Urteil des BVerfG vom 25.06.1999

verfassungsbeschwerde, rechtsschutz, erstreckung, rechtssicherheit

- Bevollmächtigte:
Rechtsanwältin Susanne Rohfleisch, Alte Bergheimer Straße 6, Heidelberg -
1
2
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 667/99 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn Y. E.,
gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Greifswald
vom 7. April 1999 - 5 B 691/99 As -
u n d Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung
hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die
Richter Sommer,
Broß
und die Richterin Osterloh
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom
11. August 1993 ( BGBl I S. 1473)
am 25. Juni 1999 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung.
Gründe:
Die Annahmevoraussetzungen gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG sind nicht erfüllt, denn die
Verfassungsbeschwerde hat insgesamt keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl.
BVerfGE 90, 22 <25 f.>).
Zwar begegnet die vom Verwaltungsgericht ohne jede Begründung behauptete Geltung der
das Wiederaufgreifen eines Asylverfahrens eingrenzenden Regelung des § 71 Abs. 1 Satz 1
AsylVfG in Verbindung mit § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG auch für Abschiebungshindernisse
gemäß § 53 AuslG verfassungsrechtlichen Bedenken (Art. 19 Abs. 4, 3 Abs. 1 GG). So ist
bislang nicht abschließend geklärt, unter welchen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen
und von welcher Behörde hinsichtlich der Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 53
AuslG erneut in eine Sachprüfung einzutreten ist oder eingetreten werden kann, wenn - wie
hier - das Bundesamt dies zuvor mit negativem Ergebnis geprüft hatte und die Entscheidung
bestandskräftig geworden ist (vgl. GK-AsylVfG, § 71 Rn. 149.3; Marx, AsylVfG, 4. Aufl.,
1999, § 71 Rn. 32 - 40). Angesichts des Gewichts der betroffenen Rechtsgüter und der
Bedeutung der Gewährung eines hierauf bezogenen wirksamen Rechtsschutzes nach Art.
19 Abs. 4 GG (vgl. BVerfGE 35, 263 <274>; 35, 382 <401 f.>; 37, 150 <153>; 93, 1 <13>) ist
der Rückgriff auf die allgemeinen Regeln der §§ 48 bis 51 VwVfG (insbesondere § 51 Abs. 5
3
4
5
VwVfG) und damit eine von vorausgegangenen Feststellungen zum Vorliegen von
Abschiebungshindernissen unabhängige Prüfung aus verfassungsrechtlicher Perspektive
(vgl. BVerfGE 74, 51 <66 f.>; 80, 315 <346>; 81, 142 <155 f.>; Beschluß der 1. Kammer des
Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 3. September 1996 - 2 BvR 2353/95 -)
als naheliegend zumindest erörterungsbedürftig. Das gilt insbesondere für die Möglichkeit
eines Wiederaufgreifens im Ermessenswege und des ausnahmsweisen Anspruchs auf einen
positiven Zweitbescheid (vgl. OVG Koblenz vom 22. Januar 1999 - 10 A 11912/96 -, NVwZ
Beilage 5/99, S. 45 f.). Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts läßt jegliche
Auseinandersetzung mit den danach entscheidungserheblichen Rechtsfragen vermissen. Im
Ergebnis wird der Beschwerdeführer durch den angegriffenen Beschluß auf einen Weg
geführt, auf dem er in bezug auf Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG unter keinen
Umständen wirksamen Rechtsschutz mehr erhalten könnte (vgl. auch § 42 Satz 1 AsylVfG
und
im
übrigen
Beschluß
der
1. Kammer des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts vom 16. März 1999 - 2 BvR 2131/95 -).
Jedoch genügt die Verfassungsbeschwerde nicht den unter dem Gesichtspunkt des
Begründungszwangs zu erfüllenden Anforderungen (vgl. BVerfGE 6, 132 <134>; 9 , 109
<114 f.>; 81, 208 <214>; stRspr). Denn sie setzt sich mit der konkreten Auslegung und
Anwendung des § 51 Abs. 1 VwVfG durch das Verwaltungsgericht unter dem Gesichtspunkt
eines darin liegenden Grundrechtsverstoßes nur unzureichend und mit dem oben
dargestellten Problem der Erstreckung des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auf
Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG überhaupt nicht auseinander. Sie beschränkt sich
auf den schlichten Vorwurf, daß das Verwaltungsgericht nicht einerseits eine allgemeine
Verfolgungsgefahr bejahen, andererseits dem hiervon betroffenen Beschwerdeführer
einstweiligen Rechtsschutz im Folgeverfahren versagen dürfe. Damit allein wird aber weder
auf verfahrens- noch materiellrechtlicher Ebene zwingend ein Verfassungsverstoß
aufgezeigt, weil § 71 Abs. 1 AsylVfG in Verbindung mit § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG ein solches
Ergebnis im Interesse der Rechtssicherheit (verfassungsrechtlich grundsätzlich
unbedenklich) in Kauf nimmt.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Sommer
Broß
Osterloh