Urteil des BVerfG vom 19.05.2015

Einstellung der Ermittlungen gegen Oberst und Hauptfeldwebel der Bundeswehr nach Luftangriff in Kunduz verstößt nicht gegen das Grundgesetz

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- Bevollmächtigte:
Hummel Kaleck Rechtsanwälte Fachanwälte,
Immanuelkirchstraße 3-4, 10405 Berlin -
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 987/11 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn H…,
gegen a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf
vom 31. März 2011 - III-5 StS 6/10 -,
b) den Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf
vom 16. Februar 2011 - III-5 StS 6/10 -,
c) den Bescheid des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichts- hof vom 13.
Oktober 2010 - 3 BJs 6/10-4 -
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richter Huber,
Müller,
Maidowski
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom
11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 19. Mai 2015 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
G r ü n d e :
I.
1. In der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009 veranlasste der Oberst der Bundeswehr
K. als militärischer Leiter des Provinz-Wiederaufbauteams (PRT) in Kunduz/Afghanistan
einen Luftangriff auf zwei Tanklastwagen, die von bewaffneten Taliban entführt worden waren
und auf einer Sandbank im Fluss Kunduz feststeckten. Dieser Luftschlag, an dem der
Hauptfeldwebel der Bundeswehr W. als Fliegerleitoffizier des PRT Kunduz mitwirkte, hatte
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eine Vielzahl von Todesopfern, auch unter der Zivilbevölkerung, zur Folge. Aufgrund von
Informationen, die maßgeblich durch eine als verlässlich eingestufte Quelle sowie wiederholte
Überflüge durch Kampfjets mittels Videoaufzeichnungen gewonnen worden waren und die die
Annahme begründeten, dass die Tanklaster von den Taliban jederzeit zu „rollenden Bomben“
gegen ein in der Nähe befindliches Lager der Bundeswehr umfunktioniert werden könnten,
wurde die Bombardierung des Standorts der Fahrzeuge befohlen. Dies geschah in der
Annahme, dass es sich bei den in der Nähe der Fahrzeuge befindlichen Personen um
Angehörige oder jedenfalls Unterstützer der Taliban handelte.
2. Der Beschwerdeführer ist Vater zweier durch die Bombardierung getöteter Kinder. Er
erstattete Strafanzeige gegen Oberst K. und Hauptfeldwebel W.
3. Mit Bescheid vom 13. Oktober 2010 hat der Generalbundesanwalt das
Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO wegen Verdachts einer Strafbarkeit nach
dem Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) sowie anderer Delikte (insbesondere § 211 StGB)
mangels zur Anklageerhebung hinreichenden Tatverdachts eingestellt.
a) Der Generalbundesanwalt hat umfangreiche Ermittlungen durchgeführt, bei denen unter
anderem ein Feldjäger-Untersuchungsbericht mit 44 Anlagen einschließlich Bild- und
Videomaterial, der Untersuchungsbericht einer afghanischen Untersuchungskommission, der
Bericht einer Nichtregierungsorganisation sowie ein Bericht der International Security
Assistance Force (ISAF) und über 150 Ordner Akten, die das Bundesministerium der
Verteidigung auch dem Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages zur Verfügung
gestellt hat, ausgewertet wurden. Daneben sind vier Personen, darunter die beiden
Beschuldigten, vernommen worden. Aufgrund dieser im Einzelnen dokumentierten
Ermittlungen hat der Generalbundesanwalt folgenden Sachverhalt festgestellt, der im
Einstellungsbescheid detailliert wiedergegeben ist: Am Nachmittag des 3. September 2009
seien zwei mit Kraftstoffen beladene Tanklaster von einer kleinen Gruppe Taliban in der Nähe
der Stadt Kunduz überfallen worden. Beim Versuch, diese Tanklaster auf die Westseite des
Flusses Kunduz zu verbringen, seien diese gegen 18:15 Uhr in der Mitte des Flusses
stecken geblieben, wobei sich die fragliche Stelle ca. 7 km vom Feldlager der deutschen
Truppen entfernt befand. Der Überlebende der beiden Lkw-Fahrer habe gegenüber der
afghanischen Untersuchungskommission berichtet, dass sich zum Zeitpunkt des
Festfahrens ungefähr 56 bis 70 Taliban auf der Sandbank befunden hätten, hierunter auch
Talibanführer der mittleren Ebene. Gegen 21 Uhr sei die offizielle Unterrichtung der
deutschen Truppen im Feldlager über die Entführung der beiden Tanklaster erfolgt, nachdem
zuvor bereits die zur Informationsbeschaffung eingesetzte Taskforce durch einen
Informanten unterrichtet worden war; der genaue Standort der entführten Tanklaster sei
zunächst unbekannt gewesen. Gegen 00:15 Uhr seien die Tanklaster schließlich durch ein
Flugzeug in der Nähe des Feldlagers entdeckt worden. Auf von den Flugzeugen an das
Feldlager und den Befehlsstand des Beschuldigten K. übermittelten Videobildern seien die
beiden Tanklaster und mehrere an den Flussufern abgestellte Fahrzeuge sowie zahlreiche
Personen zu erkennen gewesen. Nach den Informationen eines als Quelle geführten
Informanten sollte es sich bei den Personen um eine größere Zahl von Aufständischen
gehandelt haben. Eine vom Beschuldigten K. angeforderte Identifikation von Waffen durch die
Flugzeugbesatzungen habe das Vorhandensein von Handwaffen wie auch von
Panzerabwehrwaffen ergeben. Wiederholte Nachfragen zur Glaubwürdigkeit der Quelle seien
positiv beantwortet worden. Gegen 00:30 Uhr habe die Quelle die teilweise Entleerung der
Tanklaster durch die Aufständischen, die mit Handfeuerwaffen und Panzerfäusten bewaffnet
gewesen seien, sowie die Abwesenheit von Zivilisten auf der Sandbank mitgeteilt. Die
Beschreibungen der Quelle hätten sich mit den auf den übertragenen Videobildern
wahrnehmbaren tatsächlichen Verhältnissen vor Ort gedeckt. Gegen 01:00 Uhr habe der
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Beschuldigte K. zum Zwecke der Erlangung von Luftunterstützung „Troops-in-Contact“
(„Truppen mit Feindberührung“) erklärt, auch wenn im Wortsinne keine Feindberührung
bestanden habe; das sei dem Hauptquartier der International Security Assistance Force in
Kabul auch bekannt gewesen. Die später zur Bombardierung eingesetzten Kampfjets hätten
den Luftraum über der Sandbank gegen 01:10 Uhr erreicht. Sodann sei über den Einsatz von
2.000-Pfund-Bomben oder 500-Pfund-Bomben gesprochen worden, um die Beeinträchtigung
von zivilen Objekten in der unmittelbaren Nähe der Sandbank zu minimieren. Auf wiederholte
Nachfragen sei dem Beschuldigten K. seitens der Quelle mitgeteilt worden, dass sich
unverändert nur Aufständische und keine Zivilisten in der Nähe der Sandbank befänden.
Gegen 01:40 Uhr sei schließlich der Befehl zum Einsatz gegeben worden. Der Abwurf der
beiden 500-Pfund-Bomben sei um 01:49 Uhr erfolgt.
b) Der Bescheid des Generalbundesanwalts stellt sodann das für die rechtliche Beurteilung
relevante Vorstellungsbild des Beschuldigten K. bei Begehung der Tat näher dar. Dieser sei
nach eigener Vorstellung davon ausgegangen, dass es sich bei den mittels Luftaufklärung
festgestellten Personen in der Nähe der beiden Tanklaster keinesfalls um Zivilisten, sondern
ausschließlich um feindliche Taliban gehandelt habe. Die diesbezügliche Einlassung des
Beschuldigten sei durch anderweitig getroffene Feststellungen untermauert worden, etwa
durch Aussagen weiterer in der Taktischen Operationszentrale befindlicher Personen sowie
durch die vor und während des Luftangriffs aufgezeichneten Videobilder. Soweit demnach
davon ausgegangen werden müsse, dass der Beschuldigte K. in der Vorstellung gehandelt
habe, bei der Bombardierung der möglicherweise auch als Waffe verwendbaren
Tanklastwagen unvermeidbar Menschen mit feindlichen Absichten zu gefährden oder sogar
zu töten, scheide eine Strafbarkeit nach dem Völkerstrafgesetzbuch wie auch nach anderen
Delikten aus.
Mit Blick auf das Völkerstrafgesetzbuch sei davon auszugehen, dass es sich bei dem in
Afghanistan stattfindenden Konflikt um einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt im
Sinne des Völkerstrafgesetzbuches (§§ 8 ff. VStGB) handele. Das hierfür erforderliche
zentrale Tatbestandsmerkmal des bewaffneten Konflikts, für das eine Legaldefinition sowohl
im innerstaatlichen Recht als auch im (Kriegs-)Völkerrecht fehle, setze eine
Auseinandersetzung von gewisser Intensität zwischen Staaten, einer Staatsgewalt und
Gruppierungen oder Organisationen innerhalb eines Staatswesens oder zwischen
verschiedenen Gruppierungen innerhalb eines Staates voraus, bei der die Konfliktparteien
wechselseitig Waffengewalt einsetzen, ohne dass es auf eine politische Einordnung
ankomme. Hiernach seien die aufständischen Taliban und die mit ihnen assoziierten
Gruppen völkerrechtlich als Konfliktparteien zu qualifizieren, ohne dass es auf eine
Festlegung des genauen Beginns dieses nichtinternationalen bewaffneten Konflikts
ankomme, um die Geltung des Völkerstrafgesetzbuches sowie über Art. 25 GG das
gesamte Konfliktvölkerrecht zur Anwendung zu bringen.
Soweit danach eine Strafbarkeit nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 VStGB in Betracht komme, weil
dafür die Durchführung eines Angriffs mit militärischen Mitteln ausreiche, sei der objektive
Straftatbestand zwar erfüllt. Der subjektive Tatbestand, ein direkter Vorsatz (dolus directus 2.
Grades) in Bezug auf die Verletzung oder Tötung von Zivilpersonen oder die Verursachung
der Beschädigung ziviler Objekte in einem Ausmaße, das außer Verhältnis zu dem
insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil steht, sei jedoch nicht
gegeben. Die Einlassung des Beschuldigten, er habe aufgrund der ihm vorliegenden
Informationen mit Sicherheit angenommen, dass nur Aufständische bei den zu
bombardierenden Tanklastern vor Ort und eine Schädigung von Zivilpersonen
ausgeschlossen gewesen sei, sei nicht zu widerlegen. So seien die beiden Tanklaster von
einer organisierten Gruppe bewaffneter Taliban entführt worden, deren Mitglieder keine
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Zivilpersonen gewesen seien. Die Tanklaster stellten nach den Grundsätzen des
Konfliktvölkerrechts auch legitime militärische Ziele dar, deren beabsichtigte Zerstörung
zulässig gewesen sei. In der Nähe befindliche zivile Objekte wie ein Gehöft und ein
nahegelegenes Dorf seien aufgrund der vom Beschuldigten K. gewählten
Bombardierungsmittel von Anfang an nicht in deren Wirkungsweite gewesen und letztlich
auch nicht beschädigt worden. Nach alledem scheide eine Strafbarkeit nach § 11 Abs. 1 Nr.
3 VStGB durch die Anordnung der Bombardierung der entführten Tanklastzüge durch den
Beschuldigten K. aus. Daneben kämen auch keine weiteren Tatbestände des VStGB in
Betracht; insbesondere erfassten die § 8 Abs. 1 Nr. 1 und § 11 Abs. 1 Nr. 1 VStGB den
vorliegenden Sachverhalt nicht. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB würden die durch das
humanitäre Völkerrecht geschützten Personen, die in § 8 Abs. 6 Nr. 2 VStGB legaldefiniert
seien, nicht die Opfer des Bombenabwurfs erfassen, weil sich diese nicht in der
Gefangenschaft der Aufständischen befunden hätten. Eine Tatbestandsverwirklichung nach
§ 11 Abs. 1 Nr. 1 VStGB scheide ebenfalls aus, weil der Angriff von vornherein nicht gegen
die Zivilbevölkerung gerichtet gewesen sei und die Beeinträchtigung von Zivilisten als
Nebenfolge eines an sich zulässigen Angriffs gegen militärische Mittel von dem spezielleren
§ 11 Abs. 1 Nr. 3 VStGB erfasst sei.
c) Der Generalbundesanwalt hat seine Zuständigkeit darüber hinaus auch für die Verfolgung
von Delikten nach dem allgemeinen Strafgesetzbuch bejaht, das Vorliegen eines zur
Anklageerhebung hinreichenden Tatverdachts indes auch insoweit verneint.
§ 120 Abs. 1 Nr. 8 GVG in Verbindung mit § 142a GVG sehe für die Verfolgung von
Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts
vor. Nach der grammatikalischen Auslegung könne dies entweder dahingehend verstanden
werden, dass dies nur bei einer tatsächlichen Strafbarkeit nach dem Völkerstrafgesetzbuch
der Fall sein solle, oder so, dass es nur auf die Eröffnung des Anwendungsbereichs des
Völkerstrafgesetzbuchs ankomme, wofür das - mögliche - Vorliegen eines
Kriegsverbrechens ausreichend wäre. Für die weite Auslegung stritten die historische,
systematische, teleologische und verfassungsbezogene Auslegung. Bei der Auslegung von §
120 Abs. 1 GVG - erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte - komme Art. 96
Abs. 5 Nr. 3 GG besondere Bedeutung zu, der dem Bund seit 2002 die Zuständigkeit für
Kriegsverbrechen zuweise. Durch die Einführung des Völkerstrafgesetzbuchs seien die
schon zuvor nach allgemeinem deutschem Strafrecht verfolgbaren Kriegsverbrechen
spezialgesetzlich
erfasst
worden.
Die
Einführung
der
Zuständigkeit
der
Bundesgerichtsbarkeit für Kriegsverbrechen in Art. 96 Abs. 5 Nr. 3 GG habe das Ziel verfolgt,
die oftmals auch außenpolitisch bedeutsame Strafverfolgung von Kriegsverbrechen dem
Generalbundesanwalt zuzuweisen, was auch bei der Verfolgung von im Zusammenhang mit
bewaffneten Konflikten erfolgten anderweitigen Straftaten in Betracht komme. Die weite
Auslegung von § 120 Abs. 1 Nr. 8 GVG werde zudem durch Art. 96 Abs. 2 GG gestützt.
Diese Bestimmung gestatte dem Bund, Wehrstrafgerichte für den Verteidigungsfall oder für
die Verfolgung von Straftaten einzurichten, die von Angehörigen der Bundeswehr im
Auslandseinsatz oder auf Kriegsschiffen begangen worden seien, womit auch die
Gerichtsbarkeit über allgemeine Delikte auf den Bund übergehe. Soweit der Begriff der
Kriegsverbrechen im Sinne des Art. 96 Abs. 5 Nr. 3 GG demnach im Zusammenhang mit
bewaffneten Konflikten auch Straftaten nach dem allgemeinen Strafrecht umfasse und damit
eine Verfolgungszuständigkeit des Bundes bestehe, fehle es an Anhaltspunkten dafür, dass
der Gesetzgeber bei der Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes eine abweichende
Zuständigkeit des Generalbundesanwalts habe regeln wollen.
Auch nach allgemeinem Strafrecht liege eine Strafbarkeit des Beschuldigten K. allerdings
nicht vor. Das gelte auch für Verstöße gegen innerdienstliche Vorgaben, insbesondere gegen
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einzelne Einsatzregelungen.
Da der Beschuldigte K. sich nicht strafbar gemacht habe und die Beteiligung des
Beschuldigten W. in dessen Unterstützung bestand, scheide eine Strafbarkeit des
Beschuldigten W. gleichermaßen aus.
4. Mit Beschluss vom 16. Februar 2011 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf den
hiergegen erhobenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig verworfen. Zur
Begründung führt das Oberlandesgericht im Wesentlichen aus, dass der 142seitige Antrag,
der zu 110 Seiten nur aus eingefügten Schriftstücken und Aktenbestandteilen bestehe, nicht
den gesetzlichen Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO genüge. Danach sei eine
zusammenhängende und in sich geschlossene Sachverhaltsdarstellung erforderlich, die zur
Annahme eines hinreichenden Tatverdachts der angezeigten Delikte führen könne. Es fehle
jedoch an einer Auseinandersetzung mit den im Einstellungsbescheid des
Generalbundesanwalts aufgeführten Beweismitteln, was es dem Senat unmöglich mache,
den diesbezüglichen Tatsachenvortrag ohne Rückgriff auf die Akten zu überprüfen oder, wie
dies hilfsweise beantragt worden sei, ergänzende Ermittlungen anzuordnen. Soweit der
Beschwerdeführer nur einzelne Beweismittel, die in dem Bescheid des
Generalbundesanwalts angeführt worden seien, habe einsehen können, hätte es an ihm
gelegen, bezüglich der übrigen Beweismittel wenigstens diesen Umstand mitzuteilen. Dies
habe er jedoch nicht getan.
Die auszugsweise Mitteilung über den Umfang der Akteneinsicht sei, für sich gesehen,
nicht ausreichend, um erkennen zu lassen, welche der nicht einsehbaren Unterlagen dem
Beschwerdeführer vorenthalten worden seien. Diese Lücken würden auch nicht durch
wiederholte Bezugnahmen auf einzelne Beweismittel geschlossen, weil so ungeklärt bleibe,
ob nicht anderweitig erörterte Beweismittel Gegenstand der Akteneinsicht waren. Zudem
fehle es an einer eingehenden Befassung mit den dem anwaltlich vertretenen
Beschwerdeführer zur Verfügung gestellten Beweismitteln. Soweit er aus einzelnen, ihm
zugänglichen Beweismitteln zitiere, fehle es an einer Darstellung des wesentlichen Inhalts
des jeweiligen Beweismittels. Der Vortrag des Beschwerdeführers beschränke sich lediglich
darauf, ihm geeignet erscheinende Passagen, welche die Beschuldigungen untermauern
sollten, wiederzugeben. Dem Gericht sei es dadurch aber nicht möglich, allein aufgrund des
Inhalts des gestellten Antrags abschließend dessen Schlüssigkeit zu überprüfen, weil ohne
Rückgriff auf die Akten Gehalt und Bedeutung der einzelnen Passagen nicht beurteilt werden
könnten. Schließlich fehle es auch an einer Auseinandersetzung mit der Frage, weshalb die
vom Generalbundesanwalt getroffene Beweiswürdigung fehlerhaft gewesen sei und welcher
der hieraus gezogenen Schlüsse trotz der für die Beschuldigten im Tatzeitpunkt zu
berücksichtigenden Umstände, etwa der Nachtzeit, zu einer anderweitigen Beurteilung hätte
führen müssen.
5. Mit Beschluss vom 31. März 2011 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf die gegen den
vorgenannten Beschluss erhobene Gehörsrüge (§ 33a StPO) als unbegründet
zurückgewiesen. Es liege keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor. Soweit
der Beschwerdeführer nur sehr eingeschränkt Akteneinsicht erhalten habe, sei dies
berücksichtigt worden, ohne dass dem Beschwerdeführer hieraus Nachteile für das
Klageerzwingungsverfahren erwachsen wären. Eine Hinweispflicht auf bestehende Lücken
hätte schon allein mit Blick auf den Ablauf der Frist zur Antragstellung nicht bestanden.
II.
Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Rechts auf Zugang
zu den Gerichten (Art. 19 Abs. 4 GG), auf effektive Strafverfolgung (Art. 2 Abs. 1 Satz 1
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i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG), auf ein faires Verfahren (Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20
Abs. 3 GG) sowie eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1
GG). Er trägt hierzu im Wesentlichen vor, dass das Oberlandesgericht überzogene
Ansprüche an seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt habe. Der
Generalbundesanwalt habe nur unzureichend ermittelt, da er nur vier Personen, darunter
beide Beschuldigte, einvernommen habe, nicht aber die Verletzten oder Augenzeugen der
Bombardierung. Auch habe er durch die Einstellung des Ermittlungsverfahrens eine Abgabe
an die zuständige Landesstaatsanwaltschaft und damit eine effektive Strafverfolgung
verhindert.
III.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Annahmegründe
nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist -
mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg - insbesondere nicht zur Durchsetzung der als
verletzt gerügten Rechte der Beschwerdeführer angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>). Die
Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet. Insbesondere kann eine Verletzung des
Grundrechts aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und
Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG auf effektive Strafverfolgung (1.) wie auch eine Verletzung von Art.
19 Abs. 4 GG oder Art. 103 Abs. 1 GG (2.) nicht festgestellt werden.
1. Das Grundgesetz vermittelt grundsätzlich keinen Anspruch auf Strafverfolgung Dritter
(a). Ein solcher Anspruch kann jedoch bei erheblichen Straftaten gegen das Leben, die
körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung und die Freiheit der Person, bei
Straftaten gegen Opfer, die sich in einem besonderen Obhutsverhältnis zur öffentlichen Hand
befinden sowie bei Delikten von Amtsträgern (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des
Zweiten Senats vom 26. Juni 2014 - 2 BvR 2699/10 -, juris, Rn. 8 ff.; BVerfG, Beschluss der
3. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Oktober 2014 - 2 BvR 1568/12 -, NJW 2015, S. 150
<150>, Rn. 9 ff.; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. März 2015
- 2 BvR 1304/12 -, juris, Rn. 12 ff.) in Betracht kommen (b). Das ist hier der Fall. Der
Generalbundesanwalt wie auch das Oberlandesgericht Düsseldorf haben diesem Anspruch
hinreichend Rechnung getragen (c).
a) Art. 2 Abs. 2 Sätze 1 und 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG verpflichten den
Staat, sich dort schützend und fördernd vor das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die
Freiheit und die sexuelle Selbstbestimmung des Einzelnen zu stellen und sie vor
rechtswidrigen Eingriffen von Seiten Dritter zu bewahren (vgl. BVerfGE 39, 1 <42>; 46, 160
<164>; 121, 317 <356>; BVerfGK 17, 1 <5>), wo die Grundrechtsberechtigten selbst nicht
dazu in der Lage sind. Ein Anspruch auf bestimmte, vom Einzelnen einklagbare Maßnahmen
ergibt sich daraus jedoch grundsätzlich nicht. Insbesondere kennt die Rechtsordnung in der
Regel keinen grundrechtlich radizierten Anspruch auf eine Strafverfolgung Dritter (vgl.
BVerfGE 51, 176 <187>; 88, 203 <262 f.>; BVerfGK 17, 1 <5>; BVerfG, Beschluss der
4. Kammer des Zweiten Senats vom 9. April 2002 - 2 BvR 710/01 -, NJW 2002, S. 2861
<2861 f.>).
b) Allerdings stellt die wirksame Verfolgung von Gewaltverbrechen und vergleichbaren
Straftaten eine Konkretisierung der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Sätze 1 und 2
in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. BVerfGK 17, 1 <5>). Diese kann
Grundlage subjektiver öffentlicher Rechte sein.
aa) Insoweit besteht ein Anspruch auf eine effektive Strafverfolgung dort, wo der Einzelne
nicht in der Lage ist, erhebliche Straftaten gegen seine höchstpersönlichen Rechtsgüter -
Leben, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Selbstbestimmung und Freiheit der Person -
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abzuwehren und ein Verzicht auf die effektive Verfolgung solcher Taten zu einer
Erschütterung des Vertrauens in das Gewaltmonopol des Staates und einem allgemeinen
Klima der Rechtsunsicherheit und Gewalt führen kann. In solchen Fällen kann, gestützt auf
Art. 2 Abs. 2 Sätze 1 und 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG, ein Tätigwerden des
Staates und seiner Organe auch mit den Mitteln des Strafrechts verlangt werden (vgl.
BVerfGE 39, 1 <36 ff.>; 49, 89 <141 f.>; 53, 30 <57 f.>; 77, 170 <214>; 88, 203 <251>; 90,
145 <195>; 92, 26 <46>; 97, 169 <176 f.>; 109, 190 <236>). Bei Kapitaldelikten kann ein
solcher Anspruch auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung
mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 1 Abs. 1 GG auch nahen Angehörigen zustehen.
bb) Ein Anspruch auf effektive Strafverfolgung kann sich auch aus einer spezifischen
Fürsorge- und Obhutspflicht des Staates gegenüber Personen ergeben, die ihm anvertraut
sind. Vor allem in strukturell asymmetrischen Rechtsverhältnissen, die den Verletzten nur
eingeschränkte Möglichkeiten lassen, sich gegen strafrechtlich relevante Übergriffe in ihre
Rechtsgüter aus Art. 2 Abs. 2 GG zu wehren (z.B. im Maßregel- oder Strafvollzug), obliegt
den Strafverfolgungsbehörden eine besondere Sorgfaltspflicht bei der Durchführung von
Ermittlungen und der Bewertung der gefundenen Ergebnisse.
cc) Ein Anspruch auf effektive Strafverfolgung kommt ferner in Fällen in Betracht, in denen
der Vorwurf im Raum steht, dass Amtsträger bei Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben
Straftaten begangen haben. Ein Verzicht auf eine effektive Verfolgung solcher Taten kann zu
einer Erschütterung des Vertrauens in die Inte-grität staatlichen Handelns führen. Daher
muss bereits der Anschein vermieden werden, dass gegen Amtswalter des Staates weniger
effektiv ermittelt wird oder dass insoweit erhöhte Anforderungen an eine Anklageerhebung
gestellt werden.
dd) Die (verfassungsrechtliche) Verpflichtung zu effektiver Strafverfolgung bezieht sich auf
das Tätigwerden aller Strafverfolgungsorgane. Ihr Ziel ist es, eine wirksame Anwendung der
zum Schutz des Lebens, der körperlichen Integrität, der sexuellen Selbstbestimmung und der
Freiheit der Person erlassenen Strafvorschriften sicherzustellen. Es muss insoweit
gewährleistet werden, dass Straftäter für von ihnen verschuldete Verletzungen dieser
Rechtsgüter auch tatsächlich zur Verantwortung gezogen werden (BVerfG, Beschluss der
1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Juni 2014 - 2 BvR 2699/10 -, juris, Rn. 13; BVerfG,
Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Oktober 2014 - 2 BvR 1568/12 -, NJW
2015, S. 150 <151>, Rn.14; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23.
März 2015 - 2 BvR 1304/12 -, juris, Rn. 16).
ee) Dies bedeutet nicht, dass der in Rede stehenden Verpflichtung stets nur durch
Erhebung einer Anklage genügt werden kann. Vielfach wird es ausreichend sein, wenn die
Staatsanwaltschaft und - nach ihrer Weisung - die Polizei die ihnen zur Verfügung stehenden
Mittel personeller und sächlicher Art sowie ihre Befugnisse nach Maßgabe eines
angemessenen Ressourceneinsatzes auch tatsächlich nutzen, um den Sachverhalt
aufzuklären und Beweismittel zu sichern (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten
Senats vom 26. Juni 2014 - 2 BvR 2699/10 -, juris, Rn. 14; BVerfG, Beschluss der
3. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Oktober 2014 - 2 BvR 1568/12 -, NJW 2015, S. 150
<151>, Rn. 15; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. März 2015 -
2 BvR 1304/12 -, juris, Rn. 17). Die Erfüllung der Verpflichtung zur effektiven Strafverfolgung
setzt eine detaillierte und vollständige Dokumentation des Ermittlungsverlaufs ebenso voraus
wie eine nachvollziehbare Begründung der Einstellungsentscheidungen. Sie unterliegt der
gerichtlichen Kontrolle (§§ 172 ff. StPO).
c) Nach diesen Maßstäben hat der Beschwerdeführer zwar einen Anspruch auf effektive
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Strafverfolgung (aa). Diesem werden der Einstellungsbescheid des Generalbundesanwalts
vom 13. Oktober 2010 (bb) und der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16.
Februar 2011 jedoch in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise gerecht (cc).
aa) Der Beschwerdeführer verlangt die strafrechtliche Verfolgung einer Handlung, die nach
ihrem objektiven Tatbestand zu den Kriegsverbrechen im Sinne des Völkerstrafgesetzbuchs
zählt und auch nach allgemeinem Strafrecht als Mord im Sinne des Strafgesetzbuchs
einzuordnen ist. Zugleich steht der Vorwurf im Raum, ein Amtsträger habe bei Wahrnehmung
hoheitlicher Aufgaben nicht nur Straftaten begangen, sondern auch den Tod eines Menschen
verursacht. Insoweit hat auch der Beschwerdeführer als Vater - vermittelt über Art. 6 Abs. 1
und Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 und Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG - einen
Anspruch auf effektive Strafverfolgung. Weil der Verzicht auf eine effektive Verfolgung
solcher Taten zu einer Erschütterung des Vertrauens in die Integrität staatlichen Handelns
führen kann, muss bereits der Anschein vermieden werden, dass sie nur unzureichend
untersucht würden, dass gegen Amtswalter des Staates weniger effektiv ermittelt würde oder
dass insoweit erhöhte Anforderungen an eine Anklageerhebung gestellt würden.
bb) Das ist - auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich bei dem Angriff auf
die Tankwagen um einen Vorfall mit schwersten Folgen, insbesondere einer großen Zahl von
Opfern unter der Zivilbevölkerung unter Einschluss von Kindern und Jugendlichen, handelte -
mit Blick auf den Bescheid des Generalbundesanwalts vom 13. Oktober 2010 nicht der Fall.
Er verkennt weder die grundrechtliche Bedeutung des Schutzes des Lebens und die sich
daraus ergebenden Schutzpflichten des Staates, noch die sich aus der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts wie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
ergebenden Anforderungen an die effektive Untersuchung von Todesfällen.
Der Bescheid des Generalbundesanwalts stellt die von ihm durchgeführten Ermittlungen dar
und leitet daraus ab, dass sich keine ausreichenden Anhaltspunkte für einen hinreichenden
Tatverdacht ergeben haben. Die wesentliche Annahme, dass sich die Einlassung nicht
widerlegen lasse, der Beschuldigte K. habe im Zeitpunkt der Anordnung der Bombardierung
und der Beschuldigte W. bei der Übermittlung dieses Befehls an die Piloten der
Kampfflugzeuge in der Überzeugung gehandelt, bei den sich in der unmittelbaren Nähe der
Tanklastwagen befindlichen Personen habe es sich um bewaffnete Aufständische gehandelt,
und daher der subjektive Tatbestand einer Straftat gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 3 VStGB nicht
gegeben sei, ist nicht willkürlich und aus verfassungsrechtlicher Sicht daher nicht zu
beanstanden.
Daran hätte auch eine Einvernahme von Zeugen, die die fragliche Bombardierung
beobachtet haben, nichts geändert. Denn das Ereignis der Bombardierung selbst wie auch
der Tod von zahlreichen unbeteiligten Zivilisten, standen von Anfang an außer Frage.
Zentraler Aspekt für die Einstellung des Ermittlungsverfahrens war jedoch, dass den beiden
Beschuldigten aufgrund der durchgeführten Ermittlungen nicht die sichere Kenntnis
nachzuweisen war, dass durch die Bombardierung Zivilisten verletzt oder gar getötet werden
könnten. Dies begegnet weder im Ergebnis noch im Hinblick auf die diesbezüglich
durchgeführten Ermittlungen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Schließlich ist auch die Annahme des Generalbundesanwalts, er sei im Falle der Verfolgung
von Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch und für durch die gleiche Handlung
mitverwirklichte Straftaten nach dem Strafgesetzbuch zuständig, jedenfalls nicht willkürlich.
Die auf die grammatikalische Auslegung von § 120 Abs. 1 Nr. 8 GVG gestützte Annahme,
die erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte bei Straftaten nach dem
Völkerstrafgesetzbuch eröffne über § 142a Abs. 1 Satz 1 GVG auch die Zuständigkeit des
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Generalbundesanwalts für sonstige im Zusammenhang stehende Delikte, ist jedenfalls ohne
Weiteres vertretbar.
cc) Auch der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16. Februar 2011
begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die durchgeführten Ermittlungen und
deren Dokumentation durch den Generalbundesanwalt genügen den verfassungsrechtlichen
Anforderungen. Eine nachfolgende gerichtliche Entscheidung, die dies überprüfen soll, kann
somit nicht (mehr) zu einer Verletzung des Anspruchs auf effektive Strafverfolgung führen.
Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob das im Wege eines Antrags auf gerichtliche
Entscheidung angerufene Gericht den Antrag als unzulässig oder unbegründet
zurückgewiesen hat, solange wenigstens eine implizite Befassung mit den angegriffenen
Entscheidungen der Strafverfolgungsbehörden erkennbar wird. Im vorliegenden Fall hat das
Oberlandesgericht den Antrag zwar als unzulässig zurückgewiesen, weil er nicht den
gesetzlichen Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO entsprach, aus der Art und Weise
sowie dem Umfang der Entscheidungsbegründung lässt sich jedoch eine intensive
Auseinandersetzung mit dem Einstellungsbescheid des Generalbundesanwalts und den
darin dokumentierten Ermittlungen ersehen.
2. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf lässt auch weder eine Verkennung
von Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz (a) noch des
grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör (b) erkennen.
a) Nach Art. 19 Abs. 4 GG darf der Zugang zu den Gerichten und den vorgesehenen
Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise
erschwert werden (vgl. BVerfGE 40, 272 <274>; 78, 88 <99>; 88, 118 <124>; BVerfGK 14,
211 <214>). Dies muss auch der Richter bei der Auslegung prozessualer Normen beachten.
Er darf ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch eine
überstrenge Handhabung verfahrensrechtlicher Vorschriften ineffektiv machen und für den
Beschwerdeführer leer laufen lassen (vgl. BVerfGE 77, 275 <284>; 96, 27 <39>).
Formerfordernisse dürfen nicht weiter gehen, als es durch ihren Zweck geboten ist, da von
ihnen die Gewährung des Rechtsschutzes abhängt (vgl. BVerfGE 88, 118 <125>; BVerfG,
Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 28. November 1999 - 2 BvR 1339/98 -,
NJW 2000, S. 1027). Dies gilt auch für die Darlegungsanforderungen nach § 172 Abs. 3 Satz
1 StPO (vgl. BVerfGK 2, 45 <50>; 5, 45 <48>; 14, 211 <214>, m.w.N.).
Die vom Oberlandesgericht Düsseldorf aufgestellten Anforderungen an den Inhalt eines
Antrags auf gerichtliche Entscheidung begegnen insoweit keinen verfassungsrechtlichen
Bedenken. Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO erfordert
zwar nur die Mitteilung des wesentlichen Inhalts der angegriffenen Bescheide sowie der
Einlassung des Beschuldigten (vgl. BVerfGK 14, 211 <215>, m.w.N.), soweit diese im
Einstellungsbescheid mitgeteilt wird (vgl. BVerfGK 14, 211 <216>). Eine Obliegenheit des
Antragstellers, sich durch Akteneinsicht Kenntnis von der vollständigen Einlassung des
Beschuldigten zu verschaffen und diese sodann auch vollständig mitzuteilen, besteht
grundsätzlich nicht (vgl. BVerfGK 14, 211 <215>). Etwas anderes gilt aber, wenn der
Beschwerdeführer seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung maßgeblich auch mit Inhalten
aus den Ermittlungsakten begründet. In diesem Fall ist der Beschwerdeführer gehalten, soll
die vom Gesetzgeber implizit vorgesehene und verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende
Schlüssigkeitsprüfung allein auf der Grundlage des gestellten Antrags (vgl. BVerfGK 14, 211
<215>) nicht unterlaufen werden, zumindest den wesentlichen Inhalt der Beweismittel
mitzuteilen, aus denen er auszugsweise vorträgt oder gar zitiert. Denn bei einer nur
selektiven, im Einzelfall vielleicht sogar sinnentstellenden Wiedergabe von Teilen der
Einlassung des Beschuldigten oder auch der Einvernahme von Zeugen kann ein
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unzutreffendes Bild vom Ermittlungsergebnis entstehen, das nicht ohne Weiteres wieder
berichtigt werden kann. Soweit dies den Antragsteller verpflichtet, gegebenenfalls auch
Umstände vorzutragen, welche den Beschuldigten entlasten könnten, ist dies hinzunehmen.
Diesen Anforderungen ist der Beschwerdeführer vorliegend nicht gerecht geworden.
b) Auch im Übrigen begegnet der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16.
Februar 2011 keinen Bedenken. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs. 1 GG) liegt nicht vor.
Eine vom Beschwerdeführer angenommene Hinweispflicht kam vorliegend, worauf das
Oberlandesgericht Düsseldorf im Beschluss über die Zurückweisung der Gehörsrüge vom
31. März 2011 hingewiesen hat, angesichts der verstrichenen Monatsfrist des § 172 Abs. 2
Satz 1 StPO nicht in Betracht.
Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör
weiterhin darin sieht, dass das Oberlandesgericht die seiner Auffassung nach hinreichend
vollständige Wiedergabe des Einstellungsbescheids des Generalbundesanwalts als nicht
hinreichend zurückgewiesen hat, zielen seine Ausführungen darauf ab, die eigene
Rechtsauffassung durchzusetzen.
Der Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör ist schließlich auch nicht
dadurch verletzt worden, dass der Generalbundesanwalt dem Oberlandesgericht
Beweismittel und Akteninhalte zur Verfügung gestellt hat, auf die der Beschwerdeführer im
Zuge seiner Akteneinsicht nicht habe zugreifen können. Das Oberlandesgericht hat in seinem
Beschluss vom 31. März 2011 vielmehr deutlich gemacht, dass diese Beweismittel für seine
Entscheidung
nicht
entscheidungserheblich
waren.
Nachteile
für
das
Klageerzwingungsverfahren seien dem Antragsteller hieraus nicht erwachsen.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Huber
Müller
Maidowski