Urteil des BVerfG vom 29.04.2015

Ablehnung eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts mangels hinreichender Erfolgsaussichten

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 804/14 -
In dem Verfahren
über
den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe
und Beiordnung eines Rechtsanwalts
1. des Herrn M…,
2. der Frau M…,
für eine beabsichtigte Verfassungsbeschwerde
I.
unmittelbar gegen
1.
den Beschluss des Bundesfinanzhofs
vom 6. Februar 2013 - IX S 13/12 -,
2.
den Beschluss des Bundesfinanzhofs
vom 6. Februar 2013 - IX S 5/13 -,
3.
den Beschluss des Bundesfinanzhofs
vom 22. November 2012 - IX S 13/12 -,
4.
den Beschluss des Bundesfinanzhofs
vom 2. Oktober 2012 - IX S 6/12 -,
5.
den Beschluss des Bundesfinanzhofs
vom 30. Mai 2012 - IX S 5/12 -,
6.
den Beschluss des Bundesfinanzhofs
vom 16. März 2012 - IX K 1/12 -,
7.
den Beschluss des Bundesfinanzhofs
vom 6. Dezember 2011 - IX S 19/11 -,
8.
den Beschluss des Bundesfinanzhofs
vom 8. Juni 2011 - IX K 1/11 -,
9.
den Beschluss des Bundesfinanzhofs
vom 8. Juni 2011 - IX S 11/11 -,
10.
den Beschluss des Bundesfinanzhofs
vom 6. Mai 2008 - IX S 12/08 -,
11.
den Beschluss des Bundesfinanzhofs
vom 6. Mai 2008 - IX B 254/07 -,
12.
den Beschluss des Bundesfinanzhofs
vom 19. Februar 2008 - IX S 31/07 PKH -,
II.
mittelbar gegen
§ 88 Zivilprozessordnung
hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Voßkuhle,
den Richter Landau
und die Richterin Hermanns
gemäß § 93d Abs. 2 Satz 1 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.
August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 29. April 2015 einstimmig beschlossen:
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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines
Rechtsanwalts wird abgelehnt.
G r ü n d e :
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines
Rechtsanwalts war mangels hinreichender Erfolgsaussichten abzulehnen.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist im Verfahren über
eine Verfassungsbeschwerde die Bewilligung von Prozesskostenhilfe an den
Beschwerdeführer entsprechend §§ 114 ff. ZPO grundsätzlich zulässig (vgl. BVerfGE
1, 109 <110 ff.>; 1, 415 <416>; 79, 252 <253>; 92, 122 <123>). Allerdings wird
Prozesskostenhilfe im schriftlichen Verfahren nur unter strengen Voraussetzungen
bewilligt, weil das Verfahren kostenfrei ist und kein Anwaltszwang besteht. Sie wird
daher nur gewährt, wenn der Beschwerdeführer nicht in der Lage ist, sich selbst zu
vertreten (vgl. BVerfGE 27, 57; 78, 7 <19>; 92, 122 <123>). Im Übrigen ist einer Partei,
die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der
Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe nur dann zu gewähren,
wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und
nicht mutwillig erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats
vom 9. Juli 2010 - 2 BvR 2258/09 -, juris).
2. Es kann dahinstehen, ob die Antragsteller nicht in der Lage sind, sich selbst zu
vertreten oder die Kosten der Prozessführung durch Beauftragung eines
Rechtsanwalts aufzubringen. Denn jedenfalls hat die von den Antragstellern
angekündigte Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg, da sie nicht mehr
innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 BVerfGG erhoben wäre.
a) Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 93 Abs. 1 BVerfGG binnen eines Monats
nach Zustellung oder formlosen Mitteilung der in vollständiger Form abgefassten
Entscheidung nicht nur einzulegen, sondern auch in einer § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92
BVerfGG genügenden Weise zu begründen (vgl. BVerfGE 81, 208 <214>; 99, 84
<87>). Die von den Antragstellern als zuletzt ergangen genannten Entscheidungen
des Bundesfinanzhofs vom 6. Februar 2013 sind ihnen nach eigenen Angaben am
21. Februar 2013 zugegangen, so dass die Monatsfrist in jedem Fall abgelaufen
wäre. Im Hinblick auf die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs im Verfahren der
Nichtzulassungsbeschwerde kommt es daher nicht darauf an, dass eine auf eine
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Wiederaufnahmeklage ergehende gerichtliche Entscheidung nicht geeignet ist, die
Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für die Einlegung der
Verfassungsbeschwerde gegen die im Vorprozess ergangene rechtskräftige
Entscheidung neu in Lauf zu setzen, da die Wiederaufnahmeklage nicht zum
Rechtsweg im Sinne von § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG gehört (vgl. BVerfG, Beschluss
der 1. Kammer des Ersten Senats vom 9. Oktober 1989 - 1 BvR 992/89 -, juris).
b) Der Vortrag der Antragsteller, dass ihnen selbst eine hinreichende Begründung
der Verfassungsbeschwerde nicht möglich sei, diese vielmehr durch den ihnen im
Wege der Prozesskostenhilfe beizuordnenden Rechtsanwalt erfolgen solle und sie
Wiedereinsetzung in gegebenenfalls versäumte Fristen beantragen würden, vermag
keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand wegen Versäumung der Monatsfrist gemäß § 93 Abs. 2 BVerfGG kommt nicht
in Betracht. Zwar kann es, soweit ein Beschwerdeführer nicht imstande ist, die
erforderlichen Mittel für die Beauftragung eines Rechtsanwalts aufzubringen, der ihn
im Verfassungsbeschwerdeverfahren vertreten soll, die Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand rechtfertigen, wenn der in der Mittellosigkeit liegende Hinderungsgrund
entfällt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 1. Juli 2002 -
2 BvR 578/02 -, juris). Im Falle der Mittellosigkeit kann Wiedereinsetzung nach
Gewährung von Prozesskostenhilfe aber nur dann gewährt werden, wenn die
mittellose Partei alles Zumutbare getan hat, um das bestehende Hindernis alsbald zu
beheben. Die Fristversäumung ist daher grundsätzlich nur dann unverschuldet, wenn
der Beschwerdeführer innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG alle für die
Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch wesentlichen Angaben und
Unterlagen vorlegt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom
7. Februar 2000 - 2 BvR 106/00 -, NJW 2000, S. 3344). Dazu gehört auch, dass er
entsprechend § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO wenigstens im Kern deutlich macht, welche
verfassungsrechtliche Beanstandung er gegen die mit der Verfassungsbeschwerde
angegriffenen Entscheidungen erheben will (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer
des Ersten Senats vom 20. Oktober 1993 - 1 BvR 1686/93 -, juris). Unverzichtbar ist
mithin jedenfalls eine einigermaßen plausible Minimalbegründung (vgl. BVerfG,
Nichtannahmebeschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 5. November 2013 -
1 BvR 2544/12 -, juris). Diesen Anforderungen wird der innerhalb der Frist des § 93
Abs. 1 Satz 1 BVerfGG gestellte Antrag vom 17. März 2013 in keiner Weise gerecht.
Er erschöpft sich insofern in der Benennung der als verletzt gerügten Grundrechte.
c) Soweit die Antragsteller ihren Antrag mit Schreiben vom 6. April 2014 weiter
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begründet haben und die zeitliche Verzögerung damit rechtfertigen, dass der
Antragsteller zu 1. an einer früheren Begründung krankheitsbedingt sowie aufgrund
der Komplexität der Rechtssache gehindert gewesen sei, kann eine
Wiedereinsetzung ebenfalls nicht gewährt werden. Es kann dabei dahinstehen, ob
auch hinsichtlich der im Rahmen des Verfahrens über einen Antrag auf Bewilligung
von Prozesskostenhilfe zu beachtenden Fristen die Vorschriften über die
Wiedereinsetzung nach § 93 Abs. 2 BVerfGG überhaupt zur Anwendung kommen
können. Denn selbst in diesem Fall haben die Antragsteller die versäumte Handlung
jedenfalls nicht innerhalb der Jahresfrist gemäß § 93 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG
nachgeholt.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Voßkuhle
Landau
Hermanns