Urteil des BVerfG vom 18.04.2016

Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen die Auslieferung eines mazedonischen Staatsangehörigen nach Bosnien und Herzegowina zum Zweck der Strafverfolgung

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- Bevollmächtigter:
Rechtsanwalt Henning J. Bahr, LL.M.,
Seminarstraße 13/14, 49074 Osnabrück -
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 666/16 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn J…,
gegen a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 24. März 2016 - 6 AuslA
127/15 - 10 -,
b) den Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 25. Februar 2016 - 6 AuslA
127/15 - 10 -
und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richter Huber,
Müller,
Maidowski
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der
Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 18. April 2016 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
G r ü n d e :
I.
Der Beschwerdeführer ist mazedonischer Staatsangehöriger und Angehöriger der
Volksgruppe der Roma. Seine Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen einen Beschluss
des Oberlandesgerichts Köln vom 25. Februar 2016, mit dem die Auslieferung des
Beschwerdeführers nach Bosnien und Herzegowina zum Zweck der Strafverfolgung für
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zulässig erklärt wurde, sowie gegen einen weiteren Beschluss des Oberlandesgerichts Köln
vom 24. März 2016, mit dem eine Gegenvorstellung des Beschwerdeführers sowie ein
Antrag auf erneute Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung nach § 33 IRG
zurückgewiesen wurde.
Dem Auslieferungsersuchen von Bosnien und Herzegowina liegt ein vom Gemeindegericht
V. am 5. Oktober 2015 erlassener Befehl zugrunde, mit dem angeordnet wurde, dass gegen
den Verfolgten durch das Innenministerium des Kantons Sarajewo ein internationaler
Steckbrief
erlassen
werden
soll.
Diesem
Befehl
liegen
wiederum
ein
Untersuchungshaftbefehl des Gemeindegerichts V. vom 5. Oktober 2015 sowie eine Anklage
der Bezirksstaatsanwaltschaft des Kantons Z.-D., Z., vom 11. Oktober 2006 zugrunde. Darin
wird dem Beschwerdeführer vorgeworfen, in Diebstahlsabsicht den Versuch unternommen
zu haben, in ein Haus einzudringen. Der Beschwerdeführer wurde am 27. Januar 2016 in
Aachen festgenommen. Bei seiner Anhörung durch das Amtsgericht Aachen am selben Tag
erklärte er sich weder mit der Auslieferung im vereinfachten Verfahren einverstanden, noch
verzichtete er auf die Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes. Mit Beschluss vom 1. Februar
2016 hat das Oberlandesgericht gegen den Beschwerdeführer die Auslieferungshaft
angeordnet, in der er sich seither befindet. Auf der Grundlage des Beschlusses des
Oberlandesgerichts Köln vom 25. Februar 2016 teilte das Auswärtige Amt durch Verbalnote
vom 15. März 2016 der Botschaft von Bosnien und Herzegowina mit, dass die Regierung der
Bundesrepublik Deutschland die Auslieferung des Beschwerdeführers bewilligt habe.
Das Oberlandesgericht Köln begründete die Zulässigkeit der Auslieferung nach Bosnien und
Herzegowina mit folgenden Erwägungen:
Der den Gegenstand der Verfolgung bildende Tatvorwurf sei sowohl nach dem Recht des
ersuchenden Staates als auch nach deutschem Recht strafbar und lasse die Auslieferung
nach Art. 2 Abs. 1 EuAlÜbk zu. Die Strafandrohung von bis zu fünf Jahren entspreche der
Anforderung einer Mindeststrafbarkeit von einem Jahr nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 EuAlÜbk.
Die nach Art. 10 EuAlÜbk zu prüfende Verjährung der Strafverfolgung sei bislang nicht
eingetreten. Sonstige Gründe, die der Auslieferung nach Art. 3 bis 9 EuAlÜbk
entgegenstehen könnten, seien nicht ersichtlich. Ein Auslieferungshindernis nach § 73 IRG
bestehe ebenfalls nicht. Insbesondere sei eine dauerhafte Behandlungsbedürftigkeit des
Beschwerdeführers aufgrund seines Gesundheitszustandes, die der Rechtsanwalt des
Beschwerdeführers mit Schriftsatz vom 18. Februar 2016 unter Ankündigung weiteren
Vortrags sowie der Beibringung von Nachweisen vorgetragen hatte, durch nichts
konkretisiert. Es fehle schon an einer Darlegung, um welche Erkrankung es sich handeln
solle. Der Beschwerdeführer habe eine dauerhafte Behandlungsbedürftigkeit weder bei seiner
Anhörung geltend gemacht, noch ergäben sich aus den Akten Hinweise der
Justizvollzugsanstalt, die seine Haftfähigkeit in Frage stellen würden. Lediglich im Ersuchen
um die Aufnahme zum Vollzug der Auslieferungshaft sei seitens der zuständigen Richterin
„Hepatitis C (schon ausgebrochen)“ vermerkt worden. Sollte dies die vom Beistand des
Beschwerdeführers angesprochene Krankheit sein, sei davon auszugehen, dass eine etwa
erforderliche Behandlung auch im ersuchenden Staat gewährleistet sei. Das pauschale
Vorbringen des Beschwerdeführers gebe insoweit keinen Grund, ihm eine weitere
Stellungnahmefrist einzuräumen. Schließlich stehe auch der Eingriff in das Privat- und
Familienleben des Beschwerdeführers der Auslieferung nicht entgegen. Ein solcher Eingriff
sei der Auslieferung, die von der Bundesrepublik Deutschland aufgrund des mit Bosnien und
Herzegowina geschlossenen Auslieferungsübereinkommens durchzuführen sei, immanent.
Gründe für eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des Beschwerdeführers lägen nicht
vor.
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Eine schriftsätzliche Gegenvorstellung des Anwalts des Beschwerdeführers vom 15. März
2016, worin er eine erneute Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung nach § 33
IRG und deren Aufschub beantragte, weil dem Beschwerdeführer das Verlassen der
Bundesrepublik Deutschland als Nichtbetreiben seines Asylverfahrens gemäß § 33 Abs. 1
AsylG ausgelegt werden könne und die Hepatitis C-Erkrankung des Beschwerdeführers in
Bosnien und Herzegowina nicht mit der medizinisch hier indizierten Triple-Therapie
behandelbar sei, wies das Oberlandesgericht mit seinem Beschluss vom 24. März 2016
zurück. Das Nichtbetreiben eines Asylantrags könne nach § 33 Abs. 3 AsylG nicht
angenommen werden, wenn nachgewiesen werde, dass das die Vermutung des
Nichtbetreibens des Verfahrens begründende Verhalten auf Umstände zurückzuführen sei,
auf die der Beschwerdeführer keinen Einfluss gehabt habe. Als ein solcher Umstand sei
zweifellos die Auslieferung an einen Drittstaat anzusehen. Auch das Vorbringen zum
Gesundheitszustand rechtfertige keine andere Zulässigkeitsentscheidung. Dass er zur
Behandlung seiner Hepatitis C einer Triple-Therapie, das heißt einer Behandlung mit drei
verschiedenen Wirkstoffen, bedürfe, sei nicht ansatzweise dargetan. Es habe nicht einmal
eine Konsultation des Anstaltsarztes stattgefunden. Vielmehr stütze der Beschwerdeführer
seine Einwendungen auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin vom 1. April
2014 (Az. 37 L 183.14 A), der wiederum nur eine vom dortigen Antragstellervertreter
eingeholte Auskunft einer Universitätsklinik vom März 2014 zugrunde liege, wonach diese
Therapie in Bosnien und Herzegowina nicht erbracht werden könne. Der Antrag auf Aufschub
der Auslieferung diene ersichtlich dazu, nun erstmals abklären zu lassen, ob bei dem
Beschwerdeführer eine solche Therapie angezeigt sein könnte. Dies sei aber kein neuer
Umstand im Sinne des § 33 IRG, der einen Aufschub der Auslieferung rechtfertigen könne,
zumal bereits mit Schriftsatz des Rechtsanwalts des Beschwerdeführers vom 18. Februar
2016 weiterer Vortrag zur Behandlungsbedürftigkeit nebst Vorlage von Belegen angekündigt
worden sei. Auch greife der Gesichtspunkt, dass der Verfolgte als Zugehöriger der
Volksgruppe der Roma nur erschwert Zugang zum öffentlichen Gesundheitswesen habe,
nicht. Solange der Beschwerdeführer in Bosnien und Herzegowina inhaftiert sei, sei der
ersuchende Staat für die Sicherstellung seiner Gesundheit verantwortlich, so dass es auf die
Frage des Zugangs des Verfolgten zum allgemeinen Gesundheitssystem in Bosnien und
Herzegowina nicht ankomme.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 25. Februar 2016 ging dem Anwalt des
Beschwerdeführers am 1. März 2016 zu, die Verfassungsbeschwerde wurde per Telefax am
1. April 2016 eingelegt. Gegen die Zulässigkeit seiner Auslieferung trägt der
Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er an einer chronischen Hepatitis C und seit
der entsprechenden Diagnose im August 2015 an einer Leberzirrhose in der Phase Child A,
das heißt in der nach der Child-Pugh-Klassifikation niedrigsten, mit einer günstigen Prognose
verbundenen Phase, erkrankt sei. Diese Erkrankung könne in Bosnien und Herzegowina
nicht angemessen behandelt werden. Es stehe dem Recht des Beschwerdeführers auf
körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG entgegen, ihn in eine gesundheitlich
ungewisse Zukunft auszuliefern. Zudem habe das Oberlandesgericht gegen die
Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen, da es trotz entsprechenden Vortrags
zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers keine weitere Aufklärung zur
Behandelbarkeit von Hepatitis C in Bosnien und Herzegowina betrieben habe. Vielmehr habe
das Oberlandesgericht die Behandelbarkeit schlicht vorausgesetzt. Damit verbunden sei
auch eine Missachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, da das Oberlandesgericht
keine Möglichkeit zu weiterer Stellungnahme und zur Vorlage von Nachweisen eingeräumt
habe.
II.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2
BVerfGG), weil sie unzulässig ist. Die Verfassungsbeschwerde genügt nicht den
Substantiierungsanforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG.
Zwar ist nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts sowie den vom
Beschwerdeführer der Verfassungsbeschwerde beigefügten Unterlagen davon auszugehen,
dass er an Hepatitis C und einer damit verbundenen Leberzirrhose erkrankt ist. Es fehlt aber
an geeigneten Nachweisen, aus denen ersichtlich ist, welche Art von Medikation oder
sonstiger Behandlungsbedürftigkeit des Beschwerdeführers angezeigt und erforderlich wäre.
Es bestehen mithin keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die bei einer Auslieferung
des Beschwerdeführers an die Strafverfolgungsbehörden von Bosnien und Herzegowina
behauptete gesundheitliche Beeinträchtigung sowie eine dadurch begründete Verletzung des
Rechts auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG tatsächlich einträten. Bereits im
Laufe des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht Köln hat es der Beschwerdeführer nicht
vermocht, geeignete Nachweise für Art und Umfang seiner Behandlungsbedürftigkeit
vorzulegen. Zwar erscheint der Zeitraum von einer Woche zwischen der schriftsätzlichen
Ankündigung des Rechtsanwalts vom 18. Februar 2016, zur Behandlungsbedürftigkeit des
Beschwerdeführers weiter vorzutragen, sowie seiner Bitte um richterlichen Hinweis, bis wann
ein entsprechender Vortrag zu erfolgen habe, und der Sachentscheidung des
Oberlandesgerichts vom 25. Februar 2016 äußerst kurz. Allerdings erfolgte auch im Rahmen
der Gegenvorstellung vom 15. März 2016 gegen diese Entscheidung keine weitere
Substantiierung der Behandlungsbedürftigkeit des Beschwerdeführers. Bis zum Beschluss
des Oberlandesgerichts vom 24. März 2016 hätte ausreichend Zeit zur Verfügung
gestanden, etwa durch Konsultation des Anstaltsarztes genauere Angaben zur
Therapiebedürftigkeit des Beschwerdeführers vorzutragen. Der vom Rechtsanwalt des
Beschwerdeführers zur Nichtverfügbarkeit einer Triple-Therapie in Bosnien und Herzegowina
angeführte Fall, der dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 1. April 2014 (Az. 37 L
183.14 A) zugrunde lag, unterscheidet sich von dem vorliegenden Sachverhalt wesentlich
dadurch, dass dort die Erforderlichkeit einer Triple-Therapie durch Vorlage eines ärztlichen
Attests hinreichend belegt war. Da jedoch seitens des Rechtsanwalts des
Beschwerdeführers kein entsprechender Nachweis vorgelegt wurde, ist auch nicht
ersichtlich, dass durch das Oberlandesgericht die Rechtsweggarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG
oder der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs missachtet worden wären.
III.
Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GO-BVerfG).
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Huber
Müller
Maidowski