Urteil des BVerfG vom 05.07.2005

sicherstellung von gegenständen, durchsuchung, herausgabe von gegenständen, unverletzlichkeit der wohnung

- Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Gert Menzner,
Schlüterstraße 36, 10629 Berlin -
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 497/03 -
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn V...,
gegen 1. a) den Beschluss des Kammergerichts vom 16. Juli 2003 – 1 AR 158/03
– 5 Ws 257/03 -,
b) den Beschluss des Kammergerichts vom 2. Juni 2003 - 5 Ws 257/03 -,
c) den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 17. April 2003 - 502 Qs
109/02 -,
d) den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 7. April 2003 - 502 Qs
109/02 -,
e) den Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 6. Februar 2003 -
353 Gs 605/03 -,
2. a) den Beschluss des Kammergerichts vom 23. April 2003 - 5 Ws 82/02 -
,
b) den Beschluss des Kammergerichts vom 3. März 2003 - 5 Ws 82/02 -,
c) den dem Bevollmächtigten des Beschwerdeführers am 27. Januar
2003 zugegangenen undatierten Beschluss des Landgerichts Berlin -
502 Qs 109/02 -,
d) den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 6. Dezember 2002 - 502
Qs 109/02 -,
e) den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 6. November 2002 - 502
Qs 109/02 -,
f) den Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 26. August 2002 -
353 Gs 4471/02 -,
3. a) den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 23. September 2004 -
502 Qs 95/03 -,
b) den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 13. November 2003 - 502
Qs 95/03 -,
c) den Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 9. Oktober 2003 -
353 Gs 5172/03 –
und
Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
und
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten Hassemer,
die Richterin Osterloh
und den Richter Mellinghoff
gemäß § 93c in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG in der Fassung
der Bekanntmachung vom 11. August 1993 ( BGBl I S. 1473 ) am 5. Juli 2005
einstimmig beschlossen:
1. Die Beschlüsse des Amtsgerichts Tiergarten vom 6. Februar 2003 – 353 Gs
605/03 - und des Landgerichts Berlin vom 7. April 2003 – 502 Qs 109/02 –
verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Gewährung
effektiven Rechtsschutzes aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes, soweit
über den die Sicherstellung von Gegenständen in den Kanzleiräumen
betreffenden Antrag nicht entschieden wurde. Sie werden insoweit
aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Tiergarten zurückverwiesen.
2. Der dem Bevollmächtigten des Beschwerdeführers am 27. Januar 2003
zugegangene undatierte Beschluss des Landgerichts Berlin – 502 Qs 109/02
– und der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 17. April 2003 – 502 Qs
109/02 – sowie die Beschlüsse des Kammergerichts vom 3. März 2003 – 5 Ws
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82/03 – und vom 2. Juni 2003 – 5 Ws 257/03 - verletzen den
Beschwerdeführer, soweit sie die Behandlung der
Richterablehnungsgesuche betreffen, in seinem grundrechtsgleichen Recht
aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Sie werden insoweit
aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Berlin zurückverwiesen.
3. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung
angenommen.
4. Das Land Berlin hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zur
Hälfte zu erstatten.
Gründe:
A.
Die
Verfassungsbeschwerde
betrifft strafprozessuale Durchsuchungs- und
Sicherstellungsmaßnahmen in der Wohnung und in der Rechtsanwaltskanzlei des
Beschwerdeführers, gegen den wegen des Verdachts des Besitzes
kinderpornographischer Schriften strafrechtlich ermittelt wird. Die angegriffenen
Entscheidungen betreffen die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des
Beschwerdeführers (I.), die Sicherstellung von Beweismitteln (II.) sowie die
fortdauernde Sicherstellung von Beweismitteln nach einem Termin zu deren Ent- und
Versiegelung (III.).
I.
1. Wegen des Verdachts des Besitzes kinderpornographischer Schriften ordnete das
Amtsgericht am 26. August 2002 die Durchsuchung der Wohn-, Geschäfts- und
Nebenräume des Beschwerdeführers an.
a) Die in Vollzug des Beschlusses am 18. September 2002 vorgenommenen
Sicherstellungen in der Kanzlei hatten sich durch eine unverzügliche Freigabe der
Gegenstände erledigt. Ob eine Kopie der Daten einer Wechselfestplatte des
Kanzleicomputers des Beschwerdeführers angefertigt worden war, war - trotz der
hierauf bezogenen polizeilichen Durchsuchungsberichte - im Ausgangsverfahren
streitig. Die Staatsanwaltschaft hat jedoch im Laufe des Verfahrens die zuständige
Polizeibehörde angewiesen, eventuell noch vorhandene Magnetbänder mit
Datenkopien ohne Sichtung zu löschen.
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b) Die Auswertung der in der Wohnung sichergestellten Datenträger gemäß § 110
StPO ist noch nicht abgeschlossen. Der Beschwerdeführer versicherte am 2. Juni
2003 an Eides statt, dass sich auf den in der Wohnung in Verwahrung genommenen
Datenträgern unter anderem wesentliche Adressdaten seiner Anwaltskanzlei, ein
Großteil der Korrespondenz mit den Mandanten, komprimierte Datensicherungen der
gesamten Kanzleidaten sowie die vollständige Steuerbuchführung mit Angaben zu
mandantenbezogenen Zahlungsvorgängen befänden.
2. a) Mit Schriftsatz vom 30. September 2002 - ergänzt am 7. Oktober 2002 und am
14. Oktober 2002 - erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen die am
18.
September
2002 durchgeführten
Durchsuchungs-
und
Beschlagnahmemaßnahmen und beantragte, den Durchsuchungsbeschluss sowie
die "in Vollzug des Beschlusses erfolgten Beschlagnahmen" in den Kanzleiräumen
und in seiner Wohnung aufzuheben. Die Rügen des Beschwerdeführers betrafen das
Fehlen eines Tatverdachts, das Nichtvorliegen einer angemessenen Begrenzung der
Zwangsmaßnahmen
sowie
ein
etwaiges
Beschlagnahme-
und
Beweisverwertungsverbot
infolge
schwerwiegender
Verstöße gegen das
Verfahrensrecht. Zudem sei eine komplette Datenkopie einer Kanzleifestplatte
gefertigt worden; dies sei im Protokoll nicht einmal vermerkt worden.
3. Das Landgericht verwarf mit Beschluss vom 6. November 2002 (in Verbindung mit
einer inhaltlichen Klarstellung vom 6. Dezember 2002) die "Beschwerden" gegen die
Durchsuchungsanordnung und gegen die "Beschlagnahmen" als unbegründet.
Grundlage
der Verdachtsannahme
seien
Informationen
über
das
Dienstleistungsunternehmen "Landslide" in den USA. Diese Firma habe Kosten im
Kreditkartenverkehr eingezogen und an Anbieter von Webseiten im Internet mit
kinderpornographischen Inhalten weitergeleitet. Bei Ermittlungen in den USA sei eine
Kundendatenbank
festgestellt
worden,
die
Hinweise
auf Bezieher
kinderpornographischen Materials ergeben habe. Bezüglich des Beschwerdeführers
seien in den Monaten April und Mai des Jahres 1999 vier Kontobelastungen in einer
Gesamthöhe von 167,48 DM zu Gunsten der Firma "Landslide" festgestellt worden.
Der dadurch begründete Verdacht sei durch Aktenvermerke der Ermittlungsbeamten
nachträglich erhärtet worden. Der Tatvorwurf sei auch konkret bezeichnet worden. Im
Übrigen seien die in den Kanzleiräumen des Beschwerdeführers beschlagnahmte
Festplatte sowie sämtliche weiteren dort beschlagnahmten Speichermedien ohne
Fertigung einer Sicherungskopie an den Beschwerdeführer herausgegeben worden.
4. Eine dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde nahm die 3. Kammer des
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Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts mit Beschluss vom 18. Dezember
2002 – 2 BvR 1910/02 – im Hinblick auf die fehlende Rechtswegerschöpfung (§ 33 a
StPO, § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO) nicht zur Entscheidung an.
5. a) Soweit die Durchsuchung betroffen ist, beantragte der Beschwerdeführer
daraufhin am 3. Januar 2003 die Nachholung des rechtlichen Gehörs gemäß § 33 a
StPO und lehnte die mit der Sache befassten Richter wegen Befangenheit ab. Die
Besorgnis der Befangenheit ergebe sich aus der ungeprüften Übernahme von
Angaben der Ermittlungsbehörden. Die Feststellung, eine bei der Durchsuchung in
der Kanzlei vorgefundene Festplatte sei nicht kopiert worden, sei durch die
Ermittlungsakten - im Durchsuchungsbericht und dem Bericht der EDV-Prüfer -
widerlegt. Zudem würden sich die Ermittlungsbehörden weigern, den Vortrag des
Beschwerdeführers zur Kenntnis zu nehmen. Insbesondere sei unberücksichtigt
geblieben, dass die Abgabe eines Geständnisses vom Beschwerdeführer bestritten
werde.
b) Das Landgericht verwarf mit undatiertem, dem Bevollmächtigten des
Beschwerdeführers
am
27.
Januar 2003 zugegangenen Beschluss die
Richterablehnung mangels Glaubhaftmachung gemäß § 26 a Abs. 1 Nr. 2 StPO als
unzulässig. Zugleich verwarf es die Anhörungsrüge.
c) Gegen die Verwerfung der Richterablehnung erhob der Beschwerdeführer am
27. Januar 2003 sofortige Beschwerde. Eine Glaubhaftmachung sei dann nicht
erforderlich, wenn sich - wie hier - alle Umstände aus den Akten ergäben.
d) Das Kammergericht verwarf die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 3. März
2003 als unbegründet. Zwar hätte eine Glaubhaftmachung nicht gefordert werden
dürfen. Das Beschwerdegericht könne aber selbst in der Sache entscheiden, weil das
beanstandete Verhalten der abgelehnten Richter aus der Akte ersichtlich sei. Von der
nach § 26 Abs. 3 StPO vorgeschriebenen Einholung dienstlicher Äußerungen könne
abgesehen werden, da es auszuschließen sei, dass deren Fehlen die
Beschwerdeentscheidung beeinflussen könne. Alleine eine tatsächlich oder rechtlich
unrichtige, nicht aber willkürliche Entscheidung bilde keinen Ablehnungsgrund.
e) Der Beschwerdeführer beantragte am 8. April 2003 die Durchführung eines
Nachverfahrens gemäß § 33 a StPO. Das Kammergericht habe entgegen seinem
ausdrücklichen Antrag keine dienstlichen Stellungnahmen der abgelehnten Richter
eingeholt. Das Kammergericht wies den - als Gegenvorstellung behandelten - Antrag
mit Beschluss vom 23. April 2003 zurück. Es seien keine Tatsachen oder
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Beweisergebnisse verwertet worden, zu denen der Beschwerdeführer nicht gehört
worden sei. Dienstliche Äußerungen hätten nicht eingeholt werden müssen; auf die
relevanten Umstände erstrecke sich das Beratungsgeheimnis.
II.
1. Unter Bezugnahme auf den Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts
vom
18.
Dezember
2002 beantragte
der
Beschwerdeführer am 3. Januar 2003 die "richterliche Entscheidung entsprechend
§ 98 Abs. 2 Satz 2 StPO über die am 18. September 2002 durchgeführten
Inverwahrungnahmen in den Wohn- und Kanzleiräumen" des Beschwerdeführers,
welche aufzuheben seien. Ergänzend zu den Ausführungen in den in Bezug
genommenen Schriftsätzen vom 30. September 2002 und 7. Oktober 2002 (vgl. I.2.a)
wies der Beschwerdeführer auf mehrere Verletzungen des § 110 StPO hin. Sämtliche
Erkenntnisse
seien
rechtswidrig
erlangt worden. Hieraus folgten ein
Beweisverwertungsverbot sowie die gerichtliche Pflicht, diese Maßnahmen
aufzuheben.
2. Das Amtsgericht stellte mit Beschluss vom 6. Februar 2003 fest, dass die
Inverwahrungnahme bestimmt - durch Bezugnahme auf ein Protokoll - bezeichneter,
in der Wohnung des Beschwerdeführers sichergestellter Gegenstände rechtmäßig
sei. Eine Entscheidung über Gegenstände, die in der Kanzlei sichergestellt worden
waren, wurde nicht getroffen. Das Amtsgericht führte aus, dass eine "endgültige
Entscheidung gemäß § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO (richterliche Bestätigung)" derzeit nicht
veranlasst sei, "da die maßgebenden Gegenstände entweder bereits wieder
ausgehändigt worden sind oder ein Entsiegelungstermin noch nicht stattgefunden
hat". Nach dem in Bezug genommenen Vermerk der Staatsanwaltschaft vom
3. Februar 2003 wurde das Landeskriminalamt zwischenzeitlich angewiesen,
"etwaige Sicherungsbänder von der zweiten Festplatte ohne Auswertung zu löschen,
die anlässlich der Durchsuchung der Kanzleiräume aus Gründen der
Verhältnismäßigkeit als milderes Mittel erstellt wurden".
3. Die dagegen gerichtete Beschwerde vom 12. Februar 2003 verwarf das
Landgericht mit Beschluss vom 7. April 2003 als unbegründet. Die Gegenstände
seien noch nicht ausgewertet oder entsiegelt worden. Die Inverwahrungnahme der
Gegenstände sei rechtmäßig, da der Tatverdacht noch immer bestehe.
4. Der Beschwerdeführer beantragte am 14. April 2003 die Nachholung des
rechtlichen Gehörs gemäß § 33 a StPO und lehnte die mit der Sache befassten
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Richter erneut wegen Befangenheit ab.
a) Unter Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG sei nicht auf sein Vorbringen
eingegangen worden, wonach die Durchsuchung und Sicherstellung von
Datenträgern in der Rechtsanwaltskanzlei unrechtmäßig gewesen sei. Besonders
schwer wiege die Anfertigung einer - entgegen der gerichtlichen Annahme
vorgenommenen - Sicherungskopie vom vollständigen Datenbestand einer
Wechselfestplatte. Hierbei habe es sich im Wesentlichen um mandatsbezogene
Dateien gehandelt, für die ein Beschlagnahmeverbot bestehe. Unerörtert geblieben
sei auch die Sicherstellung eines inzwischen zurückgegebenen Computers mit dem
gesamten Termin- und Adressdatenbestand.
b) Die Richterablehnung sei aus den bereits früher zur Gehörsverletzung
vorgetragenen Gründen und wegen der fortdauernden Rechtsverweigerung
insbesondere hinsichtlich der rechtswidrigen Anfertigung der Datenkopie seiner
Kanzleidaten gerechtfertigt.
5. Das Landgericht verwarf mit Beschluss vom 17. April 2003 den Ablehnungsantrag
wegen der damit beabsichtigten Prozessverschleppung gemäß § 26 a Abs. 1 Nr. 3
StPO als unzulässig. Es gehe dem Beschwerdeführer offensichtlich darum, die
Auswertung der in Verwahrung genommenen Gegenstände zu verhindern, mithin das
Verfahren zu verschleppen oder ihm unliebsame Entscheidungen zu verhindern. Für
den - ebenfalls verworfenen - Antrag gemäß § 33 a StPO sei wegen des bereits
mehrfach gewährten rechtlichen Gehörs kein Raum.
6. a) Das Kammergericht verwarf mit Beschluss vom 2. Juni 2003 die dagegen
gerichtete sofortige Beschwerde, mit welcher neben einer Rechtsverweigerung durch
das Landgericht eine wiederholte Missachtung des § 29 StPO gerügt wurde, als
unbegründet. Die Entscheidung des Landgerichts habe ausschließlich eine
Beschwerde gegen die Inverwahrungnahme von Gegenständen aus der Wohnung
betroffen. Der Umstand, dass sich die Strafkammer nicht "erneut" mit der Anfertigung
eines die Kanzleidaten betreffenden Sicherungsbandes befasst habe, rechtfertige
nicht die Annahme einer richterlichen Voreingenommenheit.
b) Am 24. Juni 2003 beantragte der Beschwerdeführer die Durchführung des
Nachverfahrens gemäß § 33 a StPO. Die Annahmen des Kammergerichts zum
Verfahrensgegenstand seien willkürlich. Über die Anfertigung einer Sicherungskopie
sei bislang noch nicht entschieden worden.
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c) Das Kammergericht verwarf den Antrag mit Beschluss vom 16. Juli 2003 als
unzulässig. § 33 a StPO bezwecke nicht den erneuten Angriff gegen eine
Entscheidung, die aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen für falsch gehalten
werde. Im Ausgangsbeschluss des Amtsgerichts vom 6. Februar 2003 sei - vermutlich
irrtümlich - keine Entscheidung über die Inverwahrungnahme von Gegenständen in
den Kanzleiräumen getroffen worden. Eine Ergänzung über diesen Teil des Antrags
habe der Beschwerdeführer noch nicht herbeigeführt.
III.
1. Am 22. September 2003 beantragte der Beschwerdeführer die erneute
Überprüfung der Inverwahrungnahmen vom 18. September 2002. Ungeachtet des
Beschlusses des Amtsgerichts vom 6. Februar 2003 (vgl. II.2.) sei nunmehr eine
endgültige Entscheidung veranlasst. Bei der am 20. August 2003 durchgeführten
Entsiegelung seien - bezogen auf sichergestellte Disketten und CDs - nach Art und
Umfang ungeklärte Überstücke (392 statt 338 CD-R, 252 statt 54 Disketten)
vorgefunden worden; zudem sei der sichergestellte Computer (Pos. 10 des
Verzeichnisses) vor Datenveränderungen ungeschützt gewesen. Wegen der nicht
spezifizierten Angaben im Sicherstellungsverzeichnis sei auch nach Auffassung des
Ermittlungsrichters eine Identifizierung nicht mehr möglich. Daraus resultiere ein
Beweisverwertungsverbot. Eine weitere Inverwahrungnahme sei unverhältnismäßig.
2. Mit Beschluss vom 9. Oktober 2003 stellte das Amtsgericht fest, dass die
Beschlagnahme der im Entsiegelungstermin vorgefundenen und festgestellten
Gegenstände rechtmäßig sei. Die Gegenstände seien beweiserheblich. Der
Zahlenunterschied beruhe offensichtlich auf einer fehlerhaften Auszählung der
beschlagnahmenden Beamten.
3. Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 15. Oktober 2003 Beschwerde. Für den
Fall der Nichtabhilfe lehnte der Beschwerdeführer - vorsorglich - die Richter der
Beschwerdekammer, welche ihm im bisherigen Verfahren willkürlich jeglichen
Rechtsschutz verweigert hätten, wegen der Besorgnis der Befangenheit ab.
4. a) Wegen der Verfolgung offensichtlich verfahrensfremder Zwecke verwarf das
Landgericht mit Beschluss vom 13. November 2003 das Ablehnungsgesuch als
unzulässig gemäß § 26 a Abs. 1 Nr. 3 StPO. Die Verfahrensweise, jede für ihn
ungünstige Entscheidung anzufechten, sei zwar für sich genommen nicht zu
beanstanden. Dies könne aber nicht dazu führen, die zur Entscheidung berufenen
Richter von vornherein als befangen anzusehen, und zwar im Wesentlichen, weil sie
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in der Vergangenheit dem Beschuldigten nicht "genehme" Entscheidungen getroffen
hätten.
b) Das Landgericht stellte die Rechtswidrigkeit der Inverwahrungnahme lediglich
insoweit fest, als zwei Kartons nicht in Anwesenheit des Durchsuchungszeugen
versiegelt worden seien. Im Übrigen wurde die Beschwerde mit der Maßgabe als
unbegründet zurückgewiesen, dass es sich um keine Beschlagnahme, sondern um
eine Inverwahrungnahme handele.
5. Einen Antrag vom 24. November 2003 gemäß § 33 a StPO und eine - wegen der
Verweigerung der Kenntnisnahme dem Beschwerdeführer günstiger tatsächlicher
und rechtlicher Umstände - erneute Ablehnung der Richter der Beschwerdekammer
verwarf das Landgericht mit Beschluss vom 18. Dezember 2003 gemäß § 26 a Abs. 1
Nr. 3 StPO. Der Ablehnungsantrag verfolge offensichtlich verfahrensfremde Zwecke.
6. Am 30. Dezember 2003 erhob der Beschwerdeführer hiergegen sofortige
Beschwerde. Das Kammergericht hob mit Beschluss vom 15. April 2004 die
angegriffene Entscheidung des Landgerichts vom 18. Dezember 2003 - soweit das
Ablehnungsgesuch als unzulässig verworfen worden war - auf und erklärte die
Ablehnung der Richter für begründet. Die Behandlung des Ablehnungsgesuchs als
unzulässig erscheine unter keinem denkbaren Gesichtspunkt als vertretbar und
erwecke deshalb nach objektiven Maßstäben den Anschein, dass sie auf
sachfremden Erwägungen beruht habe.
7. Mit Beschluss vom 23. September 2004 bestätigte das Landgericht den
vorangegangenen landgerichtlichen Beschluss vom 13. November 2003. Die
vorläufige Sicherstellung der sich noch im behördlichen Gewahrsam befindlichen
Gegenstände sei verhältnismäßig und geboten. Es existierten nach wie vor
Anhaltspunkte für die Vermutung, die weitere Durchsicht werde zum Auffinden von
Beweismitteln führen. Die zahlenmäßige Diskrepanz der bei der Versiegelung
vorgefundenen Datenträger führe zu keinem generellen Beweisverwertungsverbot.
Die Zuordnung der einzelnen Datenträger könne nur im Rahmen der Durchsicht
vorgenommen werden.
B.
I.
Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 in
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Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 (Gewährung eines fairen Verfahrens), Art. 12 Abs. 1,
Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 19 Abs. 4, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 sowie Art. 103 Abs. 1
GG.
1. Soweit die Anordnung der Durchsuchung seiner Wohn- und Geschäftsräume
betroffen ist, ist der Beschwerdeführer der Auffassung, diese habe den
rechtsstaatlichen Mindestanforderungen nicht genügt. Die Anordnung habe lediglich
der allgemeinen Ausforschung gedient. Es habe an dem zureichenden Tatverdacht
gefehl t. Unbeachtet sei auch die Eigenschaft des Beschwerdeführers als
Berufsgeheimnisträger geblieben.
2. Soweit die Sicherstellung von Gegenständen in den Kanzleiräumen betroffen ist,
rügt der Beschwerdeführer vor allem eine Rechtsschutzverweigerung der Gerichte
(Art. 19 Abs. 4 GG), welche hierüber nicht entschieden hätten.
3. Soweit die nach dem Ent- und Versiegelungstermin beschlossene Fortdauer der
Sicherstellung von Gegenständen betroffen ist, die in der Wohnung des
Beschwerdeführers sichergestellt worden waren, rügt der Beschwerdeführer neben
der fortdauernden Annahme eines Tatverdachts durch die Gerichte die fehlende
Beweisgeeignetheit der Datenträger. Hierbei stellt der Beschwerdeführer auf die
zahlenmäßige Diskrepanz zwischen sich in den Händen der Ermittlungsbehörden
befindlicher und in seiner Wohnung aufgefundener Datenträger sowie - hinsichtlich
eines Computers - auf eine fehlende Versiegelung ab.
4. Soweit die gerichtliche Behandlung der Richterablehnungsgesuche betroffen ist,
rügt der Beschwerdeführer - neben einer Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 19
Abs. 4 GG und Art. 103 Abs. 1 GG - vor allem die Verletzung seines
grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 101 Abs. 1 Satz 1 GG.
II.
1. Der Beschwerdeführer beantragte am 2. Juni 2003 den Erlass einer einstweiligen
Anordnung mit dem Ziel der Anweisung an die Ermittlungsbehörde, noch in
behördlicher Verwahrung befindliche Gegenstände dem Amtsgericht zu übergeben.
Es bestehe die Gefahr, dass die Ermittlungsbehörde von Kanzleidaten, deren
Speicherung auf den sichergestellten Gegenständen eidesstattlich versichert werde,
Kenntnis erlange.
2. Mit Beschluss vom 17. Juli 2003 erließ die 3. Kammer des Zweiten Senats eine
einstweilige Anordnung, mit welcher die Ermittlungsbehörde angewiesen wurde, die
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sichergestellten Gegenstände beim Amtsgericht zu hinterlegen und die Computer und
Datenträger vorab zu versiegeln.
3. Die Verfassungsbeschwerde wurde dem Bundestag, dem Bundesrat, der
Bundesregierung,
allen Landesregierungen,
dem
Präsidenten
des
Bundesgerichtshofs
und dem Generalbundesanwalt zugestellt. Lediglich der
Generalbundesanwalt und das Bundesministerium der Justiz haben durch
Bezugnahmen auf ihre Äußerungen zum Verfahren 2 BvR 1027/02 Stellung
genommen.
C.
Soweit das Fehlen einer gerichtlichen Entscheidung über die Sicherstellung von
Gegenständen
in
den Kanzleiräumen (II.1.) sowie die Verwerfung der
Richterablehnungsgesuche (III.) betroffen sind, nimmt die Kammer die
Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der in § 90
Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93b in Verbindung mit § 93a
Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1
BVerfGG für eine der Verfassungsbeschwerde stattgebende Entscheidung der
Kammer sind gegeben. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das
Bundesverfassungsgericht
bereits
entschieden.
Danach
ist
die
Verfassungsbeschwerde in einem die Entscheidungskompetenz der Kammer
begründenden Sinne offensichtlich begründet.
Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen,
da die Annahmevoraussetzungen gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die
Verfassungsbeschwerde hat hinsichtlich der Durchsuchungsanordnung (I.) und der
fortbestehenden Inverwahrungnahme von Gegenständen, die in der Wohnung des
Beschwerdeführers sichergestellt worden waren (II.2.), keine Aussicht auf Erfolg.
I.
Soweit die Anordnung der Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des
Beschwerdeführers betroffen ist, kann eine Grundrechtsverletzung nicht festgestellt
werden.
1. Dem Gewicht des schwerwiegenden Eingriffs in die Unverletzlichkeit der
Wohnung und der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Schutzes der räumlichen
Privatsphäre entspricht es, dass Art. 13 Abs. 2 GG die Anordnung einer
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Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vorbehält. Dieser Richtervorbehalt zielt auf
eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme durch eine unabhängige und neutrale
Instanz (vgl. BVerfGE 20, 162 <223>; 57, 346 <355 f.>; 76, 83 <91>; 103, 142 <150 f.>
).
Der gerichtliche Durchsuchungsbeschluss dient auch dazu, die Durchführung der
Eingriffsmaßnahme messbar und kontrollierbar zu gestalten (vgl. zu den hierauf
bezogenen Anforderungen BVerfGE 20, 162 <224>; 42, 212 <220 f.>; 103, 142
<151 f.>).
Die Durchsuchung bedarf schließlich einer Rechtfertigung nach dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit. Sie muss im Blick auf den bei der Anordnung verfolgten
gesetzlichen Zweck erfolgversprechend sein. Ferner muss gerade diese
Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich sein; dies
ist nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen.
Schließlich muss der jeweilige Eingriff in einem angemessenen Verhältnis zu der
Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen (vgl. BVerfGE 96, 44
<51>).
2. Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen haben die auf die Durchsuchung
der Kanzleiräume bezogenen Beschlüsse Rechnung getragen.
a) Die angegriffenen Entscheidungen haben der verfassungsrechtlich gebotenen
Begrenzungsfunktion
einer Durchsuchungsanordnung
genügt.
Der
Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts enthielt neben dem auf das Dauerdelikt
d e s Besitzes kinderpornographischer Schriften gerichteten Strafvorwurf auch im
einzelnen bezeichnete und auf den Strafvorwurf bezogene Beweismittel, nach denen
gesucht werden sollte. Der im Beschlussrubrum mitgeteilte Betreff der "Verbreitung
pornographischer Schriften" war weder missverständlich noch widersprüchlich.
Dieser Betreff entsprach der gesetzlichen Bezeichnung des § 184 StGB a.F. In den
Beschlussgründen wurde zudem der Tatvorwurf in eindeutiger Weise auf die
Strafnorm des § 184 Abs. 5 StGB a.F. in der Begehensweise des Besitzes
kinderpornographischer Schriften begrenzt. Der Beschwerdeführer wurde hiermit in
den Stand versetzt, die Durchsuchung seinerseits zu kontrollieren und etwaigen
Ausuferungen im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten von vornherein
entgegenzutreten (vgl. BVerfGE 42, 212 <221>; 103, 142 <151 f.>).
b) Auch begegnet die Annahme eines für die Maßnahme vorausgesetzten, auf
konkreten Tatsachen und kriminalistischer Erfahrung beruhenden Anfangsverdachts
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(v g l . Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 152 Rn. 4) keinen durchgreifenden
verfassungsrechtlichen Bedenken. Es kann nicht festgestellt werden, dass die
fachgerichtliche Verdachtannahme bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz
beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich war (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>;
95, 96 <128> ).
Zwar durften die Gerichte das vom Beschwerdeführer bestrittene Teilgeständnis als
nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Durchsuchungsanordnung hinzugetretenen
Umstand nicht zur Legitimation der Maßnahme berücksichtigen. Die Gerichte durften
jedoch
auf
die Zahlungsvorgänge mit der Kreditkartennummer des
Beschwerdeführers an die Firma "Landslide" abstellen. Zwar wird nicht deutlich, ob
die Firma "Landslide" nur mit Internetprovidern abrechnete, welche ausschließlich mit
kinderpornographischem Material handelten. Von Bedeutung ist jedoch, dass die
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ergeben hatten, dass unter dem Namen des
Beschwerdeführers und unter Verwendung von dessen Kreditkartennummer und
e i n e m speziellen Passwort eine Bestellung zu einer Website mit
kinderpornographischem Material aufgegeben worden war. Es ist unter
Berücksichtigung
der
beschränkten verfassungsgerichtlichen Überprüfbarkeit
fachgerichtlicher Entscheidungen jedenfalls vertretbar, dass hieraus der
kriminalistische Schluss gezogen wurde, der Beschwerdeführer habe sich im
zeitlichen Zusammenhang mit den Kreditkartenzahlungen den Besitz an
kinderpornographischen Schriften verschafft und ein entsprechender Besitz habe
fortbestanden.
c) Es kann auch keine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
festgestellt werden.
aa) Die Maßnahme war geeignet, für das Strafverfahren relevante Beweismittel
aufzufinden. Auch für die Kanzleiräume des Beschwerdeführers konnte insoweit, vor
allem wegen dort vorhandener Datenverarbeitungsanlagen, eine Auffindevermutung
streiten. Mildere Mittel zur Auffindung der Beweismittel standen nicht zur Verfügung.
bb) Auch stand die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des
Beschwerdeführers trotz der zum Tatzeitpunkt niedrigen Strafandrohung gemäß
§ 184 Abs. 5 Satz 2 StGB a.F. in Verbindung mit § 2 StGB (vgl. nunmehr § 184 b
Abs. 4 Satz 2 StGB) und des seit der den Tatverdacht begründenden Umstände
bereits eingetretenen Zeitablaufs noch nicht außer Verhältnis zum Ermittlungszweck.
Hierbei ist zu beachten, dass der Verhinderung und Aufklärung von Straftaten nach
52
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55
dem Grundgesetz eine hohe Bedeutung zukommt (vgl. BVerfGE 100, 313 <388> ).
Mit der auch die Kanzleiräume betreffenden Durchsuchung war das Auffinden
insbesondere
der
dortigen Computeranlage sowie kinderpornographischer
Bilddateien bezweckt. Der hiermit verbundenen Gefahr eines Zugriffs auf
verfahrensunerhebliche, auch objektiv-rechtlich geschützte und vertrauliche Daten
beispielsweise von Mandanten des Beschwerdeführers ist aber in erster Linie im
Verfahren der Durchsicht gemäß § 110 StPO Rechnung zu tragen. Hierbei muss die
Gewinnung überschießender und vertraulicher, für das Verfahren aber
bedeutungsloser Informationen im Rahmen des Vertretbaren vermieden werden (vgl.
Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12. April 2005
- 2 BvR 1027/02 -, Umdruck S. 40). Eine Zuordnung der Daten nach ihrer
Verfahrensrelevanz kann unter Umständen mit Hilfe geeigneter Suchbegriffe oder
Suchprogramme gelingen (vgl. Beschluss des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts vom 12. April 2005 - 2 BvR 1027/02 -, Umdruck S. 41).
Diese Maßnahme haben die Ermittlungsbehörden auch ergriffen. Dies ergibt sich aus
der von den Behörden gesicherten Dokumentation über die automatisierte
Überprüfung der Kanzleifestplatte zur Auffindung von kinderpornographischen
Bilddateien ("PERKEO-Report").
II.
Soweit über den die Sicherstellung von Gegenständen in den Kanzleiräumen
betreffenden Antrag nicht entschieden wurde, verletzen die Beschlüsse des
Amtsgerichts vom 6. Februar 2003 und des Landgerichts vom 7. April 2003 den
Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes
aus Art. 19 Abs. 4 GG (1.). Hinsichtlich der fortdauernden Sicherstellung der in seiner
Wohnung in Verwahrung genommenen Gegenstände hat der Beschwerdeführer
indes keine Grundrechtsverletzung aufgezeigt (2.).
1. Soweit die Sicherstellung von Gegenständen in den Kanzleiräumen betroffen ist,
rügt der Beschwerdeführer in erster Linie, dass die Gerichte über einen auf die
Rechtmäßigkeit der Maßnahme bezogenen Antrag nicht entschieden hätten.
a) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet nicht nur das formelle Recht und die theoretische
Möglichkeit, die Gerichte anzurufen; er garantiert vielmehr auch die Effektivität des
Rechtsschutzes. Der Bürger hat einen substanziellen Anspruch auf eine wirksame
gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 35, 382 <401 f.>; 101, 397 <407> ). Die
grundgesetzliche Garantie des Rechtsschutzes umfasst den Zugang zu den
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59
Gerichten, die Prüfung des Streitbegehrens in einem förmlichen Verfahren sowie die
verbindliche gerichtliche Entscheidung (vgl. BVerfGE 107, 395 <401> ). Art. 19 Abs. 4
G G gebietet daher den Gerichten, das Verfahrensrecht so anzuwenden, dass den
erkennbaren Interessen des rechtsschutzsuchenden Bürgers bestmöglich Rechnung
getragen wird. Legt ein Gericht den Verfahrensgegenstand in einer Weise aus, die
das vom Beschwerdeführer erkennbar verfolgte Rechtsschutzziel ganz oder in
wesentlichen Teilen außer Betracht lässt, so liegt darin eine Rechtswegverkürzung,
die den Rechtsschutzanspruch des Betroffenen nach Art. 19 Abs. 4 GG verletzt (vgl.
Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom
27. Februar 2002 - 2 BvR 553/01 -, NJW 2002, S. 2699 <2700>; Beschluss der
2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Februar
1997 - 2 BvR 2989/95 - ).
b) Die Gerichte haben diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht
Rechnung getragen.
aa) Das Amtsgericht hat über den auf die Kanzleigegenstände bezogenen Antrag
des Beschwerdeführers keine Entscheidung getroffen. Damit hat es die in den
Schriftsätzen
des
Beschwerdeführers
zum
Ausdruck
gekommenen
Rechtsschutzinteressen in einem wesentlichen Teil außer Betracht gelassen. Das
Amtsgericht wäre auch hinsichtlich der Kanzleigegenstände von Verfassungs wegen
zu einer Entscheidung verpflichtet gewesen.
(1) Der Beschwerdeführer hat sowohl in seinem das Verfahren einleitenden
Schriftsatz vom 3. Januar 2003 als auch in dem darin in Bezug genommenen
Schriftsatz vom 30. September 2002 in eindeutiger Weise zum Ausdruck gebracht,
dass sich sein Rechtsschutzbegehren nicht auf die Sicherstellung der in der
Wohnung sichergestellten Gegenstände beschränkte. Dies ergibt sich bereits aus
den durch Fettdruck hervorgehobenen Anträgen, welche sich ausdrücklich auf die
Aufhebung der "Inverwahrungnahmen in den Wohn- und Kanzleiräumen" bezogen.
Darüber hinaus verdeutlichte der Beschwerdeführer in der Antragsbegründung, dass
er an einer Entscheidung über die Sicherstellung sämtlicher Gegenstände interessiert
war. Er führte im Einzelnen aus, weswegen aus seiner Sicht auch die Sicherstellung
von Kanzleigegenständen - insbesondere die Fertigung einer Sicherungskopie einer
Festplatte - rechtswidrig war.
(2) Die verfassungsrechtliche Pflicht des Amtsgerichts, entsprechend dem
erkennbaren Rechtsschutzziel des Beschwerdeführers auch über die in der Kanzlei
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vorgenommenen Sicherstellungen eine Entscheidung zu treffen, bestand auch
ungeachtet der zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht hinreichend aufgeklärten
Frage, ob die Sicherstellungen in der Kanzlei - beispielsweise durch Löschung des
behördlich erstellten Datensicherungsbandes - zwischenzeitlich erledigt waren. In
diesem
Fall
hätte
das Amtsgericht dem Rechtsschutzbegehren des
Beschwerdeführers durch eine Entscheidung über den Antrag auf Feststellung der
Rechtswidrigkeit der - erledigten - Sicherstellung von Kanzleigegenständen
Rechnung tragen müssen (vgl. Nack, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl.,
§ 98 Rn. 23). Dieser Antrag war jedenfalls in dem auf die Rechtswidrigkeit der
Maßnahme gestützten Antrag auf Aufhebung der Sicherstellung von Gegenständen in
den Kanzleiräumen mitenthalten.
bb) Das Landgericht hat die Grundrechtsverletzung fortgesetzt. Es hat, obgleich
auch
die auf
die
Kanzleigegenstände
bezogenen
Sicherstellungen
verfahrensgegenständlich waren, hierüber ebenfalls nicht entschieden. Das
Landgericht war jedoch als Beschwerdegericht, zumal der Beschwerdeführer seine
Beschwerde nicht beschränkt (vgl. hierzu Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 304 Rn. 4)
und im Nachverfahren nach § 33 a StPO nochmals auf die Rechtswidrigkeit der
Sicherstellung von Datenträgern in der Kanzlei hingewiesen hat, zu einer
Überprüfung im vollen Umfang verpflichtet (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 309
Rn. 3; Engelhardt, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl., § 309 Rn. 6; zur
ausnahmsweise - hier aber nicht vorgenommenen - zulässigen Zurückverweisung
vgl. Engelhardt, a.a.O., Rn. 11; zur Entscheidungsbefugnis des Beschwerdegerichts
vgl. Matt, in: Löwe-Rosenberg, 25. Aufl., § 309 Rn. 7 ff.).
c) Der Beschwerdeführer rügt hinsichtlich der in der Kanzlei sichergestellten Daten
auch, dass sich die Gerichte nicht mit seinem hierauf bezogenen Vorbringen
auseinandergesetzt hätten (Art. 103 Abs. 1 GG). In der Sache macht der
Beschwerdeführer damit im Wesentlichen Umstände geltend, die bereits
- entsprechend den obigen Erwägungen - die Verletzung seines Grundrechts aus
Art. 19 Abs. 4 GG begründen. Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, ob
die Behandlung des Beschwerdevorbringens auch sein grundrechtsgleiches Recht
auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat (zum Verhältnis des Art. 19 Abs. 4 GG
zu anderen Verfassungsnormen vgl. BVerfGE 60, 253 <296 f.> ).
2. Soweit das Verfahren über die Fortdauer der Sicherstellung von Gegenständen
nach dem Termin zur Ent- und Versiegelung betroffen ist, kann eine Verletzung von
Grundrechten des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden.
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a) Insbesondere haben die Gerichte in diesem Verfahrenszug nicht das Grundrecht
des
Beschwerdeführers
aus Art. 19 Abs. 4 GG verletzt. Aus dem
Beschwerdevorbringen vom 22. September 2003 ergibt sich, dass Bezugspunkt des
auf eine "endgültige Entscheidung" bezogenen Begehrens hier nur die in der
Wohnung des Beschwerdeführers sichergestellten Gegenstände waren. Hierfür
spricht schon der Anlass für das Rechtsschutzbegehren. Dieser bestand darin, dass
bei der Ent- und erneuten Versiegelung am 20. August 2003 eine zahlenmäßige
Diskrepanz zwischen den - in den Wohnräumen des Beschwerdeführers -
vorgefundenen und den behördlich verzeichneten Gegenständen festgestellt wurde.
Die Beschränkung der Entscheidung des Amtsgerichts auf die bei dem Ent- und
Versiegelungstermin vorgefundenen Gegenstände entsprach auch dem ausdrücklich
a u f die "Freigabe" dieser - in den Wohnräumen des Beschwerdeführers
sichergestellten - Gegenstände abzielenden Antrag des Beschwerdeführers.
b) Auch im Übrigen hat der Beschwerdeführer, soweit die fortbestehende
Sicherstellung betroffen ist, keine Grundrechtsverletzungen dargetan.
aa) Die §§ 94 ff. StPO erlauben die Sicherstellung und Beschlagnahme von
Datenträgern und den hierauf gespeicherten Daten als Beweisgegenstände im
Strafverfahren (vgl. Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts
vom 12. April 2005 - 2 BvR 1027/02 -, Umdruck S. 32).
bb) Von Verfassungs wegen ist die fortbestehende Sicherstellung der Gegenstände
auch
im Hinblick auf ein vom Beschwerdeführer geltend gemachtes
Beweisverwertungsverbot nicht zu beanstanden.
(1) Zwar können die beim Entsiegelungstermin festgestellten zahlenmäßigen
Diskrepanzen unter Umständen eine Zuordnung der Beweismittel erschweren oder
ausschließen. Gegen die Auffassung des Landgerichts, wonach diese Problematik
erst im Rahmen der Durchsicht geklärt werden könne, ist verfassungsrechtlich nichts
zu erinnern. Es ist auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens nicht ersichtlich,
dass die Prüfung der Beweisgeeignetheit der sichergestellten Gegenstände schon in
einem der Durchsicht vorgelagerten Verfahrensstadium vorgenommen werden
könnte.
(2) Auch der vom Beschwerdeführer eidesstattlich versicherte Umstand, wonach
sich auf den sichergestellten Datenträgern auch seine Kanzleidaten befänden,
gebietet von Verfassungs wegen keine Freigabe der Beweismittel. Von Bedeutung ist
hierbei, dass sich neben den unter Umständen auf den Datenträgern abgelegten
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Kanzleidaten auch andere, gegebenenfalls verfahrenserhebliche Daten auf den
sichergestellten Datenträgern befinden. Zudem gibt es - mit Ausnahme der Evidenz -
keine Pflicht zur ungeprüften Herausgabe von Gegenständen, welche angeblich nicht
verfahrenserheblich sind oder die einem Beweisverwertungsverbot unterfallen sollen
(vgl. hinsichtlich angeblicher Verteidigungsunterlagen Beschluss der 3. Kammer des
Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Januar 2002 - 2 BvR
2248/00 -, NStZ 2002, S. 377 <377 f.>).
(3) Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer behaupteten Speicherung seiner
Kanzleidaten wird jedoch bei der Durchsicht - entsprechend den obigen Erwägungen
(C.I.2.c)bb) - zu berücksichtigen sein, dass die Gewinnung überschießender und
vertraulicher, für das Verfahren aber bedeutungsloser Informationen im Rahmen des
Vertretbaren vermieden werden muss (vgl. Beschluss des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts vom 12. April 2005 - 2 BvR 1027/02 -, Umdruck S. 40).
III.
Der dem Bevollmächtigten des Beschwerdeführers am 27. Januar 2003
zugegangene undatierte Beschluss des Landgerichts und der Beschluss des
Landgerichts vom 17. April 2003 sowie die hierauf bezogenen Beschlüsse des
Kammergerichts vom 3. März 2003 und vom 2. Juni 2003, mit welchen die
Richterablehnungsgesuche verworfen wurden, verletzen den Beschwerdeführer in
seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
1. a) Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet dem Einzelnen das Recht auf den
gesetzlichen Richter. Ziel der Verfassungsgarantie ist es, der Gefahr einer möglichen
Einflussnahme auf den Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung vorzubeugen, die
durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen
Richter eröffnet sein könnte (vgl. BVerfGE 17, 294 <299>; 48, 246 <254>; 82, 286
<296>; 95, 322 <327>). Damit sollen die Unabhängigkeit der Rechtsprechung
gewahrt und das Vertrauen der Rechtssuchenden und der Öffentlichkeit in die
Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert werden (vgl. BVerfGE 95,
322 <327>).
b) Eine "Entziehung" des gesetzlichen Richters durch die Rechtsprechung, der die
Anwendung der Zuständigkeitsregeln und die Handhabung des Ablehnungsrechts im
Einzelfall obliegt, kann nicht in jeder fehlerhaften Rechtsanwendung gesehen
werden; andernfalls müsste jede fehlerhafte Handhabung des einfachen Rechts
zugleich als Verfassungsverstoß angesehen werden (vgl. BVerfGE 82, 286 <299> ).
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74
Die Grenzen zum Verfassungsverstoß sind aber jedenfalls dann überschritten, wenn
die Auslegung einer Zuständigkeitsnorm oder ihre Handhabung im Einzelfall
willkürlich oder offensichtlich unhaltbar ist oder wenn die richterliche Entscheidung
Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG
grundlegend verkennt (vgl. BVerfGE 82, 286 <299> ). Ob die Entscheidung eines
Gerichts auf Willkür, also auf einem Fall grober Missachtung oder grober
Fehlanwendung des Gesetzesrechts (vgl. BVerfGE 29, 45 <49>; 82, 159 <197>; 87,
282 <286> ) beruht oder ob sie darauf hindeutet, dass ein Gericht Bedeutung und
Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend
verkennt, kann nur anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilt
werden.
2. Die Verwerfungen der Richterablehnungsgesuche durch das Landgericht haben
den verfassungsrechtlichen Anforderungen wegen der willkürlichen Anwendung des
§ 26 a StPO nicht Rechnung getragen.
a) aa) Die strafprozessualen Vorschriften über die Ausschließung und Ablehnung
von Richtern (§§ 22, 23 und 24 StPO) dienen dem durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG
verbürgten Ziel, auch im Einzelfall die Neutralität und Distanz der zur Entscheidung
berufenen Richter zu sichern. § 24 StPO eröffnet die Möglichkeit, einen Richter
wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wenn der Betroffene einen Grund
sieht, der geeignet ist, Misstrauen im Hinblick auf seine Unparteilichkeit zu
rechtfertigen.
Regelungen
über
das
Verfahren
zur
Behandlung des
Ablehnungsgesuchs enthalten die §§ 26 a und 27 StPO, die das
Ablehnungsverfahren
unterschiedlich
je
danach ausgestalten, ob ein
Ablehnungsgesuch unzulässig ist oder ob es eine Sachprüfung erfordert. Ein
vereinfachtes Ablehnungsverfahren sieht § 26 a StPO im Interesse der
Verfahrensbeschleunigung für unzulässige Ablehnungsgesuche vor; über sie
entscheidet das Gericht, ohne dass der abgelehnte Richter ausscheidet (vgl. § 26 a
Abs. 2 Satz 1 StPO). Kommt eine Verwerfung des Ablehnungsgesuchs als unzulässig
nicht in Betracht, so ist das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen
Mitwirkung zur Entscheidung auf der Grundlage einer dienstlichen Stellungnahme
des abgelehnten Richters berufen, die dem Antragsteller zur Gewährung rechtlichen
Gehörs zuzuleiten ist (vgl. BVerfGE 24, 56 <62>; BGHSt 21, 85 <87>). Die
Zuständigkeitsregelung des § 27 Abs. 1 StPO trägt dabei dem Umstand Rechnung,
dass es "nach der Natur der Sache an der völligen inneren Unbefangenheit und
Unparteilichkeit eines Richters fehlen wird, wenn er über die vorgetragenen Gründe
75
für seine angebliche Befangenheit selbst entscheiden müsste" (BGH, Urteil vom
30. Juni 1955 - 4 StR 178/55 -, zitiert nach BGH, NJW 1984, S. 1907 <1909>). Die
besondere Bedeutung der richterlichen Zuständigkeit im Ablehnungsverfahren wird
durch § 24 Abs. 3 Satz 2 StPO illustriert, der dem Antragsteller schon im Vorfeld der
Entscheidung über sein Gesuch das Recht verleiht, die Namhaftmachung der zur
Mitwirkung an der Entscheidung über sein Ablehnungsgesuch berufenen
Gerichtspersonen zu verlangen (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats
des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Juni 1991 - 2 BvR 103/91 -, NJW 1991,
S. 2758).
Mit der differenzierenden Zuständigkeitsregelung in Fällen der Richterablehnung hat
der Gesetzgeber einerseits dem Gewährleistungsgehalt des Art. 101 Abs. 1 Satz 2
GG angemessen Rechnung getragen: Ein Richter, dessen Unparteilichkeit mit
jedenfalls nicht von vornherein untauglicher Begründung in Zweifel gezogen worden
ist, kann und soll nicht an der Entscheidung über das gegen ihn selbst gerichtete
Ablehnungsgesuch mitwirken, das sein eigenes richterliches Verhalten und die
- ohnehin nicht einfach zu beantwortende - Frage zum Gegenstand hat, ob das
beanstandete Verhalten für einen verständigen Angeklagten Anlass sein kann, an
sei ner persönlichen Unvoreingenommenheit zu zweifeln. Andererseits hat der
Gesetzgeber aus Gründen der Vereinfachung und Beschleunigung des
Ablehnungsverfahrens von einer Zuständigkeitsregelung dergestalt abgesehen, dass
d e r abgelehnte Richter auch in den klaren Fällen eines unzulässigen oder
missbräuchlich angebrachten Ablehnungsgesuchs an der Mitwirkung an der
Entscheidung über das Gesuch gehindert ist (vgl. BTDrucks IV/178, S. 35). Die
Mitwirkung des abgelehnten Richters bei der Entscheidung über die Zulässigkeit
eines Ablehnungsgesuchs oder über die Frage seiner missbräuchlichen Anbringung,
w i e § 26 a StPO sie erlaubt, verhindert ein aufwändiges und zeitraubendes
Ablehnungsverfahren unter Hinzuziehung von Vertretern in Fällen gänzlich
untauglicher oder rechtsmissbräuchlicher Ablehnungsgesuche; bei strenger Prüfung
ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen gerät sie mit der Verfassungsgarantie des
Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht in Konflikt, weil die Prüfung keine Beurteilung des
eigenen Verhaltens des abgelehnten Richters voraussetzt und deshalb keine echte
Entscheidung in eigener Sache ist (vgl. BTDrucks IV/178, S. 35; siehe auch Frister,
StV 1997, S. 150 <151>; Günther, NJW 1986, S. 281 <289>; kritisch: Wendisch, in:
Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 26 a Rn. 3 ff.). Eine gesetzliche Regelung, die
d e m abgelehnten Richter eine inhaltliche Entscheidung über das gegen ihn
gerichtete Ablehnungsgesuch ermöglichte, wäre demgegenüber verfassungsrechtlich
76
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78
bedenklich. Der ursprünglich im Bundesratsentwurf eines Zweiten Gesetzes zur
Entlastung der Rechtspflege enthaltene Vorschlag, den Zurückweisungsgründen des
§ 26 a Abs. 1 StPO den der "offensichtlichen Unbegründetheit" hinzuzufügen
(BTDrucks 13/4541, S. 4, Begründung S. 11 und 15 f.), ist nicht Gesetz geworden (vgl.
nur Stellungnahme der Bundesregierung, Anlage 2 zu BTDrucks 13/4541, S. 32 f.;
vgl. BTDrucks 14/1714, S. 3; kritisch Herzog, StV 2000, S. 444 <446>).
bb) § 26 a StPO ist daher eine der Vereinfachung des Ablehnungsverfahrens
dienende Vorschrift; weil sie nur echte Formalentscheidungen ermöglichen oder
einen offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts verhindern will, ist sie eng
auszulegen (vgl. Wendisch, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 26 a Rn. 13). In
Fällen, in denen die Frage der Unzulässigkeit nicht klar und eindeutig zu beantworten
ist, wird es nahe liegen, das Regelverfahren nach § 27 StPO zu wählen, um jeden
Anschein einer Entscheidung in eigener Sache zu vermeiden (vgl. Lemke, in:
Heidelberger Kommentar zur StPO, 3. Aufl., § 26 a Rn. 4; Wendisch, in: Löwe-
Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 26 a Rn. 5). Auf Fälle "offensichtlicher
Unbegründetheit"
des
Ablehnungsgesuchs
darf
das
vereinfachte
Ablehnungsverfahren wegen des sonst vorliegenden Verstoßes gegen Art. 101
Abs. 1 Satz 2 GG nicht ausgedehnt werden (vgl. Bockemühl, in: KMR, § 26 a Rn. 8).
b) Gemessen an diesen für die Auslegung und Anwendung des § 26 a StPO
geltenden Maßstäben verletzen die angegriffenen landgerichtlichen Beschlüsse
Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Verwerfung der Ablehnungsgesuche als unzulässig
unter Mitwirkung der abgelehnten Richter beruhte auf grob fehlerhaften Erwägungen
und deutet darauf hin, dass das Landgericht den Gewährleistungsgehalt des Art. 101
Abs. 1 Satz 2 GG verkannt hat.
aa) Hinsichtlich des ersten Richterablehnungsgesuchs hat das Landgericht in dem
undatierten, dem Bevollmächtigten des Beschwerdeführers am 27. Januar 2003
zugegangenen Beschluss ohne Erörterung der geltend gemachten Gründe die
Auffassung vertreten, ein nicht angegebenes Mittel zur Glaubhaftmachung wäre für
die Zulässigkeit der Richterablehnung erforderlich gewesen. Hierbei hat das Gericht
ersichtlich das konkrete Gesuch keiner Prüfung unterzogen und daher verkannt, dass
dieses ausschließlich und ohne weiteres erkennbar auf tatsächlichen Umständen
beruhte, welche aktenkundig oder gerichtsbekannt waren. In diesen Fällen bedarf es
aber keiner Glaubhaftmachung (vgl. Pfeiffer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO,
5. Aufl., § 26 Rn. 4, Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 26 Rn. 6; für eine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten
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81
Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Mai 1998 - 2 BvR 1753/97 - ).
Insbesondere mit Blick auf das Erfordernis der strengen Prüfung der tatbestandlichen
Voraussetzungen des § 26 a StPO deutet die Verfahrensweise des Landgerichts
darauf hin, dass es Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101
Abs. 1 Satz 2 GG verkannt hat.
bb) Dies gilt auch im Hinblick auf die gerichtliche Behandlung der weiteren
Ablehnungsgesuche.
(1) Hinsichtlich des zweiten Ablehnungsgesuchs hat das Landgericht in dem
Beschluss vom 17. April 2003 die Auffassung vertreten, dem Beschwerdeführer,
welcher offensichtlich verfahrensfremde Zwecke verfolge, gehe es nur darum, "die
Auswertung der in Verwahrung genommenen Gegenstände zu verhindern, mithin das
Verfahren zu verschleppen bzw. ihm unliebsame Entscheidungen zu verhindern,
§ 26 a Abs. 1 Nr. 3 StPO". Eine überprüfbare Begründung der bloßen Behauptung
e i n e r Prozessverschleppungsabsicht (vgl. hierzu BayObLG, Beschluss vom
21. August 2002 – 2 ObOwi 377/02 - ) kann den gerichtlichen Erwägungen
indes
nicht
entnommen werden.
Anhaltspunkte
für
eine
Prozessverschleppungsabsicht sind auch nicht ersichtlich. Ein Verstoß gegen
Prozessförderungspflichten
durch
den
Beschwerdeführer, welcher
eine
Prozessverschleppung begründen könnte (vgl. Brandenburgisches OLG, FamRZ
2002, S. 1042), kann ebenso wenig festgestellt werden wie eine beharrliche Stellung
unzulässiger oder unbegründeter Ablehnungsgesuche gegen Richter oder
Gerichtspersonen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 2. September 1997
L
13
An
2805/97
A
- ).
Die
lediglich
behauptete
Prozessverschleppungsabsicht beruht zudem auf einer unzutreffenden Prämisse. Die
Auswertung der sichergestellten Gegenstände konnte ungeachtet des noch nicht
abgeschlossenen Beschwerdeverfahrens jederzeit vorgenommen werden. Eine
Ausnahme gilt nur für eine - hier nicht getroffene - gerichtliche Anordnung der
Aussetzung der Vollziehung einer angefochtenen Entscheidung (§ 307 Abs. 2 StPO).
Das Landgericht hat daher auch hier die Bedeutung und Tragweite der
Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht hinreichend in den Blick
genommen.
(2) Soweit das Landgericht mit Beschluss vom 18. Dezember 2003 ein weiteres
Richterablehnungsgesuch in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise wegen
Verfolgung verfahrensfremder Zwecke als unzulässig verworfen hat, wurde der
Beschluss vom Kammergericht aufgehoben. Die hiermit verbundene Beschwer für
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86
den Beschwerdeführer hat sich daher erledigt.
3. Das Kammergericht hat die Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG fortgesetzt.
D a s Kammergericht hat bei seinen Entscheidungen vom 3. März 2003 und vom
2. Juni 2003 über die zulässigen sofortigen Beschwerden der Ausstrahlungswirkung
des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht hinreichend Rechnung getragen.
a) Nach Auffassung des Kammergerichts kam es im Beschwerdeverfahren nicht
darauf an, ob das Befangenheitsgesuch verfahrensfehlerhaft als unzulässig
zurückgewiesen worden ist.
aa) Dieser rechtliche Ausgangspunkt entspricht der heute herrschenden Ansicht in
Rechtsprechung und Kommentarliteratur. Die Ablehnungsvorschriften sollen die
Unparteilichkeit des Richters gewährleisten. Die schutzwürdigen Belange des
Beschwerdeführers fänden ihre Grenze deshalb dort, wo eine Besorgnis in dieser
Richtung tatsächlich fehle. Ein Ablehnungsgesuch sei deshalb nur dann "mit Unrecht
verworfen" (§ 338 Nr. 3 StPO), wenn es sachlich gerechtfertigt gewesen sei und ihm
hätte stattgegeben werden müssen (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten
Senats vom 2. Juni 2005 - 2 BvR 625/01, 638/01 -, Umdruck S. 24 m.w.N. zum
Streitstand im revisionsrechtlichen Zusammenhang; für das Beschwerdeverfahren
vgl. Pfeiffer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl., § 28 Rn. 2; Meyer-Goßner,
StPO, 48. Aufl., § 28 Rn. 4).
bb) Die wiederholte und rechtlich unzulässige Verwerfung der Ablehnungsgesuche
als unzulässig durch das Landgericht deutet auf eine systematische Umgehung des
gesetzlich als Regelfall vorgesehenen Ablehnungsverfahrens unter Hinzuziehung
einer Vertreterkammer hin. Ob die herrschende Auslegung (C.III.3.a)aa) im Hinblick
auf die hiermit verbundenen Gefahren auch dann mit der Verfassung in Einklang
stünde, wenn die Gerichte tatsächlich zunehmend in Fällen offensichtlicher
Unbegründetheit eines Ablehnungsantrags bewusst in das Verfahren nach § 26 a
StPO ausweichen sollten (vgl. Beschluss des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs
vom 27. Februar 2004 - 2 StR 496/03 -, StraFo 2004, S. 238), weil der begangene
Rechtsverstoß im Revisions- oder Beschwerderechtszug regelmäßig folgenlos bleibt,
kann indes offen bleiben (zur systematischen Umgehung des gesetzlichen
Ablehnungsverfahrens vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts vom 2. Juni 2005 - 2 BvR 625/01, 638/01 -, Umdruck
S. 26).
b) Dem Kammergericht als dem zuständigen Fachgericht hätte es oblegen, die im
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Ablehnungsverfahren geschehenen Verfassungsverstöße durch Aufhebung der
angegriffenen Entscheidungen zu beheben.
Mit Blick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist es verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar,
wenn das Beschwerdegericht auch in den Fällen, in denen Ablehnungsgesuche - wie
hier - willkürlich im Ablehnungsverfahren als unzulässig verworfen worden sind,
lediglich prüft, ob die Ablehnungsgesuche in der Sache erfolgreich gewesen wären.
Das Beschwerdegericht hat in Fällen wie dem hier zu entscheidenden nicht über die
hypothetische Begründetheit des Ablehnungsgesuchs, sondern vielmehr darüber zu
entscheiden, ob die Grenzen der Vorschrift des § 26 a StPO, die den gesetzlichen
Richter gewährleistet, eingehalten wurden. Andernfalls würde § 26 a StPO leer laufen
und entgegen dem erklärten Willen des Gesetzgebers auch auf die Entscheidung
über offensichtlich unbegründete Ablehnungsgesuche ausgedehnt. Jedenfalls bei
einer willkürlichen Überschreitung des von § 26 a StPO gesteckten Rahmens hat das
Beschwerdegericht die angegriffenen Entscheidungen aufzuheben und an das
Ausgangsgericht zurückzuverweisen, damit dieses in der Zusammensetzung des
§ 27 StPO über das Ablehnungsgesuch entscheidet (vgl. - für das
Revisionsverfahren - Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts vom 2. Juni 2005 - 2 BvR 625/01, 638/01 -, Umdruck
S. 26 f.).
4. Das Landgericht hat mit den angegriffenen Beschlüssen nicht nur die jeweiligen
Richterablehnungsgesuche, sondern zugleich die Anträge auf Gewährung
rechtlichen Gehörs verworfen. Diese Verfahrensweise widerspricht im Hinblick auf
die Wartepflicht des § 29 Abs. 1 StPO zwar der herrschenden Auffassung, wonach
sich - bei Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde - das Ablehnungsgesuch erst mit
der Rechtskraft des verwerfenden Beschlusses erledigt (vgl. OLG Celle, NdsRPfl
1998, S. 130, OLG Stuttgart, MDR 1994, S. 499; Meyer-Goßner, 48. Aufl., § 29 Rn. 3;
Pfeiffer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl., § 29 Rn. 4; Wendisch, in: Löwe-
Rosenberg, 25. Aufl., § 29 Rn. 12; zu dem im Wortlaut identischen § 47 Abs. 1 ZPO
vgl. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 47 Rn. 1; Heinrich, in: Musielak, ZPO,
4. Aufl., § 47 Rn. 3; BayObLG, MDR 1988, S. 500; a.A. KG, JR 1968, S. 28; zur ZPO
RGZ 66, 46 <47>; Feiber, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl., § 47 Rn. 4; zur
FGO BFHE (GrS) 134, 525 <529>). Offen bleiben kann indes, ob diese Auffassung
verfassungsrechtlich geboten ist. Jedenfalls bewirkt die Rechtskraft der Verwerfung
des Ablehnungsgesuchs eine Heilung des Verstoßes gegen das Wartegebot (vgl.
Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom
89
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91
30. November 1987 - 1 BvR 1033/87 -, ZIP 1988, S. 174 <175>; BayVerfGH, NJW
1982, S. 1746).
IV.
1. Die einstweilige Anordnung wird mit der Entscheidung über die Hauptsache
gegenstandslos.
2. Die Entscheidung über die Erstattung der Auslagen folgt aus § 34a Abs. 2 und 3
BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Hassemer
Osterloh
Mellinghoff