Urteil des BVerfG vom 01.12.2003

zulässigkeit der auslieferung, peru, amnesty international, rechtshilfe in strafsachen

- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Wolfgang Kreuzer und Koll.,
Dachauer Straße 44, 80335 München -
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BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 879/03 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des peruanischen Staatsangehörigen B...
gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 8. Mai 2003 - OLG Ausl.
144/02 (49/02) -
hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richter
Broß,
Di Fabio
und Gerhardt
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom
11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 1. Dezember 2003 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
Die Verfassungsbeschwerde hat die Zulässigkeit der Auslieferung des Beschwerdeführers
nach Peru sowie die Anordnung der Fortdauer der Auslieferungshaft zum Gegenstand.
I.
1. Der Beschwerdeführer ist peruanischer Staatsangehöriger. Er hält sich seit März 2001
mit seiner Ehefrau, die mittlerweile die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat, in
Deutschland auf.
Die Festnahme des Beschwerdeführers erfolgte am 5. Juli 2002 auf Grund eines
Auslieferungsersuchens peruanischer Behörden zum Zwecke der Strafverfolgung. Dem
Auslieferungsersuchen liegt der Haftbefehl des 6. Strafsondergerichts zur Bekämpfung der
Korruption in Lima in Verbindung mit einer Sachverhaltsdarstellung von Interpol zu Grunde.
Nach der im Auslieferungshaftbefehl des Oberlandesgerichts München vom 22. Juli 2002
enthaltenen Sachverhaltsdarstellung wird dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, von Mitte
1995 bis zum Rücktritt des ehemaligen peruanischen Präsidenten, Alberto Fujimori, im
November 2000 Mitglied in einer kriminellen Vereinigung mit dem Namen "W-veintiuno
intertechnique" (W 21) gewesen zu sein. Diese Vereinigung setzte sich aus den wichtigsten
Lieferanten der peruanischen Streitkräfte zusammen und soll anlässlich von
Beschaffungskäufen für Polizei und Streitkräfte Bestechungsgelder zum Nachteil der
Staatskasse bezogen haben.
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Die Tätigkeit dieser Gruppe sei von peruanischen Staatsbediensteten bis in die Spitze der
Regierung hinein begünstigt worden, insbesondere von dem ehemaligen Berater des
Präsidenten und Chef des Geheimdienstes, Vladimiro Montesinos Torres, der sich
mittlerweile in peruanischer Haft befindet. Mit dem Präsidentenberater soll der
Beschwerdeführer zwecks Begehung verschiedener Korruptionsaktivitäten zum Nachteil des
peruanischen Staates zum Zwecke der Selbstbereicherung zusammengewirkt haben.
2. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft und nach Anhörung des Beschwerdeführers erließ das
Oberlandesgericht Auslieferungshaftbefehl. Die Fortdauer der Auslieferungshaft wurde in der
Folge mehrmals bestätigt.
Mit dem angegriffenen Beschluss vom 8. Mai 2003 hat das Oberlandesgericht die
Auslieferung für zulässig erklärt und gleichzeitig die Fortdauer der Auslieferungshaft
angeordnet. In den Gründen führt das Oberlandesgericht im Wesentlichen aus:
a)
Das
Auslieferungsersuchen
der
peruanischen Behörden entspreche den
Formerfordernissen des § 10 Abs. 1 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in
Strafsachen – IRG - vom 23. Dezember 1982 (BGBl I S. 2071), zuletzt geändert durch
Gesetz vom 21. Juni 2002 (BGBl I S. 2144). Das dem Verfolgten zur Last gelegte Verhalten
sei nach dem Recht beider Staaten als Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung strafbar
(Art. 317 des Peruanischen Strafgesetzbuchs; § 129 StGB). Im konkreten Fall habe es sich
um Beihilfe zur schweren passiven Bestechung bzw. zur Untreue von Staatsbediensteten
zum Nachteil der peruanischen Staatskasse gehandelt (Art. 25, Art. 393 des peruanischen
Strafgesetzbuchs; § 322, § 266 und § 27 StGB).
b) Die Auslieferungsfähigkeit ergebe sich aus § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 und 2 IRG. Der
Auslieferung entgegenstehende Gründe lägen nicht vor. Dem Beschwerdeführer sei
insbesondere keine politische Straftat oder eine mit einer solchen zusammenhängende Tat
zur Last gelegt worden.
c) Die Auslieferung sei auch nicht deshalb unzulässig, weil sie wesentlichen Grundsätzen
der deutschen Rechtsordnung im Sinne des § 73 IRG widerspreche. Die vom peruanischen
Gesetzgeber geschaffenen Rechtsvorschriften, die – dem Beschwerdeführer zufolge –
angeblich zum Zwecke politischer Verfolgung nachträglich erlassen worden seien, bestünden
so oder ähnlich in den meisten Rechtsstaaten, weshalb sie schon aus diesem Grund kein
Auslieferungshindernis begründen könnten. Nach Mitteilung des Auswärtigen Amtes und
nach einem Bericht von Amnesty International bestünden ferner keine Anhaltspunkte dafür,
dass bestimmte Vorschriften dieser Art ein rechtsstaatliches Verfahren verhindern oder
erschweren könnten.
d) Bei der Entscheidung sei auch die Lage in Peru im Hinblick auf Misshandlung und Folter
berücksichtigt worden. Seit der Amtsenthebung von Präsident Fujimori im November 2000
habe sich die Menschenrechtslage in Peru deutlich verbessert. Das Strafrecht und
Strafvollzugsrecht werde seit Ende 2002 umfassend auf Verfassungsmäßigkeit und
Rechtsstaatlichkeit überprüft. Gegen rechtswidrige Übergriffe im peruanischen Strafvollzug
werde nach der Rückkehr Perus zur Demokratie entschiedener vorgegangen als zuvor, und
es gebe Möglichkeiten, diese zu ahnden. Im Jahr 2001 habe der peruanische Kongress die
Rückkehr
Perus
unter
die Jurisdiktion
des
interamerikanischen
Menschenrechtsgerichtshofes in San Jose/Costa Rica beschlossen. Darüber hinaus seien
weitere Menschenrechtsinstitute zum Schutz der Menschenrechte geschaffen worden. Es
lasse sich deshalb nicht feststellen, dass der Beschwerdeführer gefährdet sei. Begründete
Anhaltspunkte für die Gefahr menschenrechtswidriger Behandlung lägen nicht vor. Ferner
habe auch der Rechtsbeistand keine konkreten, speziell den Beschwerdeführer betreffenden
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Umstände angeführt, die ihn einer menschenunwürdigen Behandlung unmittelbar aussetzten.
Das für jedermann in Peru bestehende Restrisiko bestünde zwar auch für den
Beschwerdeführer; in dessen Person habe sich dieses Risiko aber bislang nicht so
verdichtet, dass von einer konkreten Gefahr gesprochen werden könne.
e) Schließlich brauche der Beschwerdeführer auch keine menschenrechtswidrigen
Haftbedingungen zu fürchten. Nach Mitteilung des Auswärtigen Amtes habe die peruanische
Seite mit Verbalnote vom 1. Oktober 2002 bereits zugesichert, dass eine etwa zu
verhängende Strafe nicht aus politischen, militärischen oder religiösen Gründen verhängt
oder verschärft werde und dass der Verfolgte nach seiner Überstellung in einer Haftanstalt
untergebracht werde, die die "Standard Minimum Rules for the Treatment of Prisoners" der
Vereinten Nationen erfülle. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass diese Zusicherungen
nicht eingehalten werden könnten. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass zur Einhaltung
der Zusicherung die teilweise genannten rechtlich-institutionellen Rahmenbedingungen auf
nationaler und supranationaler Ebene vorhanden seien. Die Zusicherung bezüglich der
Haftbedingungen stehe auch in Übereinstimmung mit den Erfahrungen, die die Deutsche
Botschaft in Lima vor Ort gemacht habe. Demnach stünden für Beschuldigte vergleichbarer
Art zwei Vollzugsanstalten zur Verfügung, die - gemessen an den landesüblichen Standards
insbesondere hinsichtlich der Belegungssituation - für moderate Verhältnisse bekannt seien.
f) Haftfortdauer sei anzuordnen, da sich seit der letzten Entscheidung des Senats keine
Umstände ergeben hätten, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten und der
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sei.
3. a) Gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 8. Mai 2003 erhob der
Beschwerdeführer eine Gegenvorstellung. Mit dieser rügte er, das Oberlandesgericht habe in
dem angegriffenen Beschluss in fehlerhafter Weise die Tatverdachtsfrage bejaht, die
rechtsstaatlichen Standards und insbesondere die Problematik der Haftbedingungen in Peru
verkannt.
b) Mit Beschluss vom 4. Juni 2003 lehnte das Oberlandesgericht die als Antrag auf erneute
Entscheidung über die Zulässigkeit (§ 33 IRG) interpretierte Gegenvorstellung ab und ordnete
die Fortdauer der Auslieferungshaft an. Es seien keine Umstände nachträglich eingetreten
oder bekannt geworden, die eine andere Entscheidung über die Zulässigkeit rechtfertigten.
Ergänzend führte das Gericht aus:
Die Feststellungen zum hinreichenden Tatverdacht und die Bewertung der von den
peruanischen Behörden hierzu vorgelegten Beweismittel würden durch die Gegenvorstellung
nicht entkräftet. Bei dem von den peruanischen Behörden als "Sondergericht" bezeichneten
Spruchkörper handele es sich nicht um ein Ausnahmegericht im Sinne des Art. 101 Abs. 1
Satz 1 GG. Vielmehr sei es einem Gericht für spezielle Sachgebiete wie beispielsweise einer
Wirtschaftsstrafkammer
vergleichbar. Darüber hinaus sei die Einrichtung von
Sondergerichten nicht per se mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar, wie die
Einrichtung von internationalen Strafgerichtshöfen, die die volle Unterstützung Deutschlands
genössen, zeige. Dass die in Peru zur Untersuchung der Regierungskriminalität unter dem
ehemaligen Präsidenten Fujimori eingerichteten Sondergerichte rechtsstaatswidrig seien,
werde im Übrigen von dem Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers auch nicht
vorgetragen. Der Grundsatz nulla poena sine lege gelte nicht für prozessuale Normen, um
die es in dem vorliegenden Fall gehe. Der Vortrag des Beschwerdeführers, ihm drohe bei
Auslieferung Folter in Peru, sei auch deshalb zu hinterfragen, weil er dies nicht im
Asylverfahren, das für diese Sachverhalte besonders einschlägig sei, vorgebracht habe.
Schließlich sei die Haftfortdauer anzuordnen gewesen, weil diese in Anbetracht der
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verfahrensgegenständlichen Straftaten und der Höhe der zu erwartenden Strafe nach wie vor
nicht unverhältnismäßig sei.
4. Der amtierende Präsident der Republik Peru, Alejandro Toledo, rief am 28. Mai 2003 den
Ausnahmezustand aus. Der Ausnahmezustand wurde nach 29 Tagen grundsätzlich wieder
aufgehoben und hat – soweit ersichtlich - nur noch in drei der insgesamt 25 Regionen Perus
Bestand.
II.
Der Beschwerdeführer rügt mit der Verfassungsbeschwerde eine Verletzung seiner
Grundrechte aus Art. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20
Abs. 3, Art. 6 GG und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
1. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine Auslieferung
gemäß § 3 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 IRG nicht vorlägen und dass ein Auslieferungsverbot
gemäß § 6 IRG gegeben sei. Jede Verletzung der im IRG enthaltenen gesetzlichen
Anforderungen für die Zulässigkeit einer Auslieferung stelle gleichzeitig eine Verletzung des
Grundrechts gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG dar. Das folge daraus, dass die Anordnung der
Auslieferungshaft ebenso wie die der Untersuchungshaft einen staatlichen Eingriff in die
persönliche Freiheit darstelle, der dem Gesetzesvorbehalt unterliege und auf Grund
überwiegender Belange des Gemeinwohls zwingend geboten sein müsse.
2. Ferner würde seine Auslieferung gegen Art. 6 Abs. 1 GG verstoßen. Seine Ehefrau habe
inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Da sie gleichfalls eine politische
Verfolgung in Peru befürchte, könne sie im Falle einer Auslieferung nicht mit ihm nach Peru
zurückkehren. Die geplante Auslieferung habe zur Folge, dass eine seit Jahren bestehende
Ehe auseinander gerissen werde, bei der ein Ehepartner deutscher Staatsangehöriger sei.
3. Auch werde er im Falle einer Auslieferung vor ein Sondergericht gestellt. Das Grundrecht
auf den gesetzlichen Richter gelte auch dann, wenn die Auslieferung einer Person an ein
ausländisches Ausnahmegericht in Rede stehe, da in diesem Fall von vornherein eine
Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren zu besorgen sei. Das peruanische
"Strafsondergericht", an das er ausgeliefert werden solle, sei mit den deutschen
verfassungsrechtlichen Maßstäben unvereinbar.
4. Wegen der in Peru weit verbreiteten Folter und Misshandlung von Personen im
öffentlichen Gewahrsam verletze eine Auslieferung ihn in seiner Menschenwürde. Die
Auffassung des Oberlandesgerichts, wonach die bestehende Folterpraxis in Peru nicht zur
Unzulässigkeit der Auslieferung führe, weil eine Wende zum Besseren dort unverkennbar
sei, führe dazu, dass er sehenden Auges in ein Rechtssystem ausgeliefert werde, in dem
Folter und Misshandlung noch immer an der Tagesordnung seien. Des Weiteren würden für
ihn keine Maßstäbe für die Unterbringung angewandt, die deutsche Inhaftierte für sich geltend
machen könnten, obwohl er mit einer deutschen Ehefrau verheiratet sei.
5. Schließlich verletze ihn die seit dem 5. Juli 2002 andauernde Auslieferungshaft in seinem
Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip.
Für die Beurteilung der Dauer der Auslieferungshaft und ihre Vollstreckung könne es nicht
allein auf das Gewicht des Tatvorwurfes ankommen. Es seien keine besonderen Gründe
erkennbar, die die lange Dauer der Auslieferungshaft rechtfertigen könnten. Es seien lediglich
die Akten des Asylverfahrens beigezogen, besondere Sachverständigengutachten nicht
eingeholt worden.
6. Durch den am 28. Mai 2003 durch den peruanischen Präsidenten wegen
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"bürgerkriegsähnlicher Unruhe" verhängten Ausnahmezustand seien schließlich eine Reihe
von "verfassungsmäßigen Grundrechten beschränkt oder aufgehoben" worden.
III.
Das Bundesministerium der Justiz und das Bayerische Staatsministerium der Justiz haben
g e m ä ß § 94, § 77 BVerfGG eine Stellungnahme abgegeben. Sie halten die
Verfassungsbeschwerde für unbegründet.
IV.
Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig, im Übrigen ist sie unbegründet.
1. a) Hinsichtlich der gerügten Verletzung von Art. 6 Abs. 1 GG ist die
Verfassungsbeschwerde nach dem Grundsatz der materiellen Subsidiarität der
Verfassungsbeschwerde unzulässig. Der in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck
kommende Grundsatz verlangt neben der formalen Erschöpfung des Rechtsweges, dass
der Beschwerdeführer alle fachgerichtlichen Möglichkeiten genutzt hat, um die geltend
gemachte Grundrechtsverletzung zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 95, 163
<171>; stRspr). Daran fehlt es, wenn er es im Verfahren vor dem Oberlandesgericht
unterlassen
hat, einen für maßgeblich erachteten Gesichtspunkt vorzutragen. Der
Beschwerdeführer hat es versäumt, den Gesichtspunkt des Schutzes der Ehe durch Art. 6
Abs. 1 GG vorzutragen und die behauptete Gefahr einer politischen Verfolgung seiner
Ehefrau für den Fall ihrer Rückkehr nach Peru hinreichend substantiiert darzulegen.
Darüber hinaus schützt Art. 6 Abs. 1 GG nicht davor, dass ein Ausländer als Folge der
Verletzung von Strafnormen außerhalb des Bundesgebietes zur Verantwortung gezogen wird
(vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom
4. März 1994 – 2 BvR 2037/93 -, NJW 1994, S. 2884; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten
Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 1998 – 2 BvR 1947/98 -,
veröffentlicht in JURIS). Hinter dieser Rechtsprechung steht eine Abwägung des Anspruchs
auf Ehe- und Familienleben mit dem staatlichen Strafverfolgungsinteresse bei den schweren
Straftaten, die allein Gegenstand eines Auslieferungsverfahrens sind, und für deren
Durchsetzung die Bundesrepublik Deutschland auf die Zusammenarbeit mit anderen Staaten
angewiesen
ist.
Gerade
aus
diesem
Grund
unterstützt Deutschland das
Strafverfolgungsinteresse anderer Staaten, um seinerseits in einem entsprechenden Fall
Unterstützung zu erhalten. Die internationale Offenheit des vom Grundgesetz verfassten
Staates sowie sein Interesse an der Durchsetzung des eigenen Strafanspruchs im Ausland
überwiegen
angesichts der typischerweise schwerwiegenden "auslieferungsfähigen"
Straftaten – im vorliegenden Fall geht es um die Mitgliedschaft in einer kriminellen
Vereinigung – regelmäßig die Schutzwirkung des Art. 6 GG.
b) Soweit der Beschwerdeführer sich auf die inzwischen weitestgehend wieder
aufgehobene Verhängung des Ausnahmezustandes in Peru knapp einen Monat nach der
angegriffenen Zulässigkeitsentscheidung des Oberlandesgerichts und eine hiermit
verbundene Einschränkung der Grundrechte beruft, steht einer Berücksichtigung ebenfalls
der Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Denn auf diesen Umstand beruft sich der
Beschwerdeführer erstmals im Verfassungsbeschwerde-Verfahren, ohne ihn zuvor im
Rahmen eines Antrags nach § 33 IRG geltend gemacht zu haben.
2. Die Verfassungsbeschwerde ist im Übrigen unbegründet.
a) Die Auffassung des Oberlandesgerichts, dass eine Auslieferung des
Beschwerdeführers nicht deshalb ausgeschlossen sei, weil dieser sich vor einem
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"Sondergericht" verantworten müsse, unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Der Einwand des Beschwerdeführers, diese Auffassung sei mit Art. 101 Abs. 1 Satz 1 GG
unvereinbar, weil sie sich darüber hinwegsetze, dass das peruanische Gericht "nach den
Maßstäben des deutschen Verfassungsrechts" verfassungswidrig wäre, geht fehl.
Die Auffassung des Oberlandesgerichts ist nicht unmittelbar am Maßstab des Art. 101
Abs. 1 Satz 1 GG, sondern daraufhin zu überprüfen, ob sie dem völkerrechtlich verbindlichen
Mindeststandard und den unabdingbaren Grundsätzen der verfassungsrechtlichen Ordnung
der Bundesrepublik Deutschland genügt (vgl. BVerfGE 59, 280 <282 ff.>; 63, 332 <337 ff.>).
Die angegriffene Entscheidung wird den nach Art. 25 GG zu beachtenden Grundsätzen
elementarer Verfahrensgerechtigkeit des allgemeinen Völkerrechts gerecht. Nach den
willkürfreien Feststellungen des Oberlandesgerichts handelt es sich bei dem zuständigen
peruanischen Gericht um einen unabhängigen Spruchkörper, der kraft Gesetzes errichtet ist
und im Rahmen rechtlich festgelegter Zuständigkeiten nach einem rechtlich geordneten
Verfahren durch Richter, deren Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Rechts wegen
gewährleistet ist, Rechtsprechungsfunktionen nach Maßgabe von Rechtsnormen
wahrnimmt. Hiernach erscheint gewährleistet, dass sich der Beschwerdeführer vor einer
Einrichtung wird verantworten müssen, die den Voraussetzungen genügt, welche nach
allgemeiner Auffassung der Staaten erfüllt sein müssen, damit von einem Gericht in
materiellem Sinne gesprochen werden kann (vgl. auch Beschluss des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts vom 31. Juli 1985 – 2 BvR 489/85 -, veröffentlicht in JURIS).
b) aa) Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, ihm drohe als strafverdächtiger Person
in Peru Folter und Misshandlung, rügt er im Kern die aus seiner Sicht falsche Einschätzung
der tatsächlichen Verhältnisse durch das Oberlandesgericht. Der Beschwerdeführer vermag
nicht darzulegen, dass die Rechtsanwendung durch das Oberlandesgericht unter keinem
denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass
die Entscheidung auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht.
Das Oberlandesgericht München stellt in seinem Beschluss vom 8. Mai 2003 bezüglich der
vom Beschwerdeführer behaupteten Gefahr menschenrechtswidriger Behandlung bei einer
Auslieferung ausdrücklich darauf ab, dass begründete Anhaltspunkte für die Gefahr einer
menschenrechtswidrigen Behandlung vorliegen müssen. Das Oberlandesgericht hat zur
Vorbereitung seiner Entscheidung Informationen über die Menschenrechtslage in Peru
eingeholt. Sowohl der Bericht von Amnesty International als auch die beiden Lageberichte
des Auswärtigen Amtes stützen die Ansicht, dass die Situation in Peru der Zulässigkeit der
Auslieferung nicht entgegensteht. Dem hat der Beschwerdeführer nichts Substantielles
entgegengesetzt.
bb) Nichts anderes kann für die Behauptung menschenunwürdiger Haftbedingungen gelten.
D er Beschwerdeführer rügt auch insoweit im Kern die aus seiner Sicht unzureichende
Auseinandersetzung des Gerichts mit den tatsächlichen Verhältnissen im peruanischen
Strafvollzug. Das Oberlandesgericht hat zu Recht auf die Zusicherung der peruanischen
Behörden abgestellt, wonach eine etwa zu verhängende Strafe nicht aus politischen,
militärischen
oder religiösen Gründen verhängt oder verschärft wird und der
Beschwerdeführer nach der Überstellung in einer Haftanstalt untergebracht wird, die dem
Minimalstandard der Vereinten Nationen für die Behandlung von Gefangenen entspricht.
Dabei stützt sich das Oberlandesgericht maßgeblich auf die vom Auswärtigen Amt
eingeholten Informationen über die konkrete Situation in einzelnen peruanischen
Justizvollzugsanstalten. Die Erfahrungsberichte des deutschen Botschaftspersonals in Lima
tragen die Einschätzung des Gerichts, dass dem Beschwerdeführer in keiner der beiden in
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Frage kommenden Haftanstalten eine menschenunwürdige Haft droht.
Dass im speziellen Fall des Beschwerdeführers Besonderheiten vorliegen, die eine
menschenunwürdige Behandlung in der Haft besorgen lassen, hat er nicht dargelegt. Die
Eigenschaft als Freund des ehemaligen Präsidenten Fujimori und Beteiligter an einem
Korruptionskartell führt zu keiner anderen Bewertung, denn es ist nicht bekannt, dass wegen
Regierungskriminalität beschuldigte Personen in Peru gerade aus diesem Grund schlechter
behandelt werden als andere einer Straftat Beschuldigte.
Aus der Tatsache, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers mittlerweile die deutsche
Staatsangehörigkeit erhalten hat, folgt nicht, dass der Beschwerdeführer einen Anspruch auf
die
Unterbringung
in einer nach deutschen Vollstreckungsstandards geführten
Justizvollzugsanstalt hat.
c) Im Hinblick auf die behauptete Nichteinhaltung einzelner Tatbestandsvoraussetzungen
des IRG rügt der Beschwerdeführer im Kern die aus seiner Sicht falsche Einschätzung der
tatsächlichen Verhältnisse durch das Oberlandesgericht. Die Anwendung und Würdigung
einfachen Rechts ist jedoch in erster Linie Sache der Fachgerichte (vgl. BVerfGE 18, 85
<92 f.>; 62, 189 <192 f.>; 85, 248 <257 f.>; 95, 96 <127 f.>; stRspr). Das
Bundesverfassungsgericht überprüft im Hinblick auf das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG
– dessen Verletzung der Beschwerdeführer zwar nicht ausdrücklich, aber wohl der Sache
nach rügt - nur, ob die Rechtsanwendung und das dazu eingeschlagene Verfahren unter
keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar sind und sich daher der Schluss
aufdrängt, die Entscheidung beruhe auf sachfremden und daher willkürlichen Erwägungen
(vgl. BVerfGE 80, 48 <51>; stRspr). Dafür ist hier nichts ersichtlich.
Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG
abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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Di Fabio
Gerhardt