Urteil des BVerfG vom 28.10.2012

körperliche unversehrtheit, unterbringung, recht auf leben, verfassungsbeschwerde

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 737/11 -
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn A...
gegen a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock vom 3. März 2011 - I Ws
45/11 -,
b) den Beschluss des Landgerichts Stralsund vom 9. Dezember 2010 - 21
Ks 2/10 -
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterin Lübbe-Wolff
den Richter Huber
und die Richterin Kessal-Wulf
am 28. Oktober 2012 einstimmig beschlossen:
Die Beschlüsse des Landgerichts Stralsund vom 9. Dezember 2010 - 21 Ks 2/10 -
und des Oberlandesgerichts Rostock vom 3. März 2011 - I Ws 45/11 - verletzen
den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 und Artikel
19 Absatz 4 des Grundgesetzes, soweit sie die Beeinträchtigung des
Beschwerdeführers durch das Rauchen zweier Mitgefangener betreffen.
Die Beschlüsse werden insoweit aufgehoben, und die Sache wird an das Landgericht
Stralsund zurückverwiesen.
Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat dem Beschwerdeführer die notwendigen
Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe:
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I.
Die
Verfassungsbeschwerde
betrifft
die Beeinträchtigung
eines
Untersuchungsgefangenen durch das Rauchen von Mitgefangenen im Haftraum.
Soweit die angegriffenen Entscheidungen noch Weiteres zum Gegenstand hatten,
beanstandet der Beschwerdeführer sie ausdrücklich nicht.
1. Der Beschwerdeführer, ein Nichtraucher, wurde am 27. Februar 2010 als
Untersuchungsgefangener in der Justizvollzugsanstalt Stralsund in einem Drei-
Personen-Haftraum mit zwei rauchenden Mitgefangenen untergebracht. Am 3. März
2010 wurden die beiden rauchenden Gefangenen in einen anderen Haftraum verlegt,
und der Beschwerdeführer wurde gemeinsam mit einem Nichtraucher untergebracht.
2. Unter dem 29. November 2010 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf
gerichtliche Entscheidung beim Landgericht Stralsund. Er beantragte unter anderem
die Feststellung, dass die „Zulassung der Zufügung von körperlichen Schmerzen
durch gesundheitsgefährdende Stoffe“ rechtswidrig gewesen sei. Die beiden
Mitgefangenen hätten stark geraucht, sogar mehrmals während der Nacht. Aufgrund
des Rauches habe er bereits nach der ersten Nacht starke Kopfschmerzen
bekommen, die trotz Schmerztabletten angehalten hätten. Auf seinen Hinweis, dass
die Zustände im Haftraum für ihn unhaltbar seien, sei zunächst nichts unternommen
worden. Er sei genötigt worden, gesundheitsgefährdende Stoffe zu inhalieren,
wodurch ihm körperliche Schmerzen zugefügt worden seien. Eine Zustimmung zu
einer gemeinsamen Unterbringung habe er nicht erteilt.
Zu dem Antrag nahm die Justizvollzugsanstalt Stellung. Nach Hinweisen der Polizei
sei von der Gefahr der Selbsttötung oder -verletzung ausgegangen worden, so dass
z u m Schutz des Beschwerdeführers eine Unterbringung in Gemeinschaft sowie
Kontrollen verfügt worden seien. Die kurzzeitige Unterbringung auf einem Haftraum
mit Rauchern sei in der zeitweiligen Belegungssituation der Justizvollzugsanstalt
begründet gewesen. Die Notwendigkeit der Gemeinschaftsunterbringung sei vom
psychologischen Fachdienst bis zum 7. April 2010 aufrechterhalten worden; seitdem
sei der Beschwerdeführer allein untergebracht.
3. Mit angegriffenem Beschluss vom 9. Dezember 2010 wies das Landgericht den
Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurück. Der Antrag sei, soweit die Feststellung
der Rechtswidrigkeit der gemeinsamen Unterbringung mit Rauchern begehrt werde,
unbegründet. Zwar seien die Untersuchungsgefangenen gemäß § 13 Abs. 1 UVollzG
M.-V. während der Ruhezeiten grundsätzlich getrennt und nur mit ihrer Zustimmung
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gemeinsam unterzubringen. Ihre Zustimmung sei aber bei Gefahr für Leib oder Leben
entbehrlich. Bei dem Beschwerdeführer sei vom psychologischen Fachdienst die
Gefahr der Selbsttötung oder Selbstverletzung erkannt worden. Dies habe eine
Gemeinschaftsunterbringung notwendig gemacht. Die Aufteilung der Belegung der
einzelnen Zelle obliege der Justizvollzugsanstalt in eigener Zuständigkeit. Dabei
habe sie zwar grundsätzlich im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten darauf zu
achten, dass ein Nichtraucher nicht in einen Haftraum mit Rauchern gelegt werde.
Sollte dies aufgrund der jeweiligen Belegungssituation aber nicht sofort zu realisieren
sein, so müsse die Möglichkeit einer kurzfristigen anderweitigen Unterbringung
bestehen.
4. Gegen diesen Beschluss legte der Beschwerdeführer Beschwerde ein. Weder ein
Hinweis der Polizei zu einer Selbsttötungs- oder -verletzungsgefahr noch die von der
Justizvollzugsanstalt nicht belegte Belegungssituation rechtfertigten einen Eingriff in
das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit und die Gefährdung und Schädigung
seiner Gesundheit. Wenn die Justizvollzugsanstalt den Hinweis der Polizei, die zur
Stellung einer solchen Diagnose weder kompetent noch qualifiziert sei,
ernstgenommen hätte, wäre es ihre Pflicht gewesen, ihn einem Arzt vorzustellen.
Hierauf habe die Justizvollzugsanstalt aber verzichtet; dem psychologischen
Fachdienst sei er erst nach zwei Tagen vorgestellt worden. Einen weiteren Tag
später sei er einem Arzt zur Aufnahmeuntersuchung vorgestellt worden. Dieser habe
die angeblichen Selbsttötungs- oder -verletzungsabsichten sofort verneint. § 52 Abs.
2 UVollzG M.-V. bestimme, dass, wenn der seelische Zustand eines
Untersuchungsgefangenen Anlass zu einer Sicherungsmaßnahme gebe, vorher eine
ärztliche Stellungnahme einzuholen sei. Zur Belegungssituation habe die
Justizvollzugsanstalt nur unzureichend und ohne Beleg vorgetragen. Die später
e r f o l g t e Zusammenlegung
mit
einem
anderen,
nicht
rauchenden
Untersuchungsgefangenen hätte auch sofort, nicht erst nach vier Tagen, erfolgen
können. Es sei unklar, wie die Justizvollzugsanstalt zu ihrer Aussage komme, die
Belegungssituation habe die Form der Unterbringung erfordert.
5. Mit angegriffenem Beschluss vom 3. März 2011 verwarf das Oberlandesgericht
die Beschwerde „aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses“ als
unbegründet.
II.
1. Mit seiner am 1. April 2011 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der
Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2, Art. 20 Abs. 3,
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Art. 103 Abs. 1 und Art. 104 Abs. 1 GG sowie von Art. 3 EMRK. Die gemeinsame
Unterbringung mit zwei Rauchern sei weder im Hinblick auf die Belegungssituation
noch im Hinblick auf die angebliche Selbsttötungsgefahr erforderlich gewesen. Die
Gerichte hätten den dürftigen Vortrag der Justizvollzugsanstalt einer Überprüfung
unterziehen müssen. Sie hätten sich nicht mit dem Ermittlungsgrundsatz, dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dem Übermaßverbot sowie dem Ausschluss von
unmenschlicher Behandlung und dem Willkürverbot auseinandergesetzt.
2. Das Justizministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern hat von der
Gelegenheit zur Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht.
III.
Die Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen, weil dies zur
Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2
Buchstabe
b
BVerfGG).
Die
Voraussetzungen
für
eine stattgebende
Kammerentscheidung (§ 93c Abs. 1 BVerfGG) liegen vor. Die für die Beurteilung der
Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze sind
durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt. Danach ist die
Verfassungsbeschwerde zulässig und in einem die Kammerzuständigkeit
begründenden Sinne (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG) offensichtlich begründet.
1. Der Zulässigkeit der fristgemäß eingegangenen Verfassungsbeschwerde steht
nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer zwischenzeitlich zur Verbüßung von
Strafhaft in eine andere Justizvollzugsanstalt verlegt worden ist. Bei gewichtigen
Grundrechtseingriffen ist vom Fortbestehen des Rechtsschutzbedürfnisses im
Verfassungsbeschwerdeverfahren auch dann auszugehen, wenn sich die direkte
Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt auf eine Zeitspanne beschränkt, in der
der Betroffene nach dem regelmäßigen Geschäftsgang eine Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts kaum erlangen konnte (vgl. BVerfGE 117, 244 <268> ;
BVerfGK 11, 54 <59>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 24.
Januar 2008 - 2 BvR 1661/06 -, juris). Gewichtig im hier maßgeblichen Sinne können
neben Grundrechtseingriffen, die das Grundgesetz unter Richtervorbehalt gestellt hat
(vgl. BVerfGE 96, 27 <40>; 104, 220 <233>; 117, 244 <269> ), auch Eingriffe in
andere Grundrechte sein (vgl. nur BVerfGE 110, 77 <86>; BVerfGK 11, 54 <59>;
BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. März 2012 - 2 BvR
988/10 -, juris, m.w.N.).
Danach kann dem Beschwerdeführer ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse
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nicht
abgesprochen werden. Wegen der typischerweise kurzen Dauer der
Untersuchungshaft kann ein Untersuchungsgefangener nach dem regelmäßigen
Geschäftsgang eine stattgebende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu
Maßnahmen in deren Vollzug nicht erlangen, während die Untersuchungshaft noch
andauert. Entfiele das Rechtsschutzbedürfnis für Verfassungsbeschwerden, die
Maßnahmen im Vollzug der Untersuchungshaft betreffen, jeweils mit dem Übergang
d e s Betroffenen in die Strafhaft oder mit einer aufgrunddessen erfolgenden
Verlegung, so fiele ein wirksamer verfassungsgerichtlicher Grundrechtsschutz in
diesem Bereich weitgehend aus (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten
Senats vom 15. November 2010 - 2 BvR 1183/09 -, juris). Auf die im fachgerichtlichen
Verfahren zu berücksichtigende Frage, ob Beeinträchtigungen durch das Rauchen
von im selben Haftraum untergebrachten Mitgefangenen sich darüber hinaus generell
oder in der Justizvollzugsanstalt, in der der Beschwerdeführer untergebracht ist, auch
unabhängig von der Dauer der Untersuchungshaft typischerweise - etwa wegen
gezielter Erledigung zur Aufrechterhaltung einer Praxis, die gerichtlicher Überprüfung
nicht standhalten kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats
vom 2. März 2011 - 2 BvR 576/09 -, juris, Rn. 4) - binnen so kurzer Frist erledigen,
dass der Betroffene auch eine fachgerichtliche Entscheidung vor dem Zeitpunkt der
Erledigung nicht erlangen kann, kommt es daher für die Frage eines fortbestehenden
Rechtsschutzbedürfnisses im vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht
an. In Anbetracht des Gewichts des vom Beschwerdeführer gerügten Eingriffs (s.
unter 2.a)) entfällt das Rechtsschutzbedürfnis auch nicht deshalb, weil der gerügte
Grundrechtseingriff nicht die erforderliche Schwere erreichte.
2. Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet.
a) Der angegriffene Beschluss des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer
in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.
aa) Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG schützt das Leben und die körperliche Unversehrtheit.
Angesichts der jedenfalls bei unentrinnbarem gemeinsamen Aufenthalt auf engem
Raum nicht nur erheblich belästigenden, sondern auch - zumindest nicht
ausschließbaren - gesundheitsgefährdenden Wirkungen des Passivrauchens (vgl.
BVerfGE 95, 173 <184 f.>; 121, 317 <350 ff.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des
Ersten Senats vom 9. Februar 1998 - 1 BvR 2234/97 -, NJW 1998, S. 2961 <2962>)
kann darin, dass ein Gefangener auf seinem Haftraum ohne seine Zustimmung dem
Rauchen eines Mitgefangenen ausgesetzt wird, ein Grundrechtseingriff von
erheblichem Gewicht liegen (vgl. BVerfGK 13, 67 <68>). Der Gefangene hat
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Anspruch auf Schutz vor Gefährdung und erheblicher Belästigung durch das
Rauchen von Mitgefangenen und Aufsichtspersonal (vgl. BVerfGK 13, 67 <68>;
BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Oktober 2008 - 2 BvR
1203/07 - juris; aus der fachgerichtlichen Rechtsprechung OLG Celle, Beschluss vom
1. Juni 2004 - 1 Ws 102/04 -, NJW 2004, S. 2766 <2767>; OLG Frankfurt, Beschluss
vom 12. September 1988 - 3 Ws 402/88 -, NStZ 1989, S. 96; OLG Hamm, Beschluss
vom 26. Juli 1984 - 1 Vollz (Ws) 120/84 -, NStZ 1984, S. 574 <575>; OLG Nürnberg,
Beschluss vom 9. September 2008 - 2 Ws 416/08 -, juris; LG Detmold, Urteil vom 2.
November 2006 - 9 O 163/05 -, juris). Demnach lag hier ein erheblicher Eingriff in das
Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG vor, denn nach dem unwidersprochenen
Vortrag des Beschwerdeführers war dieser als Nichtraucher gegen seinen Willen für
mehrere Tage mit zwei stark rauchenden Mitgefangenen in einem Haftraum
untergebracht.
bb) Gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG darf in das Recht auf Leben und körperliche
Unversehrtheit nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden. Die vom
Landgericht herangezogene Vorschrift des § 13 Abs. 1 Satz 3 UVollzG M.-V., nach
der bei einer Gefahr für Leben oder Gesundheit oder bei Hilfsbedürftigkeit eine
gemeinsame Unterbringung von Untersuchungsgefangenen während der Ruhezeiten
auch
ohne
die
Zustimmung
des
gefährdeten
oder hilfsbedürftigen
Untersuchungsgefangenen möglich ist, stellt keine Rechtsgrundlage für den hier zu
beurteilenden, in der gemeinsamen Haftraumunterbringung des Beschwerdeführers
gerade mit mehreren rauchenden Mitgefangenen liegenden Eingriff in das Grundrecht
auf körperliche Unversehrtheit dar.
Das Landgericht hat zudem jedenfalls bei der Anwendung der als Eingriffsgrundlage
herangezogenen Norm die Bedeutung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG
dadurch verkannt, dass es die gemeinsame Unterbringung des Beschwerdeführers
mit zwei Rauchern als rechtmäßig bewertet hat, ohne die Verhältnismäßigkeit des
Eingriffs zu prüfen, wie dies bei der angenommenen grundsätzlichen Nutzbarkeit des
§ 13 Abs. 1 Satz 3 UVollzG M.-V. als Eingriffsgrundlage oder bei Anwendung anderer
Vorschriften, deren Heranziehung hätte erwogen werden können (§ 4 Abs. 2 UVollzG
M.-V.), geboten gewesen wäre.
(1) Schon der Frage, ob der Eingriff erforderlich war, ist das Landgericht nicht in der
gebotenen Weise nachgegangen.
Die fachgerichtliche Überprüfung grundrechtseingreifender Maßnahmen kann die
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rechtsstaatlich gebotene Beachtung des geltenden Rechts und den effektiven Schutz
der berührten materiellen Rechte nur gewährleisten, wenn sie auf zureichender
Aufklärung des jeweiligen Sachverhalts beruht (vgl. BVerfGE 101, 275 <294 f.>;
BVerfGK 4, 119 <127 f.>; 13, 487 <493>). Dies gilt auch für die gerichtliche
Überprüfung grundrechtseingreifender Maßnahmen im Strafvollzug. Die materiell
berührten Grundrechte - hier Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG -, das Grundrecht aus Art. 19
Abs. 4 GG und das Rechtsstaatsprinzip sind verletzt, wenn grundrechtseingreifende
Maßnahmen
im
Strafvollzug
von
den Gerichten
ohne
zureichende
Sachverhaltsaufklärung als rechtmäßig bestätigt werden (vgl. BVerfGK 9, 390 <395>;
9, 460 <463 f.>, BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Juli
2010 - 2 BvR 2518/08 -, juris, und vom 26. Oktober 2011 - 2 BvR 1539/09 -, juris). An
der demnach gebotenen Sachverhaltsaufklärung fehlt es hier. Das Landgericht hat
angenommen, dass die gemeinsame Unterbringung des Beschwerdeführers mit
einem oder mehreren Nichtrauchern aufgrund der Belegungssituation nicht möglich
gewesen sei. Dies hat es aus der Angabe der Justizvollzugsanstalt gefolgert, die
Unterbringung auf einem Haftraum mit Rauchern sei in der zeitweiligen
Belegungssituation der Justizvollzugsanstalt begründet gewesen. Die Stellungnahme
der Justizvollzugsanstalt enthielt jedoch noch nicht einmal eine ausdrückliche
Feststellung
des Inhalts, dass in einer gemeinsamen Unterbringung des
Beschwerdeführers mit zwei rauchenden Mitgefangenen tatsächlich - auch unter
Berücksichtigung der Möglichkeit einer vorübergehenden anstaltsinternen Verlegung
anderer Gefangener - die einzige Möglichkeit der sicheren Unterbringung des
Beschwerdeführers bestand, geschweige denn eine Begründung, die dies plausibel
gemacht hätte.
(2) Das Landgericht hat sich zudem einer näheren Prüfung der Zumutbarkeit des
Eingriffs in der unzutreffenden Annahme verschlossen, Grundrechtseingriffe, die
durch die faktischen Verhältnisse in der jeweiligen Justizvollzugsanstalt bedingt sind,
seien vom Gefangenen ohne weiteres hinzunehmen. Die Art und Weise der
Unterbringung des Beschwerdeführers hat es mit der Begründung gebilligt, dass eine
solche Unterbringung möglich sein müsse, wenn aufgrund der gegebenen
Belegungssituation eine von Rauchern getrennte Unterbringung nicht sofort zu
realisieren sei.
Diese Begründung verkennt, dass nicht beliebige Einschränkungen damit
gerechtfertigt werden können, die gegebene Ausstattung der Justizvollzugsanstalt
lasse nichts anderes zu. Grundrechte bestehen nicht nur nach Maßgabe dessen, was
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an Verwaltungseinrichtungen im konkreten Fall oder üblicherweise vorhanden ist
(vgl. BVerfGE 15, 288 <296>; 34, 369 <380 f.>; 35, 307 <310> ; BVerfGK 13, 163
<166>, m.w.N.). Vielmehr stellt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der den
Vollzug der Untersuchungshaft in besonderem Maße beherrschen muss (vgl.
BVerfGE 34, 369 <380>; 35, 5 <9 >; 35, 307 <309> ; BVerfGK, a.a.O.), auch
Anforderungen an die Ausstattung der Justizvollzugsanstalten. Es ist Sache des
Staates, im Rahmen des Zumutbaren alle Maßnahmen zu treffen, die geeignet und
nötig sind, um Verkürzungen der Rechte von Untersuchungsgefangenen zu
vermeiden; die dafür erforderlichen sächlichen und personellen Mittel hat er
aufzubringen, bereitzustellen und einzusetzen (vgl. BVerfGE 36, 264 <275>; 42, 95
<101 f.> ; BVerfGK 13, 163 <168 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten
Senats vom 26. Oktober 2011 - 2 BvR 1539/09 -, juris, a.a.O., m.w.N.).
b) Nach alledem verletzt auch der Beschluss des Oberlandesgerichts, der sich auf
die für zutreffend erachteten Gründe des angegriffenen Beschlusses des
Landgerichts stützt, die Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1
und Art. 19 Abs. 4 GG.
IV.
1.
Die
angegriffenen
Beschlüsse
beruhen
auf den
festgestellten
Grundrechtsverstößen. Sie sind daher gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben; die
Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen.
2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Lübbe-Wolff
Huber
Kessal-Wulf