Urteil des BVerfG vom 20.09.2007

schutz der ehe, verfassungsbeschwerde, verbot der diskriminierung, lebensgemeinschaft

- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Dirk Siegfried und Andrea Würdinger,
Motzstraße 1, 10777 Berlin -
1
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 855/06 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der Frau O...,
gegen a) das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Januar 2006 –
BVerwG 2 C 43.04 -,
b) das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 13.
Oktober 2004 - 4 S 1243/03 -,
c) das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13. Januar 2003 - 17 K
3906/02 -
hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten Hassemer,
die Richter Di Fabio
und Landau
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung
vom 11. August 1993 ( BGBl I S. 1473 ) am 20. September 2007 einstimmig
beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
A.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar
ist, den Beamten, die eine eingetragene Lebenspartnerschaft geschlossen haben,
den Familienzuschlag der Stufe 1, den verheiratete Beamte erhalten, nicht oder nur
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unter weitergehenden Voraussetzungen zu gewähren.
I.
1. Beamten wird gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG)
neben ihrem Grundgehalt ein Familienzuschlag gewährt. Seine Höhe richtet sich
nach der Besoldungsgruppe und der Stufe, die den Familienverhältnissen entspricht,
§ 39 Abs. 1 Satz 2 BBesG. Zur Stufe 1 gehören gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG
verheiratete Beamte, außerdem verwitwete (Nr. 2) und geschiedene Beamte
beziehungsweise solche, deren Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt ist, soweit sie
aus der Ehe zum Unterhalt verpflichtet sind (Nr. 3). Andere Beamte erhalten nach
§ 40 Abs. 1 Nr. 4 BBesG den Familienzuschlag der Stufe 1, wenn sie eine andere
Person nicht nur vorübergehend in ihre Wohnung aufgenommen haben und ihr
Unterhalt gewähren, weil sie gesetzlich oder sittlich dazu verpflichtet sind oder aus
beruflichen oder gesundheitlichen Gründen ihrer Hilfe bedürfen, und das Einkommen
dieser Person eine bestimmte Höhe nicht überschreitet.
2. Im Entwurf des Lebenspartnerschaftsgesetzes (LPartG) vom 4. Juli 2000
(BTDrucks 14/3751) war in Art. 3 § 10 Nr. 1 eine Änderung des
Bundesbesoldungsgesetzes durch einen neuen § 1 Abs. 1a BBesG vorgesehen,
wonach Bestimmungen dieses Gesetzes, die sich auf Ehegatten beziehungsweise
das Bestehen einer Ehe beziehen, auf eingetragene Lebenspartner beziehungsweise
das Bestehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft sinngemäß anzuwenden
sein sollten. Diese Vorschrift wurde im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens
zusammen mit anderen, der Zustimmung des Bundesrats bedürftigen Vorschriften
aus dem Entwurf des Lebenspartnerschaftsgesetzes herausgelöst und in Art. 2 § 6
Nr. 1 des Entwurfs für ein Lebenspartnerschaftsgesetzergänzungsgesetz
( L P a r t G E r g G ) aufgenommen
(BRDrucks
739/00).
Das
Lebenspartnerschaftsgesetzergänzungsgesetz fand nicht die Zustimmung des
Bundesrats (BTDrucks 14/4875)
.
Durch das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15.
Dezember 2004 ( BGBl I S. 3396 ) wurden weitere Angleichungen zwischen Ehe und
Lebenspartnerschaft in verschiedenen Rechtsbereichen vorgenommen, jedoch nicht
im Beamtenbesoldungsrecht.
II.
Die Beschwerdeführerin war bis zum 31. Juli 2004 Beamtin im Dienste des Landes
Baden-Württemberg. Am 5. November 2001 hatte sie eine eingetragene
Lebenspartnerschaft begründet. Ihre Klage auf Zahlung des Familienzuschlags der
Stufe 1 wies das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 13. Januar 2003 ab. Der
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg wies die Berufung mit Urteil vom 13.
Oktober 2004 zurück. Die Revision der Beschwerdeführerin wies das
Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 26. Januar 2006 zurück. § 40 Abs. 1 Nr. 1
BBesG gewähre der Beschwerdeführerin weder in direkter noch in analoger
Anwendung einen Anspruch auf den Familienzuschlag der Stufe 1. Die eingetragene
Lebenspartnerschaft sei keine Ehe, sondern ein eigenständiger Familienstand. Eine
analoge Anwendung besoldungsrechtlicher Vorschriften widerspreche bereits dem
Wesen des Besoldungsrechts. Es sei auch keine planwidrige Lücke im
Regelungssystem des Bundesbesoldungsgesetzes entstanden. Der Ablauf des
Gesetzgebungsverfahrens zum Lebenspartnerschaftsgesetz zeige vielmehr, dass der
Gesetzgeber die Frage nach der besoldungsrechtlichen Relevanz dieses neu
geschaffenen Familienstandes erkannt, aber bewusst von der Schaffung einer
Anspruchsberechtigung abgesehen habe. Deswegen ließen sich auch die
Überlegungen nicht übertragen, mit denen das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil
vom 29. April 2004 (BAGE 110, 277) die analoge Anwendung der tarifvertraglichen
Regelung über die Gewährung eines Verheiratetenzuschlags für verheiratete
Angestellte auf solche Angestellte, die eine Lebenspartnerschaft eingegangen seien,
bejaht habe. Der Ausschluss der in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft
lebenden Beamten aus dem Kreis der nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG
Anspruchsberechtigten verletze nicht Art. 3 Abs. 1 GG. Der Unterschied zwischen
d e m Familienstand
„verheiratet“
und
dem
Familienstand „eingetragene
Lebenspartnerschaft“ rechtfertige unterschiedliche Rechtsfolgen. Der besondere
verfassungsrechtliche Schutz der Ehe nach Art. 6 Abs. 1 GG stelle bereits den
Unterschied dar, der die Verschiedenbehandlung rechtfertige. Es sei nicht
erforderlich, dass die Begünstigung des Verheirateten auch durch seine Situation im
Übrigen, beispielsweise durch eine im Vergleich zu Ledigen höhere Unterhaltspflicht,
gerechtfertigt sei. Auch das durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete
Alimentationsprinzip sei nicht verletzt. Die Alimentationspflicht des Dienstherrn als
hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums erstrecke sich auf den Ehegatten
und die Kinder des Beamten, nicht auf den Partner anderer Lebensgemeinschaften.
Die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 stehe der Anwendung
von § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG nicht entgegen. Die Richtlinie lasse nach Nr. 22 der
Begründungserwägungen einzelstaatliche
Rechtsvorschriften
über
den
F a mi l i e n s ta n d und
davon
abhängige
Leistungen
unberührt.
Diese
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Begründungserwägung sei mitentscheidend für die Auslegung. Das gelte auch dann,
wenn die Begründungserwägung nicht in den Text der Richtlinie aufgenommen
worden sei. Auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sei die
Verschiedenbehandlung von Eheleuten und eingetragenen Lebenspartnern bei der
Gewährung von Vergütungsbestandteilen, die gezahlt würden, weil der Beschäftigte
in einer Gemeinschaft mit einer weiteren Person lebe, keine Diskriminierung aufgrund
des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung. Ein Anspruch auf den
Familienzuschlag der Stufe 1 nach § 40 Abs. 1 Nr. 4 BBesG komme zwar
grundsätzlich in Betracht, da die Beschwerdeführerin seit März 2001 die Kosten der
gemeinsamen Wohnung alleine trage. § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 BBesG versage
diesen Anspruch jedoch, wenn für den Unterhalt der in die Wohnung
aufgenommenen Person Mittel zur Verfügung stünden, die das Sechsfache des
Betrags des Familienzuschlags der Stufe 1 überstiegen. Eine tatrichterliche
Feststellung, ob und welche Eigenmittel der Lebenspartnerin der Beschwerdeführerin
zur Verfügung stünden, sei nicht möglich, da die Beschwerdeführerin es ablehne, zu
diesem Punkt Angaben zu machen.
Das Revisionsurteil wurde den Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin
am 22. März 2006 zugestellt.
III.
Mit der hiergegen am 20. April 2006 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt die
Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 101
Abs. 1 Satz 2 GG.
1. Sie ist der Auffassung, es verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, der
Beschwerdeführerin im Gegensatz zu verheirateten Beamten die Zahlung des
Familienzuschlags der Stufe 1 zu verweigern. Dies sei eine – zumindest mittelbare –
Ungleichbehandlung der Beschwerdeführerin wegen ihrer sexuellen Orientierung. An
d i e Ungleichbehandlung aufgrund eines personenbezogenen, für die
Beschwerdeführerin
nicht
veränderbaren
Merkmals
seien
erhöhte
Rechtfertigungsanforderungen zu stellen. Diese Ungleichbehandlung sei nicht
gerechtfertigt, da es sich bei Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft
gleichermaßen um auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaften handele, die durch
einen staatlichen Begründungsakt geschlossen würden und mit gegenseitigen
gesetzlichen Unterhaltspflichten der Partner einhergingen. Die Ungleichbehandlung
könne nicht durch den Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 GG ohne zusätzliche sachliche
Rechtfertigung begründet werden. Es gebe keinen sachlichen Grund dafür, die Ehe
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bei der Gewährung des Familienzuschlags der Stufe 1, der aufgrund der
typischerweise mit der Ehe verbundenen Unterhaltslasten gewährt werde, gegenüber
der eingetragenen Lebenspartnerschaft zu privilegieren, da die Unterhaltspflichten in
beiden Fällen dieselben seien. Der Familienzuschlag der Stufe 1 werde unabhängig
davon gewährt, ob aus der Ehe auch Kinder hervorgegangen seien. Dadurch würden
kinderlose Ehen grundlos privilegiert. Außerdem sei auch Lebenspartnern
inzwischen die Stiefkindadoption möglich, so dass in einer Lebenspartnerschaft wie
in einer Ehe auch Kinder aufwachsen könnten.
2. Das Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sei
verletzt, da das Bundesverwaltungsgericht seine Pflicht zur Vorlage an den
Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung gemäß Art. 234 Abs. 3 EGV nicht
erfüllt habe. Die Richtlinie 2000/78/EG des Rates zur Festlegung eines allgemeinen
Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf
vom 27. November 2000 (ABl. L 303/16 vom 2. Dezember 2000) verbiete
Diskriminierungen innerhalb von Beschäftigungsverhältnissen aufgrund der
sexuellen Ausrichtung. Nachdem die Frist zur Umsetzung dieser Richtlinie
abgelaufen sei, ohne dass der deutsche Gesetzgeber hier zunächst tätig geworden
sei, sei die Richtlinie seit dem 2. Dezember 2003 unmittelbar anwendbar. Die
Beschränkung des Familienzuschlags nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG auf Verheiratete
unter Ausschluss von eingetragenen Lebenspartnerschaften sei eine unmittelbare
Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung im Bereich des Arbeitsentgelts
gemäß Art. 3 Abs. 1 c in Verbindung mit Art. 1, Art. 2 Abs. 2 a der Richtlinie. Daher
hätte der Familienzuschlag als Teil des Arbeitsentgelts auch den Beamten in
eingetragener Lebenspartnerschaft gewährt werden müssen. Eine Diskriminierung
wegen der sexuellen Ausrichtung könne nicht durch die Begründungserwägung
Nr. 22 der Richtlinie gerechtfertigt werden, da diese im Richtlinientext keinen
Niederschlag gefunden habe. Da es keine Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs zu der Frage gebe, ob auch solche Begründungserwägungen den
Anwendungsbereich
der Richtlinie
einschränken
könnten,
hätten
die
letztinstanzlichen Gerichte, die mit dieser Begründung die Nichtanwendung der
Richtlinie rechtfertigten, diese Frage dem Europäischen Gerichtshof zur
Vorabentscheidung vorlegen müssen.
B.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die
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Voraussetzungen
des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der
Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch ist ihre
Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt
(vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>; 96, 245 <248>). Sie hat keine hinreichende Aussicht auf
Erfolg.
I.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Dem steht der Grundsatz der Subsidiarität
der Verfassungsbeschwerde nicht entgegen.
Der subsidiäre Charakter der Verfassungsbeschwerde fordert, dass der
Beschwerdeführer über das Gebot der Rechtswegerschöpfung im engeren Sinne
hinaus alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ergriffen hat, um eine Korrektur
der
geltend
gemachten
Grundrechtsverletzung
zu erwirken oder eine
Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BVerfGE 81, 22 <27> ). Die
Verfassungsbeschwerde ist nur zulässig, soweit sie erforderlich ist, um eine
Grundrechtsverletzung auszuräumen. Dies ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn eine
anderweitige Möglichkeit besteht, die Grundrechtsverletzung zu beseitigen oder ohne
Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts im praktischen Ergebnis dasselbe
zu erreichen (vgl. BVerfGE 33, 247 <258>; 51, 130 <139 f.>; 59, 63 <83> ). Die von
der Beschwerdeführerin gerügte Grundrechtsverletzung durch die Verweigerung des
Familienzuschlags nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG, der allen verheirateten Beamten
unabhängig vom Einkommen ihres Ehegatten gewährt wird, hätte nicht dadurch
verhindert werden können, dass man die Beschwerdeführerin auf einen
möglicherweise gegebenen Anspruch auf den Familienzuschlag nach § 40 Abs. 1
Nr. 4 BBesG verweist. Dieser Anspruch hat andere, im Wesentlichen höhere
Voraussetzungen als der Familienzuschlag nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG. Er setzt
voraus, dass der Beamte einer in seine Wohnung aufgenommenen Person Unterhalt
gewährt und das Einkommen dieser Person bestimmte Grenzen nicht überschreitet;
es ist daher auch erforderlich, das Einkommen im Antrag offen zu legen. Die
Beschwerdeführerin macht mit ihrer Verfassungsbeschwerde aber geltend, dass die
Verweigerung des Familienzuschlags nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG, der nicht von
diesen
zusätzlichen Voraussetzungen abhängt, eine verfassungswidrige
Ungleichbehandlung sei. Eine solche Grundrechtsverletzung wäre – wenn die
Ansicht der Beschwerdeführerin zuträfe – nicht zu beseitigen, indem man die
Beschwerdeführerin im Gegensatz zu verheirateten Beamten auf eine andere
Anspruchsgrundlage verweist.
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II.
Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. Die angegriffenen Entscheidungen
verletzen die Beschwerdeführerin nicht in den in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten
Rechten. Die Entscheidungen verletzen weder Art. 3 Abs. 1 GG (1.) noch Art. 33
Abs. 5 GG (2.) oder Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (3.).
1. Die Erstreckung des Familienzuschlags nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG lediglich
a u f Verheiratete im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG ist keine verfassungswidrige
Ungleichbehandlung der Beschwerdeführerin.
a) Verfassungsrechtlicher Maßstab für die behauptete ungerechtfertigte
Ungleichbehandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft ist der allgemeine
Gleichheitssatz, nicht dagegen sind es die speziellen Gleichheitssätze des Art. 3
Abs. 3 Satz 1 GG. Die Ungleichbehandlung von verheirateten Beamten und solchen
Beamten, die eine Lebenspartnerschaft geschlossen haben, knüpft nicht an eines der
dort genannten Merkmale an. Es handelt sich insbesondere nicht um eine
Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts. § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG bindet die
Gewährung des Familienzuschlags an die Ehe als Lebensgemeinschaft von Mann
und Frau. Damit erfüllt die Vorschrift den Schutzauftrag des Art. 6 Abs. 1 GG, wonach
neben der Familie nur die Ehe unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung
steht. Wenn die Verfassung eine bestimmte Form des Zusammenlebens unter
besonderen Schutz stellt, diskriminiert sie damit nicht andere Lebens- und
Gemeinschaftsformen, die nicht in jeder Hinsicht an besonderen Schutz- oder
Fördermaßnahmen teilhaben. Das Merkmal „Geschlecht“ in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG
bezieht sich zudem auf Ungleichbehandlungen von Frauen und Männern. Es ist
keine Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts, wenn ein Gesetz Rechte oder
Pflichten
nicht
vom Geschlecht
einer
Person,
sondern
von
der
Geschlechtskombination einer Personenverbindung abhängig macht (vgl. BVerfGE
105, 313 <351 f.>).
Auch im Übrigen ist Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nicht berührt. Unabhängig davon, dass
die Regelung des § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG tatbestandlich jedenfalls nicht unmittelbar
am Merkmal der sexuellen Orientierung anknüpft, gehört diese auch nicht zu den in
Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG genannten Unterscheidungsmerkmalen. Eine erweiternde
Auslegung des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG scheidet aus, da sein Wortlaut abschließend
ist und der Vorschlag, ihn im Wege der Verfassungsänderung um das Merkmal der
sexuellen Orientierung zu erweitern, abgelehnt wurde (vgl. Bericht der Gemeinsamen
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Verfassungskommission, BTDrucks 12/6000, S. 54)
.
b) Die Vorschrift des § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG ist mit dem allgemeinen
Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar.
Prüfungsmaßstab ist insofern Art. 3 Abs. 1 GG, wobei die in Art. 6 Abs. 1 GG
enthaltene Grundsatzentscheidung für den Schutz der Ehe mit zu beachten ist (
BVerfGE 67, 186 <195 f.> ; vgl. auch für die Familie BVerfGE 82, 60 <86> ).
aa) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich
zu behandeln ( BVerfGE 74, 9 <24> ), und verpflichtet die Grundrechtsadressaten,
wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches entsprechend seiner
Verschiedenheit und Eigenart ungleich zu behandeln (vgl. bereits BVerfGE 1, 14
<52>; stRspr). Er ist verletzt, wenn die gleiche oder ungleiche Behandlung der
geregelten Sachverhalte mit Gesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst
liegen, und mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise
nicht mehr vereinbar ist, wenn also bezogen auf den jeweils in Rede stehenden
Sachbereich und seine Eigenart ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die
Regelung fehlt (vgl. BVerfGE 76, 256 <329>; 83, 89 <107 f.>; 103, 310 <318>; 107,
218 <244> ). Dies gilt uneingeschränkt für den Fall, dass die Verfassung nicht selbst
eine bestimmte Gruppe hervorhebt, ihre Ungleichbehandlung erlaubt oder ihre
besondere Förderung gebietet. Wenn die Verfassung selbst eine Unterscheidung
vornimmt, bleibt es zwar Sache des Gesetzgebers, wie er diese Unterscheidung
handhabt, ihm darf aber nicht schon eine willkürliche Ungleichbehandlung gleicher
Lebenssachverhalte entgegengehalten werden, wenn er dem verfassungsrechtlichen
Unterscheidungsmuster folgt. Allenfalls hat der Gesetzgeber eine vom Grundgesetz
selbst vorgenommene Unterscheidung mit anderen auf Gleichheit ausgerichteten
Verfassungsgeboten im Sinne praktischer Konkordanz zum Ausgleich zu bringen,
soweit ein Vorrang nicht festgestellt werden kann. Wenn das Grundgesetz aber etwa
wie mit Art. 12a Abs. 1 GG eine spezielle Pflicht nur für Männer einführt, scheidet
wegen der Spezialität dieser Vorschrift ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1, Abs. 2 oder
Abs. 3 GG insofern aus, als dass Frauen von dieser Pflicht nicht erfasst werden (vgl.
BVerfGE 48, 127 <161 f.> ). In diesem Sinne ist auch Art. 6 Abs. 1 GG ein
Differenzierungsgebot, spezieller als der allgemeine Gleichheitssatz. Allerdings darf
die Art und Weise der Unterscheidung im Hinblick auf die tatsächlichen
Lebensverhältnisse und die auferlegten Rechtspflichten im Vergleich beider Gruppen
nicht unverhältnismäßig ausfallen.
bb) Hieran gemessen verstößt die Beschränkung des Familienzuschlags der Stufe 1
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in § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG auf verheiratete Beamte nicht gegen den allgemeinen
Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG.
Die Begünstigung verheirateter Beamter gegenüber Beamten in einer
eingetragenen Lebenspartnerschaft durch § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG beschränkt sich
darauf, dass Verheiratete den Familienzuschlag der Stufe 1 bereits aufgrund ihres
Familienstandes und ohne Berücksichtigung des Einkommens ihres Ehegatten
erhalten. Beamte in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft erhalten dagegen
gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 BBesG den Familienzuschlag der Stufe 1, wenn sie
einen erweiterten Haushalt führen, um ihre Unterhaltspflichten gegenüber dem
Lebenspartner zu erfüllen. Nach der Auslegung des § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 BBesG
durch das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 26. Januar 2006 - 2 C 43.04 -, das
insoweit mit der Verfassungsbeschwerde nicht angegriffen wird, kommt es für die in
dieser Vorschrift genannte Aufnahme in die Wohnung des Beamten nicht darauf an,
in welcher zeitlichen Reihenfolge der Beamte und der Aufzunehmende in die
Wohnung eingezogen sind, sondern nur darauf, dass der Beamte inzwischen die
Kosten der Wohnung allein trägt. Die Grenze für Eigenmittel der aufgenommenen
Person, ab der gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 BBesG kein Anspruch auf den
Familienzuschlag mehr besteht, soll dabei sicherstellen, dass der Zuschlag nur
gewährt wird, wenn er erforderlich ist. Während bei Verheirateten also die
typischerweise unterstellten finanziellen Belastungen aus der Ehe zur pauschalen
Gewährung des Familienzuschlags führen, bedarf es bei der eingetragenen
Lebenspartnerschaft des Nachweises dieser Belastungen im Einzelfall.
Diese Ungleichbehandlung knüpft unmittelbar am Merkmal des Familienstandes an.
§ 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG unterscheidet zwischen verheirateten Beamten und solchen
Beamten, die entweder ledig sind oder in einer anderen Lebensgemeinschaft als der
Ehe leben. Beamte, die eine Lebenspartnerschaft gemäß § 1 LPartG geschlossen
haben, werden damit anders behandelt als verheiratete Beamte. Im Gegensatz zu
ledigen Beamten ist den Beamten, die eine Ehe oder eine eingetragene
Lebenspartnerschaft eingegangen sind, gemeinsam, dass sie eine grundsätzlich
unauflösbare Lebensgemeinschaft unter staatlicher Mitwirkung geschlossen haben,
die mit gegenseitigen Unterhaltspflichten der Partner einhergeht. Eheleute sind
gemäß § 1360 Satz 1 BGB verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die
Familie angemessen zu unterhalten. Lebenspartner trifft gemäß § 5 Satz 1 LPartG
eine solche Unterhaltspflicht auch für die Lebenspartnerschaft. § 5 Satz 2 LPartG
erklärt die Vorschriften über Inhalt und Umfang des ehelichen Unterhalts in § 1360
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Satz 2, § 1360a, § 1360b BGB für entsprechend anwendbar. Unmittelbares
Unterscheidungsmerkmal
zwischen
den
beiden
Gruppen
ist
die
Gleichgeschlechtlichkeit oder Verschiedengeschlechtlichkeit der Partner dieser
Lebensgemeinschaften. Voraussetzung für das Eingehen der Ehe oder der
Lebenspartnerschaft (§ 1 Abs. 1 Satz 1 LPartG) ist die Geschlechtskombination der
Partner, nicht eine bestimmte sexuelle Orientierung (vgl. BVerfGE 115, 1 <16>). Eine
heterosexuelle Orientierung ist keine rechtliche Voraussetzung, um eine Ehe zu
schließen, ebenso wenig wie eine homosexuelle Orientierung Voraussetzung für eine
Lebenspartnerschaft wäre. Mittelbar werden dagegen durch Leistungen, die mit dem
Bestand einer Ehe verknüpft sind und bei Bestand einer Lebenspartnerschaft nicht
gewährt werden, Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung ungleich
behandelt, da die Ehe typischerweise von Heterosexuellen, die Lebenspartnerschaft
typischerweise von Homosexuellen eingegangen wird.
Bei einer solchen Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der
Gesetzgeber zwar grundsätzlich einer strengeren Bindung. Die Begünstigung
verheirateter Beamter findet ihre Rechtfertigung jedoch in Art. 6 Abs. 1 GG. Dieser
Verfassungssatz stellt die Ehe als Vereinigung eines Mannes und einer Frau zu einer
auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft ( BVerfGE 10, 59 <66>; 105, 313 <345>;
112, 50 <65> ) unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung; er enthält
neben dem Grundrecht als Abwehrrecht im klassischen Sinne eine Institutsgarantie
für die Ehe und verpflichtet als wertentscheidende Grundsatznorm den Staat, die Ehe
zu schützen und zu fördern ( BVerfGE 6, 55 <71 f.>; 24, 119 <135>; 31, 58 <67>; 51,
386 <396>; 55, 114 <126>; 62, 323 <329>; 76, 1 <41>; 82, 60 <81>; 87, 1 <35> ;
stRspr).
Dieser verfassungsrechtliche Förderauftrag berechtigt den Gesetzgeber, die Ehe als
die förmlich eingegangene Lebensgemeinschaft von Frau und Mann gegenüber
anderen Lebensformen herauszuheben und zu begünstigen (vgl. BVerfGE 105, 313
<348> ). Die Verfassung selbst bildet mit Art. 6 Abs. 1 GG den sachlichen
Differenzierungsgrund, der die hier vorliegende Ungleichbehandlung von
verheirateten Beamten und den Beamten, die eine eingetragene Lebenspartnerschaft
geschlossen haben, nach Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigt. Die Unterscheidung ist auch
im Hinblick auf tatsächliche Lebensverhältnisse und ihre rechtliche Ausgestaltung
nicht unverhältnismäßig. Denn auch nicht verheiratete Beamte erhalten nach § 40
Abs. 1 Nr. 4 BBesG den Familienzuschlag der Stufe 1, wenn sie eine andere Person
nicht nur vorübergehend in ihre Wohnung aufnehmen und für diese
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unterhaltsverpflichtet sind.
2. Die Regelung des § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG verstößt, soweit sie Beamte in
eingetragener Lebenspartnerschaft vom Familienzuschlag der Stufe 1 ausschließt,
auch nicht gegen Art. 33 Abs. 5 GG. Die Regelung verletzt insbesondere nicht das
Alimentationsprinzip.
a) Das Alimentationsprinzip gehört zu den hergebrachten und vom Gesetzgeber zu
beachtenden Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG
(vgl. BVerfGE 8, 1 <16 f.>; 29, 1 <9>; 81, 363 <375>; 99, 300 <314> ). Es gibt dem
einzelnen Beamten ein grundrechtsähnliches Individualrecht gegenüber dem Staat
(vgl. BVerfGE 8, 1 <17> ) und verpflichtet den Dienstherrn, dem Beamten und seiner
Familie amtsangemessenen Unterhalt zu leisten (vgl. BVerfGE 21, 329 <345>; 29, 1
<9>; 44, 249 <267>; 49, 260 <271>; 81, 363 <375>; 99, 300 <314 f.> ). Im Rahmen
seiner Verpflichtung zur amtsangemessenen Alimentation hat der Gesetzgeber dafür
Sorge zu tragen, dass jeder Beamte auch seine Unterhaltspflichten gegenüber seiner
Familie erfüllen kann (vgl. BVerfGE 99, 300 <315> ). Zur Beamtenfamilie werden
dabei Ehegatten und die Gemeinschaft eines Beamten mit seinen Kindern gezählt
(vgl. BVerfGE 29, 1 <9>).
b) Zwar war die Ehe bis zum Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes am 1.
August 2001 die einzige grundsätzlich unauflösbare, unter staatlicher Mitwirkung
geschlossene
und
mit
gegenseitigen
Unterhaltspflichten verbundene
Lebensgemeinschaft, so dass der hergebrachte Grundsatz der Alimentationspflicht
sich bis dahin nur auf Ehegatten beziehen konnte. Doch auch nach Einführung der
eingetragenen Lebenspartnerschaft als neuer Familienstand erfasst der Begriff der
Familie im Sinne des Alimentationsprinzips nicht den Lebenspartner des Beamten.
Art. 33 Abs. 5 GG ist im Zusammenhang mit Art. 6 Abs. 1 GG auszulegen (vgl.
BVerfGE 44, 249 <267>; 81, 363, <376>). Die Alimentation ist nach Maßgabe von
Art. 33 Abs. 5 und der aus Art. 6 Abs. 1 GG abzuleitenden Wertentscheidung zu
gewähren (vgl. BVerfGE 49, 260 <273>; 71, 39 <62> ). Die Wertentscheidung des
Art. 6 Abs. 1 GG, den Staat zum Schutz und zur Förderung der Ehe zu verpflichten,
steht einer Erstreckung des Alimentationsprinzips als Grundsatz im Sinne von Art. 33
Abs. 5 GG auf den Lebenspartner des Beamten entgegen. Selbst wenn dies anders
wäre, ergäbe sich daraus im Übrigen auch keine Verletzung der Alimentationspflicht.
W e n n Beamte nicht nur vorübergehend eine andere Person in ihre Wohnung
aufnehmen und für diese unterhaltsverpflichtet sind, erhalten sie ungeachtet des
Familienstandes nach § 40 Abs. 1 Nr. 4 BBesG den Familienzuschlag der Stufe 1.
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3. Die angegriffenen Entscheidungen entziehen die Beschwerdeführerin nicht
entgegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ihrem gesetzlichen Richter.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der
Europäische Gerichtshof gesetzlicher Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
Unterlässt es ein deutsches Gericht, ein Vorabentscheidungsersuchen an den
Europäischen Gerichtshof zu stellen, obwohl es gemeinschaftsrechtlich dazu
verpflichtet ist, werden die Rechtsschutzsuchenden des Ausgangsverfahrens ihrem
gesetzlichen Richter entzogen (vgl. BVerfGE 73, 339 <366 ff.>; 75, 223 <233 ff.>; 82,
159 <192 ff.> ). Allerdings stellt nicht jede Verletzung der sich aus Art. 234 Abs. 3
EGV ergebenden Vorlagepflicht einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
Das Bundesverfassungsgericht beanstandet die Auslegung und Anwendung von
Zuständigkeitsnormen nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das
Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und
offensichtlich unhaltbar sind (vgl. BVerfGE 82, 159 <194> ). Die Vorlagepflicht nach
Art. 234 EGV wird insbesondere in denjenigen Fällen offensichtlich unhaltbar
gehandhabt, in denen ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der
– seiner Auffassung nach bestehenden – Entscheidungserheblichkeit der
gemeinschaftsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst
Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hegt (grundsätzliche
Verkennung der Vorlagepflicht). Gleiches gilt in den Fällen, in denen das
letztinstanzliche Hauptsachegericht in seiner Entscheidung bewusst von der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu entscheidungserheblichen
Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewusstes
Abweichen ohne Vorlagebereitschaft). Liegt zu einer entscheidungserheblichen
Frage des Gemeinschaftsrechts einschlägige Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs noch nicht vor oder hat eine vorliegende Rechtsprechung die
entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet
o d e r erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit, wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur
dann verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen
Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise
überschritten hat (Unvollständigkeit der Rechtsprechung). Dies kann insbesondere
dann
der
Fall
sein,
wenn
mögliche Gegenauffassungen
zu
der
entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts gegenüber der vom
Gericht vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sind ( BVerfGE 82, 159 <195 f.> ).
29
30
31
32
b) Gemessen an diesem Maßstab fehlt es vorliegend an einer Verletzung von
Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
aa) Eine grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht liegt nicht vor. Das
Bundesverwaltungsgericht hat die Voraussetzungen der Vorlagepflicht nach Art. 234
Abs. 3 EGV in seiner Entscheidung zwar nicht ausdrücklich erörtert. Es hat jedoch
geprüft, ob die Beschränkung der Familienzuschlagsgewährung auf verheiratete
Beamte in § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG gegen primäres oder sekundäres
Gemeinschaftsrecht verstößt, und kam dabei zu dem nach seiner Auslegung
eindeutigem
Ergebnis,
dass das deutsche Recht insoweit mit dem
Gemeinschaftsrecht
in Einklang
steht.
Es
ergaben
sich
für
das
Bundesverwaltungsgericht keine Auslegungszweifel, die aus seiner Sicht Anlass für
eine Vorlage hätten sein können.
bb) Das Gericht ist auch nicht bewusst von der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs abgewichen. Das Bundesverwaltungsgericht hat vielmehr dargelegt,
dass
nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die
Verschiedenbehandlung von Eheleuten und eingetragenen Lebenspartnern bei
Vergütungsbestandteilen, die gezahlt werden, weil der Beschäftigte in einer
Gemeinschaft mit einer weiteren Person lebt, keine Diskriminierung aufgrund des
Geschlechts oder der sexuellen Orientierung sei (EuGH, Urteil vom 31. Mai 2001
- Rs. C-122/99 P und C-125/99 P, NvwZ 2001, 1249 = Slg. 2001, I-4319). Gegenstand
des zitierten Urteils war eine Vorschrift des Statuts der Beamten der Europäischen
Gemeinschaften, die - im entscheidungsrelevanten Zeitraum - verheirateten Beamten,
nicht jedoch Beamten in eingetragener Lebenspartnerschaft eine Haushaltszulage
gewährte. Der Europäische Gerichtshof entschied, dass die maßgebende
Statutsbestimmung keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts des Betroffenen
und daher auch keinen Verstoß gegen Art. 119 EGV a.F. (Art. 141 EGV n.F.)
darstelle, da es für die Gewährung der Hauhaltszulage keine Rolle spiele, ob der
Beamte ein Mann oder eine Frau sei (Slg. 2001, I-4319 <4356>). Die Vorschrift
verletze auch nicht das Gleichbehandlungsgebot, da es in den Mitgliedstaaten der
Gemeinschaft an einer allgemeinen Gleichstellung der Ehe mit den übrigen Formen
gesetzlicher Lebenspartnerschaften fehle und sich ein Beamter in eingetragener
Lebenspartnerschaft daher für die Zwecke der Anwendung des Statuts nicht in der
gleichen Lage befinde wie ein verheirateter Beamter (Slg. 2001, I-4319 <4356 f.>).
cc) Die zitierte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs befasste sich nur mit
der Vereinbarkeit des Beamtenstatuts mit dem primären Gemeinschaftsrecht. Zu der
33
Frage, ob die Richtlinie 2000/78/EG es verbietet, Vergütungsbestandteile wie den
Familienzuschlag
nur Verheirateten unter Ausschluss von Beschäftigten in
eingetragener Lebenspartnerschaft zu gewähren, liegt dagegen noch keine
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vor. Das Bundesverwaltungsgericht
hat seinen Beurteilungsspielraum, der angesichts dieser Unvollständigkeit der
Rechtsprechung eröffnet war, nicht in unvertretbarer Weise überschritten. Das
Bundesverwaltungsgericht geht in seiner Entscheidung unausgesprochen davon aus,
dass die Voraussetzungen einer unmittelbaren Anwendung der Richtlinie seit Ablauf
d e r Umsetzungsfrist vorgelegen hätten. Es ist jedoch der Ansicht, die Richtlinie
2000/78/EG gebiete es nicht, Vergütungsbestandteile, die verheirateten Beschäftigten
gewährt werden, auch den Beschäftigten zukommen zu lassen, die eine eingetragene
Lebenspartnerschaft eingegangen sind. Das Bundesverwaltungsgericht begründet
dies damit, dass der Familienzuschlag der Stufe 1 für Verheiratete eine Leistung sei,
die allein wegen des Familienstandes gewährt werde. Die Richtlinie 2000/78/EG
lasse
aber
nach
Nr.
22 der Begründungserwägungen einzelstaatliche
Rechtsvorschriften über den Familienstand und davon abhängige Leistungen
unberührt. Diese Begründungserwägung sei wesentlicher Bestandteil der Richtlinie
und damit nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs mitentscheidend
für ihre Auslegung (EuGH, Urteil vom 23. Februar 1988 – Rs. 131/86, Slg. 1988, 905
<935>). Dies gelte auch dann, wenn die Begründungserwägung nicht in den Text der
Richtlinie aufgenommen worden sei.
Das Bundesverwaltungsgericht überschreitet damit nicht den ihm zukommenden
Beurteilungsspielraum in unvertretbarer Weise. Der Europäische Gerichtshof zieht in
seiner Rechtsprechung immer wieder die Begründungserwägungen eines
Sekundärrechtsakts heran, um Sinn und Zweck der Richtlinie oder Verordnung zu
ermitteln und unter Berücksichtigung dieses Zwecks die einzelnen Vorschriften der
Richtlinie oder Verordnung auszulegen (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Februar 1975
- Rs. 69/74, Slg. 1975, 171 <175>
;
813 <823>
;
Urteil vom 20. September 2001 – Rs. C-184/99, Slg. 2001, I-6193 <6245>; zur
Einschränkung des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2000/78/EG aufgrund der
Begründungserwägungen siehe die Schlussanträge des Generalanwalts Mazák vom
15. Februar 2007 zur Rs. C-411/05, Palacios, Ziff. 51, 65)
.
Methode
zur
Auslegung
des
Gemeinschaftsrechts,
wenn das
Bundesverwaltungsgericht den Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG unter
Berücksichtigung der Begründungserwägung Nr. 22 bestimmt. Auch der Einwand, die
Entstehungsgeschichte der Begründungserwägung Nr. 22 zeige, dass damit nur eine
Regelung
hinsichtlich
des Verhältnisses von Ehe und eheähnlicher
Lebensgemeinschaft getroffen werden sollte (vgl. Stüber, NJW 2006, S. 1774
<1776>), vermag dabei nicht zu überzeugen. Es wurde in diesem Zusammenhang
darauf hingewiesen, dass die im Vorschlag der Kommission (KOM (1999) 565 endg.)
noch
nicht
enthaltene Begründungserwägung zunächst von der Gruppe
„Sozialfragen“ des Rates als Begründungserwägung Nr. 11b mit folgendem Wortlaut
in den Entwurf eingeführt worden sei: „Die vorliegende Richtlinie lässt die
einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über den Familienstand unberührt und
verpflichtet die Mitgliedstaaten daher nicht dazu, Leistungen, die Ehepartnern
gewährt werden, auch in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Personen zu
gewähren“ (Dok. 6434/00 SOC 54 JAI 20). Nach dieser Ansicht beinhalte die letztlich
als Begründungserwägung Nr. 22 verabschiedete kürzere Fassung keine Änderung
des mit der Langfassung beabsichtigten Inhalts und zeige, dass nur eine
Unterscheidung zwischen der Ehe und unverbindlichen Lebensgemeinschaften
gemeint gewesen sei. Dieses Verständnis der Begründungserwägung berücksichtigt
jedoch nicht, dass es nicht erforderlich gewesen wäre, Leistungen, die nur
Ehepartnern und nicht den Partnern „eheähnlicher“ im Sinne rechtlich unverbindlicher
Lebensgemeinschaften gewährt werden, vom Anwendungsbereich der Richtlinie
auszunehmen. Eine Ungleichbehandlung von Ehepartnern und Partnern einer
nichtehelichen, verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaft berührt schon
keines der in Art. 1 der Richtlinie genannten Merkmale. Ehepartner und Partner einer
nichtehelichen, gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft unterscheiden sich
dagegen im Regelfall hinsichtlich ihrer in Art. 1 der Richtlinie genannten sexuellen
Ausrichtung, allerdings auch bezüglich der Rechtsnatur ihrer Bindungen, so dass
eine
Ungleichbehandlung, die am Unterscheidungsmerkmal der rechtlichen
B i n d u n g e n ansetzt,
auch
ohne
entsprechende
einschränkende
Begründungserwägung keine verbotene Diskriminierung im Sinne der Richtlinie
darstellte.
Die
deutsche
Fassung
der
zunächst vorgeschlagenen
Begründungserwägung Nr. 11b, die zwischen „Ehepartnern“ und „in eheähnlicher
Gemeinschaft lebenden Personen( unterschied, wich zudem von der englischen und
französischen Fassung ab, derzufolge Leistungen, die „married partners“
beziehungsweise „partenaires mariés“ gewährt werden, nicht auch den „non-married
partners“ beziehungsweise „partenaires non mariés“ zu gewähren sind. In diesen
Sprachen wurde das Unterscheidungsmerkmal verheiratet/nicht verheiratet deutlicher
herausgestellt. Der Begriff Ehe bezeichnet aber auch nach der Rechtsprechung des
34
35
Europäischen
Gerichtshofs
eine
Lebensgemeinschaft
zweier Personen
verschiedenen Geschlechts (EuGH, Urteil vom 31. Mai 2001 – Rs. C-122/99 P und C-
125/99 P, Slg. 2001, I-4319 <4353>). Obwohl die Kommission in ihrem
Richtlinienvorschlag vom 25. November 1999 (KOM (1999) 565 endg.) noch keine
entsprechende Begründungserwägung vorsah, enthielt der Vorschlag in der
Erläuterung zu Art. 1 der Richtlinie bereits den Hinweis: „Hervorzuheben ist auch,
dass der Vorschlag den Status von Eheleuten nicht berührt und daher auch deren
Anspruch auf bestimmte Leistungen nicht beschneidet“ (a.a.O., S. 8).
In
der
Literatur
wurde
bereits
zur
Zeit
der Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts mehrfach die Auffassung vertreten, die Richtlinie erlaube
die Beschränkung des Familienzuschlags auf Verheiratete (Thüsing, NZA 2001, S.
1061 <1062>; Högenauer, Die europäischen Richtlinien gegen Diskriminierung im
Arbeitsrecht, 2002, S. 108
;
Arbeitsrecht, 2004, S. 199
;
268
;
(Art. 3 Abs. 1) sei unter Berücksichtigung der Begründungserwägung Nr. 22 so
auszulegen, dass es Sache der Mitgliedstaaten bleibe, ob und inwieweit andere
Lebensformen der Ehe rechtlich gleichgestellt werden (Högenauer a.a.O.). Nach
einer
anderen rechtlichen Konstruktion wäre die Beschränkung des
Familienzuschlags auf Verheiratete zwar eine mittelbare Diskriminierung im Sinne
der Richtlinie, die aber durch das sachliche Ziel der Unterstützung von Familien und
solchen Partnerschaften, die Familien werden können, im Sinne von Art. 2 Abs. 2 b, i
der Richtlinie gerechtfertigt sei, was durch die Begründungserwägung Nr. 22 belegt
werde (Thüsing, a.a.O., Lingscheid, a.a.O.). Nach diesem Verständnis bedeutet eine
Berücksichtigung der Begründungserwägung Nr. 22 bei der Auslegung der Richtlinie,
wie sie das Bundesverwaltungsgericht vorgenommen hat, keine Beschränkung der
Richtlinie
entgegen
ihrem Wortlaut. Das Bundesarbeitsgericht und der
Bundesgerichtshof haben sich später der Auslegung der Richtlinie durch das
Bundesverwaltungsgericht angeschlossen (BAG, Urteil vom 26. Oktober 2006 – 6
AZR 307/06 – JURIS; BGH, Urteil vom 14. Februar 2007 – IV ZR 267/04 - JURIS).
dd) Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, dass Art. 101 Abs. 2 Satz 2 GG nicht
d e s w e g e n verletzt ist, weil die Gegenauffassung der Ansicht des
Bundesverwaltungsgerichts in dieser Sache eindeutig vorzuziehen wäre. Zwar wurde
in der Literatur zur Zeit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auch die
Gegenauffassung vertreten, die Richtlinie verbiete es, den Familienzuschlag nur
36
Verheirateten unter Ausschluss von eingetragenen Lebenspartnerschaften zu
gewähren (Powietzka, BB 2002, S. 146 <148>
;
in dieselbe Richtung – ohne sich ausdrücklich zum Familienzuschlag nach § 40
Abs. 1 Nr. 1 BBesG zu äußern - auch I. Schmidt, in: Kothe u.a. (Hrsg.), Festschrift für
Hellmut Wissmann, 2005, S. 80 <84>). Es lässt sich allerdings nicht feststellen, dass
diese Gegenauffassung der vom Bundesverwaltungsgericht gewählten Auslegung
eindeutig vorzuziehen wäre. Die Begründungserwägung Nr. 22 wird hier zum einen
so verstanden, dass sie im Zusammenhang mit der Bereichsausnahme des Art. 3
Abs. 3 der Richtlinie (Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme) und nicht
mit dem Arbeitsentgelt stehe (so Schmidt, a.a.O.). Dies ist eine mögliche Auslegung,
die jedoch nicht mit einer Begründung verbunden ist, die sie als der Auffassung des
Bundesverwaltungsgerichts eindeutig vorzugswürdig erscheinen ließe. Nach einer
anderen Auffassung kommt der Begründungserwägung Nr. 22 keine rechtliche
Bedeutung zu, da eine Ausnahmebestimmung im Richtlinientext selbst erforderlich
gewesen sei, um den Familienzuschlag vom Verbot der Diskriminierung wegen der
sexuellen Ausrichtung beim Arbeitsentgelt auszunehmen (Stüber, a.a.O.). Dieser
Ansicht steht allerdings EuGH-Rechtsprechung entgegen, die bei der Auslegung
einer Richtlinienvorschrift auch Einschränkungen berücksichtigt, die in den
Begründungserwägungen, nicht aber im Wortlaut der Richtlinienvorschrift enthalten
sind (vgl. EuGH, Urteil vom 20. September 2001 – Rs. C-184/99, Slg. 2001, I-6193
<6245>).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Hassemer
Di Fabio
Landau