Urteil des BVerfG vom 28.09.1997

verfassungsbeschwerde, festnahme, blutprobe, überprüfung

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BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 980/97 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
1. der Frau S...,
2. des Herrn S...,
3. des Herrn S...
gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Hamm
vom 25. März 1997 - 1 VAs 125/95 -
hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin
Präsidentin Limbach
und die Richter Kruis,
Winter
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom
11. August 1993 ( BGBl I S. 1473)
am 28. September 1997 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
Die Verfassungsbeschwerde betrifft den nachträglichen Rechtsschutz gegen polizeiliche
Vollzugsmaßnahmen im Rahmen einer Hausdurchsuchung und vorläufigen Festnahme.
I.
1. Am Abend des 3. Dezember 1994 suchten Einsatzkräfte der Polizei das Wohnanwesen
der Beschwerdeführerin zu 1. auf, das ihnen als Zufluchtsort der Täter eines kurz zuvor
begangenen Körperverletzungsdeliktes bezeichnet worden war. In dem Wohnhaus befanden
sich zu diesem Zeitpunkt die Beschwerdeführerin zu 1. und zwei ihrer Söhne, die
Beschwerdeführer zu 2. und 3. Nach Darstellung der zuständigen Polizeidienststelle setzten
sich diese gegen die folgende polizeiliche Durchsuchung des Hauses und die damit
verbundenen Maßnahmen zur Wehr und griffen die Beamten auch tätlich an, wobei mehrere
Beteiligte
Verletzungen davontrugen. Die Beschwerdeführer zu 2. und 3. wurden
anschließend festgenommen und zur zuständigen Polizeidienststelle gebracht, wo sie wegen
des Verdachts, unter Alkoholeinfluß zu stehen, jeweils einer Blutprobe unterzogen wurden.
Erst am darauffolgenden Vormittag wurden sie erkennungsdienstlich behandelt und nach
Feststellung ihrer Identität auf freien Fuß gesetzt.
2. Unter dem 24. November 1995 beantragten die Beschwerdeführer die gerichtliche
Feststellung, daß Art und Weise der polizeilichen Durchsuchung und der Festnahme, die
Durchführung der Blutprobe und erkennungsdienstlicher Maßnahmen sowie ihre
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Ingewahrsamnahme rechtswidrig gewesen seien.
Alle Anträge verwarf das Oberlandesgericht mit dem hier angegriffenen Beschluß vom 25.
März 1997 als unzulässig. Statthaft seien die gestellten Anträge nur, soweit sie Art und Weise
der Durchsuchung sowie die Entnahme der Blutproben beträfen. Bezüglich der Blutproben
fehle es aber schon an hinreichendem Sachvortrag, und im übrigen könne allein eine
mögliche Grundrechtsbetroffenheit der Beschwerdeführer ein anerkennenswertes Interesse
an der nachträglichen gerichtlichen Rechtskontrolle nicht begründen.
II.
Die Beschwerdeführer rügen die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 1, 2 Abs. 1, 13 und
104 GG. Die polizeiliche Hausdurchsuchung und Art und Weise ihrer Durchführung seien aus
einer Vielzahl von Gründen rechts- und verfassungswidrig gewesen; gleiches gelte für die
Blutentnahme, die Umstände der vorläufigen Festnahme und die Durchführung
erkennungsdienstlicher Maßnahmen tags darauf. Daß das Oberlandesgericht zur Sache
nicht entschieden habe, stelle außerdem einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG dar.
III.
Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen wurde angehört. Die Behörde hat
eine Stellungnahme des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen sowie einen
Bericht der zuständigen Kreispolizeibehörde übersandt.
IV.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an.
Verfassungsrechtliche Fragen grundsätzlicher Art (§ 93a Abs. 2 lit. a BVerfGG) wirft sie nicht
auf, und ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannter
Rechte der Beschwerdeführer angezeigt (§ 93a Abs. 2 lit. b BVerfGG), denn sie ist teils
unzulässig, teils unbegründet.
1.
Soweit
sich
die
Verfassungsbeschwerde gegen
die
polizeiliche
Durchsuchungsanordnung als solche richtet, ist sie unter dem Gesichtspunkt der
Subsidiarität unzulässig. Die Beschwerdeführer haben eine Rechtskontrolle der
Durchsuchungsanordnung ausdrücklich von ihrem Antrag nach §§ 23, 28 Abs. 1 Satz 4
EGGVG ausgenommen und nicht vorgetragen, sie hätten diese Maßnahme anderweitig zur
gerichtlichen Überprüfung gestellt. Den ihnen eröffneten fachgerichtlichen Rechtsweg haben
sie daher nicht erschöpft (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).
2. Was die Rechtmäßigkeit der Art und Weise der Durchsuchung betrifft, hat das
Oberlandesgericht weder eine Wiederholungsgefahr noch eine fortdauernde Diskriminierung
der
Beschwerdeführer
feststellen können und sie wegen eines möglichen
Amtshaftungsprozesses auf
den
Zivilrechtsweg
verwiesen;
das
erscheint
verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Grundsätze des Beschlusses des Zweiten Senats
des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 1997 (NJW 1997, S. 2163 ff.) betrafen den
nachträglichen Rechtsschutz gegen einen ermittlungsrichterlichen Durchsuchungsbefehl,
nicht dagegen die Art und Weise seiner Vollziehung. Sie bezogen sich daher auf eine andere
Fallgestaltung.
3. Auch die polizeiliche Anordnung der Entnahme einer Blutprobe unterliegt nachträglicher
gerichtlicher Überprüfung (vgl. nur Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 81a, Rn.
31). Das Oberlandesgericht hat allerdings den dahingehenden Antrag der Beschwerdeführer
mangels
ausreichender
Darlegungen
für
unzulässig
gehalten; auch
ihre
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Verfassungsbeschwerde bleibt insoweit unsubstantiiert (§ 92 BVerfGG). Inwieweit in Fällen
einer unberechtigten Anordnung nach § 81a StPO die Grundsätze der Senatsentscheidung
vom 30. April 1997 gelten, kann daher offen bleiben.
4. Schließlich erscheint die Auffassung des Oberlandesgerichts, der Antrag der
Beschwerdeführer
sei hinsichtlich
der
vorläufigen
Festnahme
und
der
erkennungsdienstlichen Maßnahmen unstatthaft, da andere Rechtsbehelfe eröffnet seien
(vgl. § 23 Abs. 3 EGGVG), verfassungsrechtlich unbedenklich.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Limbach
Kruis
Winter