Urteil des BVerfG vom 20.03.2018

Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung bezüglich der Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigtem

- Bevollmächtigte:
Rechtsanwältin Sigrun Krause,
Yorckstraße 80, 10965 Berlin -
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 1266/17 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
1.
der Frau A ... ,
2.
des Herrn S ... ,
gegen a) den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg
vom 28. April 2017 - OVG 3 S 23.17/OVG 3 M 38.17 -,
b) den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 3. März 2017 -
VG 30 L 831.16 V -
und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
und Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung
der Rechtsanwältin Sigrun Krause, Berlin
hier: Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Voßkuhle,
die Richterin Kessal-Wulf
und den Richter Maidowski
gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der
Bekanntmachung
vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 20. März 2018 einstimmig beschlossen:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von
Rechtsanwältin Sigrun Krause, Berlin, für das Verfahren auf Erlass einer
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einstweiligen Anordnung wird abgelehnt, weil die beabsichtigte
Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
G r ü n d e :
I.
1. Die Beschwerdeführer begehren die vorläufige Erteilung eines Visums an die
Beschwerdeführerin zu 1. zum Elternnachzug zu einem minderjährigen subsidiär
Schutzberechtigten, hilfsweise die Erteilung eines Visums aus dringenden
humanitären Gründen. Sie wenden sich mittelbar gegen die Regelung des § 104
Abs. 13 AufenthG, mit der der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten
befristet ausgesetzt wurde.
Die Regelung des § 104 Abs. 13 AufenthG wurde mit dem Gesetz zur Einführung
beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl I S. 390) als Teil des
sogenannten „Asylpakets II“ in das Aufenthaltsgesetz eingefügt. Sie lautet:
Bis zum 16. März 2018 wird ein Familiennachzug zu Personen,
denen nach dem 17. März 2016 eine Aufenthaltserlaubnis nach
§ 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative erteilt worden ist, nicht
gewährt. Für Ausländer, denen nach dem 17. März 2016 eine
Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative
erteilt wurde, beginnt die Frist des § 29 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1
ab dem 16. März 2018 zu laufen. Die §§ 22, 23 bleiben unberührt.
Mit dieser Regelung wurde der Familiennachzug zu Personen, denen subsidiärer
Schutz im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG zuerkannt worden ist, befristet ausgesetzt.
Die Regelung des Familiennachzugs zu anerkannten Flüchtlingen blieb unverändert.
Das am 1. Februar 2018 vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Verlängerung
der Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten, mit dem
die Aussetzung bis zum 31. Juli 2018 verlängert wird, ist am 16. März 2018 in Kraft
getreten (BGBl I S. 342).
2. Die Beschwerdeführer stammen aus Syrien. Der Beschwerdeführer zu 2. ist
13 Jahre alt und reiste im Sommer 2015 zusammen mit seinem Onkel - dem
Bruder seiner Mutter - in die Bundesrepublik Deutschland ein. Auf seinen Asylantrag
wurde ihm mit Bescheid vom 4. August 2016 subsidiärer Schutz zuerkannt. Über
seine Klage auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist soweit ersichtlich noch
nicht entschieden worden. Die Beschwerdeführerin zu 1. ist seine Mutter, die in der
Türkei lebt, dort erwerbstätig ist und zwischenzeitlich die türkische
Staatsangehörigkeit erhalten hat. Zum Vater besteht seit frühester Kindheit kein
Kontakt.
Der unmittelbar nach der Entscheidung über den Asylantrag des Sohnes gestellte
Antrag der Beschwerdeführerin zu 1. auf Erteilung eines Visums zum
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Familiennachzug wurde unter Hinweis auf § 104 Abs. 13 AufenthG abgelehnt. Den
Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz lehnte das Verwaltungsgericht ab. Ein
Anspruch auf Erteilung eines Visums zum Familiennachzug sei nicht mit der für
eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit
gegeben, weil diesem Anspruch § 104 Abs. 13 AufenthG entgegenstehe. Das
Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts dürfe nur ausnahmsweise
überspielt werden. Eine Verletzung von Art. 6 GG sei fraglich, weil der
Familiennachzug nicht grundsätzlich verwehrt werde, sondern lediglich befristet
ausgesetzt sei, und besonderen Härtefällen durch die §§ 22, 23 AufenthG Rechnung
getragen werden könne. Auch ein Anordnungsgrund, an den in Fällen der
Vorwegnahme der Hauptsache ebenfalls hohe Anforderungen zu stellen seien, liege
nicht vor, weil die Familie die Trennung eigenverantwortlich herbeigeführt habe, der
Beschwerdeführer zu 2. von seinem mit ihm vertrauten Onkel betreut werde und die
Wohnsituation lediglich vorübergehend schwierig sei. Auch die gesundheitliche
Situation des Beschwerdeführers zu 2. rechtfertige nicht die Annahme eines
Anordnungsgrundes. Allerdings dürfte die voraussichtliche Dauer der Trennung von
Mutter und Sohn von fast drei Jahren an der Grenze des Zumutbaren liegen,
weshalb davon ausgegangen werde, dass dem Visumsbegehren im März 2018
zeitnah entsprochen werde. Für die Erteilung eines Visums gemäß § 22 AufenthG
fehle sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch. Dringende
humanitäre Gründe lägen nicht vor.
Die Beschwerde gegen diese Entscheidung blieb erfolglos. Das
Oberverwaltungsgericht führte aus, das Verwaltungsgericht habe in nicht zu
beanstandender Weise angenommen, dass die Voraussetzungen für die
ausnahmsweise Zulässigkeit einer Vorwegnahme der Hauptsache nicht vorlägen.
Es sei nicht glaubhaft gemacht, dass das Abwarten einer Entscheidung in der
Hauptsache unzumutbar sei.
3. Die Beschwerdeführer haben Verfassungsbeschwerde erhoben und beantragt,
der Beschwerdeführerin zu 1. im Wege der einstweiligen Anordnung ein vorläufiges
Visum zur Einreise in die Bundesrepublik Deutschland zu erteilen. Ferner begehren
sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Ein Abwarten des fachgerichtlichen Rechtsschutzes in der Hauptsache sei nicht
zumutbar. Der psychische und physische Zustand des Beschwerdeführers zu 2.
habe sich wesentlich verschlechtert, seit ihm mitgeteilt worden sei, dass seine
Mutter bis März 2018 nicht nach Deutschland kommen könne. Er leide unter
häufiger und schwerer werdenden Migräneattacken und könne am Abend nicht
einschlafen, wenn er nicht zuvor über das Internet mit seiner Mutter gesprochen
habe. Die Trennung werde voraussichtlich insgesamt mindestens drei Jahre
andauern; der Sohn werde dann ein Viertel seines Lebens ohne seine Mutter
verbracht haben. Dass die Trennung von den Beschwerdeführern selbst
herbeigeführt worden sei, ändere nichts an deren Unzumutbarkeit, zumal für den
Beschwerdeführer zu 2. in der Türkei ein regulärer Schulbesuch nicht möglich
gewesen sei.
Der Ausschluss des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten verletze
Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG. Der Zweck der Zuwanderungsbegrenzung stehe
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außer Verhältnis zu dem bewirkten Grundrechtseingriff. Der Familiennachzug sei
das einzige Mittel, die Familieneinheit wiederherzustellen, weil die familiäre
Lebensgemeinschaft im Herkunftsland nicht mehr gelebt werden könne. Die Dauer
der tatsächlichen Trennung der Familien sei unangemessen lang. Auch nach Art. 8
EMRK, Art. 7 und Art. 24 EU-Grundrechtecharta und den Bestimmungen der UN-
Kinderrechtskonvention müsse das Kindeswohl sowohl für die Behörden als auch
für den Gesetzgeber Leitlinie und maßgeblicher Gesichtspunkt sein. Dies sei derzeit
nicht gewährleistet, weil für Minderjährige keine Ausnahmen vorgesehen und den
Behörden kein Ermessen eingeräumt sei. Die derzeitige Handhabung des § 22
AufenthG ermögliche nicht, Härtefällen hinreichend Rechnung zu tragen. Die
Aussetzung des Familiennachzugs verstoße ferner gegen Art. 3 Abs. 1 GG zum
einen im Vergleich zu anerkannten Flüchtlingen, zum anderen im Vergleich zu
Personen, für die ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder § 60 Abs. 7
Satz 1 AufenthG festgestellt worden sei. Der Ausschluss des Familiennachzugs sei
auch konkret im Falle der Beschwerdeführer unverhältnismäßig. Ferner liege ein
Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG vor. Die Fachgerichte hätten ihre Vorlagepflicht
zum Bundesverfassungsgericht und die Vorlagemöglichkeit zum EuGH nicht
berücksichtigt und bei der Prüfung der Voraussetzungen für den Erlass einer
einstweiligen Anordnung die Schwere des Nachteils verkannt.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nicht begründet.
1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht einen Zustand
durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer
Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen
Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Bei der Prüfung, ob die
Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG gegeben sind, ist wegen der
weittragenden Folgen einer einstweiligen Anordnung regelmäßig ein strenger
Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 55, 1 <3>; 82, 310 <312>; 94, 166 <216 f.>; 104,
23 <27>; 106, 51 <58>; 132, 195 <232 Rn. 86>).
Bei der Entscheidung über die einstweilige Anordnung haben die Gründe, die für
die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahmen vorgetragen werden,
grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die in der Hauptsache
begehrte Feststellung oder der in der Hauptsache gestellte Antrag erwiesen sich als
von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfGE 89, 38
<44>; 103, 41 <42>; 118, 111 <122>; stRspr). Bei offenem Ausgang des
Hauptsacheverfahrens muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen abwägen,
die eintreten würden, einerseits wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die
Verfassungsbeschwerde aber in der Hauptsache Erfolg hätte, und andererseits
wenn
die
begehrte
einstweilige
Anordnung
erlassen
würde,
der
Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl.
BVerfGE 105, 365 <371>; 106, 351 <355>; 108, 238 <246>; 125, 385 <393>; 126,
158 <168>; 129, 284 <298>; 132, 195 <232 f. Rn. 87>; stRspr).
2. Die Verfassungsbeschwerde stellt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt, soweit
die Erteilung eines Visums zum Familiennachzug begehrt wird, weder als
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unzulässig noch als offensichtlich unbegründet dar. Soweit der geltend gemachte
Anspruch auf § 22 AufenthG gestützt wird, ist die Verfassungsbeschwerde
hingegen unzulässig.
a) Soweit es um die Erteilung eines Visums zum Familiennachzug gemäß § 36
AufenthG geht, ist die Verfassungsbeschwerde insbesondere nicht offensichtlich
unbegründet. In der Hauptsache wäre voraussichtlich zu klären, ob die Regelung
des § 104 Abs. 13 AufenthG, nach der ein Familiennachzug zu sub-sidiär
Schutzberechtigten - derzeit - bis zum 16. März 2018 nicht gewährt wird, mit Art. 6
Abs. 1 GG in Einklang steht (vgl. einerseits Thym, NVwZ 2016, S. 409 <414>;
andererseits Heuser, Asylmagazin 2017, S. 125 <127 ff.>). In diesem Rahmen kann
auch von Bedeutung sein, inwieweit Härtefällen durch die Erteilung von humanitären
Aufenthaltserlaubnissen gemäß § 22 Satz 1 AufenthG Rechnung zu tragen ist,
insbesondere auch dann, wenn die besondere Härte durch Umstände in der Person
des subsidiär Schutzberechtigten begründet wird.
b) Soweit es um die Erteilung eines Visums aus dringenden humanitären Gründen
gemäß § 22 AufenthG geht, ist die Verfassungsbeschwerde mangels ausreichender
Begründung (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG) unzulässig. Die binnen der Frist
des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG eingereichte Begründung der
Verfassungsbeschwerde enthält keine Ausführungen zu dem geltend gemachten
Anspruch aus § 22 AufenthG. Zu den - im Rahmen des Vortrags zum
Anordnungsgrund für die Erteilung eines Visums zum Familiennachzug - geltend
gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen ist abgesehen von der Vorlage
zweier nicht hinreichend aktueller und hinsichtlich des Verlaufs wenig
aussagekräftiger Arztbriefe von Ende 2015 und Anfang 2016 nicht konkret
vorgetragen worden. Auf dieser Grundlage ist die fachgerichtliche Bewertung,
dringende humanitäre Gründe lägen nicht vor, nicht zu beanstanden. Soweit die
Beschwerdeführer
nach
Ablauf
der
Frist
zur
Begründung
der
Verfassungsbeschwerde zu veränderten tatsächlichen Umständen vorgetragen
haben und insbesondere ein psychotherapeutisches Gutachten über eine
depressive Episode des Beschwerdeführers zu 2. vorgelegt haben, waren diese
Umstände noch nicht Gegenstand der fachgerichtlichen Prüfung und sind zunächst
mit einem Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO beim Verwaltungsgericht geltend zu
machen. Im Rahmen der erneuten fachgerichtlichen Entscheidung kann auch
berücksichtigt werden, dass das Verwaltungsgericht bereits in seiner ursprünglichen
Entscheidung darauf hingewiesen hatte, eine tatsächliche Trennungszeit von fast
drei Jahren liege wohl an der Grenze eines noch vertretbaren Zeitraumes.
3. Aufgrund der vorzunehmenden Folgenabwägung ist die einstweilige Anordnung
dahingehend, der Beschwerdeführerin zu 1. ein vorläufiges Visum zum
Familiennachzug zu erteilen, nicht zu erlassen.
a) Wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, das Begehren des
Familiennachzugs aber in der Hauptsache Erfolg hätte, würde der Anspruch auf
Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft in der Bundesrepublik Deutschland
für die Zwischenzeit, solange der Familiennachzug ausgesetzt bleibt, endgültig
vereitelt. Dies könnte nicht mehr rückgängig gemacht oder ausgeglichen werden.
b) Erginge hingegen die einstweilige Anordnung, obwohl das Begehren des
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Familiennachzugs in der Hauptsache unbegründet wäre, so würde der
Beschwerdeführerin zu 1. die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland erlaubt,
was ebenfalls nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte. Würde zudem die
einstweilige Anordnung, was hier allein in Betracht kommt, mit
verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 104 Abs. 13 AufenthG
begründet, so müsste dies jedenfalls für alle anderen Fälle des Elternnachzugs zu
minderjährigen subsidiär Schutzberechtigten ebenso gelten, was im Ergebnis einer
entsprechend weitgehenden Aussetzung des Vollzugs der gesetzlichen Regelung
gleichkäme. Das Ziel des Gesetzgebers, „im Interesse der Integrationssysteme in
Staat und Gesellschaft“ (vgl. BTDrucks 18/7538 S. 1) Einreisen der
Familienangehörigen von subsidiär Schutzberechtigten in diesem Zeitraum gerade
nicht zu ermöglichen, würde in diesem Umfang vereitelt.
Gilt aber für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG
bereits ohnehin ein strenger Maßstab, so erhöht sich diese Hürde noch, wenn der
Vollzug eines Gesetzes ausgesetzt werden soll (vgl. BVerfGE 3, 41 <44>; 6, 1 <4>;
7, 367 <371>; 64, 67 <69>; 81, 53 <54>; 117, 126 <135>). Das
Bundesverfassungsgericht darf von seiner Befugnis, den Vollzug eines Gesetzes
auszusetzen, nur mit größter Zurückhaltung Gebrauch machen, weil dies einen
erheblichen Eingriff in die originäre Zuständigkeit des Gesetzgebers darstellt (vgl.
BVerfGE 104, 23 <27>; 104, 51 <55>; 112, 216 <220>; 112, 284 <292>; 122, 342
<361>; 131, 47 <61>; 140, 99 <106 f.>; 140, 211 <219>; stRspr). Müssen die für
eine vorläufige Regelung sprechenden Gründe schon im Regelfall so schwer
wiegen, dass sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung unabdingbar machen, so
müssen sie im Fall der begehrten Außervollzugsetzung eines Gesetzes darüber
hinaus besonderes Gewicht haben (vgl. BVerfGE 82, 310 <313>; 104, 23 <27 f.>;
117, 126 <135>; 122, 342 <361 f.>; 140, 99 <107>; 140, 211 <219>; stRspr). Auch
wenn die jeweiligen Nachteile der abzuwägenden Folgenkonstellationen einander in
etwa gleichgewichtig gegenüberstehen, verbietet es die mit Blick auf die
Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) notwendige Zurückhaltung des
Bundesverfassungsgerichts, das angegriffene Gesetz auszusetzen, bevor geklärt
ist, ob es vor der Verfassung Bestand hat (vgl. BVerfGE 104, 51 <60>; 106, 369
<376>; 108, 45 <51>; 140, 99 <107>).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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Kessal-Wulf
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