Urteil des BVerfG vom 27.05.2002

verfassungsbeschwerde, erlass, rüge, informationsstand

- Bevollmächtigte: Rechtsanwältin Sabine Eisenrigler,
Neuburger Straße 27, 94032 Passau -
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BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 667/02 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn P... ,
gegen a) den Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 4. April 2002 -
5St RR 79/02 -,
b) das Urteil des Landgerichts München I vom 11. Oktober 2001 - 23 Ns 112 Js
12008/00 -,
c) das Urteil des Amtsgerichts München vom 15. März 2001 - 831 Ts 112 Js
120008/00 -
und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten Hassemer,
die Richterin Osterloh
und den Richter Mellinghoff
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom
11. August 1993 ( BGBl I S. 1473) am 27. Mai 2002 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Gründe:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie -
unabhängig vom Fehlen der gemäß § 22 Abs. 2 BVerfGG erforderlichen Vollmacht - keine
Aussicht auf Erfolg hat. Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung.
1. Die Rüge des Beschwerdeführers, das Bayerische Oberste Landesgericht habe gegen
Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen, indem in den Gründen seines die Revision verwerfenden
Beschlusses nur auf einen Teil der von ihm mit der Revision vorgebrachten rechtlichen
Argumente eingegangen sei, ist unzulässig.
Zum einen hat es der Beschwerdeführer insoweit versäumt, beim Bayerischen Obersten
Landesgericht gemäß § 33a StPO auf Nachholung rechtlichen Gehörs anzutragen, so dass
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der Rechtsweg nicht erschöpft ist. Zum anderen hat er die Antragsschrift der
Staatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 2 StPO, die er in seinem zweiten
Revisionsbegründungsschriftsatz erwähnt, weder in Kopie vorgelegt noch ihrem
wesentlichen Inhalt nach mitgeteilt. Daher kann nicht abschließend geprüft werden, ob das
Bayerische Oberste Landesgericht aus Gründen des rechtlichen Gehörs besonderen Anlass
hatte, die vom Beschwerdeführer vorgebrachten rechtlichen Argumente in den Gründen
seines Beschlusses ausführlicher abzuhandeln. Nach § 349 Abs. 2 StPO kann das
Revisionsgericht die Revision durch nichtbegründeten Beschluss verwerfen. Hierdurch wird
der Anspruch des Revisionsführers auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verkürzt, da er
im Revisionsverfahren - in Kenntnis sowohl der Gründe des von ihm angegriffenen Urteils als
auch des Verwerfungsantrags der Staatsanwaltschaft (vgl. § 349 Abs. 2 StPO) - umfassend
Stellung
nehmen
kann (vgl. Beschluss des Vorprüfungsausschusses des
Bundesverfassungsgerichts vom 22. Januar 1982 - 2 BvR 1506/81 -, NJW 1982, S. 925). Ein
Mangel der dem Beschwerdeführer von der Staatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 3 Satz 1
S t P O mitgeteilten Antragsschrift, der dem Bayerischen Obersten Landesgericht unter
Umständen Anlass zu einer eingehenderen Begründung des Verwerfungsbeschlusses hätte
geben können, ist ohne Kenntnis ihres Inhalts nicht feststellbar. Daher ist mangels konkreter
entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen, dass das Bayerische Oberste
Landesgericht das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Kenntnis genommen und in
Erwägung gezogen hat (vgl. BVerfGE 40, 101 <104 f.>; 65, 293 <295 f.>). Dies muss um so
mehr gelten, als es in den Gründen seines Beschlusses auf das zentrale Argument des
Beschwerdeführers, es habe an einem gemäß § 194 Abs. 1, Abs. 2 StGB erforderlichen
Strafantrag gefehlt, gesondert eingegangen ist.
2. Die Rüge des Beschwerdeführers, Amts-, Land- und Bayerisches Oberstes
Landesgericht hätten bei der Strafzumessung den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht
hinreichend beachtet, stützt sich auf Tatsachenbehauptungen, die den gerichtlichen
Feststellungen widersprechen, und ist daher unsubstantiiert. Soweit der Beschwerdeführer
meint, seine verunglimpfende Äußerung habe ein geringeres Gewicht gehabt, weil sie
"deutlich erkennbar von einem stark Angetrunkenen" kundgetan worden sei, ergibt sich aus
den Gründen des landgerichtlichen Urteils, dass er auf die am Tatort anwesenden Zeugen
keinen erheblich alkoholisierten Eindruck gemacht hatte. Soweit er einen Tatvorsatz leugnen
will, stehen dem die Feststellungen des Landgerichts zum subjektiven Tatbestand entgegen.
Schließlich stimmt auch sein Einwand, er sei unversehens zu dem Informationsstand der
NDP und dort in einen ihn provozierende Situation geraten, nicht mit den Feststellungen des
Landgerichts überein. Danach hat er sich - seiner eigenen Einlassung zu Folge - nach
durchzechter Nacht am Morgen des 7. Oktober 2000 aus Interesse zu dem Info-Stand der
NPD begeben, wo es zu einem Gespräch über Judenvernichtung und Konzentrationslager
gekommen sei.
Auch sonst hat der Beschwerdeführer nicht dargetan, weshalb die gegen ihn verhängte
Strafe zwingend niedriger hätte ausfallen müssen. Insbesondere hat er sich nicht mit den
vom
Landgericht
angeführten Strafzumessungsgründen (mehrfache Vorstrafen,
Bewährungsbruch, politische Bedeutung der Äußerung, negative Sozialprognose)
auseinander gesetzt.
Von einer weiter gehenden Begründung der Entscheidung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3
BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Hassemer
Osterloh
Mellinghoff