Urteil des BVerfG vom 08.12.2015

Erfolgslose Verzögerungsbeschwerde wegen der Dauer eines Verfassungsbeschwerdeverfahrens

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BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 99/11 - Vz 1/15 -
In dem Verfahren
über
die Verzögerungsbeschwerde
des Herrn Sch…,
gegen
die Dauer des Verfahrens der Verfassungsbeschwerde 1 BvR 99/11
hat die Beschwerdekammer des Bundesverfassungsgerichts
durch die Richter Landau,
Schluckebier,
Paulus,
Maidowski
am 8. Dezember 2015 beschlossen:
Die Verzögerungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
I.
Die
Verzögerungsbeschwerde
richtet
sich
gegen
die
Dauer
eines
Verfassungsbeschwerdeverfahrens.
1. Der Beschwerdeführer verfolgte im Ausgangsverfahren die Löschung seiner
personenbezogenen Daten aus dem staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister und wandte
sich überdies gegen die Abgabe einer ihn betreffenden Strafakte an das Landesarchiv des
Landes Nordrhein-Westfalen.
Gegen die Zurückweisung seiner Begehren durch die Staatsanwaltschaft stellte der
Beschwerdeführer beim Oberlandesgericht einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der
zuletzt als unbegründet verworfen wurde. Einen über eine zuvor erfolgte Teillöschung
hinausgehenden Anspruch des Beschwerdeführers auf zusätzliche Entfernung von noch im
staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister vorhandenen persönlichen Daten (zu Deliktstyp,
Tatdaten, Entscheidungsart und Erledigungsdatum) lehnte das Oberlandesgericht unter
anderem aus Praktikabilitätsgründen wegen der besonderen Art der Speicherung ab, die eine
isolierte Löschung dieser Dateien systembedingt nicht ermöglichten. Eine hiergegen
erhobene Anhörungsrüge blieb ohne Erfolg.
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2. Gegen den Bescheid der Staatsanwaltschaft und gegen die Entscheidungen des
Oberlandesgerichts
erhob
der
Beschwerdeführer
am
4.
Oktober
2010
Verfassungsbeschwerde. Diese wurde zur Klärung der Zuständigkeit zunächst im
Allgemeinen Register eingetragen (AR 7295/10). Hiervon wurde der Beschwerdeführer mit
Schreiben vom 12. Oktober 2010 in Kenntnis gesetzt.
Mit Schreiben vom 20. Januar 2011 teilte das Bundesverfassungsgericht dem
Beschwerdeführer über dessen Rechtsanwälte mit, die Verfassungsbeschwerde sei nun als
solche in das Verfahrensregister eingetragen worden (1 BvR 99/11).
Mit Schreiben vom 1. Februar 2015 erhob der Beschwerdeführer Verzögerungsrüge, die mit
der Bitte um alsbaldige Sachentscheidung verbunden war. Das Schreiben ging am 3. Februar
2015 beim Bundesverfassungsgericht ein.
Die Verfassungsbeschwerde wurde mit Beschluss vom 13. Mai 2015 nicht zur
Entscheidung angenommen. Zur Begründung führte die Kammer aus, dass die angegriffenen
Entscheidungen des Oberlandesgerichts sich im fachgerichtlichen Wertungsrahmen hielten.
Zwar rechtfertige die bloße Tatsache, dass eine IT-gestützte Datenverarbeitung die Löschung
einzelner Daten systembedingt nicht zulasse, die Speicherung eines im Übrigen für die
behördliche Aufgabenerfüllung nicht erforderlichen Datenbestandes entgegen der Auffassung
des Oberlandesgerichts nicht. Denn die Anforderungen an die technische Datenverarbeitung
hätten insoweit den Anforderungen des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung
zu genügen und nicht umgekehrt. Im Ergebnis ließen die weiteren Ausführungen des
Oberlandesgerichts jedoch eine Verkennung des Grundrechts auf informationelle
Selbstbestimmung nicht erkennen.
3. Am 7. September 2015 hat der Beschwerdeführer Verzögerungsbeschwerde erhoben. Er
beantragt festzustellen, dass die Verfahrensdauer im Verfassungsbeschwerdeverfahren
1 BvR 99/11 unangemessen lang gewesen sei (a). Außerdem beantragt er, ihm eine
Entschädigung zuzusprechen (b).
a) Die Dauer des Verfassungsbeschwerdeverfahrens sei unangemessen lang gewesen.
Dies ergebe sich schon aus der Gesamtdauer vom 20. Januar 2011 bis zum 13. Mai 2015,
also von mehr als vier Jahren. Mit einer ordnungsgemäßen Sachbearbeitung vereinbare
Gründe, die eine solche Verfahrensdauer rechtfertigen könnten, seien auszuschließen. Dabei
werde die besondere Stellung des Bundesverfassungsgerichts keineswegs verkannt.
Gerade dort sei die ohnehin knappe Ressource Recht besonders hoch belastet und es seien
sicherlich viele Verfahren anhängig, die bedeutender seien und eine vorrangige Entscheidung
verdienten. Um gerade für die Bearbeitung derart bedeutender Verfahren die erforderliche
Entlastung zu erreichen, müsse das Bundesverfassungsgericht, wenn es eine
Nichtannahmeentscheidung anstrebe, diese zeitnah treffen.
Da das Bundesverfassungsgericht sich vorliegend bei der Nichtannahme nicht substanziell
mit der Sache habe befassen müssen, sei davon auszugehen, dass das Verfahren bei
ordnungsgemäßer Verfahrensbearbeitung binnen Jahresfrist hätte erledigt werden können.
b) Unter diesen Umständen werde ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil sei, geltend
gemacht. Eine andere Art der Wiedergutmachung sei nicht ausreichend, weil er, der
Beschwerdeführer, durch die unangemessene Verfahrensdauer in der Wahrnehmung seiner
Rechte beeinträchtigt worden sei.
Wäre die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde innerhalb der als angemessen zu
erachtenden Zeitspanne von einem Jahr, also im Januar 2012 ergangen, hätte er seine
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Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte schon früher als
geschehen einlegen können.
Auch hätte er den zuständigen Leitenden Oberstaatsanwalt schon viel früher auf die im
Nichtannahmebeschluss enthaltenen Ausführungen, wonach die technischen Gegebenheiten
dem Gesetz zu folgen hätten und nicht umgekehrt, hinweisen können, um so die schon seit
2005 erstrebte Löschung seiner bei den Justizbehörden gespeicherten personenbezogenen
Daten früher zu erreichen. Bis heute hätten die Justizbehörden keine Möglichkeit geschaffen,
zur
Vorgangsverwaltung
nicht
benötigte
Daten
aus
dem
elektronischen
Vorgangsverwaltungssystem löschen zu können.
Schließlich habe er aus der langen Verfahrensdauer die falschen Schlüsse gezogen. Er sei,
bestärkt durch seinen Rechtsbeistand, davon ausgegangen, dass eine längere
Verfahrensdauer eher für den Erfolg der Verfassungsbeschwerde spreche, weil diese einer
intensiven und zeitaufwendigen Befassung bedürfe; eine Nichtannahme nach langer Zeit sei
unvorstellbar gewesen.
Ohne Bedeutung sei in diesem Zusammenhang, dass er aus Respekt vor dem
Bundesverfassungsgericht von Sachstandsanfragen abgesehen habe. Effektiver
Rechtsschutz sei unabhängig von Sachstandsanfragen und Verzögerungsrüge in
angemessener Zeit zu gewährleisten.
4. a) Der Berichterstatter des Verfahrens hat am 6. Oktober 2015 folgende Stellungnahme
nach § 97d Abs. 1 BVerfGG abgegeben:
Das Verfassungsbeschwerdeverfahren des Beschwerdeführers habe sich durch eine
erhöhte Komplexität ausgezeichnet. Deshalb habe sich die Notwendigkeit einer vertieften
Auseinandersetzung sowohl mit der fachrechtlichen Ausgangslage als auch mit den
verfassungsrechtlichen Maßgaben ergeben. Dies werde durch den Umstand dokumentiert,
dass der Nichtannahmebeschluss mit einer Begründung versehen worden sei.
aa) Die Zurückstellung des Verfahrens sei darauf zurückzuführen, dass es im Dezernat des
Berichterstatters in den vergangenen Jahren zu einer außergewöhnlichen Häufung politisch
höchst bedeutsamer und äußerst umfangreicher Verfahren gekommen sei. Die Erledigung
dieser vordringlichen Verfahren habe die Zurückstellung von vergleichsweise weniger
umfangreichen und weniger bedeutsamen Verfahren wie dasjenige des Beschwerdeführers
gerechtfertigt. Als vordringliche Verfahren aus dem Bereich des Datenschutzrechts seien die
Senatsverfahren zur Vorratsdatenspeicherung (1 BvR 1299/05, BVerfGE 130, 151), zum
Antiterrordateigesetz (1 BvR 1215/07, BVerfGE 133, 277), zum BKA-Gesetz (1 BvR 966/09
und 1 BvR 1140/09) und zum Bayerischen Polizeiaufgabengesetz sowie zum Bayerischen
Verfassungsschutzgesetz (1 BvR 2544/08) zu nennen.
Ein weiteres Senatsverfahren von besonderer rechtspolitischer Bedeutung, das dem
Verfahren des Beschwerdeführers vorzuziehen gewesen sei, habe die Zusammensetzung
der Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten betroffen (1 BvF 1/11 und
1 BvF 4/11, BVerfGE 136, 9), das im März 2014 entschieden worden sei.
Darüber hinaus habe es aus dem Bereich des Datenschutzrechts auch wichtige
Kammerentscheidungen gegeben, die vorrangig vor dem Verfahren des Beschwerdeführers
behandelt worden seien.
bb) Schließlich sei nicht ersichtlich gewesen, dass das Verfahren des Beschwerdeführers
(1 BvR 99/11) für ihn eine Bedeutung gehabt habe, die eine frühere Entscheidung noch vor
den politisch und rechtlich besonders bedeutsamen Senatsverfahren und den anderen - auch
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älteren - im Dezernat anhängigen Verfahren erfordert hätte.
Das Verfahren sei binnen dreieinhalb Monaten nach Eingang der Verzögerungsrüge und
unmittelbar nach Erstellung des Senatsvotums zum BKA-Gesetz entschieden worden. Ihm
sei dabei Vorrang vor einer weitergehenden Votierung des Senatsverfahrens zum
Bayerischen Polizeiaufgabengesetz und zum Bayerischen Verfassungsschutzgesetz
eingeräumt worden.
b) Der Beschwerdeführer hat dazu ausgeführt, dass er im Lichte dieser Stellungnahme
zwar davon abrücke, den Umfang der Verzögerung zu quantifizieren. Im Ergebnis gehe er
jedoch davon aus, dass es in dem Verfassungsbeschwerdeverfahren zu einer
unangemessenen Verzögerung gekommen sei. Die durch den Berichterstatter angeführte
Komplexität der Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers erscheine als
Rechtfertigung wenig geeignet, da das Bundesverfassungsgericht regelmäßig mit
anspruchsvollen Fragestellungen befasst sei und diese ebenso regelmäßig binnen Jahresfrist
entscheide. Auffällig sei, dass statistisch betrachtet eine signifikant kürzere Verfahrensdauer
die Regel sei und dass das Verfahren kurz nach Eingang der Verzögerungsrüge habe
abgeschlossen werden können. Es stelle sich die Frage, warum dem Gericht ein Vorziehen
des Verfahrens - wie im Mai 2015 geschehen - nicht schon in den Jahren zuvor möglich
gewesen sei.
II.
Die zulässige Verzögerungsbeschwerde ist nicht begründet.
1.
Wer
infolge
unangemessener
Dauer
eines
Verfahrens
vor
dem
Bundesverfassungsgericht als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird
angemessen entschädigt (§ 97a Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die Angemessenheit der
Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung
der Aufgaben und der Stellung des Bundesverfassungsgerichts (§ 97a Abs. 1 Satz 2
BVerfGG). Bei der Ermittlung und Bewertung der danach relevanten Umstände ist an die
Maßstäbe anzuknüpfen, die das Bundesverfassungsgericht und der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte bei der Beurteilung überlanger gerichtlicher Verfahren
entwickelt haben. Allerdings ist es bei der Bewertung der Dauer verfassungsgerichtlicher
Verfahren in besonderem Maße geboten, auch andere Umstände zu berücksichtigen als nur
die Reihenfolge ihrer Registrierung, beispielsweise die Art der Sache sowie ihre politische
und soziale Bedeutung. Verfahren, die für das Gemeinwesen von besonderer Bedeutung
sind, ist Vorrang einzuräumen. Unter Berücksichtigung der Aufgaben und der Stellung der
Verfassungsgerichtsbarkeit ist deshalb auch eine längere Verfahrensdauer für sich gesehen
nicht ohne Weiteres unangemessen; hierfür bedarf es in der Regel außergewöhnlicher
Besonderheiten.
a) aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann der
verfassungsrechtlich garantierte Rechtsschutz nur dann im Sinne von Art. 19 Abs. 4 und
Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG wirksam
sein, wenn er innerhalb angemessener Zeit gewährt wird (vgl. BVerfGE 55, 349 <369>; 60,
253 <269>; 93, 1 <13>).
Allerdings lassen sich dem Grundgesetz keine allgemein gültigen Zeitvorgaben dafür
entnehmen, wann von einer überlangen, die Rechtsgewährung verhindernden und damit
unangemessenen Verfahrensdauer auszugehen ist; dies ist vielmehr eine Frage der
Abwägung im Einzelfall (vgl. BVerfGE 55, 349 <369>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer
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des Ersten Senats vom 20. September 2007 - 1 BvR 775/05 -, NJW 2008, S. 503; Beschluss
der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 -, juris, Rn. 11).
Bei dieser Abwägung müssen insbesondere die Natur des Verfahrens, die Bedeutung der
Sache und die Auswirkungen einer langen Verfahrensdauer für die Beteiligten, die
Schwierigkeit der Sachmaterie, das den Beteiligten zuzurechnende Verhalten, insbesondere
von ihnen zu verantwortende Verfahrensverzögerungen, sowie die gerichtlich nur begrenzt
zu beeinflussende Tätigkeit Dritter, vor allem der Sachverständigen, berücksichtigt werden
(vgl. BVerfG , Beschluss vom 20. August 2015 - 1 BvR 2781/13 - Vz
11/14 -, NJW 2015, S. 3361 <3362 Rn. 29>). Dagegen kann sich der Staat nicht auf solche
Umstände berufen, die in seinem Verantwortungsbereich liegen (vgl. BVerfG, Beschluss der
3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Oktober 2003 - 1 BvR 901/03 -, NVwZ 2004, S. 334
<335>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 24. September 2009 - 1 BvR
1304/09 -, NZS 2010, S. 381 <382>; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom
14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 -, juris, Rn. 11). Ferner haben die Gerichte auch die
Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen und sich mit zunehmender Dauer
nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen (vgl. BVerfG, Beschluss der
1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Juli 2000 - 1 BvR 352/00 -, NJW 2001, S. 214 <215>;
Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 24. September 2009 - 1 BvR 1304/09 -,
NZS 2010, S. 381 <382>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Juli 2000
- 1 BvR 352/00 -, NJW 2001, S. 214 <215>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats
vom 7. Juni 2011 - 1 BvR 194/11 -, NVwZ-RR 2011, S. 625 <626>).
bb) In vergleichbarer Weise verpflichtet Art. 6 Abs. 1 EMRK nach der Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Konventionsstaaten dazu, ihr
Gerichtswesen so einzurichten, dass die Rechtssachen innerhalb angemessener Frist
entschieden werden können (EGMR, Urteil vom 27. Juli 2000, Nr. 33379/96, Klein ./.
Deutschland, Z. 42, NJW 2001, S. 213). Darüber, ob die Dauer eines Verfahrens
angemessen ist, muss unter Berücksichtigung der Schwierigkeit des Falles, des Verhaltens
des Beschwerdeführers und der zuständigen Behörden und Gerichte sowie der Bedeutung
des Rechtsstreits für den Beschwerdeführer entschieden werden (EGMR, Urteil vom
2. September 2010, Nr. 46344/06, Rumpf ./. Deutschland, Z. 41, NJW 2010, S. 3355 <3356>;
Urteil vom 21. Oktober 2010, Nr. 43155/08, Grumann ./. Deutschland, Z. 26, NJW 2011,
S. 1055 <1056>).
b) aa) Diese für fachgerichtliche Verfahren entwickelten Regeln gelten dem Grundsatz nach
auch für das Bundesverfassungsgericht, das nach Art. 92 GG Teil der rechtsprechenden
Gewalt ist (vgl. BVerfGK 20, 65 <71, 72 ff.>; BVerfG , Beschluss
vom 20. August 2015 - 1 BvR 2781/13 - Vz 11/14 -, NJW 2015, S. 3361 <3363 Rn. 31>).
Allerdings werden sie gemäß § 97a Abs. 1 Satz 2 BVerfGG durch die Aufgaben und die
Stellung des Bundesverfassungsgerichts mit den daraus folgenden organisatorischen und
verfahrensmäßigen Besonderheiten modifiziert (vgl. BTDrucks 17/3802, S. 26).
In organisatorischer Hinsicht ist beim Bundesverfassungsgericht, anders als bei den
Fachgerichten, eine Kapazitätsausweitung zur Verkürzung der Verfahrensdauer als Reaktion
auf gesteigerte Eingangszahlen ohne ein Eingreifen des Gesetzgebers grundsätzlich nicht
möglich, da die Struktur des Gerichts durch seine Funktion bedingt und durch die Verfassung
und das Bundesverfassungsgerichtsgesetz vorgegeben ist (vgl. BTDrucks 17/3802, S. 26).
Verfahrensmäßige Besonderheiten ergeben sich weiter aus der Aufgabe der verbindlichen
Auslegung der Verfassung (vgl. § 31 BVerfGG), die grundsätzlich in jedem
verfassungsgerichtlichen Verfahren eine besonders tiefgehende und abwägende Prüfung
erfordert. Diese setzt einer Verfahrensbeschleunigung ebenfalls Grenzen (vgl. BTDrucks
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17/3802, S. 26).
Schließlich kann die Rolle des Bundesverfassungsgerichts als Hüter der Verfassung es
gebieten, bei der Bearbeitung der Verfahren in stärkerem Maße als in der Fachgerichtsbarkeit
andere Umstände zu berücksichtigen als nur die chronologische Reihenfolge der Eintragung
in das Gerichtsregister, etwa weil Verfahren, die für das Gemeinwesen von besonderer
Bedeutung sind, vorrangig bearbeitet werden müssen oder weil ihre Entscheidung von dem
Ergebnis eines sogenannten Pilotverfahrens abhängig ist (vgl. BTDrucks 17/3802, S. 26;
siehe auch BVerfGK 19, 110 <121>; 20, 65 <73>; BVerfG ,
Beschluss vom 20. August 2015 - 1 BvR 2781/13 - Vz 11/14 -, NJW 2015, S. 3361 <3363
Rn. 31>; EGMR, Urteil vom 25. Februar 2000, Nr. 29357/95, Gast und Popp ./. Deutschland,
Z. 75, NJW 2001, S. 211 <212>; Urteil vom 8. Januar 2004, Nr. 47169/99, Voggenreiter ./.
Deutschland, Z. 49; Urteil vom 6. November 2008, Nr. 58911/00, Leela Förderkreis e.V. u.a.
./. Deutschland, Z. 63, NVwZ 2010, S. 177 <178>; Urteil vom 4. September 2014,
Nr. 68919/10, Peter ./. Deutschland, Z. 40, NJW 2015, S. 3359 <3360>).
Den
organisatorischen
und
verfahrensmäßigen
Besonderheiten
des
verfassungsgerichtlichen Verfahrens trägt die Vorschrift des § 97b Abs. 1 Satz 4 BVerfGG
Rechnung, nach der die Verzögerungsrüge frühestens zwölf Monate nach Eingang des
Verfahrens beim Bundesverfassungsgericht erhoben werden kann. Dem liegt der Gedanke
zugrunde, dass beim Bundesverfassungsgericht jedenfalls eine Verfahrensdauer von einem
Jahr keinesfalls als unangemessen anzusehen ist (vgl. BTDrucks 17/3802, S. 27).
Auch eine längere Verfahrensdauer ist für sich gesehen nicht ohne Weiteres
unangemessen; hierfür bedarf es in der Regel außergewöhnlicher Besonderheiten (vgl.
BVerfG , Beschluss vom 20. August 2015 - 1 BvR 2781/13 - Vz
11/14 -, NJW 2015, S. 3361 <3363 Rn. 35>). Denn der Gesetzgeber hat bei der Ausarbeitung
des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen
Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 (BGBl I S. 2302) in Kenntnis des Umstandes,
dass im Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2009 in einem Drittel der
Verfassungsbeschwerdeverfahren die Dauer mehr als ein Jahr - und in rund 7,4 % der
Verfassungsbeschwerdeverfahren mehr als vier Jahre - betrug (vgl. BTDrucks 17/3802,
S. 27; Jahresstatistiken 2000 bis 2009, siehe nur die Jahresstatistik 2009, S. 20), auf eine
generelle Festlegung, wann ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht
unangemessen lang im Sinne von § 97a Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist, verzichtet. Er hat
stattdessen maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der sich
aus den Aufgaben und der Stellung des Bundesverfassungsgerichts ergebenden
Besonderheiten abgestellt (vgl. BTDrucks 17/3802, S. 26).
bb) Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erkennt in seiner
Rechtsprechung zu Art. 6 Abs. 1 EMRK an, dass die Verpflichtung, Gerichte so einzurichten,
dass sie Rechtssachen innerhalb angemessener Fristen entscheiden können, für ein
Verfassungsgericht nicht in derselben Weise wie für ein Fachgericht ausgelegt werden kann.
Zwar kann nach dieser Rechtsprechung ein ständiger Rückstand infolge chronischer
Überlastung auch beim Bundesverfassungsgericht eine überlange Verfahrensdauer nicht
rechtfertigen (EGMR, Urteil vom 25. Februar 2000, Nr. 29357/95, Gast und Popp ./.
Deutschland, Z. 78, NJW 2001, S. 211 <212>; Urteil vom 27. Juli 2000, Nr. 33379/96, Klein ./.
Deutschland, Z. 29, 43, NJW 2001, S. 213 <213, 214>). Indes erfordert es die Rolle eines
Verfassungsgerichts als Hüter der Verfassung, auch andere Überlegungen zu
berücksichtigen als die Zeitfolge, in der Fälle registriert werden, zum Beispiel die Art der
Sache und ihre politische und soziale Bedeutung (EGMR, Urteil vom 25. Februar 2000,
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Nr. 29357/95, Gast und Popp ./. Deutschland, Z. 75, NJW 2001, S. 211 <212>; Urteil vom
8. Januar 2004, Nr. 47169/99, Voggenreiter ./. Deutschland, Z. 49, 52; Urteil vom
6. November 2008, Nr. 58911/00, Leela Förderkreis e.V. u.a. ./. Deutschland, Z. 63, NVwZ
2010, S. 177 <178>; Urteil vom 22. Januar 2009, Nr. 45749/06 und 51115/06, Kaemena und
Thöneböhn ./. Deutschland, Z. 64, StV 2009, S. 561 <562>; Urteil vom 4. September 2014,
Nr. 68919/10, Peter ./. Deutschland, Z. 43, NJW 2015, S. 3359 <3360>).
2.
Nach
diesen
Maßstäben
war
die
Verfahrensdauer
in
dem
Verfassungsbeschwerdeverfahren des Beschwerdeführers nicht unangemessen.
Das beanstandete Verfahren hat vom Eingang der Verfassungsbeschwerde im Oktober
2010 bis zur Versendung des Nichtannahmebeschlusses im Juni 2015 rund vier Jahre und
acht Monate gedauert. Damit war die Verfahrensdauer zwar ungewöhnlich lang (vgl.
BVerfGK 20, 65 <74>: dort entsprechende Bewertung einer - im Ergebnis für nicht
unangemessen befundenen - Verfahrensdauer von rund viereinhalb Jahren; siehe dazu
EGMR, Urteil vom 4. September 2014, Nr. 68919/10, Peter ./. Deutschland, Z. 47, NJW
2015, S. 3359 <3360>). Sie war indes unter Berücksichtigung der Aufgaben und der Stellung
des Bundesverfassungsgerichts durch Sachgründe gerechtfertigt und damit nicht
unangemessen.
a) Allerdings hat der Beschwerdeführer nicht durch sein Verhalten zur Dauer des
Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht beigetragen. Der bloße Umstand, dass der
Beschwerdeführer nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt eine Verzögerungsrüge erhoben
oder Sachstandsanfragen an das Bundesverfassungsgericht gerichtet hat, steht der
Annahme einer unangemessenen Verfahrensdauer nicht entgegen. Die aus Art. 2 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitende Pflicht des Staates zur Gewährleistung von
Rechtsschutz in angemessener Zeit (vgl. nur BVerfGE 93, 1 <13> m.w.N.) erfordert es, die
Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen und sich mit zunehmender Dauer
nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen, ohne dass die Parteien
oder sonst Beteiligten hierauf hinweisen müssen.
Auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sind
die Parteien eines Rechtsstreits nicht verpflichtet, das damit befasste Gericht an seine
unmittelbar aus Art. 6 Abs. 1 EMRK folgende Pflicht zur Entscheidung innerhalb einer
angemessenen Frist zu erinnern (vgl. EGMR, Urteil vom 4. September 2014, Nr. 68919/10,
Peter ./. Deutschland, Z. 43, NJW 2015, S. 3359 <3360>).
b) Die Dauer des Verfassungsbeschwerdeverfahrens war vorliegend jedoch unter
Berücksichtigung der Aufgaben und der Stellung des Bundesverfassungsgerichts noch durch
Sachgründe gerechtfertigt, die eine Qualifizierung der Verfahrensdauer als unangemessen im
Sinne von § 97a Abs. 1 BVerfGG ausschließen. Das gilt für die Zeit bis März 2015, in der das
Verfahren des Beschwerdeführers zurückgestellt war (aa), sowie für die Verfahrensdauer
nach Erstellung des Votums zu dem vom Berichterstatter vorgezogenen Senatsverfahren
betreffend das Gesetz über das Bundeskriminalamt (bb).
aa) (1) In dem unter anderem für das Datenschutzrecht zuständigen Dezernat des
Berichterstatters, dem die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers am 19. Januar
2011 zugeschrieben wurde, waren im fraglichen Zeitraum außergewöhnlich viele Verfahren
besonderen Umfangs anhängig, die politisch sehr bedeutsam waren (dazu (a)). Deren
vordringliche Erledigung rechtfertigte die Zurückstellung von vergleichsweise weniger
umfangreichen und weniger bedeutsamen Verfahren wie dasjenige des Beschwerdeführers
(dazu (b)).
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(a) Bei den vorrangig bearbeiteten Verfahren handelte es sich vornehmlich um
Senatsverfahren aus dem Bereich des Datenschutzrechts, die bei Eingang der
Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers bereits anhängig waren.
Diese Senatsverfahren betrafen insbesondere die sogenannte Vorratsdatenspeicherung
(1 BvR 1299/05, BVerfGE 130, 151 - entschieden im Januar 2012), das Antiterrordateigesetz
(1 BvR 1215/07, BVerfGE 133, 277 - entschieden im April 2013) und das Gesetz über das
Bundeskriminalamt (1 BvR 966/09 und 1 BvR 1140/09 - verhandelt im Juli 2015). Alle diese
Verfahren zeichnen sich durch eine besondere Komplexität der zu überprüfenden
Regelungen sowie durch ihre besondere rechtspolitische Bedeutung für das Verhältnis von
grundrechtlich verbürgtem Freiheitsschutz einerseits und der Gewährleistung von Sicherheit
durch den Staat im Rahmen der Bekämpfung des nationalen und internationalen Terrorismus
andererseits aus.
Dabei weist das dem Verfahren des Beschwerdeführers vorgezogene - noch anhängige -
Verfahren zum Gesetz über das Bundeskriminalamt, dessen Votierung im März 2015
abgeschlossen wurde, eine nochmals erhöhte, auch für ein Senatsverfahren ungewöhnliche
fachrechtliche und verfassungsrechtliche Komplexität auf. Hinzu kommt eine gesteigerte
rechtspolitische Bedeutung dieses Verfahrens, weil hier die Neuausrichtung des
Bundeskriminalamts auf die Bekämpfung des internationalen Terrorismus als solche und
somit ein kompletter Unterabschnitt des Gesetzes und in der Konsequenz eine Vielzahl
neuartiger Befugnisnormen zur Erhebung personenbezogener Daten angegriffen sind.
Ein weiteres - im April 2011 eingegangenes - Senatsverfahren von besonderer
rechtspolitischer Bedeutung, das dem Verfahren des Beschwerdeführers vorgezogen und im
März 2014 entschieden wurde, betraf die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien der
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten („ZDF-Verfahren“, 1 BvF 1/11 und 1 BvF 4/11,
BVerfGE 136, 9).
(b) Darüber hinaus gab es wichtige Verfahren, die in der zur Entscheidung berufenen
Kammer des Ersten Senats vorrangig vor dem Verfahren des Beschwerdeführers behandelt
wurden. Hierbei handelte es sich unter anderem um das Verfahren zur Obliegenheit des
Versicherungsnehmers
einer
Berufsunfähigkeitsversicherung
zu
Schweigepflichtsentbindungen im Leistungsfall (1 BvR 3167/08 -, NJW 2013, S. 3086 -
entschieden im Juli 2013), ein Verfahren zur Zulässigkeit des biometrischen Passes (1 BvR
502/09 -, juris - entschieden im Dezember 2012) und ein Verfahren betreffend die Beiziehung
staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsakten zu Kartelldelikten in einem Zivilverfahren gegen die
Kartellanten (1 BvR 3541, 3543, 3600/13 -, NJW 2014, S. 1581 - entschieden im März 2014).
Zu diesen kam ein - vergleichsweise älteres - wichtiges und komplexes Verfahren (1 BvR
1199/08) aus dem Bereich des Datenschutzrechts, das die Überwachung einer Person durch
den Bundesnachrichtendienst betraf.
(c) Eine anderweitige Verteilung der aufgeführten Verfahren besonderen Umfangs und
besonderer Schwierigkeit auf andere Richterdezernate des Senats kam nicht in Betracht,
weil diese ebenfalls stark belastet waren.
(2) Die Entscheidung des Berichterstatters, die genannten Verfahren vor dem Verfahren
des Beschwerdeführers zu bearbeiten, war unter den gegebenen Umständen durch
sachliche Gründe gerechtfertigt; die dadurch bedingte Verfahrensverzögerung ist mithin nicht
unangemessen.
(a) Verfahrensgestaltende Befugnisse des Gerichts müssen mit Blick auf die Grundrechte
der Beteiligten, insbesondere deren Recht auf effektiven Rechtsschutz, ausgeübt werden.
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Bei der Entscheidung darüber, welches Verfahren aufgrund welcher Maßstäbe als vorrangig
einzuschätzen
ist,
besteht
zur
Sicherung
der
Funktionsfähigkeit
der
Verfassungsrechtsprechung aber ein erheblicher Spielraum. Dieser wird regelmäßig erst
dann überschritten, wenn sich die verfahrensleitende Entscheidung nicht auf
verfahrensökonomische oder sonst vorrangbegründende Sachgründe stützen lässt, sondern
von sachfremden und zweckwidrigen Erwägungen getragen ist oder im Hinblick auf die
besonderen Umstände des Einzelfalls unverhältnismäßig erscheint (vgl. BVerfGK 20, 65
<75> m.w.N.; BVerfG , Beschluss vom 20. August 2015 - 1 BvR
2781/13 - Vz 11/14 -, NJW 2015, S. 3361 <3364 f. Rn. 44>).
(b) Das war hier nicht der Fall.
(aa) Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Entscheidung des
Berichterstatters, das Verfahren des Beschwerdeführers zurückzustellen, aus sachfremden
Erwägungen getroffen worden sein könnte. Der ursprünglich im Januar 2011 getroffenen -
und vom Beschwerdeführer auch nicht in Zweifel gezogenen - Zurückstellungsentscheidung
stand keine über die anhängigen Senatsverfahren hinausgehende besondere politische oder
soziale Bedeutung des Verfahrens des Beschwerdeführers entgegen. Entsprechendes galt
im Verhältnis zu den in der Stellungnahme des Berichterstatters genannten und durch die
zuständige Kammer des Ersten Senats entschiedenen Verfahren, die - mit Ausnahme der im
März 2014 entschiedenen Verfahren - überdies vergleichsweise älter waren.
(bb) Auch für den sich an den Abschluss des Verfahrens zur Vorratsdatenspeicherung im
Januar 2012 anschließenden Zeitraum bis zum März 2015 war es nach den von der
Rechtsprechung entwickelten Maßstäben nicht geboten, der Verfassungsbeschwerde des
Beschwerdeführers schon früher Vorrang nicht nur vor den verbliebenen - meist älteren -
politisch und rechtlich besonders bedeutsamen Senatsverfahren, sondern auch vor allen
anderen im Dezernat anhängigen Verfahren einzuräumen.
(α) Der Beschwerdeführer meint, dem bloßen Umstand der Nichtannahme seiner
Verfassungsbeschwerde entnehmen zu können, die zur Entscheidung berufene Kammer
habe sich nicht substanziell mit der Sache befassen müssen. Deshalb habe sein Verfahren
bei ordnungsgemäßer Sachbearbeitung binnen Jahresfrist erledigt werden können, zumal
auch statistisch betrachtet vor dem Bundesverfassungsgericht eine signifikant kürzere
Verfahrensdauer die Regel sei.
Die dieser Annahme zugrunde liegende Unterstellung des Beschwerdeführers, ein nicht zur
Entscheidung angenommenes Verfahren sei einfach, bedürfe deshalb keiner substanziellen
inhaltlichen Prüfung und sei somit schnell zu erledigen, ist unzutreffend. Der
Beschwerdeführer verkennt, dass die bloße Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde
als solche für einen Rückschluss dieses Inhalts keine tragfähige Grundlage bietet. Vorliegend
wird überdies die Unterstellung des Beschwerdeführers dadurch widerlegt, dass der
Nichtannahmebeschluss mit einer - gesetzlich nicht gebotenen (vgl. § 93d Abs. 1 Satz 3
BVerfGG) - Begründung versehen wurde, was zuletzt im Jahr 2014 senatsübergreifend in
217 und somit in 3,58 % der insgesamt 6.062 durch Nichtannahmebeschluss der Kammern
abgeschlossenen Verfassungsbeschwerdeverfahren der Fall war (vgl. Jahresstatistik 2014,
S. 18 unter III. 1. a) aa)). Das hebt das Verfahren des Beschwerdeführers - ungeachtet
seines Ausgangs - rein statistisch gesehen aus der Vielzahl von Verfahren heraus. Darüber
hinaus dokumentiert die Begründung des Nichtannahmebeschlusses, dass die zur
Entscheidung berufene Kammer - entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers - sich
mit dem Verfahren und den darin aufgeworfenen Rechtsfragen substanziell
auseinandergesetzt hat.
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(β) Im Übrigen war eine besondere, der Zurückstellung entgegenstehende subjektive
Bedeutung der Verfassungsbeschwerde nicht ersichtlich. Ausweislich der - insoweit
unwidersprochen gebliebenen - Stellungnahme des Berichterstatters begehrt der
Beschwerdeführer in der Sache vor allem die Löschung von Daten, die im Verfahrensregister
der Staatsanwaltschaft gespeichert und - wie sich aus den dem Gericht vorgelegten
Unterlagen ergibt - vor Missbrauch besonders gesichert sind. So ist an der Archivierung nicht
beteiligten Beschäftigten der Staatsanwaltschaft der Zugriff auf diese Daten von ihrem
Computer aus nicht möglich. Auch die Aufstellung der den Beschwerdeführer betreffenden
Akten kann in der Staatsanwaltschaft nicht ausgedruckt werden. Der Zweck der
Datenspeicherung ist eng begrenzt, und es ist nicht ersichtlich, dass auf diese Daten konkret
zugegriffen werden soll. Letzteres gilt auch für die an das Landesarchiv übermittelten Daten,
deren Nutzung überdies von speziellen Voraussetzungen abhängig ist.
Nach alledem erweist sich die Zurückstellung des Verfassungsbeschwerdeverfahrens des
Beschwerdeführers bis März 2015 als durch Sachgründe gerechtfertigt.
bb) Der Grund für die Zurückstellung des Verfassungsbeschwerdeverfahrens des
Beschwerdeführers entfiel ausweislich der Stellungnahme des Berichterstatters mit der
Fertigstellung des Votums im Verfahren zum Gesetz über das Bundeskriminalamt am
17. März 2015.
Der nachfolgende Zeitraum bis zum Abschluss des Verfassungsbeschwerdeverfahrens
des Beschwerdeführers am 13. Mai 2015 ist auch unter Berücksichtigung der Pflicht,
aufgelaufene Zeiten mit zunehmender Verfahrensdauer durch besonders zügige Förderung
des Verfahrens wenigstens teilweise zu kompensieren (vgl. nur BVerfG
, Beschluss vom 20. August 2015 - 1 BvR 2781/13 - Vz 11/14 -, NJW
2015, S. 3361 <3364 f. Rn. 44> m.w.N.), nicht unangemessen. Diese Bearbeitungsdauer
beanstandet der Beschwerdeführer auch nicht.
Landau
Schluckebier
Paulus
Maidowski