Urteil des BVerfG vom 12.05.2009

staatliche aufgabe, gemeinde, verfassungsbeschwerde, wrv

- Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Jens Robbert,
Gerlachstraße 39, 14480 Potsdam -
Leitsatz
zum Beschluss des Zweiten Senats vom 12. Mai 2009
2 BvR 890/06
Zu verfassungsrechtlichen Anforderungen bei der Gewährung staatlicher Mittel an
Religionsgesellschaften.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 890/06 -
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
1. des eingetragenen Vereins Gesetzestreue Jüdische Landes- gemeinde
Brandenburg,
gesetzlich vertreten durch den Vorstand L., K., N., D. und K.,
2. des Herrn D…
gegen § 1 des Gesetzes zu dem Vertrag vom 11. Januar 2005 zwischen dem
Land Brandenburg und der Jüdischen Gemeinde - Land Brandenburg vom
26. April 2005 (GVBl I S. 158) in Verbindung mit Artikel 2, Artikel 3, Artikel
5, Artikel 6, Artikel 8 Absatz 1, Artikel 10 Absatz 3, Artikel 11 Absatz 1,
Artikel 12, Artikel 15 und Artikel 16 Absatz 1 des Vertrages
hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der
Richterinnen und Richter
Vizepräsident Voßkuhle,
Broß,
Osterloh,
Di Fabio,
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Mellinghoff,
Lübbe-Wolff,
Gerhardt,
Landau
am 12. Mai 2009 beschlossen:
1. § 1 des Gesetzes zu dem Vertrag vom 11. Januar 2005 zwischen dem
Land Brandenburg und der Jüdischen Gemeinde - Land Brandenburg
vom 26. April 2005 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Brandenburg
Teil I, Seite 158) in Verbindung mit Artikel 8 Absatz 1 des Vertrages ist mit
Artikel 4 Absatz 1 und Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des
Grundgesetzes unvereinbar und nichtig.
2. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 2. wird verworfen.
3. Das Land Brandenburg hat dem Beschwerdeführer zu 1. die Hälfte seiner
notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe:
A.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wenden sich die Beschwerdeführer gegen § 1 des
Brandenburgischen Gesetzes zu dem Vertrag vom 11. Januar 2005 zwischen dem
Land Brandenburg und der Jüdischen Gemeinde - Land Brandenburg vom 26. April
2005 (GVBl I S. 158 - im Folgenden: Zustimmungsgesetz) in Verbindung mit Art. 6
und Art. 8 Abs. 1, Art. 2, Art. 3, Art. 5, Art. 10 Abs. 3, Art. 11 Abs. 1, Art. 12, Art. 15 und
Art. 16 Abs. 1 dieses Vertrages.
I.
1. a) Nach der deutschen Wiedervereinigung entstanden mit dem Zuzug
osteuropäischer Juden als so genannte Kontingentflüchtlinge in Brandenburg
mehrere jüdische Gemeinden, zuerst im Jahr 1991 die Jüdische Gemeinde Potsdam,
die sich zunächst als „Jüdische Kultusgemeinde Land Brandenburg e.V.“ und ab
Ende 1991 als „Jüdische Gemeinde Land Brandenburg e.V.“ konstituierte. Sie erhielt
am 26. November 1993 die Bescheinigung des Ministeriums für Wissenschaft,
Forschung und Kultur des Landes Brandenburg, dass sie die Rechte einer
Körperschaft des öffentlichen Rechts innehabe. In Koordination mit dieser
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Körperschaft als Dachorganisation bildeten sich in den Folgejahren insgesamt sieben
Mitgliedsgemeinden in Brandenburg, die in einem Verband zusammenarbeiten
(Jüdische Gemeinde Landkreis Barnim, Jüdische Gemeinde Brandenburg/Havel,
Jüdische Gemeinde Cottbus, Jüdische Gemeinde Frankfurt/Oder e.V., Jüdische
Gemeinde Königs Wusterhausen e.V., Jüdische Gemeinde Oranienburg, Jüdische
Gemeinde Stadt Potsdam). Den Namen „Jüdische Gemeinde - Land Brandenburg“
änderte der Dachverband im Jahr 2006 und führt seit dem die Bezeichnung
„Landesverband der Jüdischen Gemeinden - Land Brandenburg“ (im Folgenden:
Landesverband).
Der Landesverband hatte nach eigenen Angaben im Jahr 2000 751 Mitglieder, im
Jahr 2001 944 Mitglieder, im Jahr 2002 996 Mitglieder, im Jahr 2003 1097 Mitglieder,
i m Jahr 2004 1217 Mitglieder, im Jahr 2005 1264 Mitglieder, im Jahr 2006 1370
Mitglieder, im Jahr 2007 1374 Mitglieder und im Jahr 2008 1390 Mitglieder. Es
handele sich dabei um Personen, die Juden im Sinne der Halacha, des jüdischen
Religionsgesetzes, seien. Neben den halachischen Juden betreue der
Landesverband
etwa
4860
jüdische
Zuwanderer,
die nicht
die
Mitgliedschaftsvoraussetzungen im Sinne des jüdischen Religionsgesetzes erfüllten.
Der Landesverband ist Mitglied im Zentralrat der Juden in Deutschland.
b) Seit 1991 fördert das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des
Landes Brandenburg die jüdischen Gemeinden, nach seiner Gründung über den
Landesverband, aus Haushaltsmitteln. So wurden zum Zwecke der
Wiederherstellung jüdischen Lebens in Brandenburg im Jahr 1991 erstmals
Zuwendungen in Höhe von 80.000 DM, in den Folgejahren bis 2000 jeweils jährlich
Förderbeträge zwischen 300.000 und 400.000 DM ausgereicht.
Trotz der kontinuierlichen Förderung entstanden dem Landesverband bis Ende des
Jahres 2000 Schulden in Höhe von mehreren Hunderttausend DM, die offenbar durch
das Fehlverhalten einiger Funktionsträger verursacht wurden (Landtag Brandenburg,
Plenarprotokoll 4/10, 2. März 2005, S. 556). Die finanziell desolate Situation des
Landesverbandes hatte zunächst zur Folge, dass in den nachfolgenden Jahren keine
Zahlungen mehr an ihn selbst erfolgten. Es wurden jedoch in unterschiedlicher Höhe
Leistungen an dem Landesverband zugehörige Ortsgemeinden und an Dritte
erbracht, die damit Projekte zugunsten des Landesverbandes ausführten, so im Jahr
2001 83.000 DM, im Jahr 2002 500 Euro, im Jahr 2003 22.280 Euro, im Jahr 2004
153.003,20 Euro.
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2. a) Der Beschwerdeführer zu 1., der eingetragene Verein Gesetzestreue Jüdische
Landesgemeinde Brandenburg, gründete sich am 10. Januar 1999 in Potsdam und
wurde am 23. März 1999 in das Vereinsregister eingetragen. Nach seiner Satzung
versteht er sich als Nachfolger und Vertreter jüdisch-orthodoxer Tradition und Kultur
im Land Brandenburg. Gesetzestreue jüdische Gemeinden hätten sich bereits 1922
im so genannten Halberstädter Bund und dem Preußischen Landesverband
Gesetzestreuer, also orthodoxer Synagogengemeinden organisiert. In dieser
Tradition sei es nach § 4 der Satzung Zweck des Beschwerdeführers zu 1., im Land
Brandenburg das jüdische Leben nach orthodoxer jüdischer Tradition aufzubauen
und die Gemeindemitglieder religiös, kulturell und sozial nach Maßgabe der
orthodoxen jüdischen Überlieferung und im Rahmen des geltenden Rechts zu
betreuen. Im Oktober 2000 zählte der Beschwerdeführer zu 1. nach eigenen Angaben
ungefähr 60, im Jahr 2001 92, im Jahr 2002 121, im Jahr 2003 145 und im Jahr 2004
265 Mitglieder. Im Jahr 2008 wurde die Mitgliederzahl weiterhin mit 265 angegeben;
der Beschwerdeführer zu 1. betreue im Land Brandenburg einschließlich seiner
Mitglieder etwa 700 jüdische Zuwanderer.
Ein Antrag des Beschwerdeführers zu 1. auf Bestätigung des Status als
Körperschaft des öffentlichen Rechts wurde mit Bescheid vom 15. Juli 2004 vom
Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg
abgelehnt. Mit - nicht rechtskräftigem - Urteil vom 14. Juli 2008 wies das
Verwaltungsgericht Potsdam die auf die Feststellung, dass er eine Körperschaft des
öffentlichen Rechts sei, gerichtete Klage des Beschwerdeführers zu 1. ab. Der
Beschwerdeführer zu 1. sei rechtlich nicht identisch mit einer vor dem 3. Oktober 1990
bzw. vor 1945 in Brandenburg existierenden jüdischen Gemeinde, die den
Körperschaftsstatus besessen habe.
Der Beschwerdeführer zu 1. gehört weder dem Landesverband noch dem Zentralrat
der Juden in Deutschland an, er ist vielmehr Mitglied im Bund Gesetzestreuer
Jüdischer Gemeinden in Deutschland. Zwischen dem Beschwerdeführer zu 1. und
den im Landesverband zusammengeschlossenen Gemeinden bestehen erhebliche
Glaubensdifferenzen; sie erkennen sich wechselseitig nicht als jüdische Gemeinden
an.
Der Beschwerdeführer zu 2. ist Mitglied des Beschwerdeführers zu 1.
b) Der Beschwerdeführer zu 1. stellte erstmalig für das Haushaltsjahr 2000
einen Antrag auf finanzielle Förderung durch das Land Brandenburg in Höhe von
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752.714 DM, der zunächst erfolglos blieb.
Auf die am 20. Oktober 2000 erhobene, sowohl gegen die Bewilligung von
Fördermitteln zugunsten des Landesverbandes als auch auf die Bewilligung eigener
Fördermittel gerichtete Klage des Beschwerdeführers zu 1. hin hob das
Verwaltungsgericht Potsdam mit Urteil vom 27. Juni 2003 (Az. 12 K 4144/00, )
den Zuwendungsbescheid zugunsten des Landesverbands auf, wies die auf die
Bereitstellung eigener Fördermittel gerichtete Verpflichtungsklage jedoch ab. Mit
Urteil vom 10. Mai 2005 (- 1 A 744/03 -, LKV 2006, S. 39) gab das
Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg im Berufungsverfahren auch der
Verpflichtungsklage des Beschwerdeführers zu 1. auf ermessensfehlerfreie
Entscheidung über den Förderantrag statt.
Nach Rechtskraft des Berufungsurteils bewilligte das zuständige Ministerium dem
Beschwerdeführer zu 1. mit Bescheid vom 6. Oktober 2005 für das Haushaltsjahr
2000 Fördermittel in Höhe von 15.000 Euro. Soweit damit zugleich weitergehende
Förderanträge abgelehnt wurden, erhob der Beschwerdeführer zu 1. gegen den
Bewilligungsbescheid mit Schriftsätzen vom 14. Oktober und 6. November 2005
erneut Klage, die mit - nicht rechtskräftigem - Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam
vom 14. Juli 2008 abgewiesen wurde.
Für die Folgejahre von 2001 bis 2004 wurden Anträge des Beschwerdeführers zu 1.
auf staatliche Förderung vom Kultusministerium zunächst entweder abgelehnt oder
nicht beschieden. Infolge des Urteils des Oberverwaltungsgerichts vom 10. Mai 2005
wurde dem Beschwerdeführer zu 1. mit Bescheid vom 5. September 2006 für die
Haushaltsjahre 2001 bis 2004 ein Förderbetrag von insgesamt 85.330,62 Euro
zugewendet. Soweit durch den Bescheid die darüber hinaus gestellten Anträge
abgelehnt wurden, erhob der Beschwerdeführer zu 1. Klage, die mit - nicht
rechtskräftigem - Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 14. Juli 2008
abgewiesen wurde.
II.
1. Um einerseits die Beziehungen zwischen dem Land Brandenburg und dem
Landesverband auf eine solidere Grundlage zu stellen und um andererseits dem
Landesverband zu einer finanziellen Konsolidierung zu verhelfen, war das Land
Brandenburg bereits im Jahr 1998 in Verhandlungen zum Abschluss eines Vertrages
mit dem Landesverband eingetreten. Diese erwiesen sich in der Folge unter anderem
wegen
der problematischen finanziellen Lage des Landesverbandes als
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außerordentlich schwierig.
Währenddessen machte der Beschwerdeführer zu 1. seinen Wunsch nach einer
Einbeziehung in den Vertrag und gleichberechtigter Teilhabe an den Verhandlungen
deutlich. Dem wurde jedoch auf Bitten des Landesverbandes nicht nachgekommen.
Das
Ansinnen
der
Landesregierung,
eine
Teilhabe aller jüdischen
Religionsgemeinschaften an den aufgrund des Vertrages zugewendeten Leistungen
zu gewährleisten, akzeptierte der Landesverband nach Angaben des Landes,
nachdem die jährliche Leistungssumme auf 200.000 Euro aufgestockt worden war.
Am 11. Januar 2005 unterzeichneten Ministerpräsident P. und der Vorsitzende des
Vorstandes des Landesverbandes (damals noch: Jüdische Gemeinde - Land
Brandenburg), Prof. Dr. S., den Vertrag zwischen dem Land Brandenburg und der
Jüdischen Gemeinde - Land Brandenburg, der am 18. Mai 2005 in Kraft trat (vgl. die
Bekanntmachung des Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg vom 25. Mai
2005, GVBl I S. 206).
2. a) Die in Verbindung mit § 1 des Zustimmungsgesetzes angegriffenen
Regelungen des Vertrages
(1) (Da der Vertrag noch mit der Jüdischen Gemeinde - Land
Brandenburg geschlossen wurde, verwendet er durchgehend die Bezeichnung „Landesgemeinde“.
Aufgrund der späteren Umbenennung wird im Weiteren jedoch die Bezeichnung „Landesverband“
verwandt, auch soweit auf die vertraglichen Vorschriften Bezug genommen wird.)
lauten:
Artikel 2
Jüdische Feiertage
(1) Der staatliche Schutz der jüdischen Feiertage wird
gewährleistet.
(2) Feiertage der Jüdischen Gemeinde im Sinne des
Feiertagsgesetzes sind:
1. Rosch Haschana (Neujahrsfest)
zwei Tage - am 1. und 2. Tischri, beginnend am Vortage um 16.00
Uhr,
2. Jom Kippur (Versöhnungstag)
ein Tag - am 10. Tischri, beginnend am Vortage um 16.00 Uhr,
3. Sukkot (Laubhüttenfest)
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zwei Tage - am 15. und 16. Tischri, beginnend am Vortage
um 17.00 Uhr,
4. Schemini Azereth (Schlussfest)
ein Tag - am 22. Tischri, beginnend am Vortage um 17.00 Uhr,
5. Simchat Thora (Fest der Gesetzesfreude)
ein Tag - am 23. Tischri, beginnend am Vortage um 17.00
Uhr,
6. Pessach (Fest zum Auszug aus Ägypten)
a) zwei Tage - am 15. und 16. Nisan, beginnend am Vortage um
17.00 Uhr,
b) zwei Tage - am 21. und 22. Nisan, beginnend am Vortage um
17.00 Uhr,
7. Schawuoth (Wochenfest)
zwei Tage - am 6. und 7. Siwan, beginnend am Vortage um 17.00
Uhr.
(3) Die Daten der Feiertage nach Absatz 1 bestimmen sich nach
dem jüdischen Mondkalender unter Beachtung der allgemein
geltenden Kalenderregeln.
Schlussprotokoll:
Die Daten werden der Landesregierung zwei Jahre im Voraus
mitgeteilt.
(4) An jüdischen Feiertagen ist den in Ausbildungs- und
Beschäftigungsverhältnissen
stehenden Angehörigen
der
Landesgemeinde Gelegenheit zum Besuch des Gottesdienstes zu
geben, sofern unaufschiebbare oder im allgemeinen Interesse
vordringliche Aufgaben nicht zu erledigen sind oder zwingende
betriebliche Notwendigkeiten nicht entgegenstehen. Über einen
etwaigen Lohnausfall für die versäumte Arbeitszeit hinausgehende
Nachteile dürfen den Arbeitnehmern nicht erwachsen.
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(5) Das Land trifft im Rahmen des geltenden Rechts Regelungen,
die es den in Schulverhältnissen stehenden Angehörigen der
Landesgemeinde ermöglichen, an den jüdischen Feiertagen ihre
religiösen Pflichten zu erfüllen.
Artikel 3
Seelsorge in besonderen Einrichtungen
(1) In Heimen, Krankenhäusern, Justizvollzugsanstalten und
ähnlichen
öffentlichen Einrichtungen des Landes sind
Gottesdienste und Seelsorge nach Maßgabe der bestehenden
Bedürfnisse zu ermöglichen.
Schlussprotokoll:
(1) Gegenüber den nichtöffentlichen Trägern der genannten
Einrichtungen wird das Land in geeigneter Weise darauf hinweisen,
dass auch in diesen Einrichtungen seelsorgerische Besuche und
religiöse Handlungen nach Maßgabe der bestehenden Bedürfnisse
ermöglicht werden sollen.
(2) In Justizvollzugsanstalten wird die Beachtung ritueller
Speisevorschriften ermöglicht.
(2) Bei Einrichtungen anderer öffentlicher Träger wird das Land
darauf hinwirken, dass in diesen seelsorgerliche Besuche und
religiöse Handlungen entsprechend Absatz 1 ermöglicht werden.
(…)
Artikel 5
Kinderbetreuung, Schulen und Weiterbildung
(1) Die Landesgemeinde hat das Recht, Schulen sowie
Einrichtungen der Kinderbetreuung und Weiterbildung zu
errichten und zu betreiben.
(2) Die Genehmigung und Anerkennung solcher Einrichtungen
sowie die Förderung aus öffentlichen Mitteln bestimmen sich nach
den geltenden gesetzlichen Regelungen.
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Schlussprotokoll:
Das
Land
wird
die
Landesgemeinde über
mögliche
Fördermaßnahmen bei der Errichtung und Fortführung von Schulen
sowie Einrichtungen der Kinderbetreuung und Weiterbildung
unterrichten.
Artikel 6
Zuschüsse des Landes
(1) Das Land beteiligt sich zum Zweck des Wiederaufbaus und zur
Aufrechterhaltung
jüdischen Gemeindelebens
im
Land
Brandenburg an den laufenden Ausgaben der Gemeinde. Es
erbringt hierzu einen Betrag von Euro 200.000 jährlich, erstmals im
Jahr 2005. Diese Zahlungen treten an die Stelle der bislang an die
Landesgemeinde aus dem Haushalt erbrachten Leistungen. Der
Jahreszuschuss wird mit einem Zwölftel des Jahresbetrages jeweils
monatlich im Voraus erbracht.
(2) Die Vertragsparteien werden den Betrag nach Absatz 1 nach fünf
Jahren überprüfen.
(3)
Die
Landesgemeinde
weist
die zweckentsprechende
Verwendung des Zuschusses bis zum 30. Juni des nachfolgenden
Jahres durch Vorlage einer von einem vereidigten Wirtschaftsprüfer
geprüften Rechnung nach.
Schlussprotokoll:
Nicht
zweckentsprechend
verwendete Zuschussbestandteile
werden vom Land mit dem Zuschuss für das Folgejahr verrechnet.
(…)
Artikel 8
Sonstige Leistungen
(1) Die Landesgemeinde verwaltet die nach Artikel 6
erbrachten finanziellen Leistungen für alle auf den jüdischen
Religionsgesetzen beruhenden Gemeinden des Landes, auch wenn
sie jetzt oder in Zukunft der Landesgemeinde nicht angehören. Die
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Landesgemeinde ist verpflichtet, sämtliche Gemeinden angemessen
finanziell zu beteiligen.
(…)
(…)
Artikel 10
Jüdische Friedhöfe
(…)
(3) Die Landesgemeinde hat das Recht, im
Rahmen der rechtlichen Bestimmungen Friedhöfe
als öffentliche Bestattungsplätze zu unterhalten, neue Friedhöfe
anzulegen, bestehende Friedhöfe zu erweitern und verwaiste
Friedhöfe wiederzubelegen.
Schlussprotokoll:
Das Land wird im Rahmen seiner Möglichkeiten Bemühungen der
Landesgemeinde unterstützen, Grundstücke zur Anlegung von
Friedhöfen zu finden, wenn der Friedhof der jeweiligen
Ortsgemeinde nicht wieder belegt werden kann.
Artikel 11
Vermögensschutz
(1) Die Landesbehörden werden bei der Anwendung
enteignungsrechtlicher Vorschriften im Rahmen des gesetzlichen
Ermessens auf die Belange der Landesgemeinde Rücksicht
nehmen. Beabsichtigt die Landesgemeinde im Fall der Veräußerung
von
gemeindeeigenen
Grundstücken,
gleichwertige
Ersatzgrundstücke zu erwerben, werden ihr die Landesbehörden im
Rahmen der geltenden Bestimmungen Unterstützung gewähren.
(…)
Artikel 12
Gedenkstätten
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Bei Entscheidungen über die Errichtung, Veränderung und
Aufhebung sowie die würdige Ausgestaltung von in
Trägerschaft des Landes stehenden Gedenkstätten, die die
Erinnerung an jüdisches Leben im Land Brandenburg oder an die
Verfolgung und Ermordung von Menschen jüdischen Glaubens in
der Zeit des Nationalsozialismus zum Gegenstand haben, wird das
Land die Landesgemeinde angemessen beteiligen.
(…)
Artikel 15
Gebührenbefreiungen
(1) Die Landesgemeinde ist von der Zahlung der auf
Landesrecht beruhenden Verwaltungsgebühren befreit,
soweit die Amtshandlung unmittelbar der Durchführung kirchlicher
Zwecke im Sinne des § 54 der Abgabenordnung dient.
(2) Die Befreiung gilt auch für Gebühren, die die ordentlichen
Gerichte in Angelegenheiten der streitigen und der freiwilligen
Gerichtsbarkeit mit Ausnahme der Arbeitsgerichtsbarkeit, die
Gerichtsvollzieher,
die Justizverwaltungsbehörden und die
Behörden
der Arbeitsgerichtsverwaltung erheben. Von der
Landesgemeinde gebildete juristische Personen des Privatrechts,
die unmittelbar kirchliche Zwecke verfolgen, sind von der Zahlung
der Gebühren nach der Kostenordnung und der Gebühren in
Justizverwaltungsangelegenheiten befreit.
Artikel 16
Rundfunk
(1) Das Land wird darauf hinwirken, dass die öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten
der
Landesgemeinde angemessene
Sendezeiten zur Übertragung gottesdienstlicher Handlungen und
Feierlichkeiten sowie sonstiger religiöser Sendungen zur Verfügung
stellen.
(…)
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b) Zu Art. 6 und Art. 8 Abs. 1 des Vertrages wird in der Begründung Folgendes
angeführt:
aa) Art. 6
„Die Bestimmung hat die Erbringung finanzieller Leistungen an die
Landesgemeinde zum Gegenstand.
Nach Absatz 1 unterstützt das Land die Betätigung der Landesgemeinde durch
einen pauschalen Zuschuss von 200.000 € jährlich. Zweck der Leistung ist die
Aufrechterhaltung jüdischen Gemeindelebens im Land Brandenburg. Obwohl die
Jüdische Gemeinde - Land Brandenburg keine nach Art. 140 GG in Verbindung mit
Art. 138 WRV geschützten Ansprüche auf Gewährung von Staatsleistungen wegen
vorkonstitutioneller Schädigungen innehat, erscheint es sachgerecht, ihr für den
vorgenannten Zweck einen jährlichen staatlichen Zuschuss zu gewähren.
In Absatz 2 wird festgelegt, dass nach fünf Jahren eine Überprüfung der Höhe des
Zuschusses erfolgt. Hierdurch soll unabhängig von Artikel 18 Abs. 2 die Möglichkeit
eröffnet werden, Änderungen der finanziellen Verhältnisse des Landes oder der
Landesgemeinde Rechnung zu tragen.
Nach Absatz 3 ist die zweckentsprechende Verwendung der Mittel durch Vorlage
der Prüfbescheinigung eines vereidigten Wirtschaftsprüfers nachzuweisen. Diese
ermöglicht dem Land die Überzeugungsbildung über die zweckgerechte
Mittelverwendung und die Reaktion auf Fehlentwicklungen durch Verrechnung
zweckwidrig
verwendeter Zuschussbestandteile mit dem Anspruch in den
Folgejahren. Die Bestimmung ist ohne Parallele in den Verträgen mit den
evangelischen Landeskirchen und dem Heiligen Stuhl, da die dortigen
Vertragspartner eine zweckgerechte Verwendung durch interne Rechnungsprüfung
sicherstellen können, im Fall der evangelischen Landeskirchen beispielsweise durch
unabhängige kirchliche Rechnungshöfe.“
bb) Art. 8 Abs. 1
„Nach Absatz 1 verpflichtet sich die Landesgemeinde, den vom Land
empfangenen Zuschuss auch zur Unterstützung aller jüdischen Ortsgemeinden
zu verwenden. Dies schließt auch diejenigen Ortsgemeinden ein, die der
Landesgemeinde nicht angehören; dies trifft in Brandenburg derzeit nur auf die in
Potsdam ansässige gesetzestreue jüdische Gemeinde zu. Die Höhe der
Unterstützung und die angemessene Verteilung der Mittel zwischen den
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Ortsgemeinden sind der Landesgemeinde überlassen; der Vertrag enthält hierzu
keinerlei Vorgaben.“
3. Am 10. Februar 2005 brachte die Brandenburgische Landesregierung den
Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 11. Januar 2005 zwischen dem Land
Brandenburg und der Jüdischen Gemeinde - Land Brandenburg (Landtag
Brandenburg, Drucks 4/624) in den Landtag ein. Damit sollte die nach Art. 91 Abs. 2
der Verfassung des Landes Brandenburg notwendige Zustimmung des Landtages zu
dem Vertrag bewirkt werden.
a) Der Gesetzentwurf der Landesregierung wurde in erster Lesung am 2. März 2005
im Brandenburgischen Landtag beraten (vgl. Landtag Brandenburg, Plenarprotokoll
4/10, S. 556 ff.). Unter Bezugnahme auf die Überschuldung des Landesverbandes
führte die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur u.a. aus, dass es sich bei
dem Vertrag um ein wichtiges Werk handele, um das jüdische Leben in Brandenburg
zu konsolidieren. Nur durch den Vertrag könne der Jüdische Landesverband seine
noch bestehenden Schulden tilgen. Alle Schulden bei der öffentlichen Hand seien
niedergeschlagen worden, was einer indirekten Unterstützung des Landesverbandes
in Form von mehreren Hunderttausend Euro gleichkomme. Gleichwohl erweise sich
die Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen als nicht einfach. Der finanzielle
Handlungsspielraum des Landesverbandes sei in den nächsten Jahren deshalb
begrenzt, weil noch ein Teil der Schulden getilgt werden müsse. Für die Zeit danach
bestehe eine zukunftsfähige Perspektive (vgl. Landtag Brandenburg, Plenarprotokoll
4/10, S. 556 f.).
b) Im Vorfeld einer vom Hauptausschuss anberaumten Anhörung zum Vertrag nahm
die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur zu verschiedenen Fragen zum
Vertrag Stellung. Entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers zu 1. handele es
sich bei der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland um eine Einheitsgemeinde, die
i m Zentralrat der Juden und entsprechenden Landesverbänden organisiert sei.
Daneben bestehende Richtungsverbände, wie etwa der Bund Gesetzestreuer Juden,
seien durchweg sehr kleine Gruppen, denen neben der Einheitsgemeinde kein
eigenständiges Gewicht zukomme. Bezogen auf die finanzielle Förderung gebiete im
vorliegenden
Fall
der Gleichbehandlungsgrundsatz keine schematische
Gleichbehandlung aller Gruppen, sondern lasse Raum für sachlich begründete
Differenzierungen. Durch Art. 8 Abs. 1 des Vertrages werde dafür Sorge getragen,
dass auch der Beschwerdeführer zu 1. an den vertraglich zugewandten Mitteln
beteiligt werde, was dem Gleichbehandlungsanspruch genüge. Demgegenüber
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komme der Abschluss eines eigenen Vertrages nicht in Betracht, ebenso wenig die
Gewährung einer Zuwendung in gleicher Höhe wie zugunsten des Landesverbandes.
c) In der öffentlichen Anhörung vor dem Hauptausschuss des Brandenburgischen
Landtages am 7. April 2005 vertraten die Vorstandsmitglieder des Landesverbandes
die Auffassung, eine jüdische Gemeinde setze das Vorhandensein mindestens zehn
gläubiger Juden, eines jüdischen Friedhofes, eines Rabbiners, einer Thora sowie
einer Synagoge voraus. Die Frage, ob bei dem Beschwerdeführer zu 1. die
genannten Voraussetzungen erfüllt seien, wurde unter Hinweis darauf, die „so
genannte gesetzestreue Gemeinde“ sei nicht bekannt, nicht beantwortet. Weiterhin
wurden in der Anhörung verschiedene rechtliche Bedenken gegenüber dem Vertrag
geltend gemacht.
d) Der Hauptausschuss des Brandenburgischen Landtages gab am 11. April 2005
die Empfehlung ab, den Gesetzentwurf in unveränderter Fassung anzunehmen
(Landtag Brandenburg, Drucks 4/967). Besondere Aufmerksamkeit und intensive
Diskussion habe in der abschließenden Beratung Art. 8 des Vertrages erfahren. Eine
ähnliche Regelung sei auch in den Staatsverträgen der Länder Sachsen, Rheinland-
Pfalz, Niedersachsen, Hessen, Bayern und Thüringen zu finden. Deutlich habe man
klargestellt, dass es der Vertrag nicht in das Belieben des Landesverbandes stelle, ob
jüdische Gemeinden in angemessener Weise in den Genuss der bereitgestellten
Mittel kämen. Der Landesverband müsse all jene, die sich zum jüdischen Glauben
bekennten, finanziell entsprechend beteiligen. Andernfalls stehe der Klageweg offen.
Es habe im Hauptausschuss Einigkeit darüber bestanden, dass dem Land nicht
zustehe, darüber zu befinden, wer sich zum jüdischen Glauben bekenne.
e) Am 13. April 2005 stimmte der Brandenburgische Landtag dem Gesetz zum
Vertrag in zweiter Lesung zu.
f) Das Gesetz zu dem Vertrag vom 11. Januar 2005 zwischen dem Land
Brandenburg und der Jüdischen Gemeinde - Land Brandenburg wurde daraufhin am
29. April 2005 im Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Brandenburg verkündet
(GVBl I S. 158) und trat am 30. April 2005 in Kraft.
4. Über die vom Vertrag vorgesehenen Leistungen hinaus wandte das Ministerium
für
Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg dem
Landesverband im Jahr 2007 einen Betrag von 35.000 Euro als Schuldendiensthilfe
zu; Gleiches erfolgte im Jahr 2008.
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5. Der Beschwerdeführer zu 1. beantragte auch nach Abschluss des Vertrages
Fördermittel beim Land, was dieses in Bezug auf die Jahre 2005 bis 2007 unter
Verweis auf Art. 6 des Vertrages ablehnte; ein Antrag für das Jahr 2008 wurde bisher
nicht beschieden. Das Bemühen des Beschwerdeführers zu 1. hatte auch vor dem
Verwaltungsgericht bisher keinen Erfolg, weil dieses die Verfahren jeweils unter
Hinweis auf die inzwischen erhobene Verfassungsbeschwerde aussetzte. Eine
Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg blieb ohne Erfolg.
Parallel dazu wandte sich der Beschwerdeführer zu 1. an den Landesverband und
forderte auf der Grundlage des Vertrages für die Jahre 2005 und 2006 die
Überweisung eines jährlichen Anteils von 100.000 Euro in monatlichen Raten. Der
Landesverband lehnte dies mit der Begründung ab, dass sich aus dem Vertrag kein
Anspruch des Beschwerdeführers zu 1. ergebe. Es solle jedoch geklärt werden, ob
durch Aufnahme des Beschwerdeführers zu 1. in den Landesverband der Jüdischen
Gemeinden im Land Brandenburg eine Förderung gemäß dem Vertrag in Betracht
komme. Über eine entsprechende verwaltungsgerichtliche Klage wurde noch nicht
entschieden.
Mit Schreiben vom 28. Dezember 2007 teilte der Landesverband dem
Beschwerdeführer zu 1. mit, dass er ihm für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis zum 31.
Dezember 2007 zur Erfüllung seiner Ansprüche aus dem Vertrag einen Betrag von
30.600 Euro zukommen lassen werde; der Betrag wurde in unmittelbarer Folge
ausgezahlt. Gleichzeitig kündigte der Landesverband an, dem Beschwerdeführer zu
1. ab dem Jahr 2008 monatlich 1.020 Euro zur Erfüllung seiner Ansprüche aus dem
Vertrag zukommen zu lassen.
III.
1. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung
ihrer Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 3 GG, Art. 4 Abs. 1 GG in
Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG und Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 WRV.
a) aa) Die Regelungen der Art. 6 und Art. 8 Abs. 1 des Vertrages, die eine
Zuwendung von Fördergeldern allein gegenüber dem Landesverband vorsähen,
diesem die Zuständigkeit für die Verteilung der Mittel übertrügen und es seinem freien
Ermessen überließen, in welchem Umfang der Beschwerdeführer zu 1. an der
Förderung beteiligt werde, verstießen gegen den Grundsatz der Parität aus Art. 3 GG.
Dieser verbiete es dem Staat, Differenzierungen zwischen den Empfängern
öffentlicher Fördermaßnahmen vorzunehmen, ohne dass sachliche Gründe eine
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115
entsprechende Ungleichbehandlung geböten. Hier sei eine Ungleichbehandlung nur
insoweit zulässig, als sie sich zwingend etwa aus der unterschiedlichen
Mitgliederzahl
der beiden Glaubensgemeinschaften ergebe. Demgegenüber
begründe das Ministerium die unterschiedliche Behandlung bei der finanziellen
Förderung mit einer religionspolitischen Wertung, nämlich damit, dass der
Beschwerdeführer zu 1. nicht Mitglied im Zentralrat der Juden in Deutschland sei und
es sich bei ihm um „eine kleine Splittergruppe“ handele, so dass nach Auffassung des
Kultusministeriums eine gleichzeitige Förderung zu einer Zersplitterung des
Judentums in Brandenburg und damit zu Ineffektivität der Förderung jüdischer
Religionsgemeinschaften insgesamt führen würde.
Vorliegend müsse davon ausgegangen werden, dass die Förderregelung des
Vertrages den Zweck verfolge, das Judentum in Brandenburg „zusammenzufassen“.
Die
Verfolgung dieses Zweckes sei eine von der Verfassung verbotene
Wertentscheidung und werde von dem Beschwerdeführer zu 1. aus religiöser
Überzeugung abgelehnt, weil der Landesverband in weitem Umfang, etwa durch die
Aufnahme zahlreicher Nichtjuden, gegen das jüdische Gesetz verstoße. Auch
verkenne der Vertrag bis heute die Tatsache, dass es sich beim Judentum nicht um
eine starre Einheitsorganisation, sondern vielmehr um eine Vielzahl jeweils
unabhängiger Gemeinden handele.
bb) Weiter verstießen die genannten Regelungen des Vertrages zum einen gegen
die kollektive Religionsfreiheit des Beschwerdeführers zu 1. und gegen sein durch
Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV geschütztes
Selbstbestimmungsrecht, zum anderen gegen die individuelle Religionsfreiheit der
Mitglieder des Beschwerdeführers zu 1. sowie derjenigen Juden in Brandenburg, die
nicht oder noch nicht seine Mitglieder seien. Durch die Exklusivität der Zuwendung
aller Fördermittel an den Landesverband greife das Land Brandenburg gezielt in den
Prozess der Selbstorganisation des Judentums in Brandenburg ein. Die orthodoxe
Richtung des Judentums werde von Seiten des Staates diskriminiert.
cc) Die Delegation der Mittelverteilung an den Landesverband erweise sich auch im
Hinblick auf das in Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG enthaltene Rechtsstaatsprinzip
als verfassungsrechtlich unzulässig. Unabhängig davon, ob § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
VwVfG auf die Verteilungsentscheidung durch den Landesverband unmittelbar
angewendet werden könne, folge aus dem Rechtsstaatsprinzip, dass ein materiell
Beteiligter,
der selbst ein Eigeninteresse an dem Ausgang eines
Verwaltungsverfahrens habe, nicht mit der Durchführung des entsprechenden
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Verwaltungsverfahrens betraut werden könne.
dd) Zu keinem anderen Ergebnis führe auch das Urteil des 7. Senats des
Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Februar 2002 (BVerwGE 116, 86), dessen
Gegenstand die der brandenburgischen Regelung vergleichbare sachsen-
anhaltische Förderbestimmung bilde. Zwar habe das Bundesverwaltungsgericht den
Fördermodus im Schlussprotokoll zu Art. 13 Abs. 1 des Vertrages vom 23. März 1994
nicht beanstandet, dies jedoch nur deshalb, weil die Parteien dessen Nichtigkeit nicht
gerügt hätten. Mithin liege gerade keine höchstrichterliche Sanktionierung der
genannten Regelung vor.
b) Soweit der Vertrag in Art. 2 (Jüdische Feiertage), Art. 3 (Seelsorge in besonderen
Einrichtungen), Art. 5 (Kinderbetreuung, Schulen und Weiterbildung), Art. 10 Abs. 3
(Jüdische Friedhöfe), Art. 11 Abs. 1 (Vermögensschutz), Art. 12 (Gedenkstätten),
Art. 15 (Gebührenbefreiung) und Art. 16 Abs. 1 (Rundfunk) dem Landesverband
besti mmte Rechte einräume, verletze er die Beschwerdeführer in ihrer
Glaubensfreiheit und in ihrem Recht auf Gleichbehandlung, überdies den
Beschwerdeführer zu 1. in seinem Recht auf Achtung staatlicher Parität und
Neutralität. Ausweislich der Präambel verfolge der Vertrag das Ziel, eine
abschließende Regelung der Rechtsstellung aller Juden in Brandenburg
herbeizuführen. In den Bestimmungen heiße es mehrfach ausdrücklich, dass die
entsprechende
Rechtsstellung
nur
dem am Vertragsschluss beteiligten
Landesverband bzw. dessen Mitgliedern zukommen solle. Daher müsse dem Vertrag
der Regelungswille entnommen werden, den Beschwerdeführer zu 1. und dessen
Mitglieder von den aufgeführten Vergünstigungen auszuschließen.
2. Zu der Verfassungsbeschwerde wurden die Bundesregierung, alle
Landesregierungen, das Bundesverwaltungsgericht, der Zentralrat der Juden in
Deutschland, die Union progressiver Juden in Deutschland, der Bund Gesetzestreuer
Jüdischer Gemeinden in Deutschland, die Evangelische Kirche in Deutschland sowie
die Deutsche Bischofskonferenz angehört.
a) Nach Auffassung des Landes Brandenburg ist die Verfassungsbeschwerde nur
teilweise zulässig und im Übrigen unbegründet.
Bezüglich der außerhalb der Finanzierungsfragen gerügten Regelungen des
Vertrages
fehle es an einem ausreichend substantiierten Vortrag des
Beschwerdeführers zu 1. hinsichtlich seiner Betroffenheit. Der Beschwerdeführer zu
1. werde nicht von den dem Landesverband zugestandenen Rechten
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ausgeschlossen.
Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 2. sei insgesamt
unzulässig; eine eigene Grundrechtsverletzung sei weder dargelegt noch erkennbar.
Hinsichtlich
der
Regelungen
zur
finanziellen Förderung
sei
die
Verfassungsbeschwerde
des
Beschwerdeführers zu 1. unbegründet. Der
Gleichbehandlungsgrundsatz
verpflichte den Staat nicht dazu, mit allen
Bekenntnisgruppen staatskirchenrechtliche Verträge abzuschließen; es seien
vielmehr Differenzierungen zulässig, die durch tatsächliche Verschiedenheiten der
einzelnen Gruppen bedingt seien.
Dem Beschwerdeführer zu 1. werde durch Art. 8 des Vertrages ein Anspruch auf
angemessene Beteiligung an den staatlichen Mitteln eingeräumt. Art. 8 des Vertrages
sei insofern keine drittbelastende, sondern eine drittbegünstigende Regelung. Dem
Landesverband obliege die Verwaltung der gewährten Summe als staatliche
Aufgabe, die ihm zur selbstständigen Erledigung übertragen worden sei. Verletze der
Landesverband seine aus dem Vertrag folgende Pflicht zur Beteiligung des
Beschwerdeführers zu 1., so stehe diesem der Rechtsweg offen. Zwar verliere der
Beschwerdeführer zu 1. durch Art. 8 Abs. 1 des Vertrages einen aus dem
Gleichbehandlungsgrundsatz folgenden Anspruch gegen das Land auf Teilhabe an
den vom Haushaltsgesetzgeber bereitgestellten Fördermitteln zugunsten jüdischer
Gemeinden, doch erfolge dies aus sachlichen Erwägungen. Insoweit sei es Sache
des Landesgesetzgebers, welche Maßnahmen positiver Religionspflege er ergreife.
Hintergrund der Regelung des Art. 8 des Vertrages sei die Absicht der
Landesregierung gewesen, auch für den Fall der Entstehung weiterer jüdischer
Gemeinden keinen schwer abschätzbaren Leistungsverpflichtungen gegenüber
diesen Gruppen ausgesetzt zu sein, sondern für einen Ausgleich zwischen den
verschiedenen Gruppen zu sorgen. Ohne die Regelung hätte damit gerechnet werden
müssen, dass bei Bildung weiterer jüdischer Gemeinden diese unter Berufung auf
den Gleichbehandlungsgrundsatz Förderleistungen hätten einfordern können, ohne
dass dem Land die Möglichkeit einer Kürzung der vertraglich abgesicherten
Leistungen gegenüber dem Landesverband als Ausgleich offen gestanden hätte.
Es ergebe sich keine grundrechtlich relevante Beeinträchtigung des
Beschwerdeführers zu 1. dadurch, dass er seinen Teilhabeanspruch nicht gegenüber
dem Staat geltend machen könne, sondern hierzu mit dem Landesverband in Kontakt
treten müsse. Insoweit sei nicht dargelegt, dass und in welcher Weise eine solche
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Fühlungnahme die religiösen Belange des Beschwerdeführers zu 1. beeinträchtigen
könne.
Auch liege kein Eingriff in die innerjüdische Organisationsstruktur vor. Insbesondere
werde der Beschwerdeführer zu 1. nicht zum Beitritt zum Landesverband genötigt.
Dies ergebe sich schon daraus, dass das Land in Art. 8 Abs. 1 des Vertrages
zielgerichtet für eine Teilhabe des Beschwerdeführers zu 1. an den staatlichen
Leistungen Sorge getragen habe.
b) Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat wie folgt Stellung genommen:
Die Verfassungsbeschwerde werfe die Frage auf, wer zur jüdischen
Religionsgemeinschaft zu zählen sei. Diese Frage könne nicht vom Staat
beantwortet werden, sondern gehöre zu den eigenen Angelegenheiten der
Religionsgemeinschaften.
Entscheidend
sei
das Selbstverständnis
der
Religionsgemeinschaft.
Die Verfassungsbeschwerde sei insgesamt unzulässig, auch soweit sich der
Beschwerdeführer zu 1. gegen die Regelung über die Finanzierung wende. Das
Zustimmungsgesetz selbst verletze dessen Rechte nicht unmittelbar; es bedürfe
eines Vollzugsaktes. Auch sei der Rechtsweg nicht erschöpft, und es fehle das
Rechtsschutzbedürfnis, da der Beschwerdeführer zu 1. zunächst im Wege des
verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes den behaupteten Anspruch auf Beteiligung
an den Staatsleistungen durchzusetzen versuchen müsse.
Der Beschwerdeführer zu 2. sei nicht in eigenen Rechten verletzt.
Darüber hinaus verstoße die angegriffene Regelung weder gegen Art. 3 GG
noch gegen Art. 4 GG. Zwischen Religionsgemeinschaften dürfe nach
sachgerechten Kriterien differenziert werden. Bei der Bestimmung des Begriffs der
„auf den jüdischen Religionsgesetzen beruhenden Gemeinden“ des Landes sei
entgegen
der
Ansicht
des Bundesverwaltungsgerichts
das
religiöse
Selbstverständnis des Landesverbandes maßgeblich. Eine Minderheit könne nicht
den „etablierten“ jüdischen Gemeinden Vorgaben machen, wer von ihnen in religiöser
Hinsicht anzuerkennen und in finanzieller Hinsicht zu fördern sei. Bei der Auslegung
staatlichen Rechts habe die Beurteilung religiöser Vorfragen ausschließlich nach
Maßgabe
des
religiösen
Selbstverständnisses
der
jeweils beteiligten
Religionsgemeinschaft zu erfolgen, was sich auch aus der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts
in BVerfGE
70,
138 ergebe. Hier sei das
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Selbstverständnis des Landesverbandes maßgeblich, da dieser Vertragspartner des
Landes sei.
Schließlich nehme der Landesverband bei der Verteilung der Mittel keine staatliche,
sondern eine eigene Aufgabe als Religionsgemeinschaft wahr; bei der Weitergabe
von Mitteln auf der Grundlage des Vertrages komme es auf dessen Selbstverständnis
an. Durch den Abschluss des Vertrages habe der Landesverband auch nicht insoweit
auf sein Selbstbestimmungsrecht verzichtet.
c) Die Union progressiver Juden in Deutschland trägt vor:
Seit Beginn der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts sei es in Deutschland
zunehmend zur Gründung oder Wiedergründung liberaler und strikt orthodoxer
jüdischer Richtungsgemeinden außerhalb des Zentralrats gekommen. Für den
staatlichen Vertragspartner stelle sich nunmehr die Frage, ob er sich im Hinblick auf
die staatliche Neutralität auf den Vertragsschluss mit jüdischen Organisationen nur
einer innerjüdischen Ausrichtung beschränken könne oder ob weitere Gemeinden als
Vertragspartner in vertragliche Regelungen einbezogen werden müssten.
Eine staatliche Förderung jüdischer Gemeinden sei nur dann mit dem Grundgesetz
vereinbar, wenn die Förderung allen jüdischen Gemeinden in dem jeweils
betroffenen Land in gleicher Weise zugute komme. Bei der Frage, welche
Eigenschaften ein Zusammenschluss von Juden aufweisen müsse, um als jüdische
Gemeinde zu gelten, die von Verfassungs wegen an der Förderung zu beteiligen sei,
k ö n n e auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Februar 2002
zurückgegriffen werden, nach dem zur jüdischen Gemeinschaft im Sinne des dort
gegenständlichen Vertrages jede Gemeinde gehöre, die sich selbst als jüdische
Gemeinde verstehe und unbeschadet der jeweiligen Art des Glaubensverständnisses
innerhalb des Judentums Aufnahme und Anerkennung gefunden habe (BVerwGE
116, 86 <90 f.>).
Das Ziel der Gleichbehandlung aller jüdischen Gemeinden lasse sich am besten
verwirklichen, wenn ein Land alle existierenden Gemeinden als Vertragspartner in
einen Vertrag einbeziehe oder die Beteiligung von Gemeinden, die nicht dem
Vertragspartner des Landes angehören, im Vertrag selbst betragsmäßig festschreibe.
Auch in diesen Fällen müssten allerdings Regelungen für die Beteiligung neu
entstehender jüdischer Gemeinden getroffen werden.
Im Fall Brandenburgs sei dem Landesverband die Verteilung der Mittel als staatliche
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Aufgabe zur selbstständigen Erledigung übertragen worden. Die Einhaltung des
Gebots
der
angemessenen
Beteiligung
sämtlicher
auf
den jüdischen
Religionsgesetzen beruhenden Gemeinden des Landes werde dabei nur durch die
Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle der Mittelverteilung sanktioniert. Dies
genüge nicht, um den Schutz der Grundrechte der Minderheitsgemeinden auf
Religionsfreiheit und Gleichbehandlung wirksam zu gewährleisten; vielmehr sei es
erforderlich, in den jeweiligen Staatsverträgen, zumindest aber in der Staatspraxis
darüber hinausgehende konkrete Vorkehrungen in Form von Kontroll- und
Sanktionsmöglichkeiten zu treffen, um eine angemessene Beteiligung der jüdischen
Gemeinden an der staatlichen Förderung sicherzustellen.
Die Übertragung der Aufgabe der Verteilung der staatlichen Mittel an den
Landesverband sei nicht unproblematisch, da der Landesverband nicht auf die Rolle
eines neutralen Dritten beschränkt sei. Allerdings erfülle der Landesverband bei der
Verteilung der Fördergelder eine staatliche Aufgabe und unterliege dabei allen
öffentlich-rechtlichen Bindungen.
Könne der Staat die Beteiligung einer jüdischen Gemeinde an den gewährten
Mitteln nicht wirksam durchsetzen, so leite sich aus dem Paritätsprinzip ein
unmittelbarer Anspruch der nicht berücksichtigten jüdischen Gemeinde auf direkte
Förderung gegen das Land ab. Das Interesse des Landes an der Deckelung der
Ausgaben stehe dem nicht entgegen: Das Land sei frei, durch entsprechende
Klauseln im Vertrag dafür zu sorgen, dass für die Förderung vom Landesverband
nicht berücksichtigter Gemeinden benötigte Mittel vom Land einbehalten werden
könnten.
Hinsichtlich der nicht finanziellen Fragen des Vertrages seien ebenfalls alle
jüdischen Gemeinden gleich zu behandeln; die Individualrechte des Vertrages
müssten allen Angehörigen der jüdischen Gemeinschaft in gleicher Weise zugute
kommen.
d) Der Bund Gesetzestreuer Jüdischer Gemeinden in Deutschland trägt vor, dass
die Landesregierungen und die Bundesregierung mit ihrer Praxis des Abschlusses
von Staatsverträgen mit dem Zentralrat und den diesem angehörigen Gruppierungen
in den Ländern die Rechte der gesetzestreuen Juden in Deutschland auf
Religionsfreiheit und Gleichbehandlung nicht gewährleisteten. Die Bildung von
Einheitsgemeinden im Nachkriegsdeutschland entspreche nicht der heutigen Struktur
des Judentums in Deutschland. Der Staat müsse reformistische und gesetzestreue
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145
Juden gleichermaßen anerkennen; soweit das liberale Judentum in Staatsverträge
einbezogen oder anderweitig gefördert werde, müsse dies auch für die
gesetzestreuen Juden gelten. Die gesetzestreuen Juden in Brandenburg würden vom
Kulturministerium genötigt, sich der Einheitsgemeinde anzuschließen; dies sei für
orthodoxe Juden aus religiösen Gründen jedoch nicht möglich.
e) Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Äußerung des 7. Revisionssenats
übersandt. Dieser weist darauf hin, dass er sich in seinem Urteil vom 28. Februar
2002 (BVerwGE 116, 86) nicht ausdrücklich mit der Frage befasst habe, ob
Verfassungsgrundsätze es verbieten, die Verteilung von Staatsleistungen an
Religionsgemeinschaften einer Religionsgemeinschaft als staatliche Aufgabe zur
selbstständigen Erledigung zu übertragen. Er sieht insoweit aber keine
verfassungsrechtlichen Bedenken, auch wenn diese Übertragung als Begünstigung
der betreffenden Religionsgemeinschaft angesehen werde. Das Grundgesetz
verlange keine schematische Gleichbehandlung aller Religionsgemeinschaften. Zu
den zulässigen Differenzierungskriterien zählten die äußere Größe und Verbreitung
der Religionsgemeinschaft, der Grad ihrer öffentlichen Wirksamkeit, ihre Kultur- und
sozialpolitische Stellung in der Gesellschaft und ihr Status als Körperschaft des
öffentlichen Rechts.
f) Das Bundesministerium des Innern sowie die Landesregierungen, die Stellung
genommen haben, beschränken sich im Wesentlichen auf eine Darstellung der
Rechtslage im eigenen Bereich.
B.
I.
Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1. ist nur hinsichtlich der
Anfechtung von § 1 des Zustimmungsgesetzes in Verbindung mit Art. 6 und Art. 8
Abs. 1 des Vertrages zulässig.
1. a) Das Gesetz, mit dem der Brandenburgische Landtag dem Vertrag des Landes
Brandenburg mit der Jüdischen Gemeinde - Land Brandenburg (jetzt: Landesverband
d e r Jüdischen Gemeinden - Land Brandenburg) zugestimmt hat, ist tauglicher
Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts
können Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen
Verträgen mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden, wenn der Vertrag
Regelungen enthält, die unmittelbar in die Rechtssphäre des Einzelnen eingreifen
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148
149
(vgl. BVerfGE 6, 290 <294 f.>; 40, 141 <156>; 84, 90 <113>). Für das
Zustimmungsgesetz zu dem hier vorliegenden Vertrag muss Entsprechendes gelten,
da durch das Gesetz ähnlich wie bei völkerrechtlichen Verträgen der Inhalt des
Vertrages in Gesetzesrang erhoben wird (vgl. zu völkerrechtlichen Verträgen
BVerfGE 6, 290 <294> ).
b) Der Beschwerdeführer zu 1. hat hinreichend die Möglichkeit dargelegt,
hinsichtlich der Regelungen zur Finanzierung jüdischer Religionsgemeinschaften in
Art. 6 und Art. 8 Abs. 1 des Vertrages unmittelbar und gegenwärtig in seinen Rechten
betroffen zu sein.
Eine Religionsgemeinschaft in der Rechtsform einer juristischen Person des
Privatrechts
(hier: eingetragener
Verein)
kann
sich
im
Verfassungsbeschwerdeverfahren auf die Rechte aus Art. 3 GG und aus Art. 4 GG
sowie den staatskirchenrechtlichen Paritätsgrundsatz berufen. Dabei bestehen auch
keine Zweifel daran, dass es sich bei dem Beschwerdeführer zu 1. um eine eigene,
insbesondere von dem Landesverband zu unterscheidende Religionsgemeinschaft
handelt.
Es besteht die konkrete Möglichkeit, dass die genannten Rechte des
Beschwerdeführers zu 1. von der Regelung in Art. 6 und Art. 8 Abs. 1 des Vertrages
unmittelbar berührt werden. Der Vertrag könnte bei einer dem Wortlaut der Art. 6
Abs. 1 Satz 3 und Art. 8 Abs. 2 folgenden Interpretation zwar dahin verstanden
werden, dass er ausschließlich die bislang an den Landesverband erbrachten
staatlichen Finanzzuschüsse neu regelt und Ansprüche anderer jüdischer
Religionsgemeinschaften unberührt lässt. Eine historische und eine teleologische
Auslegung sowie insbesondere der Wortlaut des Art. 8 Abs. 1 des Vertrages
sprechen jedoch dafür, dass eine Gesamtregelung der finanziellen Zuschüsse an alle
jüdischen Gemeinden in Brandenburg beabsichtigt war. Jedenfalls bei dieser
Auslegung ist der Beschwerdeführer zu 1. von der vertraglichen Regelung erfasst.
Der unmittelbaren Betroffenheit des Beschwerdeführers zu 1. steht auch nicht
entgegen, dass die geltend gemachte Rechtsverletzung sich erst in einem Akt der
Rechtsanwendung, nämlich der Entscheidung des Landesverbandes über die
Beteiligung des Beschwerdeführers zu 1. an den Fördermitteln, aktualisiert.
Regelungsgegenstand des Vertrages ist jedenfalls auch der Ausschluss des
Beschwerdeführers zu 1. von direkten Ansprüchen gegenüber dem Land. Davon ist
der Beschwerdeführer zu 1. unmittelbar betroffen.
150
151
152
153
2. a) Die Verfassungsbeschwerde genügt dem Grundsatz der Subsidiarität. Danach
ist die Verfassungsbeschwerde eines von der angegriffenen Rechtsnorm selbst,
gegenwärtig und unmittelbar betroffenen Grundrechtsträgers unzulässig, wenn er in
zumutbarer Weise Rechtsschutz durch die Anrufung der Fachgerichte erlangen kann
(vgl. BVerfGE 68, 319 <325 f.>; 71, 305 <335 ff.>; 74, 69 <74>; 97, 157 <165> ). Damit
soll unter anderem erreicht werden, dass das Bundesverfassungsgericht nicht auf
ungesicherter Tatsachen- und Rechtsgrundlage weitreichende Entscheidungen trifft
(vgl. BVerfGE 79, 1 <20>; 97, 157 <165> ). Das Bundesverfassungsgericht hat die
Pflicht zur Anrufung der Fachgerichte aber ausnahmsweise verneint, wenn sie dem
Beschwerdeführer nicht zumutbar ist, weil dies offensichtlich sinn- und aussichtslos
wäre (vgl. BVerfGE 55, 154 <157>; 79, 1 <20>; 102, 197 <208> ). Die Sinn- und
Aussichtslosigkeit kann auch darin bestehen, dass der Misserfolg eines
verwaltungsgerichtlichen Verfahrens von vornherein feststeht, weil die Norm der
Verwaltung keinen Ermessens- oder Beurteilungsspielraum einräumt (vgl. BVerfGE
102, 197 <208> ).
b) Vorliegend war es dem Beschwerdeführer zu 1. nicht zuzumuten, vor Erhebung
der
Verfassungsbeschwerde den
Abschluss
der
anhängigen
verwaltungsgerichtlichen Verfahren abzuwarten.
aa) Mit seinem auf den Vertrag gestützten Vorgehen gegen den Landesverband
bezogen auf die Haushaltsjahre 2005 und 2006 konnte der Beschwerdeführer zu 1.
sein primäres Rechtsschutzziel nicht erreichen. Der Streitgegenstand dieser Klagen
ist beschränkt auf die Zuwendung eines bestimmten Betrages durch den
Landesverband für das jeweilige Haushaltsjahr. Um einen unmittelbaren Anspruch
auf Förderung gegen das Land Brandenburg zu erlangen, ist der Landesverband
schon nicht der richtige Beklagte.
bb) Im Rahmen der bezüglich der Jahre 2005 bis 2007 gegen das Land erhobenen
Leistungsklagen stellt sich zwar die entscheidende Frage nach einer eigenen
Verpflichtung des Landes zur Ausreichung von Mitteln und damit nach der
Verfassungsmäßigkeit des Vertrages. Unabhängig von der Aussetzung der Verfahren
durch das Verwaltungsgericht ist dem Beschwerdeführer zu 1. der Abschluss dieser
Verfahren jedoch nicht zumutbar, weil unter Geltung des Vertrages ihr Misserfolg von
vornherein feststeht. In Bezug auf den Hauptangriffspunkt des Beschwerdeführers
zu 1., nämlich die Zuweisung sämtlicher vom Staat zur Verfügung gestellten
Fördermittel an den Landesverband und die Übertragung der Aufgabe der
Mittelverteilung auf diesen, belässt der Vertrag dem Normanwender keinen
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Spielraum.
Das Durchlaufen des Rechtswegs ist zwar in der Regel auch dann zu verlangen,
wenn das Gesetz keinen Auslegungs-, Ermessens- oder Beurteilungsspielraum offen
lässt, der es den Fachgerichten erlauben würde, die geltend gemachte
Grundrechtsverletzung kraft eigener Entscheidungskompetenz zu vermeiden (vgl.
BVerfGE 72, 39 <43 f.>; 79, 1 <20>). Obwohl in derartigen Fällen die vorherige
fachgerichtliche Prüfung für den Beschwerdeführer günstigenfalls dazu führen kann,
dass die ihm nachteilige gesetzliche Regelung gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem
Bundesverfassungsgericht vorgelegt wird, ist eine solche Prüfung regelmäßig
geboten, um zu vermeiden, dass das Bundesverfassungsgericht ohne die
Fallanschauung
der Fachgerichte
auf
ungesicherter
Tatsachen-
und
Rechtsgrundlage entscheiden muss (vgl. BVerfGE 8, 222 <227>; 79, 1 <20>; 86, 382
<387 f.>; 97, 157 <165> ). Der vorliegende Fall wirft jedoch allein spezifisch
verfassungsrechtliche Fragen auf, die das Bundesverfassungsgericht beantworten
kann, ohne dass von einer vorausgegangenen fachgerichtlichen Prüfung verbesserte
Entscheidungsgrundlagen zu erwarten wären. Jedenfalls unter diesen Bedingungen
ist die vorherige Ausschöpfung des Rechtswegs dem Beschwerdeführer zu 1. auch
im Hinblick auf einen in zeitlicher und tatsächlicher Hinsicht effektiven Rechtsschutz
nicht zumutbar (vgl. auch BVerfGE 102, 197 <209> ).
3. Das Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers zu 1. ist auch nicht dadurch
entfallen, dass der Landesverband ihn seit Januar 2008 - sowohl rückwirkend für den
Zeitraum seit dem 1. Juli 2005 als auch für die Zukunft - mit einem monatlichen Betrag
von 1.020 Euro an den staatlichen Leistungen beteiligt. Unabhängig von der Frage,
ob die Höhe dieser Leistungen den Anforderungen an eine paritätische Beteiligung
genügt, wird dem Rechtsschutzbegehren, einen Förderanspruch unmittelbar gegen
den Staat zu erhalten, damit nicht Rechnung getragen.
4. Die Jahresfrist des § 93 Abs. 3 BVerfGG ist gewahrt.
5. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit der Beschwerdeführer
zu 1. weitere Vorschriften des Vertrages angreift. Insoweit ist ein Sachverhalt, der
die Möglichkeit einer Verletzung von Grundrechten erkennen ließe (vgl. BVerfGE 17,
252 <258>; 52, 303 <327 f.>), nicht aufgezeigt.
a) Die Regelung zur Freistellung von Auszubildenden und Arbeitnehmern von der
Arbeit an jüdischen Feiertagen in Art. 2 Abs. 4 des Vertrages ist zwar auf die
Angehörigen des Landesverbandes beschränkt. Der Beschwerdeführer zu 1. kann
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161
162
sich jedoch auf eine entsprechende Regelung im Feiertagsgesetz des Landes
Brandenburg (§ 7 Abs. 1 und Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 4 FTG) berufen, die seinen
Mitgliedern die gleichen Rechte gewährt. Die Beschränkung des Wortlautes dieser
Vorschrift auf anerkannte Religionsgemeinschaften ist insoweit ohne Bedeutung, weil
das deutsche Staatskirchenrecht über die Verleihung des Körperschaftsstatus hinaus
ein Institut der Anerkennung von Religionsgemeinschaften nicht kennt.
Die entsprechende Regelung zu Schülern, die dem Landesverband angehören, in
Art. 2 Abs. 5 des Vertrages gewährt dem Landesverband keine einklagbare
Rechtsposition, so dass eine unmittelbare Betroffenheit des Beschwerdeführers zu 1.
in eigenen Rechten ausscheidet.
b) Durch die Regelungen zur Anstaltsseelsorge in Art. 3 des Vertrages
einschließlich des Schlussprotokolls wird der Beschwerdeführer zu 1. nicht
schlechter gestellt als der Landesverband. Zugunsten des Beschwerdeführers zu 1.
ergeben sich gegenüber öffentlichen Trägern entsprechender Einrichtungen die
gleichen Rechte aus Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 141 WRV sowie aus Art. 38
Satz 1 der Verfassung des Landes Brandenburg (Vf Bbg). Bezüglich der Beachtung
von Speisevorschriften von Religionsgemeinschaften in Justizvollzugsanstalten gilt
§ 21 Satz 3 StVollzG. Der in Abs. 1 des Schlussprotokolls zu Art. 3 Abs. 1 des
Vertrages enthaltene Hinweis des Landes auf die Ermöglichung der
Anstaltsseelsorge gegenüber nichtöffentlichen Trägern von Einrichtungen findet zwar
k e i n e Entsprechung
in
anderen
Rechtsvorschriften;
mangels rechtlicher
Verbindlichkeit der Regelung fehlt es insoweit jedoch an einer unmittelbaren
Betroffenheit des Beschwerdeführers zu 1. in eigenen Rechten.
c) Das in Art. 5 des Vertrages garantierte Recht des Landesverbandes, Schulen
sowie Einrichtungen der Kinderbetreuung und Weiterbildung zu errichten und zu
betreiben, folgt für den Beschwerdeführer zu 1. als juristische Person des Privatrechts
in gleichem Umfang aus § 118 Abs. 1 des Gesetzes über die Schulen im Land
Brandenburg (BbgSchulG), § 14 Abs. 1 des Kindertagesstättengesetzes des Landes
Brandenburg (KitaG) und § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung und Förderung der
Weiterbildung
im
Land
Brandenburg
(BbgWBG).
Insofern
liegt keine
Schlechterstellung des Beschwerdeführers zu 1. vor.
d) Das in Art. 10 Abs. 3 des Vertrages verankerte Recht des Landesverbandes,
Friedhöfe zu betreiben, ist auch nach dem Brandenburgischen Bestattungsgesetz
(§ 28 Abs. 1 BbgBestG) auf Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des
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öffentlichen Rechts sind, beschränkt. Durch den Vertrag wird die bereits bestehende
Rechtslage lediglich wiederholt; die Gewährung weitergehender Rechtspositionen ist
mit dem Vertrag nicht verbunden. Der Beschwerdeführer zu 1. kann sich daher nicht
auf eine Benachteiligung gerade durch die angegriffene Bestimmung berufen.
e) Die Regelung zum Vermögensschutz in Art. 11 des Vertrages begründet keine
über das allgemein geltende Recht hinausgehenden Rechte des Landesverbandes.
Eine Rechtsverletzung des Beschwerdeführers zu 1. scheidet daher aus.
f) Soweit der Beschwerdeführer zu 1. die Regelung zur Beteiligung des
Landesverbandes an der Errichtung und Veränderung von Gedenkstätten nach
Art. 12 des Vertrages angreift, fehlt es an einer hinreichenden Auseinandersetzung
mit der nahe liegenden Erwägung, dass im Hinblick auf die Praktikabilität derartiger
Verfahren eine Beteiligung mehrerer jüdischer Religionsgemeinschaften nicht
verlangt werden kann.
g) Die Gebührenbefreiung zugunsten des Landesverbandes nach Art. 15 des
Vertrages entspricht dem geltenden Recht, nämlich § 8 Abs. 1 Nr. 5 des
Gebührengesetzes für das Land Brandenburg (GebG Bbg) und § 6 Abs. 1 Nr. 1 des
Justizkostengesetzes für das Land Brandenburg (JKGBbg), nach denen Kirchen und
Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts von der Zahlung der genannten
Gebühren befreit sind. Der Beschwerdeführer zu 1. als eingetragener Verein profitiert
von dieser Regelung nicht. Wie bei Art. 10 Abs. 3 des Vertrages begründet die bloße
Wiederholung der Rechtslage jedoch keine rügefähige Benachteiligung des
Beschwerdeführers zu 1., und die Bestimmungen des Landesgebühren- und
-kostenrechts sind nicht Gegenstand der Verfassungsbeschwerde.
h) Die Hinwirkungspflicht des Landes hinsichtlich der Zurverfügungstellung
angemessener Sendezeiten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nach Art. 16 Abs. 1
des Vertrages geht über das in § 8 Abs. 3 des Staatsvertrages über die Errichtung
einer gemeinsamen Rundfunkanstalt der Länder Berlin und Brandenburg (RBB-
Staatsvertrag) sowie in § 11 Abs. 3 ZDF-Staatsvertrag Enthaltene nicht hinaus. Auch
i n so w e i t gilt, dass eine Wiederholung der Rechtslage keine rügefähige
Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers zu 1. mit sich bringt.
II.
Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 2. ist in vollem Umfang
unzulässig. Von den finanziellen Regelungen der Art. 6 und Art. 8 des Vertrages ist er
als Mitglied des Beschwerdeführers zu 1., auf das sich dessen finanzielle Situation
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nur mittelbar auswirkt, nicht unmittelbar betroffen. Auch hinsichtlich der weiteren mit
der Verfassungsbeschwerde angefochtenen Vertragsbestimmungen mangelt es an
einer eigenen Betroffenheit des Beschwerdeführers zu 2. Von Art. 2 des Vertrages
kann er schon deshalb nicht berührt sein, weil es an einem Vortrag hinsichtlich seiner
Eigenschaft als Arbeitnehmer, Auszubildendem oder Schüler fehlt. Die übrigen
angegriffenen Regelungen betreffen jeweils nur die Religionsgemeinschaft als
solche, nicht aber deren Mitglieder.
C.
Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1. ist teilweise begründet.
§ 1 des Gesetzes zu dem Vertrag vom 11. Januar 2005 zwischen dem Land
Brandenburg und der Jüdischen Gemeinde - Land Brandenburg in Verbindung mit
Art. 8 Abs. 1 des Vertrages zwischen dem Land Brandenburg und der Jüdischen
Gemeinde - Land Brandenburg ist mit Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG in Verbindung mit
dem aus Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitenden Rechtsstaatsprinzip unvereinbar.
I.
Bei
der
Beurteilung
einer Verfassungsbeschwerde
ist
das
Bundesverfassungsgericht nicht darauf beschränkt zu prüfen, ob die in Art. 93 Abs. 1
Nr. 4a GG, § 13 Nr. 8a, § 90 BVerfGG aufgeführten Grundrechte und
grundrechtsgleichen Rechte verletzt sind. Die angegriffene Norm kann vielmehr unter
jedem in Betracht kommenden Gesichtspunkt auf ihre verfassungsrechtliche
Unbedenklichkeit hin geprüft werden (stRspr; vgl. BVerfGE 99, 100 <119>; 102, 370
<384> ). Der verfassungsrechtliche Maßstab ergibt sich aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2
und Art. 20 Abs. 3 GG.
a) Das Grundrecht auf Glaubensfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG gewährleistet sowohl
die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, als auch die äußere Freiheit,
den Glauben zu manifestieren, zu bekennen und zu verbreiten (vgl.
BVerfGE 32, 98 <106> ). Art. 4 Abs. 2 GG gewährleistet die ungestörte
Religionsausübung. Aus den beiden ersten Absätzen des Art. 4 GG zusammen wird
auch die religiöse Vereinigungsfreiheit abgeleitet, die die Freiheit umfasst, aus
gemeinsamem Glauben sich zu einer Religionsgesellschaft zusammenzuschließen
und zu organisieren (vgl. BVerfGE 83, 341 <355> ). Verschiedene Strömungen einer
Religion haben dabei das Recht, sich unabhängig voneinander zu organisieren.
b) Von hoher Bedeutung für die Freiheit der Religionsausübung ist die materielle
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Ausstattung einer Religionsgesellschaft. Das Bundesverfassungsgericht hat auf die
Bedeutung des kirchlichen Vermögens für die Entfaltung der Selbstbestimmung im
Sinne von Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV hingewiesen (vgl.
BVerfGE 66, 1 <20 ff.>; 99, 100 <120>). Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 138 Abs. 2
WRV hat dabei die Aufgabe, den durch Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG und durch
Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 WRV zugesagten Schutz der Stellung und der
Freiheit der Kirchen in ihren sächlichen Grundlagen zu gewährleisten (vgl. BVerfGE
99, 100 <120> ).
c) Aus Art. 4 GG lassen sich keine Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen
ableiten (vgl. Robbers, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 1, 2.
Aufl. 1994, S. 867 <876>; Kokott, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 4 Rn. 70). Als
grundrechtliche Verbürgung der Pflicht des Staates zu weltanschaulich-religiöser
Neutralität entfaltet Art. 4 GG aber bezogen auf die finanzielle Förderung von
Religionsgesellschaften auch eine leistungsrechtliche Komponente, in dem er die
Teilhabe an etwaigen staatlichen Leistungen verbürgt (vgl. Robbers, a.a.O.; Morlok,
in: Dreier, GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Art. 4 Rn. 150).
Aus dem Grundsatz der religiösen und weltanschaulichen Neutralität des Staates,
der sich aus einer Zusammenschau der Art. 4 Abs. 1, Art. 3 Abs. 3, Art. 33 Abs. 3,
Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 136 Abs. 1, Abs. 4 und Art. 137 Abs. 1 WRV
ableiten lässt, folgt, dass der Staat auf eine am Gleichheitssatz orientierte
Behandlung der verschiedenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zu
achten hat (vgl. BVerfGE 19, 1 <8>; 19, 206 <216>; 24, 236 <246>; 93, 1 <17>). Wo er
mi t Religionsgesellschaften zusammenarbeitet oder sie fördert, darf dies nicht zu
einer Identifikation mit bestimmten Religionsgesellschaften oder zu einer
Privilegierung bestimmter Bekenntnisse führen (vgl. BVerfGE 30, 415 <422>; 93, 1
<17>; 108, 282 <299 f.> ). Insoweit kann er auch zu Vorkehrungen organisatorischer
Art verpflichtet sein (vgl. Morlok, a.a.O.).
d) Im Rahmen der finanziellen Förderung von Religionsgesellschaften durch den
Staat spielen auch das Trennungsprinzip des Art. 137 Abs. 1 WRV in Verbindung mit
Art. 140 GG sowie das Gebot religiöser und weltanschaulicher Neutralität des Staates
eine wesentliche Rolle. Das Bundesverfassungsgericht hat bisher in Entscheidungen
zur Kirchensteuer, zum Körperschaftsstatus und zum Kopftuch im Schulunterricht den
Bedeutungsgehalt des Art. 137 Abs. 1 WRV dahin ausgelegt, dass er die Einführung
staatskirchlicher Rechtsformen verwehre (vgl. BVerfGE 19, 206 <216>; 93, 1 <17>;
108, 282 <299> ).
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2. Gibt der Staat die Vergabe von ihm bereitgestellter Mittel an
Religionsgesellschaften aus der Hand, so hat er darüber hinaus die Anforderungen
des Rechtsstaatsprinzips zu beachten. An dieser Stelle kann unerörtert bleiben, unter
welchen Voraussetzungen eine derartige Übertragung hoheitlicher Aufgaben auf
nichtstaatliche Stellen grundsätzlich in Betracht kommt. Denn hier ist die
Besonderheit zu würdigen, dass diese Aufgabe auf eine von mehreren
Religionsgesellschaften übertragen wird, die einen Teil der Fördergelder selbst
beanspruchen kann.
Dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip ist zu entnehmen, dass
Entscheidungen eines Aufgabenträgers in eigener Sache nur in begrenztem Umfang
zulässig sind. Die in Art. 20 Abs. 3 GG niedergelegte Bindung des Gesetzgebers
sowie die Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht bezwecken den Ausschluss
v o n Staatswillkür. Damit ist das Gebot der Lauterkeit und Unparteilichkeit der
Amtsträger eng verbunden (vgl. Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.
2, 5. Aufl. 2005, Art. 20 Rn. 305, 307), das in § 20 VwVfG seine einfach-rechtliche
Ausprägung findet. Ein generelles Gebot der Unparteilichkeit nicht nur des
handelnden Amtsträgers, sondern des Verwaltungsträgers und der ihn vertretenden
Behörde ist von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung allerdings bisher nicht
angenommen worden; die Rechtsprechung ist in verschiedenen Entscheidungen vor
a l l e m zum Planfeststellungsrecht davon ausgegangen, dass die mangelnde
Neutralität der handelnden Stelle durch gerichtlichen Rechtsschutz und die Aufsicht
übergeordneter Stellen kompensiert werden könne (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9.
April 1987 - 4 B 73/87 -, NVwZ 1987, S. 886 <886 f.>; Beschluss vom 24. August
1987
- 4 B 129/87 -, DVBl 1987, S. 1267 <1268>; Urteil vom 27. Juli 1990 - 4 C 26/87 -,
NVwZ 1991, S. 781 <782>; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 17. März 1998 - 4 B
25/98 -, NVwZ 1998, S. 737; OVG NW, Urteil vom 10. Juli 1998 - 11 A 7238/95 -,
NWVBl 1999, S. 141 <142>). Inwieweit dieser Ansatz für andere Fallgruppen, in
denen Eigeninteressen der mit der Erfüllung einer hoheitlichen Aufgabe betrauten
Institution die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung beeinträchtigen können,
herangezogen werden kann, bedarf keiner grundsätzlichen Klärung.
Jedenfalls in dem von Art. 4 GG geprägten Bereich finanzieller Förderung von
Religionsgesellschaften durch den Staat können die rechtsstaatlichen Anforderungen
an die Neutralität der mittelverwaltenden Stelle je nach Ausgestaltung der Regelung,
mit der die Aufgabe der Mittelvergabe auf eine Religionsgesellschaft übertragen wird,
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anders zu fassen sein. Der Staat ist in diesem grundrechtlich sensiblen und vom
Prinzip staatlicher Neutralität geprägten Bereich verpflichtet, die Entstehung einer
strukturellen Gefährdungslage hinsichtlich der Gehalte des Art. 4 GG zu verhindern.
Durch die Aufgabenübertragung darf nicht eine Situation entstehen, in der die mit der
Aufgabe
betraute Religionsgesellschaft als selbst anspruchsberechtigter
Grundrechtsträger regelmäßig über einen Gegenstand zu entscheiden hat, in Bezug
auf den eine andere, möglicherweise konkurrierende Religionsgesellschaft die
gl ei che grundrechtliche Berechtigung geltend machen kann. Eine derartige
Interessenkollision, die gleichzeitig auf Seiten derjenigen Religionsgesellschaft, die
auf die Weiterleitung durch die damit betraute Religionsgesellschaft angewiesen ist,
zu einem Abhängigkeitsverhältnis führt, steht der Grundrechtsverwirklichung im
Bereich des Art. 4 GG entgegen und ist mit den Anforderungen an eine
rechtsstaatliche Verwaltungsstruktur unvereinbar.
II.
Die Bestimmung des Art. 8 Abs. 1 des Vertrages wird den sich aus Art. 4 GG und
Art. 20 Abs. 3 GG ergebenden Anforderungen nicht gerecht.
Nach Art. 8 Abs. 1 des Vertrages verwaltet der Landesverband die vom Land
erhaltenen finanziellen Leistungen für alle auf den jüdischen Religionsgesetzen
beruhenden Gemeinden des Landes, auch wenn sie jetzt oder in Zukunft dem
Landesverband nicht angehören. Der Landesverband ist verpflichtet, sämtliche
Gemeinden angemessen finanziell zu beteiligen.
1. Nach ihrer Entstehungsgeschichte und ihrem Sinn und Zweck ist diese Regelung
so zu verstehen, dass damit eine abschließende Regelung der Förderung jüdischer
Gemeinden in Brandenburg getroffen und darüber hinausgehende Ansprüche aller
jüdischen Gemeinden gegen das Land ausgeschlossen werden sollten (ebenso für
Art. 13 des - früheren - Vertrages des Landes Sachsen-Anhalt mit der jüdischen
Gemeinschaft in Sachsen-Anhalt BVerwGE 116, 86 <88 ff.>). Damit war beabsichtigt,
das Land von der Verantwortung für eine gerechte Verteilung der Mittel zu entlasten
und die Fördermittel für jüdische Gemeinden im Land Brandenburg auf den
vertraglich vereinbarten Betrag zu begrenzen.
a) Der Vertrag regelt nicht nur die bislang an den Landesverband erbrachten
staatlichen Finanzzuschüsse neu, sondern erfasst die Förderung jüdischer
Gemeinden in Brandenburg insgesamt. Durch die Regelung des Art. 8 Abs. 1 des
Vertrages, nach dem der Landesverband die nach Art. 6 erbrachten finanziellen
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Leistungen für alle auf den jüdischen Religionsgesetzen beruhenden Gemeinden des
Landes verwaltet, auch wenn sie jetzt oder in Zukunft dem Landesverband nicht
angehören, sowie sämtliche Gemeinden angemessen finanziell zu beteiligen hat,
wird der Beschwerdeführer zu 1. auf einen Anspruch gegen den Landesverband
verwiesen. Auch in der Begründung des Vertrages, die den Beschwerdeführer zu 1.
als Zahlungsempfänger ausdrücklich anspricht (vgl. Landtag Brandenburg, Drucks
4/624, zu Art. 8), und in der parlamentarischen Beratung des Entwurfs des
Zustimmungsgesetzes wurde davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer zu 1.
sich mit seinen Forderungen allein an den Landesverband zu halten habe (vgl.
Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses, Landtag Brandenburg,
Drucks 4/967; Redebeitrag der Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur,
Frau Prof. Dr. Wanka, Landtag Brandenburg, Plenarprotokoll 4/12, S. 671).
Unmittelbare Ansprüche des Beschwerdeführers zu 1. gegen das Land Brandenburg
sollten durch den Vertrag erkennbar ausgeschlossen werden.
b) Auch für den Fall einer Verletzung der vertraglichen Pflichten durch den
Landesverband sollte die Vergabe zusätzlicher Landesmittel ausgeschlossen
werden.
In diesem Sinne ist der Vertrag bereits in den parlamentarischen Beratungen zum
Zustimmungsgesetz
verstanden worden. So wurde befürchtet, dass der
Beschwerdeführer zu 1. mangels Mitgliedschaft im Landesverband von diesem keine
Unterstützung erhalten werde (in diesem Sinne etwa die Wortbeiträge der
Abgeordneten Vietze , Klein und Schuldt bei der zweiten
Lesung des Gesetzentwurfs am 13. April 2005, Landtag Brandenburg, Plenarprotokoll
4/12, S. 667, 668, 669). Dabei wurde impliziert, dass vom Land Brandenburg auch
dann keine Unterstützung zu erwarten sei, wenn der Landesverband seinen
Verpflichtungen nicht nachkommen würde.
Dem entsprach auch die nach Abschluss des Vertrages geübte Staatspraxis. In den
Jahren 2005 bis 2007, in denen die Beteiligung des Beschwerdeführers zu 1. an den
bereitgestellten Mitteln vom Landesverband in offensichtlicher Verletzung der
vertraglichen Pflichten vollständig verweigert wurde, lehnte das Land seine
Verantwortlichkeit unter Verweis auf die vertragliche Regelung stets ab.
2. Die Zuweisung von im Haushalt ausgewiesenen staatlichen Fördermitteln an
jüdische Religionsgesellschaften im Land Brandenburg durch den Landesverband ist
nicht deshalb verfassungsrechtlich unbedenklich, weil es sich dabei um die
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Wahrnehmung einer eigenen Angelegenheit des Landesverbandes handelte.
Die Vergabe vom Land bereitgestellter Mittel verliert durch die Übertragung auf den
Landesverband nicht ihren Charakter als hoheitliche Aufgabe und wird nicht dadurch
zur eigenen Angelegenheit und zum Gegenstand des Selbstbestimmungsrechts des
Landesverbandes, dass die Mittel diesem zunächst vollständig zufließen (vgl. auch
BVerwGE 116, 86 <89>). Das Selbstbestimmungsrecht nach Art. 137 Abs. 3 WRV in
Verbindung mit Art. 140 GG betrifft nur den eigenen internen Bereich einer
Religionsgesellschaft, nicht jedoch die rechtliche Einwirkung auf den internen
Bereich anderer Religionsgesellschaften (vgl. Maurer, JZ 2002, S. 1104 <1105>).
3. Die Betrauung des Landesverbandes mit der Vergabe der Landesmittel an die
übrigen jüdischen Religionsgesellschaften in Brandenburg durch Art. 8 Abs. 1 des
Vertrages schafft Strukturen, die sich im Hinblick auf das Ziel einer gleichmäßigen
Verwirklichung der Religionsfreiheit gefährdend auswirken können (vgl. auch
BVerfGE 111, 333 <355> ) und ist unvereinbar mit dem Grundsatz der religiös-
weltanschaulichen Neutralität.
a) Das Grundrecht des Beschwerdeführers zu 1. aus Art. 4 Abs. 1 GG ist verletzt,
weil die Beauftragung des Landesverbandes mit der Weitervergabe der vom Land
bereitgestellten Mittel an andere jüdische Religionsgesellschaften in Brandenburg
den Landesverband in einem sensiblen grundrechtlich geschützten Bereich in eine
Situation institutioneller Befangenheit versetzt. Nach der vertraglichen Regelung
werden die Gelder zunächst vollständig an den Landesverband ausgereicht, der
verpflichtet ist, einen von ihm zu bestimmenden Anteil an alle jüdischen Gemeinden
des Landes weiterzugeben. Der Landesverband steht dem Land dabei selbst als
Grundrechtsträger gegenüber: Auch er hat das Recht, gemäß den sich aus Art. 4 GG
ergebenden leistungs- und teilhaberechtlichen Anforderungen an der staatlicherseits
bereitgestellten finanziellen Unterstützung beteiligt zu werden. Wegen der
Zweckbestimmung in Art. 8 Abs. 1 des Vertrages, nach der ein Teil der Gelder zur
Weitergabe an andere bestimmt ist, kann sich diese grundrechtliche Berechtigung
zwar nicht auf den gesamten vom Land zur Verfügung gestellten Betrag beziehen.
Durch die Beauftragung mit der Mittelvergabe in der durch den Vertrag vorgesehenen
Form, die die Entscheidung über die Höhe des weiterzureichenden Betrages
vollständig in die Hände des Landesverbandes legt, wird dieser aber verpflichtet, die
Grenzen seiner eigenen Berechtigung selbst abzustecken. Da es sich bei der
Mittelvergabe um eine staatliche Aufgabe handelt, ist er dabei gegenüber dem
Beschwerdeführer zu 1. an dieselben grundrechtlichen Vorgaben gebunden, auf die
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er sich gegenüber dem Land Brandenburg berufen kann. Die Übertragung der
Mittelvergabe bringt damit den Landesverband als zugleich Grundrechtsberechtigten
und -verpflichteten in einen Interessenkonflikt.
Der Landesverband hat ein starkes Eigeninteresse an den Geldern, das durch seine
hohe Verschuldung gesteigert wird und umso stärker werden kann, je stärker er sich
in einem Konkurrenzverhältnis zu dem Beschwerdeführer zu 1. sieht. Dass hier ein
Konkurrenzverhältnis besteht, ist jedenfalls in der Anhörung vor dem Hauptausschuss
des Landtages deutlich geworden, in der die Vertreter des Landesverbandes die
Frage nach der Bereitschaft zur Unterstützung des Beschwerdeführers zu 1. mit dem
Hinweis beantworteten, die „so genannte gesetzestreue Gemeinde“ sei nicht bekannt.
b) Mit den Geboten staatlicher Neutralität bei der Förderung von
Religionsgesellschaften sowie einer rechtsstaatlichen Verwaltungsorganisation ist
ferner unvereinbar, dass der Beschwerdeführer zu 1. durch die Übertragung der
Mittelvergabe an den Landesverband in ein Verhältnis der Abhängigkeit zu diesem
gebracht wird. Der Beschwerdeführer zu 1. ist nach der angegriffenen Regelung
darauf angewiesen, dass der Landesverband seinen Verpflichtungen nachkommt,
während dieser - zumindest tatsächlich - über die zugewiesenen staatlichen Mittel
verfügen
kann.
Jedenfalls
vor
dem
Hintergrund
des
bestehenden
Konkurrenzverhältnisses ist diese Ausgestaltung der Mittelvergabe, die den
Beschwerdeführer zu 1. absehbar zur Inanspruchnahme von Rechtsschutz nötigt,
nicht hinnehmbar. Tatsächlich wurde der Beschwerdeführer zu 1. zwischen 2005 und
2007 überhaupt nicht an den Landesmitteln beteiligt; wirksamer Rechtsschutz für den
Beschwerdeführer zu 1. war nicht gegeben.
4. Der festgestellte Grundrechtsverstoß betrifft nur die Beauftragung des
Landesverbandes mit der Verwaltung der vom Land bereitgestellten Mittel und der
Beteiligung aller jüdischen Gemeinden daran in Art. 8 Abs. 1 des Vertrages. Gegen
die Zuwendung finanzieller Mittel zur Förderung und zum Aufbau jüdischen
Gemeindelebens entsprechend Art. 6 des Vertrages bestehen keine
verfassungsrechtlichen Bedenken.
III.
1. § 1 des Gesetzes zu dem Vertrag vom 11. Januar 2005 zwischen dem Land
Brandenburg und der Jüdischen Gemeinde - Land Brandenburg vom 26. April 2005
ist, soweit er sich auf Art. 8 Abs. 1 des Vertrages bezieht, mit Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2
in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar und wird gemäß § 95 Abs. 3 Satz 1
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BVerfGG für nichtig erklärt. Es besteht weder Notwendigkeit noch Anlass, die
Nichtigerklärung über die Beauftragung des Landesverbandes mit der Verwaltung der
vom Land bereitgestellten Mittel hinaus auf andere Bestimmungen zu erstrecken.
Insbesondere nötigt dazu nicht der Umstand, dass das Zustimmungsgesetz sich auf
den Vertrag vom 11. Januar 2005 als Ganzes bezieht.
In Anbetracht der zahlreichen darin getroffenen Regelungen zu unterschiedlichen
Materien kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Vertragsparteien und der
Gesetzgeber den Bestand des gesamten Vertragswerks von der Gültigkeit der
Vorschrift abhängig machen wollten, die allein die Verteilung der vom Staat zur
Verfügung gestellten finanziellen Mittel regelt, nicht aber die Grundlage der
Entscheidung zur Förderung jüdischen Gemeindelebens durch das Land
Brandenburg bildet.
2. Für den Zeitraum ab dem Jahr 2005 bis zu einer Neuregelung hat das Land
Brandenburg im Hinblick auf seine aus dem Grundsatz der staatskirchenrechtlichen
P a ri tä t folgende Verpflichtung zur gleichmäßigen Förderung vergleichbarer
Religionsgesellschaften dem Beschwerdeführer zu 1. unter Anrechnung der vom
Landesverband bereits zugewendeten Beträge eine finanzielle Förderung zukommen
z u lassen, die gemessen an der dem Landesverband zugewandten Summe
Paritätsgesichtspunkten entspricht.
Voßkuhle
Broß
Osterloh
Di Fabio
Mellinghoff
Lübbe-Wolff
Gerhardt
Landau