer des Verfahrens folgt hier aber daraus,
dass die Frage der Senatszuständigkeit eineinhalb Jahre ungeklärt blieb und die Sache
zudem nach einer Änderung der Geschäftsverteilung für die weitere Dauer von einem Jahr
und zehn Monaten nicht an den nunmehr zuständigen Richter des anderen Senats
abgegeben wurde.
a) Ein Zeitraum unangemessener Verfahrensdauer von einem Jahr ist im vorliegenden Fall
zunächst auf die Verfahrensbehandlung vor Klärung der Senatszuständigkeit mit Beschluss
des Ausschusses gemäß § 14 Abs. 5 BVerfGG am 13. Oktober 2010 zurückzuführen.
Gemäß § 14 Abs. 5 BVerfGG entscheidet ein Ausschuss, der aus dem Präsidenten, dem
Vizepräsidenten und je zwei Richtern aus jedem Senat besteht, wenn zweifelhaft ist, welcher
Senat für ein Verfahren zuständig ist. Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 und 2 GOBVerfG werden
die Vorsitzenden beider Senate unter Hinweis auf etwaige Zweifel, die die
Senatszuständigkeit betreffen, von allen verfahrenseinleitenden Anträgen unterrichtet.
Gemäß § 44 Abs. 2 GOBVerfG kann eine Sache an den anderen Senat abgegeben werden,
wenn die Vorsitzenden und Berichterstatter beider Senate darüber einig sind. Andernfalls
kann jedes Mitglied des Gerichts gemäß § 44 Abs. 3 Satz 1 GOBVerfG die Einberufung des
Ausschusses gemäß § 14 Abs. 5 BVerfGG beantragen. In diesem Fall muss der Ausschuss
unverzüglich einberufen werden (§ 44 Abs. 3 Satz 2 GOBVerfG).
Bei der Prüfung, ob das Verfahren der Zuständigkeitsklärung im Ausschuss nach § 14 Abs.
5 BVerfGG eine unangemessene Verfahrensdauer im Sinne des § 97a Abs. 1 BVerfGG
begründet hat, ist auf alle relevanten Umstände des jeweiligen Einzelfalles anhand der vom
Bundesverfassungsgericht und vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
entwickelten Kriterien abzustellen. Danach hat im vorliegenden Fall die Dauer des
vorangegangenen fachgerichtlichen Verfahrens von 22 Monaten für einen über drei Instanzen
geführten Rechtsstreit eine von vornherein bestehende besondere Eilbedürftigkeit der
Verfassungsbeschwerde nicht begründet; dasselbe gilt für die durch die
Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen. Demgegenüber ist die Bedeutung
des zugrunde liegenden Verfassungsrechtsstreits für die Beschwerdeführerin hoch
einzuschätzen. Wiewohl mit ihrer Verfassungsbeschwerde nicht die Beendigung eines
Arbeitsverhältnisses und damit in der Konsequenz auch das Bestehen eines Lohnanspruchs
im Streit stehen (vgl. zum insoweit bestehenden Gebot besonders zügiger Bearbeitung nur
EGMR , Urteil vom 27. Juni 2000, Frydlender ./. Frankreich, Nr. 30979/96, Rn. 45
m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs), betrifft die hier aufgeworfene
Frage, ob die Beschwerdeführerin bei der Höhe ihres Lohnes gegenüber männlichen
Konkurrenten diskriminiert wurde, eine zentrale Frage ihres arbeitsrechtlichen Status, die
- auch im Interesse der Wiederherstellung des Rechtsfriedens im Betrieb und wegen der
Bedeutung der Fragestellung für vergleichbare Fälle - einer beschleunigten Klärung
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zuzuführen gewesen wäre.
Dieser Bedeutung des Streitgegenstandes ist die Verfahrensbehandlung im
Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht gerecht geworden. Auch wenn zur Vorbereitung der
Zuständigkeitsklärung im Ausschuss gemäß § 14 Abs. 5 BVerfGG im Interesse einer
möglichst einheitlichen und konsistenten Auslegung der Geschäftsverteilung zwischen
beiden Senaten durchaus umfangreiche Vorarbeiten zu leisten sein können, ist die
Feststellung des gesetzlichen Richters unverzüglich zu klären, weil ohne sie die Bearbeitung
einer Rechtssache in geordneten Bahnen nicht beginnen kann. Diese besondere
Förderungsbedürftigkeit spiegelt sich in Einzelregelungen der Geschäftsordnung des
Bundesverfassungsgerichts, wonach der Ausschuss nach § 14 Abs. 5 BVerfGG nur
einzuberufen ist, wenn eine formlose Einigung über die Zuständigkeit nicht möglich ist, und
wonach die Einberufung unverzüglich und mit einer kurzen Ladungsfrist zu erfolgen hat;
Beschlüsse des Ausschusses sind lediglich zu protokollieren und nicht zu begründen. Im
vorliegenden Fall kommt hinzu, dass bereits innerhalb weniger Wochen nach Eingang der
Sache durch Hinweise der Beschwerdeführerin und Vermerke der in Betracht kommenden
Dezernate Klarheit darüber bestand, dass ein positiver Zuständigkeitskonflikt zu lösen war
und deshalb eine formlose Einigung zwischen den beteiligten Richterdezernaten in beiden
Senaten im Sinne von § 44 Abs. 2 GOBVerfG voraussichtlich nicht möglich sein werde.
Zudem war aufgrund der vielfachen Anfragen der Beschwerdeführerin deutlich, dass auch im
Hinblick auf das parallel weiterlaufende fachgerichtliche Verfahren zu den noch offenen Teilen
des
ursprünglichen
Streitgegenstandes
eine
beschleunigte
Erledigung
des
Verfassungsbeschwerdeverfahrens sinnvoll und geboten gewesen wäre. Stattdessen erhielt
die Beschwerdeführerin auf mehrere Anfragen - etwa auf das Schreiben vom 22. März 2010 -
keine oder nur eine stark verzögerte Antwort.
Auch wenn es weder möglich noch im Hinblick auf die Vielgestaltigkeit der in Betracht
kommenden Fallkonstellationen sinnvoll wäre, eine für den Regelfall als angemessen zu
bewertende Dauer einer Klärung der Zuständigkeitsfrage zu fixieren, lässt sich dem
Akteninhalt angesichts der hervorgehobenen besonderen Umstände - insbesondere die
unmittelbar nach Eingang der Sache herbeigeführte Klarheit über die für die Zuständigkeit
relevanten Aspekte - entnehmen, dass hier eine Klärung der Senatszuständigkeit innerhalb
von etwa sechs Monaten nach Eingang der Sache geboten und möglich gewesen wäre. Da
sich die Entscheidung des Ausschusses nach § 14 Abs. 5 BVerfGG im vorliegenden Fall
indes ohne erkennbare Gründe über den als angemessen anzusehenden Zeitraum hinaus
um weitere zwölf Monate bis Mitte Oktober 2010 verzögert hat, ist für den
Verfahrensabschnitt bis zur Zuweisung der Sache an den Zweiten Senat eine
unangemessene Verfahrensdauer im Umfang von einem Jahr anzunehmen.
b) Eine weitere Phase unangemessener Verfahrensdauer ist für den vom 22. November
2011 bis zum Oktober 2013 reichenden Abschnitt des Verfassungsbeschwerdeverfahrens
festzustellen. Als Folge der Änderung der Geschäftsverteilung zwischen den Senaten durch
Beschluss des Plenums vom 22. November 2011 änderte sich mit Wirkung vom 1. Januar
2012 die Zuständigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren der Beschwerdeführerin
erneut; zuständig war nunmehr der Erste Senat. Diese Änderung wurde jedoch erst durch
Abgabe des Verfahrens mit Verfügung vom 15. Oktober 2013, also mehr als 21 Monate
später, vollzogen.
Zwar ist auch nach jeder Änderung der Geschäftsverteilung ein gewisser Zeitraum für die
Prüfung erforderlich, ob und für welche Verfahren im Einzelnen die Senats- beziehungsweise
Berichterstatterzuständigkeit fortbesteht und welche Akten für die Abgabe vorzubereiten sind.
Dies gilt auch und erst recht, wenn die Änderung der Geschäftsverteilung mit dem
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Ausscheiden eines Bundesverfassungsrichters und dem Eintritt eines neuen Mitglieds des
Gerichts zusammenfällt. Denn damit ist ebenfalls die Frage der Zuständigkeitsverteilung
zwischen den Richtern aufgeworfen. Im vorliegenden Verfahren kommt hinzu, dass der
Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin wenige Tage nach Inkrafttreten der Änderung der
Geschäftsverteilung ausdrücklich angefragt hat, welche Auswirkungen das Ausscheiden des
bisher zuständigen Berichterstatters habe und ob nicht die Änderung der Geschäftsverteilung
auch das Verfahren seiner Mandantin betreffe. Dies begründete die Pflicht des
Berichterstatters, die Zuständigkeit für das genannte Verfahren einer näheren Prüfung zu
unterziehen. Dennoch verblieb die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin für
einen Zeitraum von insgesamt 21 Monaten weiter bei einem unzuständigen Richter.
Dieser in der Verantwortungssphäre des Gerichts liegende Umstand kann nicht damit
gerechtfertigt werden, dass der bisher zuständige Richter eine außergewöhnliche Häufung
politisch höchst bedeutsamer und äußerst umfangreicher Verfahren zu bearbeiten hatte.
Auch wenn eine derartige - hier zweifellos gegebene - Belastungssituation es regelmäßig
rechtfertigen kann, Verfahren kleineren Umfangs und vergleichsweise geringerer Bedeutung
in gewissem Umfang durchaus auch für nicht unbedeutende Zeiträume zurückzustellen, um
die Erledigung vordringlicher Verfahren zu ermöglichen, so kann dies für die Bestimmung der
Senats- und Berichterstatterzuständigkeit aus den bereits hervorgehobenen Gründen doch
allenfalls in Ausnahmefällen gelten. Denn die Bestimmung der Zuständigkeit ist auf die Frage
einer Auslegung der Geschäftsverteilung begrenzt, ist zugleich aber von hervorgehobener
Bedeutung dafür, den zuständigen Berichterstatter zu ermitteln, um ihm die Bearbeitung der
Sache zu ermöglichen. Hinzu kommt, dass sich das Gericht mit zunehmender Dauer des
Verfahrens besonders nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen hat
(vgl. BVerfG, Beschluss der Beschwerdekammer vom 1. Oktober 2012 - 1 BvR 170/06 -
Vz 1/12 -, NVwZ 2013, S. 789 <790> m.w.N. zur Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts vor Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei
überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren). Dies gilt hier umso
mehr, als in den seit Eingang der Verfassungsbeschwerde verstrichenen fast drei Jahren das
Verfahren bereits um etwa ein Jahr unangemessen verzögert war. Die Verfahrensdauer war
damit in dem Zeitraum von November 2011 bis Oktober 2013 um etwa eineinhalb Jahre
unangemessen verzögert im Sinne des § 97a Abs. 1 BVerfGG.
c) Demgegenüber lässt sich weder für den Zeitraum der Zuständigkeit des Zweiten Senats
zwischen Oktober 2010 und November 2011 noch für die Zuständigkeit des Ersten Senats
von Oktober 2013 bis zum Abschluss des Verfahrens im September 2014 die
Unangemessenheit der Verfahrensdauer feststellen; eine derartige Feststellung strebt die
Beschwerdeführerin für den zuletzt genannten Zeitraum im Übrigen selbst nicht an. Diese
beiden Zeiträume sind auch unter Berücksichtigung der Pflicht, aufgelaufene Zeiten einer
unangemessenen Verfahrensdauer mit zunehmendem Zeitablauf durch besonders zügige
Förderung der Verfahren wenigstens teilweise zu kompensieren, nicht als unangemessen
einzustufen (zur Kompensation eingetretener Verzögerungen und der daraus resultierenden
besonderen Förderungspflicht in späteren Verfahrensabschnitten vgl. etwa BVerfG,
Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 22. August 2013 - 1 BvR 1067/12 -, NJW
2013, S. 3630 <3632 Rn. 32, 36>; BGH, Urteil vom 9. Oktober 2008 - 1 StR 238/08 -, wistra
2009, S. 147 <148> m.w.N.; Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen
Gerichtsverfahren, 2013, § 198 GVG, Rn. 101 f. m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 -
BVerwG 5 C 27.12 D -, BayVBl 5/2014, S. 149, Rn. 33 ff., 44). Auch wenn sich kein von den
Umständen des Einzelfalles unabhängiger Zeitraum einer angemessenen Bearbeitungsdauer
nennen lässt, könnten nur außergewöhnlich dringliche und seltene Umstände dazu führen,
eine bei etwa einem Jahr liegende Bearbeitungsdauer für eine Verfassungsbeschwerde im
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Sinne von § 97a Abs. 1 Satz 1 BVerfGG zu beanstanden (vgl. auch § 97b Abs. 1 Satz 4
BVerfGG, BTDrucks 17/3802, S. 27). Derartige Umstände sind hier weder ersichtlich noch
vorgetragen. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob der im erstgenannten Zeitraum
zuständige Verfassungsrichter trotz seiner Belastung durch sein Dezernat in der Lage
gewesen wäre, gerade das hier betroffene Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erledigen.
Denn bei der Entscheidung darüber, welches Verfahren aufgrund welcher Maßstäbe als
vordringlich einzuschätzen ist, besteht zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der
Verfassungsrechtsprechung ein erheblicher Spielraum, dessen Überschreitung hier nicht
anzunehmen ist. Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin war zum Zeitpunkt
ihrer Zuweisung an den Zweiten Senat etwa 19 Monate anhängig; nach den von der
Rechtsprechung entwickelten Kriterien drängte sich weder zu diesem Zeitpunkt noch bis
zum erneuten Zuständigkeitswechsel auf, dass dieser Verfassungsbeschwerde Vorrang
nicht nur vor politisch und rechtlich besonders bedeutsamen Senatsverfahren, sondern auch
vor allen anderen - auch älteren - im Dezernat anhängigen Verfahren hätte eingeräumt
werden müssen. Aus diesen Gründen kommt es für die Entscheidung auf die
Beweisbehauptungen der Beschwerdeführerin nicht an. Selbst wenn der vormals zuständige
Richter nicht überlastet gewesen sein sollte, bedeutete dies nämlich nicht, dass gerade das
Verfahren der Beschwerdeführerin im Vergleich zu den weiteren im Dezernat anhängigen
Sachen derart vordringlich gewesen wäre, dass die Nichtbearbeitung innerhalb des
erstgenannten Zeitraums die Schwelle zur Unangemessenheit der daraus resultierenden
Verfahrensdauer überschritten hätte.
3. Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Nachteile begründen nur zu einem
geringen Anteil einen Anspruch auf angemessene Entschädigung, weil sie überwiegend nicht
kausal auf die eingetretene Verfahrensverzögerung zurückzuführen sind.
Materielle wie immaterielle Nachteile können nur dann als durch eine unangemessene
Verfahrensdauer verursacht angesehen werden, wenn sie dem betroffenen
Verfahrensbeteiligten bei angemessener Verfahrensdauer nicht oder nicht in dem
eingetretenen Ausmaß entstanden wären. Die Frage, ob die Verfassungsbeschwerde
erfolgreich oder erfolglos war, spielt hierbei keine Rolle. Der Beschwerdekammer ist es
deshalb von vornherein verwehrt, inzident festzustellen, ob das beanstandete Verfahren
ursprünglich zulässig und begründet war und erst auf dieser Grundlage hypothetische
Überlegungen zu etwaigen ersparten Aufwendungen im Falle einer Entscheidung in
angemessener Frist zu treffen. Denn das Verzögerungsbeschwerdeverfahren dient nicht
dazu, eine inhaltliche Überprüfung der im Ausgangsverfahren ergangenen Entscheidung zu
ermöglichen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Juli 2000
- 1 BvR 352/00 -, NJW 2001, S. 214 <215 f.> zur Rechtslage vor Schaffung des Gesetzes
über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen
Ermittlungsverfahren; EGMR , Urteil vom 8. Juni 2006, Sürmeli ./. Deutschland,
Nr. 75529/01, Rn. 144 m.w.N. zur konventionsrechtlichen Bewertung unter Art. 6 EMRK in
der
ständigen
Rechtsprechung
des
EGMR).
Alleiniger
Gegenstand
der
Verzögerungsbeschwerde nach den §§ 97a ff. BVerfGG ist die Feststellung, ob die Dauer
eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht (oder eines zur Herbeiführung einer
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgesetzten Verfahrens) als unangemessen
einzustufen ist und ob - bejahendenfalls - dem Beschwerdeführer dadurch Nachteile
entstanden sind. Für jeden geltend gemachten Nachteil mit Ausnahme der in § 97a Abs. 2
Satz 1 BVerfGG geregelten immateriellen Nachteile muss deshalb feststehen, dass er bei
angemessener Verfahrensdauer nicht eingetreten wäre.
Diese Feststellung lässt sich für keinen der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten
Nachteile treffen. Dies folgt schon daraus, dass die Beschwerdeführerin ihre Argumentation
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auf die Annahme stützt, das später durch Vergleich abgeschlossene fachgerichtliche
Verfahren wäre ohne Vergleichsschluss und für sie in vollem Umfang erfolgreich beendet
worden, wenn das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde rechtzeitig und
im Sinne einer Stattgabe beschieden hätte.
Weder die Kosten für das von der Beschwerdeführerin in Auftrag gegebene Privatgutachten
noch die Aufwendungen für einen zusätzlichen Anwalt im fachgerichtlichen
Berufungsverfahren oder für ein Coaching zur Vorbereitung einer Mediation sind
ausschließlich aufgrund der überlangen Verfahrensdauer entstanden. Denn auch bei
frühzeitigerem
Abschluss
des
Verfassungsbeschwerdeverfahrens
hätte
die
Beschwerdeführerin als Berufungsklägerin im parallel fortgeführten fachgerichtlichen
Verfahren nachweisen müssen, dass sie Opfer einer Diskriminierung in einem
Beförderungsvorgang geworden sei. Eine durch das Bundesverfassungsgericht gestützte
Annahme einer diskriminierenden Entlohnung der Beschwerdeführerin im Zeitraum bis 2006
hätte die Frage einer wegen Fehlens einer Ausschreibung rechtswidrigen
Beförderungsentscheidung ebenso wenig präjudizieren können wie Feststellungen zu dem
behaupteten Mobbing zu Lasten der Beschwerdeführerin. Zudem wären die über die
gesetzlichen Gebühren weit hinausreichenden Kosten für die anwaltliche Vertretung im
Verfassungsbeschwerdeverfahren auch bei angemessener Dauer dieses Verfahrens
entstanden, da der Begründungsaufwand für die von der Beschwerdeführerin eingenommene
inhaltliche Position sich auch bei kürzerer Verfahrensdauer nicht geändert hätte. Auf eine
Prognose, ob über die Verfassungsbeschwerde vor dem Vergleichsschluss anders als durch
Nichtannahme entschieden worden wäre, kommt es deshalb nicht an. Hiervon unabhängig
begründet die - im Übrigen nach dem Vergleichsabschluss veranlasste - Zustellung der
Verfassungsbeschwerde entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin nicht die
Vermutung, die Verfassungsbeschwerde sei von der Berichterstatterin als begründet
angesehen worden.
Soweit die Beschwerdeführerin immaterielle Nachteile geltend macht, sind diese im
Rahmen des § 97a Abs. 2 BVerfGG zu entschädigen, weil aufgrund der Vermutung des §
97a Abs. 2 Satz 1 BVerfGG feststeht, dass die unangemessene Verfahrensdauer bei der
Beschwerdeführerin zu einem Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, geführt hat.
4. Legt man den hier als unangemessen einzustufenden Zeitraum der Verfahrensdauer von
zweieinhalb Jahren zugrunde, ergibt sich nach § 97a Abs. 2 Satz 3 BVerfGG ein
Entschädigungsbetrag von 3.000 €. Eine bloße Feststellung, dass und in welchem Umfang
die Dauer des Verfassungsbeschwerdeverfahrens unangemessen war, oder eine
Wiedergutmachung auf andere Weise (§ 97a Abs. 2 Satz 2 BVerfGG) erscheint angesichts
der Umstände des Einzelfalles nicht ausreichend.
V.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 3 BVerfGG, die
Festsetzung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf § 37 Abs. 2 Satz 2
in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. dazu auch BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).
Landau
Schluckebier
Paulus
Maidowski