Urteil des BVerfG vom 18.12.2002

verfassungsbeschwerde, anschaffungskosten, bezugsrecht, abspaltung

- Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Claus-Michael Denk,
Bockenheimer Landstraße 93, 60325 Frankfurt am Main -
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BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 575/99 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der Frau Q...
gegen das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 21. Januar 1999 - IV R 27/97 -
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts
durch den Vizepräsidenten Hassemer,
die Richterin Osterloh
und den Richter Mellinghoff
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom
11. August 1993 ( BGBl I S. 1473 ) am 18. Dezember 2002 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
I.
Die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Entscheidung des Bundesfinanzhofs -
BFH- betrifft u.a. die Frage, wie der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer
Kapitalgesellschaft im Sinne des § 17 EStG zu berechnen ist, wenn nach einer
Kapitalerhöhung gegen Einlagen und mit Bezugsrechten für die Gesellschafter lediglich
Altaktien veräußert werden. Nach Auffassung des BFH führt die Kapitalerhöhung bei der
Altaktie zu einer Substanzabspaltung zugunsten des Bezugsrechts, die es rechtfertigt, einen
Teil der ursprünglichen Anschaffungskosten der Altaktie auf das Bezugsrecht zu übertragen.
Daraus folgt bei alleiniger Veräußerung von Altaktien eine der Minderung der
Anschaffungskosten entsprechende Gewinnerhöhung.
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine
Aussicht auf Erfolg hat.
Der der angefochtenen BFH-Entscheidung zu Grunde liegende Gedanke, dass ein
ursprünglich angeschaffter Vermögensgegenstand durch einen oder mehrere andere ersetzt
werden könne (Surrogation, Auf- oder Abspaltung), ist nicht willkürlich im Sinne von Art. 3
Abs. 1 GG. Hinsichtlich der Beteiligungs- und Stimmrechtsverhältnisse verschlechtert eine
Kapitalerhöhung gegen Einlagen die Position der Altaktionäre; Bezugsrechte dienen dem
Ausgleich solcher Nachteile. Deshalb erscheint es sachgerecht, in dem zur Altaktie
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hinzutretenden Bezugsrecht einen Ersatzvermögensgegenstand zu sehen, in dem sich ein
Teil
der auf den ursprünglich angeschafften Vermögensgegenstand entfallenden
Anschaffungskosten fortsetzt. Da die Annahme von Ersatzvermögensgegenständen nicht
dem Begriff der Anschaffungskosten (§ 6 EStG, § 255 Abs. 1 HGB) widerspricht, liegt auch
der Gedanke an eine gegen Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verstoßende
unzulässige Rechtsfortbildung (vgl. BVerfGE 87, 273 <279 f.> m.w.N.) fern. Soweit die
Würdigung des Tatbestandes, die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung
auf den einzelnen Fall nicht zu einer Verletzung von spezifischem Verfassungsrecht führt, ist
sie der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen (vgl. BVerfGE 18, 85
<92 f.>).
Von einer weiter gehenden Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG
abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Hassemer
Osterloh
Mellinghoff