Urteil des BVerfG vom 14.01.2004
verfall, gewinnabschöpfung, verfassungskonforme auslegung, organisierte kriminalität
- Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Christoph Prasse,
Friedrich-Ebert-Straße 120, 48153 Münster -
L e i t s ä t z e
zum Beschluss des Zweiten Senats vom 14. Januar 2004
- 2 BvR 564/95 -
1.  Der erweiterte Verfall (§ 73d StGB) verfolgt nicht repressiv-vergeltende, sondern
präventiv-ordnende Ziele und ist daher keine dem Schuldgrundsatz unterliegende
strafähnliche Maßnahme.
2.  § 73d StGB verletzt die Unschuldsvermutung nicht.
3.  Die Annahme der deliktischen Herkunft eines Gegenstands im Sinne des § 73d Abs.
1 Satz 1 StGB ist gerechtfertigt, wenn sich der Tatrichter durch Ausschöpfung der
vorhandenen Beweismittel von ihr überzeugt hat.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 564/95 -
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn M ...
gegen a) den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 22. November 1994 - 4 StR
516/94 -,
b) das Urteil des Landgerichts Bochum vom 11. Mai 1994 - 22 KLs 47 Js 159/93 -
I 4/94 -,
c) mittelbar § 73d StGB
und Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der Richterinnen und
Richter
Vizepräsident Hassemer,
Jentsch,
Broß,
Osterloh,
Di Fabio,
Mellinghoff,
Lübbe-Wolff,
Gerhardt
am 14. Januar 2004 beschlossen:
1
2
3
4
5
6
7
8
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
A.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Vereinbarkeit des § 73d StGB (Erweiterter Verfall)
mit dem Grundgesetz. Sie richtet sich zugleich gegen die Anwendung dieser Vorschrift in der
Auslegung durch den Bundesgerichtshof.
I.
Art.  1  Nr.  7  des  Gesetzes  zur  Bekämpfung des  illegalen  Rauschgifthandels  und  anderer
Erscheinungsformen  der  Organisierten  Kriminalität  (OrgKG)  vom 15.  Juli  1992  (BGBl  I
S. 1302 ) hat die Vorschrift des § 73d über den erweiterten Verfall in den Allgemeinen Teil des
Strafgesetzbuchs eingefügt. Sie ergänzt die Regelung des § 73 StGB über den (einfachen)
Verfall, wonach das Gericht, wenn der Täter oder Teilnehmer etwas aus einer rechtswidrigen
Tat oder für sie erlangt hat, den Verfall des Erlangten anordnet. Die Anordnung des Verfalls
erstreckt  sich gemäß § 73 Abs. 2 StGB auf Nutzungen und Surrogate, ferner gemäß § 73a
StGB  auf  den  Geldwert  nicht  oder nicht  mehr  entziehbarer  Vermögensvorteile.  Sie
unterbleibt, soweit dem Verletzten aus der Tat ein Anspruch erwachsen ist, dessen Erfüllung
dem Täter oder Teilnehmer den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde (§ 73 Abs. 1
Satz 2 StGB), oder wenn sie für den Betroffenen eine unbillige Härte wäre (§ 73c StGB). Die
rechtskräftige Anordnung des Verfalls bewirkt gemäß § 73e StGB, dass das Eigentum an der
Sache oder das verfallene Recht auf den Staat übergeht, wenn es dem von der Anordnung
Betroffenen zu dieser Zeit zusteht.
Die Vorschriften lauten:
§ 73 Voraussetzungen des Verfalls
(1)  Ist  eine  rechtswidrige  Tat  begangen  worden und  hat  der  Täter  oder
Teilnehmer für die Tat oder aus ihr etwas erlangt, so ordnet das Gericht
dessen  Verfall  an.  Dies gilt  nicht,  soweit  dem  Verletzten  aus  der  Tat  ein
Anspruch erwachsen ist, dessen Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den
Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde.
(2)  Die  Anordnung  des  Verfalls  erstreckt  sich auf  die  gezogenen
Nutzungen.  Sie  kann  sich  auch  auf  die Gegenstände  erstrecken,  die  der
Täter  oder  Teilnehmer  durch die  Veräußerung  eines  erlangten
Gegenstandes oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder
Entziehung oder auf Grund eines erlangten Rechts erworben hat.
(3)  Hat  der  Täter  oder  Teilnehmer  für  einen anderen  gehandelt  und  hat
dadurch  dieser  etwas  erlangt,  so richtet  sich  die  Anordnung  des  Verfalls
nach den Absätzen 1 und 2 gegen ihn.
(4) Der Verfall eines Gegenstandes wird auch angeordnet, wenn er einem
Dritten gehört oder zusteht, der ihn für die Tat oder sonst in Kenntnis der
Tatumstände gewährt hat.
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
§ 73a Verfall des Wertersatzes
Soweit  der  Verfall  eines  bestimmten Gegenstandes  wegen  der
Beschaffenheit  des  Erlangten  oder  aus einem  anderen  Grunde  nicht
möglich  ist  oder  von  dem  Verfall eines  Ersatzgegenstandes  nach  §  73
Abs.  2  Satz  2 abgesehen  wird,  ordnet  das  Gericht  den  Verfall  eines
Geldbetrags  an,  der  dem  Wert  des  Erlangten  entspricht.  Eine solche
Anordnung trifft das Gericht auch neben dem Verfall eines Gegenstandes,
soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.
§ 73c Härtevorschrift
(1)  Der  Verfall  wird  nicht  angeordnet,  soweit er  für  den  Betroffenen  eine
unbillige  Härte  wäre.  Die Anordnung  kann  unterbleiben,  soweit  der  Wert
des  Erlangten zur Zeit der Anordnung in dem Vermögen des Betroffenen
nicht mehr vorhanden ist oder wenn das Erlangte nur einen geringen Wert
hat.
(2)  Für  die  Bewilligung  von Zahlungserleichterungen  gilt  §  42
entsprechend.
§ 73e Wirkung des Verfalls
(1)  Wird  der  Verfall  eines  Gegenstandes angeordnet,  so  geht  das
Eigentum an der Sache oder das verfallene Recht mit der Rechtskraft der
Entscheidung  auf  den Staat  über,  wenn  es  dem  von  der  Anordnung
Betroffenen  zu dieser  Zeit  zusteht.  Rechte  Dritter  an  dem  Gegenstand
bleiben bestehen.
(2)  Vor  der  Rechtskraft  wirkt  die  Anordnung  als Veräußerungsverbot  im
Sinne des § 136 des Bürgerlichen Gesetzbuches; das Verbot umfaßt auch
andere Verfügungen als Veräußerungen.
Nach  §  73d  Abs.  1  Satz  1  StGB  ist, wenn  eine  rechtswidrige  Tat  nach  einem  auf  diese
Vorschrift verweisenden  Gesetz  begangen  worden  ist,  der  Verfall  von Gegenständen  des
Täters  oder  Teilnehmers  auch  dann anzuordnen,  wenn  die  Umstände  die  Annahme
rechtfertigen,  dass diese  Gegenstände  für  (andere)  rechtswidrige  Taten  oder  aus ihnen
erlangt worden sind. § 73d Abs. 1 Satz 2 StGB sieht die Anordnung des erweiterten Verfalls
auch  dann  vor, wenn der Gegenstand dem Täter oder Teilnehmer nur deshalb nicht  gehört
oder zusteht, weil dieser ihn für eine rechtswidrige Tat oder aus ihr erlangt hat.
§  73d  StGB  erweitert  somit  den Anwendungsbereich  des  Verfalls  zum  einen  auf
Vermögensgegenstände,  die  nicht  aus  dem  abgeurteilten  Delikt, sondern  aus  anderen
rechtswidrigen  Taten  stammen;  einen Nachweis  der  konkreten  Umstände  dieser  Taten
verlangt  die Vorschrift  ebenso  wenig  wie  die  schuldhafte  Begehung  und  die strafrechtliche
Verfolgbarkeit.  Zum  anderen  erfasst  sie  auch solche  Vermögenswerte,  die  der  Täter  oder
Teilnehmer  wegen eines  Verstoßes  gegen  strafrechtliche  Vorschriften zivilrechtlich  nicht
wirksam  erwerben  konnte  (Nichtigkeit auch  des  Verfügungsgeschäfts  gemäß  §  134  BGB,
vgl.  die Begründung  des  Entwurfs  eines  ... Strafrechtsänderungsgesetzes  -  Erweiterter
Verfall  - <...  StrÄndG>  vom  9.  März  1990,  BTDrucks 11/6623,  S.  7/8).  Zivilrechtliche
Ersatzansprüche  des  durch die  rechtswidrige  Tat  Verletzten  hindern  die  Anordnung  des
erweiterten Verfalls ebenfalls nicht (vgl. BTDrucks 11/6623, S. 7).
§ 73d StGB hat folgenden Wortlaut:
20
21
22
23
24
25
26
27
§ 73d Erweiterter Verfall
(1) Ist eine rechtswidrige Tat nach einem Gesetz begangen worden, das
auf  diese  Vorschrift  verweist,  so ordnet  das  Gericht  den  Verfall  von
Gegenständen  des  Täters oder  Teilnehmers  auch  dann  an,  wenn  die
Umstände  die  Annahme rechtfertigen,  daß  diese  Gegenstände  für
rechtswidrige  Taten oder  aus  ihnen  erlangt  worden  sind.  Satz  1  ist  auch
anzuwenden,  wenn  ein  Gegenstand  dem  Täter  oder  Teilnehmer  nur
deshalb  nicht  gehört  oder  zusteht,  weil  er  den  Gegenstand  für eine
rechtswidrige Tat oder aus ihr erlangt hat. § 73 Abs. 2 gilt entsprechend.
(2) Ist der Verfall eines bestimmten Gegenstandes nach der Tat ganz oder
teilweise  unmöglich geworden,  so  finden  insoweit  die  §§  73a  und  73b
sinngemäß Anwendung.
(3) Ist nach Anordnung des Verfalls nach Absatz 1 wegen einer anderen
rechtswidrigen  Tat,  die  der Täter  oder  Teilnehmer  vor  der  Anordnung
begangen hat, erneut über den Verfall von Gegenständen des Täters oder
Teilnehmers zu  entscheiden,  so  berücksichtigt  das  Gericht  hierbei  die
bereits ergangene Anordnung.
(4) § 73c gilt entsprechend.
Verweisungen auf § 73d StGB finden sich im Besonderen Teil des Strafgesetzbuchs,
und  zwar  jeweils  für den  Fall  der  banden-  oder  gewerbsmäßigen  Begehung,  in  den
Abschnitten  Geld-  und  Wertzeichenfälschung  (§  150 Abs.  1),  Straftaten  gegen  die  sexuelle
Selbstbestimmung (§  181c,  §  184  Abs.  7  Satz  1),  Diebstahl und  Unterschlagung  (§  244
Abs.  3,  §  244a Abs.  3),  Raub  und  Erpressung  (§  256  Abs.  2), Begünstigung  und  Hehlerei
(§ 260 Abs. 3, § 260a Abs. 3, § 261 Abs. 7 Satz 3 und 4), Betrug und Untreue (§ 263 Abs. 7),
Urkundenfälschung (§ 282 Abs. 1), Strafbarer Eigennutz (§ 286 Abs. 1), Straftaten gegen den
Wettbewerb  (§  302)  und  Straftaten  im  Amt  (§  338). Im  Bereich  des  Nebenstrafrechts
verweisen vor allem die Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 und 2
BtMG) auf § 73d StGB, außerdem § 84 Abs. 5, § 84a Abs. 3 des Asylverfahrensgesetzes,
§  92a  Abs.  5,  §  92b Abs.  3  des  Ausländergesetzes,  §  24  Abs.  3  des Gesetzes  über  die
Kontrolle  von  Kriegswaffen,  §  54 Abs.  3  Satz  2  des  Waffengesetzes,  §  36  Abs.  3 des
Außenwirtschaftsgesetzes  und  §  19  Abs.  3  des Ausführungsgesetzes  zum
Chemiewaffenübereinkommen.
Verfahrensrechtliche  Vorschriften  über  den erweiterten  Verfall,  der  unter  den
Voraussetzungen  des §  76a  StGB  auch  selbständig  angeordnet  werden  kann, enthalten
§  442,  §§  430  ff.  StPO.  Die Regelungen  der  §§  111b  ff.  StPO  ermöglichen  eine vorläufige
Beschlagnahme  von  beim  Beschuldigten  vorgefundenen Vermögensgegenständen,  um  die
Durchsetzung  einer  späteren Anordnung  des  Verfalls  oder  von  Ersatzansprüchen
Tatgeschädigter sicherzustellen.
II.
1. Der Beschwerdeführer wurde am 11. Mai 1994 vom Landgericht wegen gemeinschaftlich
begangenen gewerbsmäßigen  unerlaubten  Handeltreibens  mit Betäubungsmitteln  in  nicht
geringer  Menge  in  zwei  Fällen  zu einer  Gesamtfreiheitsstrafe  von  sieben  Jahren  verurteilt,
weil er (jeweils zusammen mit einem Mitangeklagten) am 15. Oktober 1992 telefonisch den
Ankauf von drei Kilogramm Heroin vereinbart und am 1. August 1993 ein Kilogramm Heroin
entgegen  genommen  hatte.  Daneben  verhängte  das  Landgericht gegen  den
28
29
30
31
Beschwerdeführer Maßregeln gemäß § 69, § 69a StGB und bestimmte außerdem, dass ein
auf  seinem Sparkonto  vorhandenes  Guthaben  in  Höhe  von  42.520,18  DM  dem erweiterten
Verfall unterliege und eingezogen werde.
Die  Kammer  war  zu  der  Überzeugung  gelangt, dass  dieses  Geld  aus  anderen,  ihr  nicht
bekannten Rauschgiftgeschäften  des  Beschwerdeführers  stamme.  Er  habe  es angesichts
seines  dauerhaft  geringen  Durchschnittseinkommens von  850  DM  monatlich  und  der  von
ihm neben seinen allgemeinen Lebenshaltungskosten und den laufenden Kosten eines Autos
zu bestreitenden  monatlichen  Miete  von  zuletzt  600  DM  nicht  aus legalen  Mitteln  ersparen
können; also komme nur ein strafbarer Erwerb in Betracht. Die beiden abgeurteilten, jeweils
gewerbsmäßig  begangenen  BtM-Straftaten  zeigten -  auch  wenn  aus  ihnen  kein  Gewinn
erzielt worden sei (in dem einen Fall, weil das Geschäft nicht zu Stande kam, in dem anderen
Fall, weil das erworbene Rauschgift beschlagnahmt wurde) -, dass er mit Drogen gehandelt
habe, während es an Anhaltspunkten für irgendwelche anderen strafbaren Verhaltensweisen
des Beschwerdeführers fehle. Nach Überzeugung der Kammer konnte er das Geld daher nur
aus anderen Betäubungsmittelstraftaten erlangt haben.
2. Die vom Beschwerdeführer gegen das Urteil mit der Rüge einer Verletzung formellen und
materiellen Rechts eingelegte Revision verwarf der Bundesgerichtshof unter Hinweis auf die
als  zutreffend  erachteten  Ausführungen des  Generalbundesanwalts  gemäß  §  349  Abs.  2
StPO  (BGHSt 40,  371).  Die  gegen  den  Beschwerdeführer  ergangene  Anordnung des
erweiterten  Verfalls  beruhe  auf  einer  wirksamen Rechtsgrundlage.  Im  Schrifttum  erhobene
Bedenken  gegen  die Vereinbarkeit  des  §  73d  StGB  mit  der  Unschuldsvermutung und  der
Eigentumsgarantie könnten durch eine verfassungskonforme Auslegung vermieden werden:
Die in § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB für die Anordnung des erweiterten Verfalls (nur) verlangte
"ganz  hohe Wahrscheinlichkeit", dass "Gegenstände für rechtswidrige Taten oder aus ihnen
erlangt worden sind", setze das Institut des erweiterten Verfalls dem verfassungsrechtlichen
Bedenken aus, es beruhe auf einer Unterstellung von Straftaten. Deshalb  sei  das  normativ
wertende Element "wenn die Umstände die Annahme rechtfertigen" in § 73d Abs. 1 Satz  1
StGB  -  dem  nach  dem  Willen  des  Gesetzgebers  die Aufgabe  zukomme,  bei  der
Gesamtbewertung des Sachverhalts auch die Grundrechtsverbürgungen zu berücksichtigen
-  verfassungskonform  einengend  auszulegen.  Die  Anordnung  des erweiterten  Verfalls
komme nur in Betracht, wenn der Tatrichter auf Grund erschöpfender Beweiserhebung und -
würdigung die uneingeschränkte Überzeugung gewonnen habe, dass der Angeklagte die von
der Anordnung erfassten Gegenstände aus rechtswidrigen Taten erlangt habe. Ermittlungen
und  Feststellungen  zu  diesen  Taten  im  Einzelnen seien  jedoch  nicht  erforderlich.  An  die
Überzeugungsbildung dürften keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Vor allem
sei das Gericht nicht gehindert, sondern vielmehr gehalten, die festgestellten Anlasstaten in
seine Überzeugungsbildung mit einzubeziehen - wie es das Landgericht getan habe -, auch
wenn  aus  ihnen  kein  Gewinn erlangt  worden  sei.  Diesen  Anforderungen  würden  die
Darlegungen  der  persönlichen  und  wirtschaftlichen Verhältnisse  des  Beschwerdeführers  in
den Gründen des landgerichtlichen Urteils noch gerecht.
III.
Gegen das Urteil des Landgerichts und den Beschluss des Bundesgerichtshofs richtet sich
d i e Verfassungsbeschwerde,  mit  der  der  Beschwerdeführer  eine Verletzung  seiner
Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 14, 20 Abs. 3 und 103 Abs. 2 GG rügt.
Mittelbar wendet sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Vorschrift des § 73d StGB über
den  erweiterten  Verfall, der  nach  Auffassung  des  Beschwerdeführers  den  Charakter  einer
Strafe hat.
32
33
34
35
36
37
38
§  73d  StGB  knüpfe  die  Anordnung  des Verfalls  lediglich  an  die  Voraussetzung,  dass
"Umstände  die Annahme rechtfertigen, dass Gegenstände für rechtswidrige Taten oder aus
ihnen  erlangt  worden  sind".  Die  Vorschrift verlange  also  den  vollen  Nachweis  weder  dafür,
dass  der betroffene  Gegenstand  aus  einer  schuldhaft  begangenen Straftat  stammt,  noch
dafür,
dass
dieser
gemeinschaftswidrig gebraucht  wurde  oder  ein  solcher
Eigentumsmissbrauch in konkretem Zusammenhang zu der abzuurteilenden Anknüpfungstat
steht.  Damit  verstoße  er  gegen  das  Schuldprinzip  und  -  wegen der  Unterstellung  von
Straftaten - gegen die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 der Konvention zum  Schutze
der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (EMRK), außerdem gegen
d a s Bestimmtheitsgebot.  Auf  Grund  dieser  Mängel  verletze §  73d  StGB  zugleich  die
Eigentumsgewährleistung  des Art.  14  GG  und  -  mangels  Begrenzung  des  Zugriffs  - den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
Der vom Bundesgerichtshof vorgenommenen verfassungskonformen Auslegung stehe der
Gesetzeswortlaut entgegen. Unabhängig davon werde die landgerichtliche Entscheidung den
vom Bundesgerichtshof aufgestellten erhöhten Beweisanforderungen nicht gerecht. Vor allem
habe  es  die Strafkammer versäumt, über die Eröffnung und Führung des Sparkontos,  über
die  Höhe  der  zwischenzeitlich  erfolgten Einzahlungen  und  Abhebungen  sowie  über  weitere
Konten  des Beschwerdeführers  Beweis  zu  erheben.  Dabei  hätte  sich ergeben,  dass  das
Guthaben auf dem Sparkonto durch Einzahlungen von anderen, schon früher bestehenden,
Konten des Beschwerdeführers entstanden sei. Insoweit liege auch ein Verstoß  gegen  das
Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG vor; die Anordnung des Verfalls erstrecke sich
auf Vermögensgegenstände, die er vor Inkrafttreten des § 73d StGB erworben habe.
IV.
Zu  der  Verfassungsbeschwerde  haben  sich  namens der  Bundesregierung  das
Bundesministerium  der  Justiz  sowie das  Bayerische  Staatsministerium  der  Justiz,  die
Vorsitzenden des  1.,  2.,  3.  und  5.  Strafsenats  des  Bundesgerichtshofs  und der
Generalbundesanwalt geäußert.
1.  Nach  Auffassung  des  Bundesministeriums  der Justiz  widerspricht  die  einengende
Auslegung des § 73d Abs. 1 StGB durch den Bundesgerichtshof im Ausgangsverfahren dem
in  den  Gesetzesmaterialien  zum  Ausdruck gebrachten  Willen  des  Gesetzgebers,  den
Nachweis  der  Herkunft eines  Gegenstands  aus  rechtswidrigen  Taten  zu  erleichtern. Auch
mit dieser Beweiserleichterung stehe die Regelung über den erweiterten Verfall, die mit der
Formulierung "rechtfertigen"  eine  Wertung  im  Einzelfall  verlange,  mit  dem Grundgesetz  in
Einklang.
a) Die Vorschrift verstoße nicht gegen den Schuldgrundsatz oder die Unschuldsvermutung,
weil  eine Anordnung  des  Verfalls  nach  §  73d  Abs.  1  StGB  keine Strafe  oder  strafähnliche
Sanktion sei und deshalb keine Schuldfeststellung voraussetze. Als Sonderform des Verfalls
bezwecke der erweiterte Verfall den Ausgleich unrechtmäßiger Vermögensverschiebungen.
Dieser  Zweck  bestimme  die Rechtsnatur  des  Instituts,  bei  dem  es  sich  um  eine
Abschöpfung eigener Art des aus der Straftat Erlangten handele.
b)  §  73d  StGB  verletze  auch  nicht  die verfassungsrechtlich  geschützte
Selbstbezichtigungsfreiheit des  Beschuldigten.  Dieser  sei  rechtlich  nicht  gezwungen,  zur
Abwendung  einer  Anordnung  des  Verfalls  Angaben  über  eigene strafrechtlich  erhebliche
Verhaltensweisen zu machen.
c)  Die  Regelung  über  den  erweiterten  Verfall verstoße  auch  nicht  gegen  die
Eigentumsgewährleistung  des Art. 14 GG. Eine Anordnung des Verfalls entziehe zwar nach
39
40
41
42
43
44
§  73d  StGB  konkrete  Rechtspositionen  und  greife damit  in  den  Schutzbereich  des
Eigentumsgrundrechts  ein.  Die Vorschrift bilde aber eine vom Grundgesetz stillschweigend
zugelassene  Eigentumsschranke.  Der  erweiterte  Verfall  diene der  Bekämpfung  der
organisierten  Kriminalität,  insbesondere des  illegalen  Betäubungsmittelhandels,  und  damit
dem  Schutz elementarer  Rechtsgüter.  Er  finde  –  wie  in  der  Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 12. Dezember 1967 ( BVerfGE 22, 387 <422> ) verlangt –
eine  Rechtfertigung  in der  Verfassung  und  entspreche  darüber  hinaus  dem  Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit. Er sei geeignet, die Gewinne aus dem Drogenhandel abzuschöpfen und
den Straftätern die Mittel für weitere Straftaten zu entziehen.
Der erweiterte Verfall sei hierzu auch erforderlich. Vor Einführung des erweiterten Verfalls
sei  die Abschöpfung  deliktisch  erzielter  Gewinne  häufig  daran gescheitert,  dass  die  für  die
Anordnung  eines  (einfachen) Verfalls  gemäß  §  73  Abs.  1  StGB  erforderliche sichere
Zuordnung beim Beschuldigten vorgefundener Vermögensgegenstände zu einer bestimmten
Tat  nicht  möglich gewesen  sei.  Gegen  eine  deswegen  in  Polizeikreisen,  aber  auch
international  –  etwa  in  Art.  5  Abs.  7  des Übereinkommens  der  Vereinten  Nationen  vom
20.  Dezember 1988  gegen  den  unerlaubten  Verkehr  mit  Suchtstoffen  und psychotropen
Stoffen (vgl. BTDrucks 12/3346) – geforderte Beweislast des Beschuldigten für den redlichen
Erwerb verdächtiger  Vermögenswerte  habe  die  Bundesregierung verfassungsrechtliche
Bedenken gehabt. Die anstelle einer solchen Beweislastumkehr in § 73d StGB vorgesehene
Beweiserleichterung  sei  das  mildeste  Mittel  gewesen,  um  die Zugriffsmöglichkeiten  auf
Tatgewinne zu erweitern.
Der mit dem erweiterten Verfall verbundene Eingriff stehe auch nicht außer Verhältnis zur
Bedeutung
der Sache.  Der  Verfall  diene  dem  Ausgleich  unrechtmäßiger
Vermögensverschiebung  und  müsse  daher  vom  Betroffenen grundsätzlich  hingenommen
werden.  Unzumutbare  Ergebnisse würden  durch  die  Härtevorschrift  des  §  73c  StGB
vermieden.
2.  Das  Bayerische  Staatsministerium  der  Justiz hat  keine  verfassungsrechtlichen
Bedenken gegen die Regelung des § 73d StGB.
a)  Sie  sei  mit  der  Unschuldsvermutung  und  dem Schuldgrundsatz  vereinbar.  Beim
erweiterten  Verfall  handele es  sich  grundsätzlich  nicht  um  eine  Strafe  oder  strafähnliche
Sanktion,  sondern  um  eine  quasi-kondiktionelle Ausgleichsmaßnahme,  deren  Anwendung
gemäß § 73d StGB die Feststellung von Schuld nicht voraussetze.
b)  Der  Eigentumsgewährleistung  des Grundgesetzes  werde  §  73d  StGB  hinreichend
gerecht.  Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei die Entziehung  von
Eigentum  als  Nebenfolge  einer  strafrechtlichen Verurteilung  vom  Grundgesetz  als
traditionelle Eigentumsschranke  stillschweigend  zugelassen.  Die  aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2
GG  in  Verbindung  mit Art.  14  Abs.  2  GG  herzuleitende  Zulässigkeit  von
Eigentumssanktionen  rechtfertige  sich  aus  dem  Gedanken  des Missbrauchs:  Wer  einen
Vermögensvorteil  auf  strafbare  Weise erlange,  gebrauche  das  Eigentum  in  einer  vom
Grundgesetz nicht gebilligten Weise. Er verwirke deshalb insoweit sein Eigentumsrecht. Der
entsprechend  dem  Missbrauchsgedanken erforderliche konkrete Zusammenhang zwischen
der
die Verwirkung  auslösenden  strafbaren  Handlung  und  dem  zu entziehenden
Vermögensgegenstand  werde  von  §  73d  StGB vorausgesetzt.  Die  vorgesehene
Beweiserleichterung  sei  mit Art.  14  Abs.  1  GG  vereinbar.  An  der  Bekämpfung  der
organisierten  Kriminalität  bestehe  ein  ganz  erhebliches Allgemeininteresse,  welches  das
Interesse des Einzelnen am Schutz seines Eigentums überwiegen könne.
§  73d  StGB  beruhe  auf  der  Erfahrung,  dass die  organisierte  Kriminalität  mit  dem
45
46
47
48
49
50
51
herkömmlichen strafrechtlichen  Instrumentarium  nicht  erfolgreich  bekämpft werden  könne.
Es falle in die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, ob eine effektivere Abschöpfung
der aus der Begehung von Straftaten erzielten Gewinne zu einer wirksameren  Bekämpfung
dieser Art der Kriminalität beitragen werde.
Die Beweiserleichterung entspreche auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie sei
geeignet,  die Abschöpfung  von  illegalen  Gewinnen  und  damit  das  Ziel  einer effektiveren
Bekämpfung  der  organisierten  Kriminalität  zu fördern.  Sie  sei  auch  erforderlich,  da  nicht
ersichtlich  sei, in  welcher  die  Eigentumsgarantie  schonenderen  Weise  die Abschöpfung
illegaler  Gewinne  erleichtert  werden  könnte. Schließlich  sei  die  Regelung  mit  dem
Übermaßverbot  vereinbar, auch  wenn  sie  die  Gefahr  einer  Einziehung  legal  erworbener
Gegenstände  in  sich  berge.  Diese  Gefahr  sei  angesichts  des  in §  73d  Abs.  1  StGB
verlangten  hohen Wahrscheinlichkeitsgrades  sehr  gering  und  angesichts  des  mit dieser
Vorschrift verfolgten besonders gewichtigen Allgemeininteresses hinzunehmen.
c) Ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG liege nicht vor, weil
§ 73d StGB keine Strafe anordne.
3.  Nach  Ansicht  des  1.  Strafsenats  des Bundesgerichtshofs  ist  die  verfassungskonforme
Auslegung  des §  73d  StGB  durch  den  4.  Strafsenat  des Bundesgerichtshofs  im
Ausgangsverfahren  mit  dem  Wortlaut  der Vorschrift  und  der  Intention  des  Gesetzgebers,
"eine  ganz hohe  Wahrscheinlichkeit"  der  deliktischen  Herkunft  für  die Anordnung  des
erweiterten  Verfalls  genügen  zu  lassen, unvereinbar.  Unüberwindliche  Bedenken  gegen  die
Verfassungsmäßigkeit
der
Regelung
hätten
daher
die
Einholung einer
verfassungsgerichtlichen Entscheidung gemäß Art. 100 Abs. 1 GG nahe gelegt.
Der  3.  Strafsenat  hat  sich  der  vom 4.  Strafsenat  im  Ausgangsverfahren  vertretenen
Auffassung  angeschlossen,  die  Anordnung  des  erweiterten Verfalls  gemäß  §  73d  Abs.  1
StGB  setze  die  volle Überzeugung  des  Tatrichters  von  der  deliktischen  Herkunft  der
erfassten Gegenstände voraus. Im Übrigen haben die Strafsenate auf ihre Rechtsprechung
Bezug genommen.
4. Der Generalbundesanwalt hält § 73d StGB in der verfassungskonformen Auslegung des
Bundesgerichtshofs  und  seine  Anwendung  im  Ausgangsverfahren für  verfassungsrechtlich
unbedenklich.
a)  Die  Regelung  verstoße  nicht  gegen  die Unschuldsvermutung  oder  gegen  das
Schuldprinzip.  Die kondiktionsähnliche  Abschöpfung  bemakelten  Vermögens  zwecks
Prävention  sei  etwas  wesensverschieden  Anderes  als  eine straftypische,  konkret
schuldbezogene  Nachteilszufügung. Schuldfeststellungen vor Schuldspruchreife hinsichtlich
d e r Herkunftstaten  seien  mit  einer  Anordnung  des  Verfalls  gemäß §  73d  StGB  nicht
verbunden.
b) § 73d StGB verletze die Eigentumsgewährleistung nicht. Der mit dem erweiterten Verfall
ermöglichte Zugriff auf das Vermögen organisiert vorgehender Täter sei geeignet, kriminellen
Organisationen das "Investitionskapital" für weitere Straftaten zu entziehen, und diene damit
der  präventiven  Sicherung überragender  Gemeinschaftsbelange.  Dagegen  könne  das
Belassen solcher  Gewinne  das  Rechtsbewusstsein  der  Bevölkerung untergraben.  Mit  dem
Institut  des  erweiterten  Verfalls verbundene  Eigentumsbeeinträchtigungen  stünden  nicht
außer Verhältnis zu dem mit ihm erreichbaren Zuwachs an Rechtsgüterschutz, zumal man
dem Täter keine wohlerworbenen, sondern durch rechtswidrige Taten bemakelte Positionen
nehme. Unbillige Härten könnten im Einzelfall gemäß § 73d Abs. 4 StGB in Verbindung mit
§  73c  StGB  vermieden werden.  Die  in  §  73d  StGB  vorgesehene Beweiserleichterung
52
53
54
55
56
57
58
59
unterliege
keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken,  da  das  Grundgesetz  keine
ausdrücklichen Regeln zur Beweisführung und Überzeugungsbildung enthalte.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist nur teilweise zulässig.
Soweit
der
Beschwerdeführer
rügt,
das Landgericht  habe  gegen  das
Rückwirkungsverbot  des Art.  103  Abs.  2  GG  verstoßen,  weil  es  die  Anordnung  des
Verfalls  –  mangels  hinreichender  Sachverhaltsaufklärung  –  auf Vermögensgegenstände
erstreckt  habe,  die  er  schon  vor Inkrafttreten  des  §  73d  StGB  erworben  habe,  steht  einer
Berücksichtigung  dieses  Vortrags  der  Grundsatz  der materiellen  Subsidiarität  der
Verfassungsbeschwerde  entgegen. Der  in  §  90  Abs.  2  Satz  1  BVerfGG  zum  Ausdruck
kommende Grundsatz  der  Subsidiarität  der  Verfassungsbeschwerde verlangt  neben  der
formalen  Erschöpfung  des  Rechtswegs,  dass der  Beschwerdeführer  alle  fachgerichtlichen
Möglichkeiten genutzt  hat,  um  die  geltend  gemachte  Grundrechtsverletzung  zu verhindern
oder  zu  beseitigen  (vgl. BVerfGE  95,  163  <171> ;  stRspr).  Der  Beschwerdeführer  hat es
insoweit versäumt, im Revisionsverfahren eine zulässige Aufklärungsrüge zu erheben.
C.
Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie unbegründet.
I.
§ 73d StGB ist in der Auslegung des Bundesgerichtshofs mit dem Grundgesetz vereinbar.
1. § 73d StGB verstößt nicht gegen den Schuldgrundsatz.
a) Der Grundsatz "Keine Strafe ohne Schuld" (nulla poena sine culpa) ist in der
Garantie der Würde und Eigenverantwortlichkeit des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG
und Art. 2 Abs. 1 GG) sowie im Rechtsstaatsprinzip verankert. Er gebietet, dass Strafen oder
strafähnliche Sanktionen  in  einem  gerechten  Verhältnis  zur  Schwere  der  Tat und  zum
Verschulden  des  Täters  stehen.  Straftatbestand  und Strafrechtsfolge  müssen  sachgerecht
aufeinander  abgestimmt sein. Insoweit deckt sich der Schuldgrundsatz in seinen die Strafe
begrenzenden  Auswirkungen  mit  dem  Verfassungsgrundsatz des  Übermaßverbots.  Er
schließt die strafende oder strafähnliche Ahndung einer Tat ohne Schuld des Täters aus (vgl.
BVerfGE 20, 323 <331>; 45, 187 <228>; 50, 125 <133>; 50, 205 <214 f.>; 81, 228 <237>; 86,
288 <313>;  siehe  auch  Urteil  des Zweiten  Senats  des  Bundesverfassungsgerichts  vom  5.
Februar 2004 - 2 BvR 2029/01 -).
Strafe  ist  die  Auferlegung  eines Rechtsnachteils  wegen  einer  schuldhaft  begangenen
rechtswidrigen Tat. Sie ist - neben ihrer Aufgabe abzuschrecken und zu resozialisieren - eine
angemessene Antwort auf strafrechtlich verbotenes Verhalten (vgl. BVerfGE 21, 378 <383>;
21,  391 <404>; 22,  125  <132>; 45,  187 <253  f.>; 95,  96  <140> ).  Mit  der  Strafe  wird  ein
rechtswidriges sozial-ethisches Fehlverhalten vergolten. Das dem Täter auferlegte Strafübel
soll den schuldhaften Normverstoß ausgleichen; es ist Ausdruck vergeltender Gerechtigkeit
(vgl. BVerfGE 9, 167 <171>; 22, 49 <79 f.>; 95, 96 <140>; 96, 10 <25> ).
Dem  Schuldgrundsatz  unterliegen  auch Sanktionen,  die  wie  eine  Strafe  wirken  (vgl.
BVerfGE 22, 125 <131>; 27,  36 <40  ff.>; 35,  311  <320>; 74,  358 <375  f.>).  Strafähnlich ist
60
61
62
63
eine  Maßnahme  freilich  nicht  schon  dann,  wenn  sie  mit einer  Einbuße  an  Freiheit  oder
Vermögen  verbunden  ist  und damit  faktisch  die  Wirkung  eines  Übels  entfaltet.  Bei  der
Beurteilung  des  pönalen  Charakters  einer  Rechtsfolge  sind vielmehr  weitere,  wertende,
Kriterien  heranzuziehen, insbesondere  der  Rechtsgrund  der  Anordnung  und  der  vom
Gesetzgeber mit ihr verfolgte Zweck (vgl. BVerfGE 9, 137 <144 ff.>; 21,  378 <383  ff.>; 21,
391 <403 ff.>; 22,  125 <131>; 23, 113 <126>; 27,  36 <40  ff.>; 80,  109  <120  ff.> ; Urteil des
Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2004 - 2 BvR 2029/01 - 
III. 2.>; siehe auch Volk, ZStW 1971, S. 405 ff.). So hat das Bundesverfassungsgericht den in
§  890  Abs.  1  ZPO  geregelten  Zwangsmaßnahmen, die  neben  der  Disziplinierung  des
Schuldners  auch  Sühne  für eine  begangene  Zuwiderhandlung  bezwecken,  strafähnliche
Wirkung  beigemessen  (vgl.  BVerfGE  20, 323  <330  ff.>; 58,  159  <162>; 84,  82 <87>);
dagegen  hat  es  die Anordnung  von  Untersuchungshaft  im  Ermittlungsverfahren  und die
Unterbringung drogenabhängiger Täter in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB wegen
des  sichernden Charakters  dieser  Maßnahmen  nicht  als  strafähnlich  angesehen (vgl.
BVerfGE 19, 342 <347 f.> und BVerfGE 91, 1 <27 ff.> ).
b)  Das  Rechtsinstitut  des  erweiterten  Verfalls gerät  mit  dem  Schuldgrundsatz  nicht  in
Konflikt,  weil  es keinen  strafenden  oder  strafähnlichen  Charakter  hat.  Eine  an Wortlaut,
Systematik  und  Entstehungsgeschichte  des  §  73d StGB  orientierte  Auslegung  ergibt,  dass
die  in  der  Vorschrift angeordnete  Entziehung  deliktisch  erlangter  Vermögensvorteile nicht
bezweckt,  dem  Betroffenen  die  Begehung  der  Herkunftstat als  Fehlverhalten  vorzuwerfen
und ihm deswegen vergeltend ein Übel zuzufügen (aa). Vielmehr verfolgt die Regelung des
§  73d  StGB  vermögensordnende  und  normstabilisierende Ziele  (bb).  Das  beim  erweiterten
Verfall geltende Bruttoprinzip ändert hieran nichts (cc).
aa)  Das  Strafgesetzbuch  bezeichnet  Verfall  und erweiterten  Verfall  nicht  als  "Strafen",
sondern  als "Maßnahmen",  zu  denen  es  gemäß  §  11  Abs.  1  Nr.  8  StGB auch  die  in  §  61
StGB  aufgeführten  Maßregeln  der Besserung  und  Sicherung  zählt.  Die  Verfallvorschriften
sind zusammen  mit  der  Regelung  der  Einziehung  (§§  74  ff. StGB)  in  einen  eigenen,  den
Siebenten Titel des Dritten Abschnitts eingeordnet und dadurch von den im Ersten Titel des
Dritten Abschnitts geregelten, als "Strafen" bezeichneten, Rechtsfolgen der Tat geschieden.
Die begriffliche Abgrenzung des Verfalls von den im Strafgesetzbuch vorgesehenen Strafen
und  seine  systematische Zusammenfassung  mit  anderen  präventiv  ausgerichteten
Maßnahmen  sprechen  gegen  einen  strafenden  oder  strafähnlichen Charakter  des  §  73d
StGB. Auch die Regelung des § 76a StGB, wonach der erweiterte Verfall unabhängig von der
strafrechtlichen  Verfolgung  einer  Person  angeordnet werden  kann,  ist  nur  bei  einer  nicht-
pönalen Natur des Rechtsinstituts verständlich.
Die  Entstehungsgeschichte  des  §  73d  StGB bestätigt,  dass  der  Gesetzgeber  mit  dem
erweiterten  Verfall ein  Instrument  der  Gewinnabschöpfung  ohne  Strafcharakter schaffen
wollte.
Die  Abschöpfung  rechtswidrig  erzielter  Gewinne ist  nicht  notwendig  eine  vergeltende
Sanktion  (vgl. BVerfGE  81,  228  <237  f.> ).  Der  Gesetzgeber  kann  weitgehend frei  darüber
entscheiden,  ob  und  auf  welche  Weise  er rechtswidrig  erlangte  wirtschaftliche  Vorteile
entziehen will. So kann er die Vorteilsentziehung selbständig neben der Festsetzung einer -
entsprechend  dem  Schuldgrundsatz  -  nur  am Verschulden  des  Täters  orientierten  pönalen
Sanktion  vorsehen oder,  in  Fällen,  in  denen  eine  solche  Sanktion  nicht  verhängt werden
kann,  auch  als  Inhalt  einer  in  einem  objektiven Verfahren  ergehenden  gesonderten
Anordnung. Ebenso steht es ihm offen, eine strafende Sanktion so zu bemessen, dass mit
ihr zugleich die Abschöpfung des Gewinns sichergestellt wird (a.a.O., S. 238). Es liegt mithin
in  der  Entscheidung  des Gesetzgebers,  ob  er  mit  einer  gewinnabschöpfenden  Maßnahme
64
65
66
67
68
zugleich Strafzwecke verfolgen will oder nicht.
Mit  der  Vorschrift  des  §  73d  StGB bezweckt  der  Gesetzgeber  keine  pönale  Rechtsfolge.
Seiner Auffassung  nach  teilt  der  erweiterte  Verfall  die  Rechtsnatur des  einfachen  Verfalls
nach  §  73  StGB  (vgl.  BTDrucks 11/6623,  S.  6  und  7  sowie  die  Begründung  des  Entwurfs
eines  Gesetzes  zur  Bekämpfung  des  illegalen  Rauschgifthandels und  anderer
Erscheinungsformen  der  Organisierten  Kriminalität  vom 25. Juli 1991, BTDrucks 
12/989,  S.  23: "Eigenständige  Erscheinungsform  des  Verfalls").  Ausweislich der
Gesetzesmaterialien  zu  §  73  StGB  soll  die Abschöpfung  deliktisch  erzielter
Vermögensvorteile  als gesonderte  Rechtsfolge  neben  die  Strafe  treten  und  vor  allem das
Tagessatzsystem  ergänzen.  Der  Gesetzgeber  hält  es  nicht für  sinnvoll,  den  Täter  zu
bestrafen und ihm zugleich das aus der Tat unrechtmäßig Erlangte zu belassen; dies könne
geradezu  als  Anreiz  zur  Begehung  weiterer  entgelt-  und gewinneinbringender  Straftaten
wirken (vgl. die Begründung des Entwurfs eines Strafgesetzbuches  E 1962 vom 4. 
Oktober  1962,  BTDrucks  IV/650,  S.  241  und  245  sowie  das Protokoll  der  28.  Sitzung  des
Bundestags-Sonderausschusses für die Strafrechtsreform vom 22. September 1966, S. 542
Der  Gesetzgeber  sieht  in  der  Gewinnabschöpfung also  nicht  die  Zufügung  eines  Übels,
sondern  die  Beseitigung eines  Vorteils,  dessen  Verbleib  den  Täter  zu  weiteren  Taten
verlocken  könnte.  Auch  die  Entwurfsbegründungen  zu  §  73d StGB  betonen,  der  erweiterte
Verfall
sei
keine
Strafsanktion, sondern  eine  Maßnahme  eigener  Art  mit
"kondiktionsähnlichem Charakter"  (vgl.  BTDrucks  11/6623,  S.  4,  5  ff.  und 8,  BTDrucks
12/989, S. 1, 23, sowie die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen
Bundestags vom 4. Juni 1992, BTDrucks 12/2720, S. 42 f.). Demnach hat der Gesetzgeber
den erweiterten Verfall als selbständige, nicht-pönale Maßnahme neben die Strafe gestellt.
bb)  Eine  von  den  Vorstellungen  des Gesetzgebers  abweichende  Einordnung  (vgl.  dazu
BVerfGE  22,  125  <131> ) des erweiterten Verfalls als Strafe oder strafähnliche Maßnahme
folgt auch nicht aus den mit der Regelung des § 73d StGB verfolgten weiteren Zwecken.
(1)  Die  strafrechtliche  Gewinnabschöpfung  soll einen  "ordnenden  Zugriff"  des  Rechts  zur
Korrektur  einer deliktisch  zu  Stande  gekommenen  Vermögenszuordnung ermöglichen  (so
BTDrucks  11/6623,  S.  7  und  8).  Der Gesetzgeber  misst  dem  erweiterten  Verfall  in  erster
Linie eine  vermögensordnende  Aufgabe  zu:  Das  Bürgerliche  Recht  kann deliktische
Vermögensveränderungen
nur
zum
Teil
unterbinden, indem  es  verbotenen
Rechtsgeschäften  -  etwa  im  Bereich des  illegalen  Betäubungsmittelhandels  -  die
zivilrechtliche  Wirksamkeit  versagt  (§  134  BGB,  vgl. BGHSt  31,  145  ff.;  Mayer-
Maly/Armbrüster,  in: MünchKommBGB,  4.  Aufl.,  §  134  Rn.  10;  Sack,  in: Staudinger,  BGB,
2003,  §  134  Rn.  223,  jeweils  m.w.N.). Es  verhindert  nicht,  dass  ein  Straftäter  durch  die
Begehung rechtswidriger  Taten  faktisch  Vermögensvorteile  erlangt,  etwa Gewinne  aus  der
Weiterveräußerung  von  Drogen.  Der  Gesetzgeber sieht  in  einem  solchen  deliktischen
Vermögenserwerb eine korrekturbedürftige Störung der Rechtsordnung, die die Strafgerichte
im Wege der Gewinnabschöpfung beseitigen sollen. Er weist dem Verfallrecht der §§ 73 ff.
StGB die Aufgabe zu, einen rechtswidrigen Zustand durch ordnenden Zugriff von hoher Hand
zu beenden.
Die  vermögensordnende  Funktion  macht  den erweiterten  Verfall  nicht  zu  einem
strafähnlichen Rechtsinstitut.  Die  Beseitigung  einer  bereits  eingetretenen Störung  der
Vermögensordnung  setzt  zwar vergangenheitsbezogene  Feststellungen  voraus  und  ist
insoweit retrospektiv.  Der  korrigierende  Eingriff  aber,  mit  dem  der Staat  auf  eine  deliktisch
entstandene  Vermögenslage  reagiert, ist  nicht  notwendig  repressiv.  Auch  das  öffentliche
69
70
71
72
Gefahrenabwehrrecht  erlaubt  hoheitliche  Maßnahmen,  um Störungen  zu  beseitigen.
Gefahrenabwehr  endet  nicht  dort,  wo gegen  eine  Vorschrift  verstoßen  und  hierdurch  eine
Störung der  öffentlichen  Sicherheit  bewirkt  wurde.  Sie  umfasst  auch die  Aufgabe,  eine
Fortdauer  der  Störung  zu  verhindern  (vgl. etwa  Friauf,  in:  Badura  u.a.,  Besonderes
Verwaltungsrecht, 11.  Aufl.,  S.  138;  Würtenberger,  in:  Achterberg u.a.,  Besonderes
Verwaltungsrecht,  Band  II,  2.  Aufl., S.  445;  Götz,  Allgemeines  Polizei-  und  Ordnungsrecht,
13. Aufl., S. 63, jeweils m.w.N.).
Maßnahmen der Störungsbeseitigung sind ein Fall der Gefahrenabwehr. Sie knüpfen zwar
an  in  der Vergangenheit  begründete  Zustände  an,  sind  in  ihrer Zielrichtung  aber
zukunftsbezogen.  Sie  wollen  nicht  ein normwidriges  Verhalten  öffentlich  missbilligen  und
sühnen, sondern  verhindern,  dass  eine  bereits  eingetretene  Störung der  Rechtsordnung  in
Zukunft  andauert.  Dementsprechend  sollte eine  auf  §  21f  Abs.  2  Satz  3  BNatSchG  a.F.
gestützte  Einziehung  von  Elfenbein,  das  ohne  die erforderliche  Genehmigung  in  die
Bundesrepublik  Deutschland eingeführt  worden  war,  einen  Verstoß  gegen  die  für  Elfenbein
geltenden  Handelsbeschränkungen  beseitigen  (vgl.  den Beschluss  der  3.  Kammer  des
Zweiten  Senats  des Bundesverfassungsgerichts  vom  19.  Januar  1989  -  2  BvR  554/88 -,
NJW  1990,  S.  1229).  §  21f  Abs.  2  Satz  3 BNatSchG  a.F.  zielte  nicht  auf  Repression  und
Vergeltung  für ein  rechtswidriges  Verhalten,  sondern  diente  als  Teil  eines Systems  von
Handelsbeschränkungen,  die  die  wirtschaftliche Nutzung  gefährdeter  Arten  eindämmen
sollen, der Gefahrenabwehr (a.a.O., S. 1229).
Auch § 73d StGB verfolgt einen solchen präventiven Zweck. Der erweiterte Verfall ist zwar
nicht systematisch  als  Sicherungsmaßregel  ausgestaltet,  die  eine drohende  Reinvestition
von  Deliktsgewinnen  durch  kriminelle Organisationen  verhindern  soll  und  sich  auf  eine
entsprechende  Gefahrenprognose  stützt.  Die  Erwägung  des Gesetzgebers,  die
strafrechtliche  Gewinnabschöpfung  könne auch  sichernde  Wirkungen  erzielen  (vgl.
BTDrucks 11/6623, S. 7 und BTDrucks 12/989, S. 1), hat in der Regelung des § 73d StGB
nicht unmittelbar Niederschlag gefunden (vgl. Weßlau, StV 1991, S. 226, 232 f.; Wallschläger,
Die strafrechtlichen Verfallsvorschriften, 2002, S. 158). Die vermögensordnende Zielsetzung
der  Vorschrift  ist  aber  klar zukunftsbezogen  und  präventiv:  Der  betroffene  Straftäter  soll
deliktisch  erlangte  Gegenstände  nicht  behalten;  die  mit  der Bereicherung  des  Täters
verbundene  Störung  der  Rechtsordnung soll  nicht  auf  Dauer  bestehen  bleiben;  die
Gewinnabschöpfung soll  verhindern,  dass  die  bereits  eingetretene  Störung  der
Vermögensordnung auch zukünftig fortdauert.
Mit dieser präventiven Zielsetzung wirkt der erweiterte Verfall nicht wie eine Strafsanktion.
Seine Anordnung  erfolgt  nicht,  um  dem  Betroffenen  die  Begehung  der Herkunftstat
vorzuhalten  und  über  sie  ein  sozialethisches Unwerturteil  zu  sprechen.  Sie  zielt  vielmehr
darauf, einen rechtswidrigen Zustand für die Zukunft zu beseitigen. Die Entziehung deliktisch
erlangten  Vermögens  ist  nicht  Ausdruck vergeltender,  sondern  ordnender  Gerechtigkeit
(ähnlich BGH, NStZ 1995, S. 491; Güntert, Gewinnabschöpfung als strafrechtliche Sanktion,
1983, S. 11 ff., 17; Schmidt, in: LKStGB, 11. Aufl., § 73 Rn. 8; Jekewitz, GA 1998, S. 276,
277).
(2)  Der  mit  der  Regelung  des  §  73d  StGB beabsichtigte  vermögensordnende  Zugriff  soll
nach dem Willen des Gesetzgebers zugleich Anreize für gewinnorientierte Delikte reduzieren.
Auch  dieses  in  der  Begründung  des Entwurfs  eines  ...  Strafrechtsänderungsgesetzes  -
Erweiterter Verfall  -  (...  StrÄndG)  vom  9.  März  1990  (BTDrucks 11/6623,  S.  4)  als
generalpräventiv  bezeichnete  Ziel  der Gewinnabschöpfung  verleiht  dem  erweiterten  Verfall
keinen strafähnlichen Charakter.
73
74
75
76
77
Der  Entziehung  deliktisch  erzielter Vermögensvorteile  wird  zwar  zu  Recht  eine
strafergänzende Funktion beigemessen. Denn die übelszufügende und damit abschreckende
Wirkung  einer  Strafe  kann  sich  mindern,  wenn der  materielle  Tatvorteil  in  der  Hand  des
Täters verbleibt (vgl. Eser, Die strafrechtlichen Sanktionen gegen das Eigentum, 1969, S. 86
und S. 284). Dies wird vor allem bei Geldstrafen deutlich, die der Täter aus dem Tatgewinn
bestreiten  könnte.  Ein  möglicher  negativer  Einfluss unterbliebener  Gewinnabschöpfung  auf
die  Nachdrücklichkeit einer Strafe bedeutet aber nicht, dass die Gewinnabschöpfung selbst
strafende Wirkung erzielt oder intendiert (vgl. Güntert, Gewinnabschöpfung als strafrechtliche
Sanktion, 1983, S. 15 ff.).
Eine  Abschreckungswirkung  im  Sinne  der negativen  Generalprävention  ist  mit  dem
erweiterten Verfall ausweislich der Gesetzesmaterialien nicht beabsichtigt. In der Begründung
des Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer
Erscheinungsformen der  Organisierten  Kriminalität  (OrgKG)  heißt  es  im  Anschluss an  die
Darstellung  der  mit  der  Gewinnabschöpfung  verfolgten Ziele,  der  Entwurf  sehe  neben  der
Gewinnabschöpfung  auch Strafschärfungen  zur  Erhöhung  der  Abschreckungswirkung  bei
Straftaten der organisierten Kriminalität vor (vgl. BTDrucks 12/989, S. 1). Der Gesetzgeber
hat  damit  die  Ziele  der Gewinnabschöpfung  ausdrücklich  vom  Abschreckungszweck
erhöhter Strafandrohungen unterschieden (siehe auch BTDrucks 12/989, S. 21 sub B.).
Die mit den strafrechtlichen Verfallvorschriften beabsichtigte generalpräventive Wirkung soll
nach dem Willen des Gesetzgebers auf andere Weise erzielt werden: Indem der Staat dem
Täter  deliktisch Erlangtes  wegnimmt,  führt  er  ihm,  wie  auch  der Rechtsgemeinschaft,  vor
Augen,  dass  strafrechtswidrige Bereicherungen  nicht  geduldet  werden  und  Straftaten  sich
nicht  lohnen.  Der  vermögensordnende  Eingriff  soll  die Unverbrüchlichkeit  und  die
Gerechtigkeit der Rechtsordnung erweisen und so die Rechtstreue der Bevölkerung stärken.
Diese auch als positiver Aspekt strafrechtlicher Generalprävention anerkannte Zielsetzung
(vgl. BVerfGE 45, 187 <256> ) ist - wie die Ausführungen zum Gefahrenabwehrrecht gezeigt
haben - kein Spezifikum strafrechtlicher Vorschriften (vgl. BVerfGE 22, 125 <132> ). Soweit
es um die Abschöpfung deliktisch erlangten Vermögens geht, deckt sie sich mit einem alle
Rechtsgebiete  übergreifenden  Grundsatz,  wonach  eine  mit der  Rechtsordnung  nicht
übereinstimmende  Vermögenslage auszugleichen ist (vgl. Güntert, Gewinnabschöpfung als
strafrechtliche Sanktion, 1983, S. 11 m.w.N.). Die normbestätigende Zielsetzung des § 73d
StGB charakterisiert den erweiterten Verfall daher nicht zwingend als pönale Maßnahme (vgl.
BGHSt  47,  369  <373  ff.>; Güntert,  Gewinnabschöpfung  als  strafrechtliche  Sanktion, 1983,
S. 17; Schmidt, in: LKStGB, 11. Aufl., § 73 Rn. 8; Eberbach, NStZ 1987, S. 486, 489 f.; Groth,
Verdeckte  Ermittlung  im  Strafverfahren und  Gewinnabschöpfung,  1995,  S.  151;  anders
Schultehinrichs,  Gewinnabschöpfung  bei Betäubungsmitteldelikten  -  Zur  Problematik  der
geplanten Vorschrift  über  den  erweiterten  Verfall,  1991, S.  153  f.;  wohl  auch  Weßlau,  StV
1991, S. 226, 231 f., und Hoyer, GA 1993, S. 406, 417 ff., 421).
cc)  Schließlich  hat  das  Rechtsinstitut  des Verfalls  auch  nicht  deshalb  strafähnlichen
Charakter angenommen, weil der Gesetzgeber parallel zur Neuregelung des § 73d StGB das
bis  dahin  im  Verfallrecht  geltende Nettoprinzip  (Abschöpfung  des  Taterlöses  abzüglich  der
Tatkosten)  durch  das  Bruttoprinzip  (Abschöpfung  des  erlangten "Etwas",  des  Taterlöses
ohne Abzug für die Tat geleisteter Aufwendungen, vgl. BGH, NStZ 1994, S. 123 f.; BGHSt 47,
369  <371  ff.>)  ersetzt  hat.  Die  Auffassung, der  Verfall  sei  nur  noch  der  Form  nach  eine
Maßnahme,  dem Inhalt  nach  dagegen  eine  tatvergeltende  Zufügung  eines  Übels, weil  das
Gesetz nunmehr dem deliktisch bereicherten Täter - über die bloße Kondiktion hinaus - eine
wirtschaftliche Einbuße zumute (vgl. Nachw. bei Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl.,
§  73d Rn. 2 ff., § 73 Rn. 18 ff.; Fischer, in: Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 73d Rn. 4 ff.,
78
79
80
81
§  73  Rn.  3;  Lackner,  in: Lackner/Kühl,  StGB,  24.  Aufl.,  §  73  Rn.  4  ff.; Jescheck/Weigend,
Lehrbuch  des  Strafrechts,  5.  Aufl., S.  793;  Horn,  in:  SKStGB,  §  73  Rn.  5;  Herzog,  in:
NomosStGB,  §  73  Rn.  10  ff.;  anders  BGH,  NStZ  1995, S.  491;  Schmidt,  in:  LKStGB,  11.
Aufl.,  §  73d  Rn. 4,  §  73  Rn.  8;  Katholnigg,  JR  1994,  S.  353,  354; Baumann/Weber/Mitsch,
Strafrecht,  Allgemeiner  Teil, 10.  Aufl.,  S.  716;  Goos,  wistra  2001,  S.  313, 315),  ist  nicht
zwingend.  Das  Bruttoprinzip  lässt  sich  auch anders  und  in  größerer  Nähe  zum  Willen  des
Gesetzgebers sowie zum systematischen Ort des Verfalls einordnen:
Der  Gesetzgeber  hat  dem  Rechtsinstitut  des Verfalls  durch  die  Einführung  des
Bruttoprinzips  den kondiktionsähnlichen  Charakter  nicht  genommen.  Vielmehr  hat er  sich
eine  an  Wortlaut  und  Gesetzessystematik  der §§  812  ff.  BGB  orientierte  Sichtweise  des
zivilrechtlichen  Bereicherungsrechts  zu  Eigen  gemacht.  Danach beschränkt  sich  die
Funktion der §§ 812 ff. BGB nicht auf die Abschöpfung noch vorhandener Vermögenswerte;
vielmehr  ist  die  Kondiktion  ein  eigenständiges  Instrument  zur Korrektur  irregulärer
Vermögenszuordnungen,  das  allein  den gutgläubigen  Bereicherungsschuldner  vor
Vermögenseinbußen schützt  (§  818  Abs.  3  BGB),  während  es  dem  Bösgläubigen
wirtschaftliche Verlustrisiken zuweist (§ 818 Abs. 4, § 819 BGB; vgl. BGHZ 53, 144 <147 f.>;
55, 128 <135> und 57, 137 <146 ff.>; Lieb, in: MünchKommBGB, 3. Aufl., § 818 Rn. 47 ff.;
Lorenz, in: Staudinger, BGB, 1999, § 818 Rn. 1; Sprau, in: Palandt, BGB, 62. Aufl., § 818 Rn.
27  ff.;  H.P. Westermann,  in:  Erman,  BGB,  10.  Aufl.,  §  818  Rn.  2;  zur risikozuweisenden
Wirkung des Bruttoprinzips im strafrechtlichen Verfallrecht vgl. Katholnigg, JR 1994, S.  353,
356 und BayObLG, NStZ-RR 1997, S. 339).
Ausweislich der Gesetzesmaterialien soll die Einführung des Bruttoprinzips das Verfallrecht
d e r §§  73  ff.  StGB  an  die  im  zivilrechtlichen Bereicherungsrecht  vorgefundene
Risikozuweisung angleichen. In der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung
des  Außenwirtschaftsgesetzes,  des  Strafgesetzbuchs  und anderer  Gesetze  vom  10.
September  1991  (BTDrucks  12/1134,  S. 12) heißt es hierzu, die mit der Nettoabschöpfung
v e r b u n d e n e Saldierung
habe
zu
Wertungswidersprüchen
innerhalb
der
Gesamtrechtsordnung  geführt,  weil  das  Zivilrecht  demjenigen, der  sich  außerhalb  der
Rechtsordnung  stelle,  in  §  817 Satz  2  BGB  die  Zuhilfenahme  der  Gerichte  bei  der
Rückabwicklung  seines  zweifelhaften  Geschäfts  versage.  Der Rechtsgedanke  des  §  817
Satz 2 BGB, wonach das in ein verbotenes Geschäft Investierte unwiederbringlich verloren
sei, solle deshalb auch beim Verfall Anwendung finden.
Mit  seinem  Bezug  auf  den  der  Regelung  des §  817  Satz  2  BGB  nach  überwiegender
Meinung  zu  Grunde liegenden  Gedanken  der  Rechtsschutzverweigerung  (vgl.  BGHZ 44,  1
<6>;  Lorenz,  in:  Staudinger,  BGB,  1999, §  817  Rn.  4  f.;  Honsell,  Die  Rückabwicklung
sittenwidriger  oder  verbotener  Geschäfte,  1974, S.  58  ff.;  Canaris,  in:  Festschrift  für
Steindorff, 1990, S. 519, 523 ff.; Dauner, JZ 1980, S. 495, 499; Lieb, in: MünchKommBGB,
3. Aufl., § 817 Rn. 9) hat der Gesetzgeber klargestellt, dass er dem von einer Anordnung des
Verfalls  Betroffenen  lediglich eine  rechtliche  Begünstigung  versagen  und  damit  die  im
zivilrechtlichen  Bereicherungsrecht  vorgefundene Risikozuweisung  übernehmen,  nicht  aber
eine neue pönale Rechtsfolge schaffen wollte.
Insgesamt betrachtet ist die Gewinnabschöpfung gemäß § 73d StGB keine pönale Reaktion
auf  ein  früheres normwidriges  Verhalten  des  Betroffenen.  Vielmehr  antwortet sie  auf  eine
gegenwärtige
Störung
der
Vermögensordnung
mit einem  korrigierenden  und
normbekräftigenden  Eingriff.  Der erweiterte  Verfall  verfolgt  nicht  repressiv-vergeltende,
sondern  präventiv-ordnende  Ziele  und  ist  daher  keine  dem Schuldgrundsatz  unterliegende
strafähnliche  Maßnahme.  Die verschuldensunabhängige  Ausgestaltung  des  erweiterten
Verfalls begegnet insoweit keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
82
83
84
85
86
87
88
2. § 73d StGB ist mit der Unschuldsvermutung vereinbar.
a) Die Unschuldsvermutung ist eine besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips.
Sie muss in einem prozessordnungsgemäßen Verfahren widerlegt werden, bevor wegen
eines  Tatvorwurfs  Entscheidungen  getroffen  werden,  die die  Feststellung  von  Schuld
erfordern.  Sie  schützt  den Beschuldigten  vor  Nachteilen,  die  Schuldspruch  oder  Strafe
gleichkommen, denen aber kein rechtsstaatliches, prozessordnungsgemäßes Verfahren zur
Schuldfeststellung und Strafbemessung vorausgegangen ist (vgl. BVerfGE 19, 342 <347 f.>;
35, 311 <320>; 74, 358 <369 ff.>; 82, 106 <118 ff.>).
b) Das Rechtsinstitut des erweiterten Verfalls verletzt die Unschuldsvermutung nicht.
§ 73d StGB sieht die Entziehung von Vermögenswerten vor, die der Beschuldigte aus
rechtswidrigen, aber  nicht  notwendig  schuldhaft  begangenen,  Taten  erlangt hat.  Die
Anordnung  des  erweiterten  Verfalls  setzt  die Feststellung  von  Schuld  nicht  voraus.  Sie  ist
daher  von Gesetzes  wegen  auch  nicht  mit  einer  gerichtlichen Schuldzuweisung  verbunden
(vgl. BTDrucks 11/6623, S. 5 und BTDrucks 12/2720, S. 42 f.). Eine strafgleiche Rechtsfolge
ordnet § 73d StGB - wie unter C. I. 1. ausgeführt - ebenfalls nicht an (vgl. auch das Urteil des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 24. Oktober 1986 - Nr. 14/1984/86/133
-,  EuGRZ  1988,  S.  513,  519 zu  einer  zollrechtlichen  Verfallerklärung).  Die
Unschuldsvermutung  steht  einer  Anordnung  des  erweiterten Verfalls  ohne  gesetzlichen
Schuldnachweis daher nicht entgegen.
3. Die Vorschrift des § 73d StGB verstößt in der Auslegung des Bundesgerichtshofs auch
nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG.
a)  Soweit  §  73d  StGB  den  Zugriff  auf Vermögenswerte  erlaubt,  die  dem  unmittelbar
Betroffenen  wegen eines  Verstoßes  gegen  strafrechtliche  Vorschriften zivilrechtlich  nicht
zustehen  (vgl.  §  134,  §  935 BGB),  ist  dessen  Eigentumsgrundrecht  schon  mangels  einer
schutzfähigen  Rechtsposition  nicht  berührt  (vgl. BVerfGE  83,  201  <209>; 95,  267 <300>).
Dies  betrifft  vor allem  die  Entziehung  von  Gewinnen  aus  illegalen Drogengeschäften.  Denn
wegen  des  strafrechtlichen  Verbots  des Handeltreibens  mit  Betäubungsmitteln  ist  gemäß
§  134  BGB neben  dem  schuldrechtlichen  Verpflichtungsgeschäft  zugleich die  Übereignung
sowohl  der  Drogen  als  auch  des  für  sie  als Kaufpreis  gezahlten  Geldes  zivilrechtlich
unwirksam  (vgl. BGH,  NJW  1983,  S.  636;  Mayer-Maly/Armbrüster,  in: MünchKommBGB,
4. Aufl., § 134 Rn. 10; Sack, in: Staudinger, BGB, 2003, § 134 Rn. 223, jeweils m.w.N.). Einer
unveröffentlichten  Erhebung  des  Statistischen Bundesamts  zufolge  ergehen  gut  acht  von
zehn  Anordnungen  des erweiterten  Verfalls  im  Bereich  der  Betäubungsmitteldelikte. Auch
nahmen  die  Gerichte  in  den  zu  §  33  Abs.  1  BtMG veröffentlichten  Entscheidungen
regelmäßig  -  wie  das Landgericht  im  Ausgangsverfahren  -  an,  die  für  verfallen erklärten
Vermögenswerte  stammten  ihrerseits  aus Betäubungsmittelstraftaten  (vgl.  die  bei
Gradowski/Ziegler, Geldwäsche, Gewinnabschöpfung, 1997, S. 82 ff. referierten Fälle sowie
BGH,  NStZ  1995,  S.  540;  StV 1995,  S.  633;  NStZ-RR  1998,  S.  297;  NStZ  2001, S.  531;
NStZ-RR  2003,  S.  75;  OLG  Stuttgart,  NJW 2000,  S.  2598,  2599).  Demnach  berühren  die
meisten Anwendungsfälle  des  §  73d  StGB  kein  durch  Art.  14 Abs.  1  GG  geschütztes
Eigentum. Die Geltung des Bruttoprinzips ändert hieran nichts. Es versagt dem Betroffenen
lediglich  eine  Erstattung  seiner  Tataufwendungen (vgl.  C.  I.  1.  b)  cc)  sowie  Katholnigg,  JR
1994, S. 353, 356).
b) Soweit § 73d StGB die Entziehung von Gegenständen anordnet, die der Betroffene zwar
deliktisch, aber  gleichwohl  zivilrechtlich  wirksam  erworben  hat,  enthält er  eine  Inhalts-  und
Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Diese genügt
in der Auslegung des Bundesgerichtshofs den verfassungsrechtlichen Anforderungen.
89
90
91
92
93
94
aa)  Das  Bundesverfassungsgericht  hat  schon  im Beschluss  vom  12.  Dezember  1967  (
BVerfGE  22,  387  <422> ) klargestellt, dass der Verlust von Eigentum als Nebenfolge einer
strafrechtlichen  Verurteilung zu  den  traditionellen  Schranken  des  Eigentums  gehört.  Das
Grundgesetz  hat  dem  Gesetzgeber  in  Art.  14  Abs.  1 Satz  2  die  Aufgabe  übertragen,  den
Inhalt  und  die Schranken  des  Eigentums  zu  bestimmen.  Die  das  Eigentum ausformenden
Vorschriften des bürgerlichen und des öffentlichen Rechts legen generell und abstrakt Rechte
und Pflichten hinsichtlich solcher Rechtsgüter fest, die als Eigentum im Sinne der Verfassung
zu  verstehen  sind  (vgl. BVerfGE  52,  1  <27  f.>; 58,  137 <144  f.>; 58,  300  <330>; 70,  191
< 200> ; 72,  66  <76>; 100,  226 <240>).  Solche  Vorschriften bleiben  Inhalts-  und
Schrankenbestimmungen
des
Eigentums
auch dann,
wenn
sie
konkrete
Vermögenspositionen  ganz  oder teilweise  entziehen  oder  hierzu  für  den  Einzelfall  die
Grundlage  bilden  (vgl.  BVerfGE  58, 300  <351>; 70,  191  <200>; 83,  201 <212>; 100,  226
<240> ).
bb) § 73d StGB setzt dem Eigentum Schranken; die Vorschrift spricht deliktisch erlangten
Rechtspositionen in der Hand des Täters oder Teilnehmers den Schutz als Eigentum ab und
ordnet ihre Entziehung an.
(1) Schon mit der Einführung des einfachen Verfalls gemäß § 73 StGB hat der Gesetzgeber
bestimmt, dass  der  Inhaber  deliktisch  erlangten  Vermögens  die  damit verbundenen
Befugnisse  nicht  nach  eigener  Entscheidung  zu seinem  Nutzen  soll  ausüben  können.  Die
Vorschrift  regelt abstrakt-generell,  dass  deliktisch  erlangte Vermögensgegenstände  und
deren  Surrogate  dem  Tatbeteiligten von  hoher  Hand  entzogen  werden  sollen.  Zugleich
bestimmt § 73 StGB die Voraussetzungen für den Vollzug der Eigentumsbeschränkung.
(2)  Die  Regelung  über  den  erweiterten  Verfall lockert  die  Voraussetzungen  für  die
Entziehung deliktisch erzielter Gewinne und Entgelte. § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB erlaubt den
Zugriff  auf  deliktisch  erlangte Vermögensgegenstände  in  der  Hand  des  Täters  oder
Teilnehmers auch  dann,  wenn  sie  nicht  aus  der  abgeurteilten  Tat,  sondern aus  anderen,
möglicherweise  nicht  mehr  verfolgbaren, rechtswidrigen  Taten  stammen;  der  erweiterte
Verfall  eines Gegenstands  ist  gemäß  §  73d  Abs.  1  Satz  1  StGB anzuordnen,  wenn  die
Umstände die Annahme rechtfertigen, dass der Gegenstand für eine rechtswidrige Tat oder
aus  ihr erlangt  worden  ist.  Nach  §  73d  Abs.  1  Satz  2  StGB unterliegen  auch  solche
Gegenstände  dem  erweiterten  Verfall, die  dem  Betroffenen  wegen  ihrer  deliktischen
Erlangung  nicht gehören  oder  zustehen.  Die  Anordnung  des  Verfalls  erstreckt sich  auf
Nutzungen und Surrogate (§ 73d Abs. 1 Satz 3, § 73 Abs. 2 StGB) sowie auf den Geldwert
nicht  oder nicht  mehr  entziehbarer  Vermögensvorteile  (§  73d  Abs.  2, §  73a  StGB).  Sie
unterbleibt,  soweit  sie  für  den Betroffenen  eine  unbillige  Härte  wäre  (§  73d  Abs.  4, §  73c
StGB).
cc) Nach der vom Bundesgerichtshof im Ausgangsverfahren vertretenen Auffassung ist die
Annahme der deliktischen Herkunft eines Gegenstands nur dann im Sinne des § 73d Abs. 1
Satz 1 StGB gerechtfertigt, wenn sich der Tatrichter durch Ausschöpfung der vorhandenen
Beweismittel von  ihr  überzeugt  hat.  Für  eine  solche  Überzeugungsbildung verlangt  der
Bundesgerichtshof  keine  Feststellungen  über konkrete  Herkunftstaten.  Auch  sei  der
Tatrichter  nicht gehindert,  sondern  gehalten,  die  nachgewiesenen  Anlasstaten in  seine
Überzeugungsbildung einzubeziehen, selbst wenn aus ihnen kein Gewinn erzielt worden sei.
Insgesamt  dürften  die Anforderungen  an  den  Herkunftsnachweis  nicht  überspannt werden
(BGHSt 40, 371 ff.).
Diese  Auslegung  des  §  73d  Abs.  1  Satz  1 StGB  ist  von  Verfassungs  wegen  nicht  zu
beanstanden.
95
96
97
98
(1)  Sie  ist  mit  dem  Wortlaut  der  Vorschrift vereinbar,  die  mit  der  Formulierung  "wenn  die
Umstände  die Annahme  rechtfertigen"  einen  Spielraum  zur  Bestimmung  des erforderlichen
Beweismaßes  eröffnet  (zu  den  Grenzen zulässiger  Gesetzesauslegung  BVerfGE 8,  28
<34>; 49, 148 <157>; 54,  277 <299  f.>; 71,  81  <105>; 90,  263 <275>). Die Auffassung des
Bundesgerichtshofs  tritt  auch  nicht  in  Widerspruch  zum  Willen des  Gesetzgebers.
Ausweislich  der  Gesetzesmaterialien  soll die  Regelung  des  erweiterten  Verfalls  die
strafrechtliche Gewinnabschöpfung  erleichtern;  nach  bisherigem  Recht scheitere  sie  häufig
daran, dass "wegen des konspirativen Charakters des illegalen Betäubungsmittelhandels ...
die Herkunft  von  Vermögensgegenständen  des  Täters  aus  bestimmten Straftaten  nicht
nachgewiesen  werden"  könne  (vgl.  BTDrucks 11/6623,  S.  1).  Die  in  §  73d  Abs.  1  Satz  1
S t G B vorgesehenen  Beweiserleichterungen  könnten  der  Schwierigkeit entgegenwirken,
"dass bei den Tatbeteiligten Vermögenswerte angetroffen werden, deren kriminelle Herkunft
zwar  nahe liegt,  sich  jedoch  nicht  konkret  fassbaren,  womöglich  gar  den im  anhängigen
Strafverfahren  zur  Untersuchung  gezogenen Straftaten  zuordnen  lassen"  (vgl.  BTDrucks
12/989, S.  22).  Die  Vorschrift  solle  einen  Eigentumsentzug  in Fällen  ermöglichen,  in  denen
die  Herkunft  des  Gegenstands  des Verfalls  mit  den  Erkenntnismöglichkeiten  des  Gerichts
n i c h t aufgeklärt  werden  könne,  eine  deliktische  Erlangung  jedoch angesichts  der
Einkommens-  und  Vermögenssituation  des  Täters sowie  seines  Vorlebens  so  hoch
wahrscheinlich  sei,  dass  sie sich  für  einen  objektiven  Betrachter  geradezu  aufdränge  (vgl.
BTDrucks  11/6623,  S.  7).  Dabei  fordere  und  ermögliche das  in  dem  Begriff  "rechtfertigen"
enthaltene  normative Element  eine  Anwendung  der  Vorschrift,  die  in  jedem Einzelfall  der
Eigentumsgewährleistung hinreichend gerecht werde (vgl. BTDrucks 11/6623, S. 5).
Diesen gesetzgeberischen Zielen trägt die Auslegung des § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB durch
d e n Bundesgerichtshof  Rechnung.  Sie  erleichtert  einerseits  den für  die  strafrechtliche
Gewinnabschöpfung erforderlichen Nachweis einer deliktischen Vermögenserlangung, indem
sie auf die Feststellung einer konkreten Herkunftstat verzichtet und dem Tatrichter in weitem
Umfang eine nur mittelbare Beweisführung erlaubt. Andererseits verlangt sie, dass Eingriffe
in das verfassungsrechtlich geschützte Legalvermögen des Betroffenen vermieden werden,
indem  sich der  Tatrichter  zumindest  vom  "Ob"  der  deliktischen Vermögensherkunft
überzeugt.  Nach  Ansicht  des Bundesgerichtshofs  wird  eine  Anwendung  des  §  73d  Abs.  1
Satz 1 StGB nur bei dieser einschränkenden Normauslegung der Eigentumsgewährleistung
hinreichend  gerecht.  Da  der Gesetzgeber mit der Fassung des § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB
eine  verfassungsgemäße  Anwendung  der  Norm  in  jedem  Fall sicherstellen  wollte,  war  der
Bundesgerichtshof nicht gehindert, zu diesem Zweck den möglichen Wortsinn der Vorschrift
auszuschöpfen.
Die  restriktive  Auslegung  des  §  73d  Abs. 1  Satz  1  StGB  durch  den  Bundesgerichtshof
entspricht  auch  den vom  Gesetzgeber  mit  der  Vorschrift  verfolgten  weitergehenden Zielen
der  Gewinnabschöpfung  (vgl.  dazu  bereits  oben  C.  I.  1. b)  bb).  Sie  konzentriert  den
Anwendungsbereich
des erweiterten  Verfalls  auf  nachweisbar  deliktisch  erlangte
Gegenstände und stellt damit sicher, dass die Eigentumsordnung nur dort korrigiert wird, wo
dies erforderlich  ist,  um  deliktisch  verursachte  Störungen  zu beseitigen.  Eine  derartige
Korrektur fehlerhafter Vermögenslagen verwirklicht zugleich das Ziel des Gesetzgebers, das
Vertrauen  der  Bevölkerung  in  die Gerechtigkeit  und  die  Unverbrüchlichkeit  der
Rechtsordnung zu stärken.
(2)  Die  Auslegung  des  Bundesgerichtshofs beruht  auf  sachbezogenen  und
nachvollziehbaren  Erwägungen. Sie  bietet  keine  Anhaltspunkte  für  den  Vorwurf  der  Willkür
oder  für  eine  Verkennung  der  Bedeutung  und  Tragweite grundrechtlicher  Gewährleistungen
(zu diesem Prüfungsmaßstab BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 60, 348 <357>; 70, 230 <239> ).
99
100
101
102
103
104
105
dd)  In  der  Auslegung  des  Bundesgerichtshofs beschränkt  §  73d  StGB  den  Inhalt  des
Eigentums in verfassungsrechtlich zulässiger Weise.
(1) Bei der Erfüllung des ihm gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG erteilten Auftrags, Inhalt und
Schranken  des  Eigentums  zu  bestimmen,  muss  der Gesetzgeber  die  grundgesetzliche
Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG wie auch das Sozialgebot
des Art. 14 Abs. 2 GG beachten (vgl. BVerfGE 52, 1 <29>; 71, 230 <246 f.>; 81, 208 <220>)
und die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers sowie die Belange des Gemeinwohls in
einen  gerechten  Ausgleich  und  ein  ausgewogenes  Verhältnis bringen  (BVerfGE  100,  226
<240> ;  stRspr).  Dabei  ist  er  an  den Grundsatz  der  Verhältnismäßigkeit  gebunden.
Einschränkungen der  Eigentümerbefugnisse  müssen  vom  jeweiligen  Sachbereich her
geboten und auch in ihrer Ausgestaltung sachgerecht sein. Sie dürfen nicht weiter gehen als
es  ihr  Grund,  der  Schutz des  Gemeinwohls,  erfordert  (vgl. BVerfGE  20,  351  <361>; 52,  1
<29 f.>), und sie dürfen insbesondere auch nicht, gemessen am sozialen Bezug und an der
sozialen Bedeutung des Eigentumsobjekts sowie im Blick auf den Regelungszweck, zu einer
übermäßigen  Belastung  führen und  den  Eigentümer  im  vermögensrechtlichen  Bereich
unzumutbar treffen  (vgl.  BVerfGE  58,  137 <148>).  Zudem  muss  eine Inhalts-  und
Schrankenbestimmung des Eigentums mit allen anderen Verfassungsnormen vereinbar sein,
insbesondere  mit dem  Gleichheitsgrundsatz  (vgl. BVerfGE  14,  263  <278>; 18,  121 <132>;
25, 112 <117>; 52, 1 <27>; 62, 169 <183> ).
(2) Die Regelung über den erweiterten Verfall wird diesen Maßstäben gerecht. Sie enthält in
der
Auslegung des  Bundesgerichtshofs  eine  sachgerechte  Beschränkung  der
Eigentümerbefugnisse, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt und auch sonst mit
dem Grundgesetz vereinbar ist.
(a)  Der  Gesetzgeber  will  mit  der strafrechtlichen  Gewinnabschöpfung  eine  Störung  der
Vermögensordnung  beseitigen  und  so  der  materiellen Rechtsordnung  Geltung  verschaffen.
Das  in  §§  73  ff. StGB  geregelte  Rechtsinstitut  des  Verfalls  kann  dazu beitragen,  dieses
legitime  gesetzgeberische  Ziel  (vgl. BVerfGE  81,  228  <237  f.> )  zu  erreichen  (zu  den
Anforderungen an die Geeignetheit einer gesetzlichen Regelung BVerfGE 30, 292 <316>; 33,
171 <187>; 67, 157 <173, 175>; 70, 278 <286>; 96, 10 <23> ):
Das  Vertrauen  der  Bevölkerung  in  die Gerechtigkeit  und  die  Unverbrüchlichkeit  der
Rec hts ordnung kann  Schaden  nehmen,  wenn  Straftäter  deliktisch  erlangte
Vermögensvorteile  dauerhaft  behalten  dürfen.  Eine  Duldung solcher  strafrechtswidrigen
Vermögenslagen  durch  den  Staat könnte  den  Eindruck  hervorrufen,  kriminelles  Verhalten
zahle sich aus, und damit staatlich gesetzten Anreiz zur Begehung gewinnorientierter Delikte
geben.  Die  strafrechtliche Gewinnabschöpfung  ist  ein  geeignetes  Mittel,  um  dies  zu
verhindern.  Sie  kann  der  Bevölkerung  den  Eindruck  vermitteln, der  Staat  unternehme  alles
ihm  rechtsstaatlich  Mögliche,  um eine  Nutznießung  von  Verbrechensgewinnen  zu
unterbinden  (vgl. Hoyer, GA 1993, S. 406, 412; Perron, JZ 1993, S. 918, 921, 922 f.; Julius,
ZStW 1997, S. 58, 97). Indem § 73d StGB die Gewinnabschöpfung erleichtert, kann er  den
mit ihr verfolgten Zweck, der Rechtsordnung Geltung zu verschaffen, zusätzlich fördern.
(b) Ein im Vergleich zur Regelung des § 73d StGB milderes, aber gleich effektives Mittel zur
Erreichung  dieses  Ziels  der  Gewinnabschöpfung  ist  nicht ersichtlich.  Das  gilt  auch  für  die
Erstreckung  des erweiterten  Verfalls  auf  die  vom  Täter  anstelle  des ursprünglichen
Tatgewinns  oder  -entgelts  erworbenen  Surrogate gemäß § 73d Abs. 1 Satz 3, § 73 Abs. 2
StGB und für die in § 73d Abs. 2, § 73a StGB angeordnete Wertersatzpflicht; ohne sie könnte
der Täter die mit der Vorschrift angestrebte Gewinnabschöpfung unterlaufen.
(c) Die Entziehung deliktisch erlangter Vermögenswerte im Wege des erweiterten Verfalls
106
107
108
109
ist  einem Tatbeteiligten  grundsätzlich  zumutbar.  Unbillige  Härten,  die sich  im  Einzelfall  aus
der  Wertersatzpflicht  des  §  73d Abs.  2  in  Verbindung  mit  §  73a  StGB  und  aus  dem
Bruttoprinzip  ergeben  können,  sind  von  den  Fachgerichten durch  eine  Anwendung  der  in
§  73d  Abs.  4,  §  73c Abs.  1  StGB  vorgesehenen  Regelung  auszuschließen.  Eine
Beeinträchtigung  legal  erworbener  Vermögenspositionen  des Betroffenen  ist  nach  der  vom
Bundesgerichtshof  im Ausgangsverfahren  vorgenommenen  Auslegung  des  §  73d  Abs. 1
Satz 1 StGB nicht zu besorgen; diese stellt sicher, dass der Richter sich von der deliktischen
Herkunft des Objekts des Verfalls überzeugt.
(d)  §  73d  Abs.  1  Satz  2  StGB ermöglicht unter anderem die Abschöpfung von Gewinnen
a u s illegalen  Drogengeschäften,  bei  denen  der  Verkäufer  nach  der fachgerichtlichen
Rechtsprechung gemäß § 134 BGB kein Eigentum an dem von dem Abnehmer als Kaufpreis
gezahlten  Geld erwerben  kann  (vgl.  C.  I.  3.  a)  sowie  BTDrucks  11/6623, S.  7  f.).  Die
Vorschrift  beschränkt  zugleich  in zulässiger  Weise  das  Eigentumsrecht  des  an  der  Tat
beteiligten  Drogenkäufers.  Seine  für  deliktische  Zwecke freiwillig  aufgegebene
Vermögensposition  verdient  keinen verfassungsrechtlichen  Schutz  (vgl.  auch  den  in  §  817
Satz 2 BGB zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedanken).
(e) Anordnungen des erweiterten Verfalls gemäß § 73d Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB können
jedoc h vermögenswerte  Rechtspositionen  tatgeschädigter  Dritter beeinträchtigen  (vgl.
Schultehinrichs,  Gewinnabschöpfung  bei Betäubungsmitteldelikten  -  Zur  Problematik  der
geplanten Vorschrift  über  den  erweiterten  Verfall,  1991, S.  186  ff.;  Fischer,  in:
Tröndle/Fischer,  StGB,  50. Aufl., § 73d Rn. 5; Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, 26.  Aufl.,
§ 73d Rn. 6 f.; Schmidt, in: LKStGB, 11. Aufl., § 73d Rn. 7). Denn anders als beim einfachen
Verfall  (§  73  Abs.  1  Satz  2  StGB)  hat  der Gesetzgeber  beim  erweiterten  Verfall
Schadensersatzansprüchen von  Tatopfern  keinen  Vorrang  vor  der  strafrechtlichen
Gewinnabschöpfung  eingeräumt.  Er  sieht  in  dieser Ungleichbehandlung  selbst  einen
Systembruch,  der  im  Rahmen einer  Gesamtüberarbeitung  der  §§  73  ff.  StGB behoben
werden  soll  (vgl.  den  Entwurf  eines  Gesetzes  zur verbesserten  Abschöpfung  von
Vermögensvorteilen  aus Straftaten  vom  3.  Februar  1998,  BTDrucks  13/9742;  er  räumt
Tatgeschädigten  Erstattungsansprüche  gegen  den  Staat  ein,  die in  einem  gesonderten
Nachverfahren geltend zu machen sind).
In  der  Begründung  des  Entwurfs  eines  ... Strafrechtsänderungsgesetzes  -  Erweiterter
Verfall  - (... StrÄndG) vom 9. März 1990 (BTDrucks 11/6623, S. 7) heißt es hierzu, wegen
des  auf  bestimmte Betäubungsmitteldelikte  beschränkten  Anwendungsbereichs  des §  73d
StGB sei eine Verkürzung der Rechte Tatgeschädigter äußerst unwahrscheinlich. Die gemäß
§ 73d Abs. 4 StGB entsprechend anwendbare Härteregelung des § 73c Abs. 1 StGB biete
insoweit einen ausreichenden Schutz vor "unbilligen Ergebnissen".
Inzwischen  hat  der  Gesetzgeber  den  erweiterten Verfall  auf  eine  Reihe  anderer  Delikte,
insbesondere  auch  auf Vermögensstraftaten  wie  Bandendiebstahl  und  -hehlerei erstreckt
(vgl.  A.  I.).  Auf  der  Grundlage  dieser  neuen Verweisungstatbestände  sind  nach  einer
Erhebung  des Statistischen  Bundesamts  in  den  Jahren  1993  bis  2001 insgesamt  115
Anordnungen  des  erweiterten  Verfalls  ergangen. Damit  ist  eine  Beeinträchtigung  von
Eigentumsrechten  und Ersatzansprüchen Tatverletzter durch die Regelung des § 73d StGB
wahrscheinlicher  geworden.  Die strafprozessuale  "Zurückgewinnungshilfe"  der §§  111b  ff.
StPO,  die  Geschädigten  die  Durchsetzung ihrer  aus  der  Straftat  erwachsenen
Ersatzansprüche erleichtern soll, bietet wegen der zeitlichen Begrenzung des in § 111i StPO
vorgesehenen Zwangsvollstreckungsprivilegs  nur  einen  unvollkommenen Opferschutz  (vgl.
Güntert,  Gewinnabschöpfung  als strafrechtliche  Sanktion,  1983,  S.  72  f.;  Lenz, Einziehung
und  Verfall  -  de  lege  lata  und  de  lege  ferenda  -, 1986,  S.  289  ff.;  Schäfer,  in:  LKStGB,
110
111
112
113
114
115
116
10. Aufl., § 73 Rn. 26, 28; Achenbach, in: Festschrift für Blau, 1985, S. 7, 15 f., 20). Daher hat
der  Gesetzgeber  -  auch  unter  sozialstaatlichen Aspekten  -  zu  prüfen,  ob  die  Rechte
Tatgeschädigter beim erweiterten Verfall nach der Ausdehnung seines Anwendungsbereichs
noch hinreichend gewahrt sind.
(f)  §  73d  Abs.  1  Satz  1  StGB  schränkt  in der  Auslegung  des  Bundesgerichtshofs  die  im
Rechtsstaatsprinzip  verankerte  Selbstbelastungsfreiheit  des Angeklagten  nicht  ein.  Dieser
muß  sich  weder  zu  der angeklagten  Anlasstat  noch  zu  eventuellen  anderen  strafbaren
Verhaltensweisen äußern, um eine Anordnung des erweiterten Verfalls zu vermeiden.
(g)  Die  angegriffene  Regelung  ist  in  der Auslegung  des  Bundesgerichtshofs  auch
hinreichend  bestimmt. Sie erlaubt einen Zugriff auf alle vom Betroffenen deliktisch erlangten
und  durch  dieses  Kriterium  von  seinem verfassungsrechtlich  geschützten  Legalvermögen
abgrenzbaren Gegenstände.  Das  vom  Bundesgerichtshof  hinsichtlich  der deliktischen
Vermögensherkunft  geforderte  Beweismaß  der richterlichen  Überzeugung  macht  eine
Anordnung des erweiterten Verfalls für den Täter klar vorhersehbar.
(h)  §  73d  StGB  verstößt  nicht  gegen  das Rückwirkungsverbot.  Nach  Auffassung  des
Bundesgerichtshofs ist  der  erweiterte  Verfall  von  Gegenständen,  die  der Betroffene  vor
Inkrafttreten der auf § 73d StGB verweisenden Vorschrift erworben hat, gemäß § 2 Abs. 5 in
Verbindung mit Abs. 1 StGB ausgeschlossen (vgl. BGHSt 41, 278; BGH, NStZ 2001, S. 419
und
wistra
2003, S.  228  f.).  Bei  dieser  verfassungsrechtlich unbedenklichen
Gesetzesauslegung entfaltet die Vorschrift über den erweiterten Verfall keine Rückwirkung.
(i) Schließlich verstößt es nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG,
dass §  73d  StGB  die  erleichterte  Abschöpfung  von Deliktsgewinnen  auf  bestimmte,  dem
"organisierten  Verbrechen" zugerechnete  Tätergruppen  beschränkt.  Die  abweichende
Behandlung  dieser  Tätergruppen  ist  durch  besondere Beweisschwierigkeiten  und  durch  die
vom  Gesetzgeber  mit  der Regelung  des  §  73d  StGB  verfolgten Gewinnabschöpfungsziele
sachlich hinreichend gerechtfertigt (zum Maßstab BVerfGE 96, 315 <325>; 100, 138 <174> ):
Mit  den  in  §  73d  Abs.  1  Satz  1  StGB vorgesehenen  Beweiserleichterungen  will  der
Gesetzgeber  einen Zugriff  auf  deliktisch  erlangte  Vermögensgegenstände  auch dann
ermöglichen,  wenn  deren  Herkunft  aus  bestimmten Straftaten  wegen  des  konspirativen
Vorgehens des von der Vorschrift erfassten Täterkreises nicht aufgeklärt werden kann  (vgl.
oben  C.  I.  3.  b)  cc)  (1)  sowie  BTDrucks  11/6623, S.  1).  Außerdem  soll  eine  effektivere
Gewinnabschöpfung gerade denjenigen Tätern, die für die "organisierte Kriminalität" typische
Delikte  begangen  haben,  den  Anreiz  zur Begehung  erneuter  gewinnorientierter  Straftaten
nehmen.
Die  Einschätzung  des  Gesetzgebers,  eine effektive  Gewinnabschöpfung  sei  bei
"organisiert"
vorgehenden Straftätern  wegen  deren  erfahrungsgemäß  konspirativen
Verhaltens  nur  unter  den  erleichterten  Voraussetzungen  des §  73d  StGB  möglich,  ist  nicht
offensichtlich  fehlsam  und genügt  daher  den  verfassungsrechtlichen  Anforderungen.  Auch
die  Typisierung  der  "organisierten  Kriminalität"  durch  das Merkmal  der  banden-  oder
gewerbsmäßigen Tatbegehung wahrt die Grenzen des dem Gesetzgeber vom Grundgesetz
zugebilligten Beurteilungsspielraums (vgl. dazu BVerfGE 8, 71 <80>; 30, 292 <317>).
II.
1.  Die  Rüge  des  Beschwerdeführers,  das landgerichtliche  Urteil  verletze  sein
Eigentumsgrundrecht, weil  es  den  vom  Bundesgerichtshof  in  einengender  Auslegung des
§  73d  Abs.  1  Satz  1  StGB  aufgestellten Beweismaßanforderungen  nicht  genüge,  ist
117
unbegründet.  Die Ausführungen des Landgerichts in den Gründen des angegriffenen  Urteils
belegen,  dass  es  die  Überzeugung gewonnen  hat,  das  vom  Beschwerdeführer  auf  einem
Sparkonto angelegte Geld stamme aus verbotenen Drogengeschäften.
2.  Damit  erweist  sich  auch  der  Einwand  des Beschwerdeführers,  der  seine  Revision
verwerfende  Beschluss des  Bundesgerichtshofs  halte  den  Verfassungsverstoß  des
Landgerichts aufrecht, als unbegründet.
Hassemer
Jentsch
Richter Broß ist an der
Unterschrift verhindert.
Osterloh
Di Fabio
Mellinghoff
Lübbe-Wolff
Gerhardt