Urteil des BVerfG vom 21.05.2004
freiheit der person, recht auf freiheit, körperliche unversehrtheit, verfassungsbeschwerde
- Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Christof Püschel,
Aduchtstraße 7, 50668 Köln -
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 715/04 -
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn K ...
gegen a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 9. März 2004 - 2 Ws
32/04 -,
b) den Beschluss des Landgerichts Köln vom 29. Dezember 2003 - 102 -
65/03 -
und
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten Hassemer,
die Richterin Osterloh
und den Richter Mellinghoff
gemäß § 93c in Verbindung mit § 93a Absatz 2 Buchstabe b BVerfGG in der Fassung
der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 21. Mai 2004
einstimmig beschlossen:
1.  Die Beschlüsse des Landgerichts Köln vom 29. Dezember 2003 - 102 - 65/03 -
und des Oberlandesgerichts Köln vom 9. März 2004 - 2 Ws 32/04 - verletzen
das Grundrecht des Beschwerdeführers auf Freiheit der Person aus Artikel 2
Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Die Sache wird
an das Landgericht Köln zurückverwiesen.
2.  Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer die im
Verfassungsbeschwerde-Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu
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erstatten.
Gründe:
Die  Verfassungsbeschwerde  betrifft  die Verhältnismäßigkeit  einer  mehrtägigen
stationären Untersuchung nach § 81 a StPO zur Feststellung der Erektionsfähigkeit
mittels einer sogenannten Nachtschlafuntersuchung.
I.
Gegen den 81jährigen Beschwerdeführer ist ein Ermittlungsverfahren anhängig. Ihm
wird vorgeworfen, im Juli und August 2003 Vergewaltigungen begangen zu haben. Im
Ermittlungsverfahren  hat  der  Beschwerdeführer,  der  die Vorwürfe  bestreitet,  sich
dahin  eingelassen,  er  leide  seit mehreren  Jahren  an  Diabetes  und  sei
krankheitsbedingt erektionsunfähig.
Das  Landgericht  ordnete  vor  der  Entscheidung über  die  Eröffnung  des
Hauptverfahrens  nach  §  202  StPO die  stationäre  Untersuchung  des
Beschwerdeführers auf seine Erektions- und Ejakulationsfähigkeit für eine Dauer von
bis zu sieben Tagen an. Der Beschluss enthielt keine Begründung.
Mit  seiner  dagegen  eingelegten  Beschwerde rügte  der  Beschwerdeführer  u.a.  die
Unverhältnismäßigkeit  der angeordneten  Maßnahme.  Diese  stelle  ein  völlig
ungeeignetes Beweismittel dar, jedenfalls wenn sie unter Zwang durchgeführt werde.
Das  Landgericht  half  der  Beschwerde  mit der  Begründung,  die  Untersuchung  sei
angesichts der Einlassung des Beschwerdeführes erforderlich, nicht ab.
Das  Oberlandesgericht  holte  vor  seiner Beschwerdeentscheidung  bei  dem  vom
Landgericht  bestimmten Sachverständigen Erkundigungen über Art und Umfang der
erforderlichen Untersuchung ein. Dieser teilte im Wesentlichen mit:
"Bisher  haben  wir  keinen  einzigen  Fall  gehabt, bei  dem
Untersuchungen  gegen  den  Willen  des  zu  Begutachtenden
durchgeführt  wurden.  ...  Die  Erektions-  und Ejakulationsfähigkeit
können wir nur mit gewissen Einschränkungen bestimmen, vor allem
ist  die Untersuchungssituation  nicht  gleichzusetzen  mit  der  im
wirklichen Leben. Bei der Ejakulation können wir im Grunde nur im
Ausschlussverfahren  vorgehen.  ...  Wir  sind  auch  auf die
anamnestischen  Angaben  des  Patienten  angewiesen.  ...  Bei der
Erektionsfähigkeit haben wir etwas günstigere Voraussetzungen, wir
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bedienen uns vor allem folgender Untersuchungen:
-  Ultraschalluntersuchung  des  Penis  und  der Penisdurchblutung
(nicht invasiv)
-
Herbeiführen
einer
Erektion
durch
Einspritzen von
gefäßerweiternden Medikamenten in den Penis
-  Nachtschlafuntersuchungen  mit  Aufzeichnung der  spontanen,
nächtlichen  Erektionen  (hierzu  ist  ein 2-3tägiger  nächtlicher
Aufenthalt im KH nötig)."
Ergänzend  erläuterte  der  Sachverständige,  eine Untersuchung  durch  Einspritzen
gefäßerweiternder  Medikamente dürfte  beim  Beschwerdeführer  nicht  in  Betracht
kommen.
Eine Ultraschalluntersuchung
in
Verbindung
mit
einer
Nachtschlafuntersuchung sei grundsätzlich geeignet, die Frage der Erektionsfähigkeit
zu klären. Eine Ultraschalluntersuchung allein dürfte hierfür nicht ausreichen. Bei der
Nachtschlafuntersuchung würden etwaige nächtliche Erektionen aufgezeichnet, wozu
dem  Betroffenen  ein Bändchen um den Penis gelegt werde, das dessen Spannung
aufnehme.  Die  Daten  würden  durch  ein  Erektometer aufgezeichnet.  Eine  solche
Untersuchung sei zwar auch gegen den Willen des Betroffenen möglich, jedoch sei
dabei dessen Kooperationsbereitschaft wesentlich.
Der  Beschwerdeführer  erklärte  hierzu,  er  sei nicht  bereit,  an  den  Untersuchungen
mitzuwirken.  Er beabsichtige auch nicht, in der Uniklinik zu schlafen, denn dies sei
von seiner ihm gemäß § 81 a StPO obliegenden Duldungspflicht nicht umfasst. Die
Ausführungen  des Sachverständigen  seien  zudem  widersprüchlich.  Wenn  die
Nachtschlafuntersuchung  auch  gegen  seinen  Willen  durchgeführt werden  könne,
könne seine Kooperationsbereitschaft nicht wesentlich sein. Zudem sei fraglich, ob es
sich  bei  einer solchen  Untersuchung  gegen  seinen  Willen  um  eine  in  den
Fachkreisen  allgemein  und  zweifelsfrei  als  richtig  und zuverlässig  eingestufte
Methode handele, der nach dem erreichten Forschungsstand Beweiswert zukomme.
Da  der Sachverständige  insoweit  keine  Erfahrungen  gemacht  habe, müsse  die
Beweiseignung der Untersuchung zumindest durch wissenschaftliche Publikationen
belegt werden können.
Das  Oberlandesgericht  verwarf  die  Beschwerde mit  der  Maßgabe,  dass  die
Untersuchung  auf  die Erektionsfähigkeit  des  Beschwerdeführers  beschränkt  werde,
die Dauer der stationären Untersuchung drei Tage nicht übersteigen dürfe und keine
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Untersuchungsmethoden (insbesondere  Injektionen)  eingesetzt  werden  dürften,
durch die  die  körperliche  Unversehrtheit  des  Beschwerdeführers beeinträchtigt
werde. Der Senat führte aus, es spreche aus seiner Sicht einiges dafür, dass es der
körperlichen Untersuchung  des  Beschwerdeführers  angesichts  der  gesamten
Beweislage nicht unbedingt bedürfe und dem Ergebnis angesichts des seit der Tat
verstrichenen Zeitraums allenfalls ein eingeschränkter Beweiswert zukomme.
Dies  könne  der  Beschwerde  jedoch  nicht  zum Erfolg  verhelfen,  denn
Prüfungsmaßstab  für  den  Senat  sei allein  die  Frage,  ob  durch  den  Vollzug  der
angefochtenen Entscheidung  Grundrechte  des  Beschwerdeführers  verletzt würden.
Damit  sei  die  Prüfung  der  Zweckmäßigkeit  der Beweisanordnung  nicht  verbunden.
Unzulässig
sei
die Untersuchung  des  Beschwerdeführers  auf  seine
Ejakulationsfähigkeit,  denn  hierfür  sei  seine  Mitwirkung erforderlich.  Hingegen
bestünden
keine
rechtlichen
Bedenken gegen  die  Untersuchung  der
Erektionsfähigkeit mittels Ultraschalluntersuchung und der Nachtschlafuntersuchung.
D i e Nachtschlafuntersuchung  verletze  den  Beschwerdeführer  nicht in  seiner
Menschenwürde, denn es handele sich um eine Messung der reinen Körperfunktion,
hingegen ermögliche die Untersuchung keine Ermittlung der sexuellen Wünsche des
Betroffenen.  Der  Beschwerdeführer  sei  auch  verpflichtet,  den mit  der  Untersuchung
notwendigerweise  verbundenen  stationären Aufenthalt  zu  dulden,  wobei  nur  ein
maximal  dreitägiger Aufenthalt  erforderlich  und  damit  die  darüber  hinausgehende
Anordnung  durch  das  Landgericht  unverhältnismäßig  sei.  Die Möglichkeit,
Widerstand  etwa  durch  Fixierung  an  das  Bett  zu brechen,  führe  nicht  zur
Unzulässigkeit  der  Untersuchung. Allerdings  dürften  keine  Medikamente  zur
Erzwingung des Schlafs verabreicht werden.
II.
1. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen den
Beschluss
des Landgerichts  sowie  die  Beschwerdeentscheidung  des
Oberlandesgerichts
und
rügt
die
Verletzung
seiner
Grundrechte und
grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2
Satz  2  GG, Art. 104 GG sowie einen Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot
hinsichtlich der stationären Untersuchung.
a)  Die  für  die  Nachtschlafuntersuchung erforderliche  Unterbringung  in  einem
Krankenhaus  stelle  eine Freiheitsentziehung im Sinne der Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG,
Art. 104 Abs. 2 GG dar, ohne dass hierfür eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage
bestehe. § 81 a StPO sei keine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage für
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eine Freiheitsentziehung.
b)  Ferner  verletze  ihn  die  Anordnung  der Nachtschlafuntersuchung  in  seiner
Menschenwürde
aus Art.  1  Abs.  1  GG  und  in  seinem  allgemeinen
Persönlichkeitsrecht  aus  Art.  2  Abs.  1  GG,  denn  es  gehe bei  der
Nachtschlafuntersuchung  um  das  Sichtbarmachen unbewusster  und  ungesteuerter
Vorgänge.
c)  Schließlich  verstoße  die  Maßnahme  gegen  den vom  Rechtsstaatsgebot
umfassten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
2. Das Land Nordrhein-Westfalen hat von einer Stellungnahme abgesehen.
III.
Die  Verfassungsbeschwerde  wird  zur Entscheidung  angenommen,  weil  dies  zur
Durchsetzung  der Rechte  des  Beschwerdeführers  angezeigt  ist  (§  93a  Abs.  2
Buchstabe  b  BVerfGG).  Die  Verfassungsbeschwerde  ist  in  einer die
Entscheidungszuständigkeit  der  Kammer  ergebenden  Weise offensichtlich
begründet. Die für die Beurteilung maßgeblichen Fragen sind beantwortet (§ 93c Abs.
1 Satz 1 BVerfGG).
1. Der Grundsatz der Subsidiarität nach § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG führt nicht zur
Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde. Zwar wendet sich der Beschwerdeführer
gegen  eine  Maßnahme,  die  im Zwischenverfahren  ergangen  ist.  Jedoch  ist  es  ihm
n i c h t zumutbar,  zunächst  den  rechtskräftigen  Abschluss  des Strafverfahrens
abzuwarten (vgl. hierzu BVerfGE 56, 363 <380>; 75, 108 <145>; 86, 15 <22>). Denn
der  mit  der  angeordneten  Untersuchung  verbundene Freiheitsentzug  stellt  einen
schweren  Nachteil  dar,  der  beim Zuwarten  bis  zum  rechtskräftigen  Abschluss  des
Strafverfahrens nicht mehr beseitigt werden könnte.
2. Soweit der Beschwerdeführer rügt, die Anordnung der stationären Untersuchung
sei  unverhältnismäßig und verstoße gegen das Grundrecht der Unverletzlichkeit der
persönlichen  Freiheit  aus  Art.  2  Abs.  2  Satz  2  GG,  ist die  Verfassungsbeschwerde
begründet.
a) Die Anordnung der stationären Untersuchung bis zu einer Dauer von drei Tagen
erlaubt eine Freiheitsentziehung im Sinne der Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, Art. 104 Abs. 2
Satz 1 GG, denn durch die Untersuchung wird die körperliche Bewegungsfreiheit des
Beschwerdeführers  auf  einen  eng  umgrenzten  Raum  für  eine  mehr als  kurzfristige
Zeitdauer beschränkt (vgl. hierzu Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl., Art. 104 Rn. 10).
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b) Nach Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG darf in
d a s Recht  auf  Freiheit  der  Person  nur  auf  Grund  eines  förmlichen Gesetzes
eingegriffen werden.
aa)  Ob  §  81  a  StPO  die  Rechtsgrundlage für  eine  mit  einer  körperlichen
Untersuchung  zwangsläufig verbundene  Freiheitsentziehung  darstellt  und  die
materiellen Voraussetzungen  einer  solchen  Maßnahme  mit  hinreichender
Bestimmtheit  regelt  (vgl.  zu  diesem  Erfordernis  BVerfGE  75, 329  <342>),  kann
dahinstehen (zum Meinungsstand: Rogall, in: SK-StPO, § 81 a Rn. 112 m.w.N.). Denn
selbst wenn  freiheitsentziehende  Maßnahmen  von  mehrtägiger  Dauer  auf §  81  a
StPO  gestützt  werden  könnten,  haben  die angefochtenen  Entscheidungen  bei
Anwendung des § 81 a StPO die Tragweite des Grundrechts auf Freiheit der Person
aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verkannt und das Prinzip der Verhältnismäßigkeit außer
Acht gelassen.
bb) Der Richter hat, wie bei allen staatlichen Eingriffen in die Freiheitssphäre, bei
der  Entscheidung  über eine  auf  §  81  a  StPO  gestützte  freiheitsentziehende
Maßnahme den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit strikt zu beachten (vgl. BVerfGE
16, 194 <201 f.>).
Der  Grundsatz  der  Verhältnismäßigkeit verlangt,  dass  die  Maßnahme  zur
Erreichung  des  angestrebten Zwecks geeignet und erforderlich ist und dass der mit
ihr verbundene  Eingriff  nicht  außer  Verhältnis  zur  Bedeutung  der Sache  und  zur
Stärke  des  Tatverdachts  steht  (vgl.  BVerfGE  16, 194  <202>;  17,  108  <117>).  Die
Abwägung zwischen den in Betracht kommenden Maßnahmen und zwischen Anlass
und Auswirkungen  des  angeordneten  Eingriffs  haben  die Strafverfolgungsbehörden
und  Gerichte  unter  Würdigung  aller persönlichen  und  tatsächlichen  Umstände  des
Einzelfalls vorzunehmen  (vgl.  BVerfGE  27,  211  <219>).  Eine  dem  Sinn der
Grundrechte  Rechnung  tragende  Gesetzesanwendung  erfordert dabei  die
Berücksichtigung  der  Stärke  des  Tatverdachts  (vgl. BVerfGE  17,  108  <117>).  Auch
begründete  Zweifel  am Beweiswert  der  Maßnahme  sind  in  die  einzelfallbezogene
Prüfung  einzustellen,  denn  der  Grundsatz  der Verhältnismäßigkeit  fordert  im
Strafverfahren,  dass  die Maßnahme  unerlässlich  ist  (vgl.  BVerfGE  17,  108  <117>).
Das  Bundesverfassungsgericht  kann  die  gebotene  Abwägung freilich  nicht  in  allen
Einzelheiten,  sondern  nur  daraufhin nachprüfen,  ob  eine  Abwägung  überhaupt
stattgefunden  hat  und ob die hierbei zu Grunde gelegten Bewertungsmaßstäbe der
Verfassung entsprechen (vgl. BVerfGE 27, 211 <219>).
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cc)  Nach  diesen  Maßstäben  hält  die Entscheidung  des  Oberlandesgerichts  einer
verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht Stand.
Ob  die  angeordnete  Untersuchung  zur  Erreichung des  angestrebten  Zwecks
geeignet  und  erforderlich  ist,  kann dahinstehen.  Denn  der  Senat  hat  Inhalt  und
Tragweite  des Übermaßverbots  verkannt;  er  hat  es  versäumt,  eine  Würdigung aller
Umstände  sowie  eine  Prüfung  der  Unerlässlichkeit  der Maßnahme  vorzunehmen.
Dies verdeutlichen seine Ausführungen, es spreche zwar einiges dafür, dass es der
angeordneten Maßnahme  angesichts  der  gesamten  Beweislage  nicht  unbedingt
bedürfe und dem Ergebnis angesichts der seit der Tat verstrichenen Zeit allenfalls ein
beschränkter Beweiswert zukomme; dieses sei vom Beschwerdegericht jedoch nicht
z u überprüfen.  Das  Beschwerdegericht  hat  vielmehr  diese  Umstände bei  der
Überprüfung  freiheitsentziehender  Maßnahmen  im  Rahmen der  von  Verfassungs
wegen  gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung  zu  würdigen.  Darüber  hinaus hätten
sich dem Senat auch angesichts der Angaben des Sachverständigen Zweifel am zu
erwartenden  Ertrag  der Untersuchung  zur  Aufklärung  der  Erektionsfähigkeit  des
Beschwerdeführers  aufdrängen  und  ebenfalls  im  Rahmen  der gebotenen
Gesamtabwägung  berücksichtigt  werden  müssen. Bereits  die  Angaben  des  mit  der
Untersuchung  beauftragten Sachverständigen  zur  Bedeutung  der  Mitwirkung  des
Beschwerdeführers
waren
widersprüchlich,
weil
dieser ausführte,  eine
Nachtschlafuntersuchung sei zwar gegen den Willen des Betroffenen möglich, jedoch
sei  dessen Kooperationsbereitschaft  wesentlich.  Diesen  Widerspruch  hat das
Oberlandesgericht  nicht  aufgelöst.  Hinzu  kommt,  dass  in der  Klinik  des
Sachverständigen bislang keine entsprechende Untersuchung gegen den Willen des
zu Begutachtenden stattgefunden hat, so dass es dem Sachverständigen insoweit an
Erfahrungswerten mangeln könnte. Ebenso wenig setzt sich das  Oberlandesgericht
mit  dem  Einwand  des  Beschwerdeführers, er  beabsichtige  nicht,  in  der  Klinik  zu
schlafen, auseinander, obwohl dieser Einwand geeignet sein könnte, den Erfolg der
Untersuchung zu beeinflussen. Das Oberlandesgericht hat es mithin versäumt, eine
Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen.
dd)  Soweit  die  Entscheidung  des  Landgerichts nicht  bereits  durch  die
Beschwerdeentscheidung  des Oberlandesgerichts  aufgehoben  worden  ist,  verstößt
sie ebenfalls  gegen  das  Verhältnismäßigkeitsprinzip.  Denn  die bloße  Begründung,
die Untersuchung sei angesichts der Einlassung des Beschwerdeführers erforderlich,
lässt eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne gänzlich vermissen.
c) Es ist nicht ausgeschlossen, dass die angefochtenen Entscheidungen bei einer
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entsprechenden Abwägung anders ausgefallen wären. Das Oberlandesgericht zeigte
insoweit auf, dass es jedenfalls an dem Erfordernis der angeordneten Untersuchung
angesichts deren eingeschränkten Beweiswerts sowie der Beweislage Zweifel hegte.
d)  Die  mit  der  Verfassung  nicht  in  Einklang stehenden  Entscheidungen  sind
aufzuheben,  das  Verfahren  ist an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2
BVerfGG).  Einer  isolierten  Aufhebung  der  Anordnung  der Nachtschlafuntersuchung
steht  entgegen,  dass  nicht  beurteilt werden  kann,  ob  die  Gerichte  die
Ultraschalluntersuchung  auch unabhängig  von  der  Nachtschlafuntersuchung  hätten
anordnen wollen. Dagegen spricht, dass nach den Angaben des Sachverständigen
die Ultraschalluntersuchung nur in Verbindung mit der Nachtschlafuntersuchung zur
Klärung der Frage der Erektionsfähigkeit geeignet sein könne.
3. Ob die angefochtenen Entscheidungen zugleich gegen die Menschenwürde aus
Art. 1 Abs. 1 GG sowie gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1
GG verstoßen, kann dahinstehen.
4. Die Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers beruht
auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Hassemer
Osterloh
Mellinghoff