Urteil des BVerfG vom 16.07.2001

unverletzlichkeit der wohnung, durchsuchung, verfassungsbeschwerde, erlass

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BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 791/01 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der Frau P...
gegen a) den Beschluss des Landgerichts Mühlhausen vom 8. März 2001 - 1 Qs 370/00
-,
b) den Beschluss des Amtsgerichts Eisenach vom 24. Oktober 2000 - 10 Gs
365/00 -
und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
gegen den Beschluss des Amtsgerichts Eisenach vom 30. März 2001 - 10 Gs 18/01 -
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterin Präsidentin Limbach
und die Richter Hassemer,
Mellinghoff
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom
11. August 1993 ( BGBl I S. 1473) am 16. Juli 2001 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Gründe:
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den die Beschlagnahme von
Unterlagen bestätigenden Beschluss des Amtsgerichts vom 30. März 2001 ist unzulässig.
Eine einstweilige Anordnung darf die Hauptsacheentscheidung grundsätzlich nicht
vorwegnehmen. Eine Ausnahme kommt nur in Betracht, wenn die Entscheidung in der
Hauptsache zu spät kommen würde und dem Antragsteller in anderer Weise ausreichender
Rechtsschutz nicht mehr gewährt werden könnte (vgl. BVerfGE 34, 160 <162 f.>; 67, 149
<151>). Dies hat die Beschwerdeführerin jedoch nicht substantiiert im Sinne des § 23 Abs. 1
Satz 2 BVerfGG vorgetragen. Sie hat weder dargelegt, welche ihr einzelkaufmännisches
Unternehmen betreffenden Unterlagen beschlagnahmt wurden, noch warum deren
Verfügbarkeit zur Abwendung eines "mehrwöchigen Totalausfalls der Geschäftstätigkeit"
erforderlich sein soll. Hierzu hätte es angesichts des Umstandes, dass nach dem
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vorgelegten Sicherstellungsverzeichnis lediglich sieben verschlossene Briefumschläge
sichergestellt wurden, von denen nur ein Teil die Firma der Beschwerdeführerin betraf,
näherer Ausführungen bedurft. Schließlich ist auch nicht ersichtlich, warum fachgerichtlicher
Rechtsschutz nicht rechtzeitig zu erreichen gewesen sein soll.
2. Die gegen die Durchsuchung gerichtete Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf
Erfolg. Die Beschwerdeführerin ist nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 13 GG verletzt.
Art. 13 Abs. 1 GG bestimmt die Unverletzlichkeit der Wohnung. Von diesem Schutz werden
a u c h Betriebs- und Geschäftsräume mit umfasst ( BVerfGE 44, 353 <371>). Der
verfassungsrechtlichen Bedeutung dieses Schutzes entspricht es, dass Art. 13 Abs. 2, 1.
Halbsatz GG die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vorbehält und
a u c h nach Abschluss der Durchsuchung der von der Maßnahme Betroffene die
Berechtigung des Grundrechtseingriffs im fachgerichtlichen Verfahren klären lassen kann;
d e r Zulässigkeit
einer
Beschwerde
gegen
eine ermittlungsrichterliche
Durchsuchungsanordnung steht deren Erledigung durch Vollzug der Maßnahme nicht
entgegen ( BVerfGE 96, 27 ff.). Im Beschwerdeverfahren überprüft das Beschwerdegericht
sodann bei Zulässigkeit des Rechtsmittels die angefochtene Entscheidung in vollem Umfang.
Es tritt an die Stelle des Erstrichters. Ist die angefochtene Entscheidung im Ergebnis nicht zu
beanstanden, so verwirft es die Beschwerde als unbegründet. Dies gilt auch dann, wenn die
angefochtene Entscheidung sich aus anderen Gründen als denjenigen, auf die das
Erstgericht abgestellt hatte, als zutreffend erweist (vgl. Engelhardt in: Karlsruher Kommentar,
StPO, 4. Aufl., § 309 Rn. 6 und 8). So lag der Fall hier. Das Landgericht hat lediglich die
rechtliche Begründung für den Durchsuchungsbeschluss, zu deren Beantragung der
Rentenversicherungsträger gemäß §§ 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG, §§ 28a, 111 Abs. 1
Nr. 2, 28p, 112 Abs. 1 Nr. 4a SGB IV zuständig war, ausgetauscht und im Übrigen die
Berechtigung der erfolgten Durchsuchung geprüft und festgestellt. Der ermittlungsrichterliche
Beschluss bezeichnete sowohl die Orte, an denen zu suchen war, als auch die
Gegenstände, nach denen gesucht werden sollte, hinreichend konkret. Seine unzutreffende
rechtliche Begründung hatte auf Art und Weise des Vollzugs der Maßnahme selbst keinen
Einfluss. Daher konnte sie auch nach erfolgter Durchsuchung im Rechtsmittelverfahren noch
korrigiert werden.
Auch im Übrigen liegt der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts hinsichtlich der
Durchsuchungsvoraussetzungen eine tragfähige Begründung zu Grunde. Eine ins Einzelne
gehende Nachprüfung ist nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts. Es kann nur
eingreifen, wenn die Auslegung und Anwendung der einfach-rechtlichen Bestimmungen über
die Durchsuchungsvoraussetzungen objektiv willkürlich sind oder Fehler erkennen lassen,
die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der Grundrechte der Beschwerdeführerin
beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 ff.> und stRspr). Dies ist jedoch nicht der Fall.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Limbach
Hassemer
Mellinghoff