Urteil des BVerfG vom 29.04.2004

verfassungsbeschwerde, strafvollstreckung, erlass, vollstreckungsverjährung

- Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Peter Weitzdörfer,
Mozartstraße 15, 80336 München -
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BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 726/04 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des rumänischen Staatsangehörigen O...
gegen a) den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 26. März 2004
- OLG Ausl. 38/04 (25/04) -,
b) den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 22. März 2004
- OLG Ausl. 38/04 (25/04) -
und
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die
Richter
Broß,
Di Fabio
und Gerhardt
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung
vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 29. April 2004 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Gründe:
1. a) Der Beschwerdeführer ist rumänischer Staatsangehöriger. Mit Urteil vom
10. April 1991 hat ihn das Gericht von Neamt zu einer Freiheitsstrafe von sieben
Jahren verurteilt. Er befindet sich seit dem 13. März 2003 in deutscher
Auslieferungshaft.
Der
Festnahme
liegt
ein Auslieferungsersuchen des
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Justizministeriums der Republik Rumänien zu Grunde, mit dem seine Überstellung
zum Zweck der Strafvollstreckung beantragt wurde. Das Oberlandesgericht München
erklärte die Auslieferung des Beschwerdeführers mit Beschlüssen vom 22. und 26.
März 2004 für zulässig. Rechtsgrundlage der Auslieferung ist unter anderem das
Europäische Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 – EuAlÜbk -,
dem sowohl Deutschland als auch Rumänien beigetreten sind.
b) Mit seiner fristgemäß erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der
Beschwerdeführer insbesondere eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 1, Art. 2
Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 104 GG. Unter anderem macht er den Einwand
geltend, dass am 2. April 2004 die Strafvollstreckung aus dem Urteil des Gerichts
Neamt vom 10. April 1991 nach den Rechtsvorschriften des ersuchenden
rumänischen Staates verjährt sei, sodass die Auslieferung nach Art. 10 EuAlÜbk nicht
hätte bewilligt werden dürfen. Der Beschwerdeführer beruft sich auch auf einen
Beschluss des Gerichts Neamt vom 14. April 2004, nach dem die
Vollstreckungsverjährung eingetreten sein soll.
2. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie
– zumindest derzeit – keine Aussicht auf Erfolg hat.
a) Auch wenn am 2. April 2004 die Strafvollstreckung aus dem Urteil des Gerichts
Neamt vom 10. April 1991 verjährt sein sollte, verletzen die Beschlüsse des
Oberlandesgerichts den Beschwerdeführer weder in seinen ausdrücklich gerügten
Grundrechten noch in Art. 3 Abs. 1 GG. Zum Zeitpunkt der Beschlüsse vom 22. und
26. März 2004 war auch nach Auffassung des Beschwerdeführers die Vollstreckung
aus dem Urteil des Gerichts von Neamt noch nicht verjährt, sodass das
Oberlandesgericht Art. 10 EuAlÜbk jedenfalls ohne Verfassungsverstoß angewandt
hat. Ein etwaiger Eintritt der Vollstreckungsverjährung kann nicht dazu führen, dass
die Entscheidungen des Oberlandesgerichts nachträglich verfassungswidrig werden.
b) Der Beschwerdeführer bleibt aber nicht schutzlos, wenn am 2. April 2004 eine
Verjährung der Strafvollstreckung nach rumänischem Strafrecht eingetreten sein
sollte, sodass Art. 10 EuAlÜbk einer Auslieferung entgegensteht. Er kann sich mit
diesem Einwand nur nicht unmittelbar an das Bundesverfassungsgericht wenden.
D e r Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde verlangt neben der
Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinn (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG), dass
d e r Beschwerdeführer alle bestehenden Möglichkeiten nutzt, um die behauptete
Grundrechtsverletzung zu verhindern oder zu beseitigen (BVerfGE 70, 180 <185>; 73,
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322 <325>; 84, 203 <208>). Hierzu zählt auch das Verfahren nach § 33 IRG
(Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom
29. Oktober 1990 - 2 BvR 303/89 -, NJW 1991, S. 1671
;
des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1996 – 2
BvR 2407/96 -, veröffentlicht in JURIS). Da der Eintritt der Verjährung einen Umstand
im Sinne des § 33 Abs. 1 IRG darstellt, muss zunächst nochmals das
Oberlandesgericht entscheiden. Es prüft, ob die Auffassung des Beschwerdeführers
zutrifft, dass die Verjährungsfrist ohne eine Unterbrechung abgelaufen ist. Im Rahmen
d e s Verfahrens berücksichtigt das Oberlandesgericht auch den Beschluss des
Gerichts von Neamt vom 14. April 2004. Dem Grundsatz der Subsidiarität
entsprechend hat sich der Beschwerdeführer im Übrigen wegen des Eintritts der
Verjährung mit Schriftsätzen vom 2. und 6. April 2004 selbst an das
Oberlandesgericht gewandt.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG
abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Broß
Di Fabio
Gerhardt