Urteil des BVerfG vom 07.10.2015
Verfassungsbeschwerden gegen das Sächsische Besoldungsgesetz ohne Erfolg
- Bevollmächtigte:
eureos gmbh steuerberatungsgesellschaft
rechtsanwaltsgesellschaft,
Nikolaistraße 3 - 9, 04109 Leipzig -
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 459/15 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn E …,
1.  unmittelbar gegen
a)  das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
vom 30. Oktober 2014 - BVerwG 2 C 4.13 -,
b)  das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt
vom 11. Dezember 2012 - 1 L 189/11 -,
2.  mittelbar gegen
§§ 27, 28, 80 Sächsisches Besoldungsgesetz (SächsBesG) in der Fassung des Art.
2 des Gesetzes zur Neuordnung des Dienst-, Besoldungs- und Versorgungsrechts
im Freistaat Sachsen vom 18. Dezember 2013
hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Voßkuhle,
den Richter Landau
und die Richterin Hermanns
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom
11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 7. Oktober 2015 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
G r ü n d e :
A.
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Die  Verfassungsbeschwerde  betrifft  das  rückwirkende  Inkrafttreten  des  Sächsischen
Besoldungsgesetzes (SächsBesG).
I.
Der  Beschwerdeführer  ist  im  Jahr  1995  durch  die  damalige  Landesversicherungsanstalt
Sachsen-Anhalt  in  das  Beamtenverhältnis  übernommen  worden.  Im  Jahr  2005  ist  die
Beklagte  des  Ausgangsverfahrens  -  die  Deutsche  Rentenversicherung  Mitteldeutschland  -
durch  den  Zusammenschluss  mehrerer  Landesversicherungsanstalten  zu  einem
Regionalträger entstanden. Mit dem Wirksamwerden dieser Vereinigung am 30. September
2005  trat  der  Beschwerdeführer  kraft  Gesetzes  in  den  Dienst  der  Deutschen
Rentenversicherung Mitteldeutschland über.
Im  Dezember  2009  machte  der  Beschwerdeführer  einen  Anspruch  auf  Gewährung  des
Grundgehaltes aus der Endstufe seiner Besoldungsgruppe ab dem 1. Januar 2006 geltend,
da  die  besoldungsrechtliche  Ersteinstufung  nach  dem  Lebensalter  und  der  Stufenaufstieg
nach dem Dienstalter eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters und damit einen
Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) darstellten. Das Begehren
wurde  mit  Widerspruchsbescheid  vom  15.  April  2010  zurückgewiesen.  Der  Klage  hat  das
Verwaltungsgericht Halle mit Urteil vom 28. September 2011 stattgegeben. Zur Begründung
hat  es  angeführt,  §  27  Bundesbesoldungsgesetz  (BBesG)  in  der  Fassung  der
Bekanntmachung vom 6. August 2002 bilde die besoldungsrechtliche Rechtsgrundlage und
zwar  bis  zum  31.  Oktober  2007  als  Bundesrecht  und  für  den  Folgezeitraum  aufgrund  der
Regelung in § 17 SächsBesG als Landesrecht. Das Zusammenwirken von § 27 Abs. 1 Satz
1, § 28 Abs. 1 BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 und den in
der  Besoldungsordnung  A  enthaltenen  Besoldungsstufen  führe  zu  einer  Diskriminierung
wegen des Alters. Als Rechtsfolge der Benachteiligung käme lediglich eine „Anpassung nach
oben“  dergestalt  in  Betracht,  dass  dem  Beschwerdeführer  Grundgehalt  nach  der  höchsten
Stufe seiner jeweiligen Besoldungsgruppe zu gewähren ist.
Auf  die  Berufung  der  Beklagten  hat  das  Oberverwaltungsgericht  des  Landes  Sachsen-
Anhalt  mit  Urteil  vom  11.  Dezember  2012  das  erstinstanzliche  Urteil  geändert  und  die
Beklagte verurteilt, den Beschwerdeführer rückwirkend ab dem 1. Januar 2009 so zu stellen,
als hätte er im Zeitpunkt seiner Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe bereits ein
Lebensalter  von  35  Jahren  erreicht.  Zur  Begründung  hat  das  Oberverwaltungsgericht  im
Wesentlichen ausgeführt, nach §§ 27, 28 BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom
6. August 2002 stelle das im Zeitpunkt der Übernahme in das Beamtenverhältnis erreichte
Lebensalter das maßgebliche Kriterium für die Zuordnung zu den Dienstaltersstufen und der
danach erfolgenden Bemessung des Grundgehaltes dar. Diese unterschiedliche Behandlung
wegen  des  Alters  sei  nicht  gerechtfertigt.  Hinsichtlich  der  Rechtsfolgen  könne  der
Gleichheitsverstoß  nur  durch  eine  Besserstellung  des  Beschwerdeführers  erreicht  werden.
Allerdings  käme  eine  „Anpassung  nach  oben“,  mithin  die  Zuordnung  zu  der  höchsten
Dienstaltersstufe  zur  Beseitigung  einer  Altersdiskriminierung  nicht  in  Betracht.  Vielmehr
erscheine es geboten, im Wege einer konkreten Betrachtungsweise die Vergleichsgruppe zu
ermitteln,  welcher  gegenüber  der  Beschwerdeführer  in  besoldungsrechtlicher  Hinsicht
benachteiligt  sei.  Das  Bestehen  einer  Regelaltersgrenze  für  die  Übernahme  in  das
Beamtenverhältnis gebe danach hinreichend Aufschluss über den Kreis der Bediensteten, die
als Vergleichsgruppe herangezogen werden könnten. Eine Ungleichbehandlung könne daher
nur gegenüber den Beamten bestehen, die bei Einstellung nicht älter als 35 Jahre waren. Der
Beschwerdeführer sei daher besoldungsrechtlich dieser Beamtengruppe gleichzustellen
Der  Beschwerdeführer  hat  die  vom  Oberverwaltungsgericht  zugelassene  Revision
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eingelegt.  Während  des  Revisionsverfahrens  erließ  der  Sächsische  Gesetzgeber  das
Sächsische  Dienstrechtsneuordnungsgesetz  vom  18.  Dezember  2013.  Mit  Art.  2  des
Sächsischen  Dienstrechtsneuordnungsgesetzes  wurde  das  Sächsische  Besoldungsgesetz
neu  geregelt.  Wesentlicher  Gegenstand  der  Besoldungsreform  war,  dass  die  Bemessung
des  Grundgehalts  der  Beamten  der  Besoldungsordnung  A  nicht  mehr  nach  dem
Besoldungsdienstalter,  sondern  nach  den  tatsächlich  geleisteten  Dienstzeiten  und  der
erbrachten  Leistung  erfolgt.  Gemäß  Art.  2  in  Verbindung  mit  Art.  28  Abs.  3  Sächsisches
Dienstrechtsneuordnungsgesetz  wurde  das  Sächsische  Besoldungsgesetz  rückwirkend
zum 1. September 2006 in Kraft gesetzt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat sodann mit Urteil vom 30. Oktober 2014 die Beklagte
zur Zahlung von 50 € nebst Zinsen an den Beschwerdeführer verurteilt und die Urteile des
Oberverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 2012 und des Verwaltungsgerichts Halle vom
28. September 2011 aufgehoben, soweit sie dem entgegenstanden.
Grundlage  der  Besoldung  des  Beschwerdeführers  im  Zeitraum  vom  1.  Januar  bis  31.
August 2006 seien §§ 27, 28 BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August
2002  gewesen.  Hiernach  habe  das  in  Abhängigkeit  vom  Lebensalter  bestimmte
Besoldungsdienstalter  den  Anknüpfungspunkt  für  die  erstmalige  Zuordnung  zu  einer
Besoldungsstufe  der  Tabelle  der  Grundgehaltssätze  gebildet.  Dieses  Besoldungssystem
führe - wie der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 19. Juni 2014 (Rs. C-501/12 - Specht)
zum  vergleichbaren  Berliner  Besoldungsüberleitungsgesetz  bereits  festgestellt  habe  -  zu
einer  ungerechtfertigten  Ungleichbehandlung  im  Sinne  der  Richtlinie  2000/78/EG.  Ein
Anspruch  auf  höhere  Einstufung  bestehe  aber  nicht,  da  das  Bezugssystem  der  §§  27,  28
BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 insgesamt diskriminierend
und damit ungültig sei. Dem Beschwerdeführer stehe auch für den Zeitraum vom 1. Januar
2006 bis zum Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes am 18. August 2006
mangels  Anspruchsgrundlage  kein  Zahlungsanspruch  zu.  Die  Anspruchsvoraussetzungen
des  unionsrechtlichen  Haftungsanspruchs  seien  nicht  erfüllt,  da  ein  qualifizierter  Verstoß
gegen  Unionsrecht  erst  mit  dem  Urteil  des  Europäischen  Gerichtshofs  vom  8.  September
2011  (Rs.  C-297/10  und  C-298/10  -  Hennigs  und  Mai)  gegeben  sein  konnte.  Aus  diesen
Gründen sei auch das Bestehen eines verschuldensabhängigen Anspruchs aus § 15 Abs. 1
AGG zu verneinen.
Für den Zeitraum vom 18. bis zum 31. August 2006 hingegen habe der Beschwerdeführer
einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Entschädigung in Höhe von 50 € aus § 15
Abs. 2 AGG. Vergleichbar der Bemessung des angemessenen Schmerzensgeldes nach §
253 Abs. 2 BGB sei die Bestimmung der Höhe der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG
dem  Gericht  überlassen.  Dabei  seien  die  Besonderheiten  jedes  einzelnen  Falles  zu
berücksichtigen; dazu zählten unter anderem die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre
Dauer  und  Folgen,  der  Anlass  und  Beweggrund  des  Handelns,  der  Grad  der
Verantwortlichkeit  des  Dienstherrn,  der  Sanktionszweck  der  Norm.  In  Anlehnung  an  die
Regelungen  in  §  198  Abs.  2  Satz  3  GVG  und  §  97a  Abs.  2  Satz  3  BVerfGG  zum
Entschädigungsanspruch  im  Falle  der  überlangen  Dauer  von  Gerichtsverfahren  habe  das
Gericht in Bezug auf den Anspruch aus § 15 Abs. 2 AGG eine Entschädigung in Höhe eines
Pauschalbetrages von 100 € pro Monat als angemessen bewertet.
Ab dem 1. September 2006 sei dann das Besoldungsrecht des Freistaates Sachsen in der
Fassung des Sächsischen Dienstrechtsneuordnungsgesetzes vom 18. Dezember 2013 für
die  Besoldung  des  Beschwerdeführers  maßgeblich.  Das  ab  dem  1.  September  2006
geltende Sächsische Besoldungsgesetz orientiere sich bei der Ersteinstufung nicht mehr am
Lebensalter und der Aufstieg nach Stufen knüpfe an die bisher erlangte Berufserfahrung an,
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so  dass  es  mit  den  Vorgaben  der  Richtlinie  2000/78/EG  in  Einklang  stehe  und  Ansprüche
des  Beschwerdeführers  ausgeschlossen  seien.  Zwar  perpetuiere  die  Überleitungsregelung
des  §  80  SächsBesG  für  Bestandsbeamte,  die  am  31.  August  2006  bereits  in  einem
Dienstverhältnis standen, die unmittelbare Benachteiligung wegen des Lebensalters, weil die
Neuzuordnung der Stufe des Grundgehalts sich an der Grundgehaltsstufe orientiere, die dem
Beamten am 1. September 2006 nach dem früheren diskriminierenden System der §§ 27 und
28  BBesG  in  der  Fassung  der  Bekanntmachung  vom  6.  August  2002  zugestanden  hätte.
Diese  Überleitungsregelung  sei  jedoch  aus  Gründen  des  Vertrauensschutzes  und  zur
Wahrung des am 1. September 2006 erreichten Status quo nach der Rechtsprechung des
Europäischen  Gerichtshofs  gerechtfertigt.  Auch  habe  der  Europäische  Gerichtshof  die
administrativen Schwierigkeiten für die Regulierung der in der Vergangenheit liegenden Zeiten
als  ausreichend  gewichtig  für  eine  solche  Überleitungsregelung  angesehen.  Die
rückwirkende  Inkraftsetzung  der  §§  27  bis  29  sowie  §  80  SächsBesG  zum  1.  September
2006 durch Art. 28 Abs. 3 des Sächsischen Dienstrechtsneuordnungsgesetzes sei mangels
belastender  Tendenz  verfassungsrechtlich  nicht  zu  beanstanden.  An  einer  belastenden
Wirkung  für  bereits  am  31.  August  2006  ernannte  Beamte  fehle  es,  weil  die  zum  1.
September  2006  in  Kraft  gesetzte  landesrechtliche  Regelung  weder  nach  dem  früheren
Recht  begründete  Besoldungsansprüche  beseitige  noch  ihre  Geltendmachung  erschwere.
Selbst  wenn  man  von  einer  belastenden  Wirkung  der  rückwirkenden  Inkraftsetzung  der
Neuregelung ausginge, sei eine Ausnahme vom Grundsatz der Unzulässigkeit einer echten
Rückwirkung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gegeben. Es fehle
an der Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Beschwerdeführers, weil ein kompetenz- und
unionsrechtskonformes Landesgesetz rückwirkend an die Stelle eines unionsrechtswidrigen
Bundesgesetzes getreten sei. Die Rückwirkung scheitere auch nicht daran, dass hierdurch
der ab dem 8. September 2011 bestehende unionsrechtliche Haftungsanspruch oder der ab
dem  1.  September  2006  bestehende  Entschädigungsanspruch  aus  §  15  Abs.  2  AGG
weggefallen ist.
II.
Mit  seiner  gegen  die  Entscheidungen  des  Bundesverwaltungsgerichts  und  des
Oberverwaltungsgerichts  des  Landes  Sachsen-Anhalt  gerichteten  Verfassungsbeschwerde
rügt  der  Beschwerdeführer  eine  Verletzung  seiner  Rechte  aus  Art.  3  Abs.  1  GG  in
Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 33 Abs. 5 GG und Art. 101 Abs. 1
Satz  2  GG.  Darüber  hinaus  macht  er  mittelbar  die  Unvereinbarkeit  der  §§  27,  28,  80
SächsBesG  in  der  Fassung  des  Sächsischen  Dienstrechtsneuordnungsgesetzes  vom  18.
Dezember 2013 mit Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 33 Abs. 5
GG geltend.
Durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sei er in seinem Recht aus Art. 3 Abs. 1
GG  verletzt.  Die  Besoldung  sowohl  aufgrund  der  §§  27,  28  BBesG  in  der  Fassung  der
Bekanntmachung vom 6. August 2002 als auch nach dem Sächsischen Besoldungsgesetz
führten hinsichtlich der Bestandsbeamten zu einer Ungleichbehandlung. Dies gelte vor allem
für  die  in  §  80  Abs.  1  SächsBesG  normierte  Überleitungsregelung.  Hiernach  bliebe  es
weiterhin  bei  der  diskriminierenden  Kopplung  zwischen  Besoldung  und  Lebensalter.
Entgegen  der  Auffassung  des  Bundesverwaltungsgerichts  seien  keine  sachlichen
Rechtfertigungsgründe für eine rückwirkend fortgesetzte Diskriminierung durch §§ 27, 28, 80
SächsBesG  gegeben.  Soweit  das  Bundesverwaltungsgericht  unter  Verweis  auf  die
Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Juni 2014 (Rs. C-501/12 - Specht) die
Wahrung  des  Besitzstandes  als  legitimes  Ziel  erachte,  „tauge“  dies  jedenfalls  nicht  zur
Rechtfertigung  der  in  Rede  stehenden  Ungleichbehandlung  mit  Rückwirkung.  Der
Besitzstand  wäre  ohne  weiteres  auch  dann  gewahrt  worden,  wenn  eine  Neuregelung  der
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Beamtenbesoldung  allein  für  die  Zukunft  erfolgt  wäre.  Das  Bundesverwaltungsgericht  habe
auch
nicht
die
Vermeidung
des
übermäßigen
Verwaltungsaufwandes
als
Rechtfertigungsgrund annehmen dürfen.
Die rückwirkende Inkraftsetzung der Regelung zum 1. September 2006 beinhalte jedenfalls
für  den  Zeitraum  vom  1.  Januar  2006  bis  zum  8.  September  2011  eine  unzulässige  echte
Rückwirkung  und  verstoße  gegen  das  im  Rechtsstaatsprinzip  verankerte
Vertrauensschutzprinzip.  Das  neue  sächsische  Besoldungsrecht  habe  eine  belastende
Tendenz,  da  es  bestehende  Rechtspositionen  verschlechtere.  Eine  rückwirkende
Neuregelung sei auch nicht erforderlich. Es hätte die Möglichkeit einer bloßen Neuregelung
für  die  Zukunft  bestanden,  das  heißt  eine  Überleitung  von  Bestandsbeamten  in  das  neue
System ohne Rückwirkung. Die vom Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang
herangezogene  Rechtsprechung  des  Europäischen  Gerichtshofs  zum  Wegfall  des
unionsrechtlichen  Haftungsanspruchs  bei  nachträglicher  Richtlinienumsetzung  sowie  des
Bundesgerichtshofs  zum  Wegfall  des  Amtshaftungsanspruchs  bei  nachträglichem  Erlass
einer  wirksamen  Satzung  sei  nicht  übertragbar.  Letztlich  seien  auch  die  Fallgruppen  einer
ausnahmsweisen Zulässigkeit der echten Rückwirkung nicht einschlägig.
Das  Bundesverwaltungsgericht  habe  objektiv  willkürlich  einen  Ersatzanspruch  für  den
Zeitraum  1.  Januar  bis  17.  August  2006  nicht  anerkannt.  Willkürlich  erscheine  zudem  die
Festlegung  einer  Entschädigungshöhe  für  den  Anspruch  ab  dem  18.  August  2006.  Der
symbolische Betrag in Höhe von 100 € je Monat sei nicht geeignet, die Diskriminierung zu
beseitigen. Die Bemessung weise keinen Bezug zu der jeweiligen Besoldungsdifferenz in den
unterschiedlichen Ämtern auf.
Schließlich  habe  das  Bundesverwaltungsgericht  seine  Vorlagepflicht  nach  Art.  267  AEUV
nicht  erfüllt  und  ihn  damit  in  seinem  Recht  aus  Art.  101  Abs.  1  Satz  2  GG  verletzt.  Im
Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht habe sich die Frage gestellt, ob die Richtlinie
2000/78/EG dahin auszulegen sei, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, die
die  Überleitung  von  Beamten  in  ein  neues  Besoldungssystem  auch  mit  Wirkung  für  die
Vergangenheit  festlegen  und  dabei  vorsehen,  dass  die  Besoldungsstufe  allein  auf  der
Grundlage des unter dem alten Besoldungssystem erworbenen Grundgehalts ermittelt wird.
Der  Europäische  Gerichtshof  habe  diese  Rechtsfrage  auch  nicht  in  der  vom
Bundesverwaltungsgericht in Bezug genommenen Entscheidung vom 19. Juni 2014 (Rs. C-
501/12 - Specht) entschieden.
B.
Die  Verfassungsbeschwerde  wird  nicht  zur  Entscheidung  angenommen.  Die
Annahmevoraussetzungen  des  §  93a  Abs.  2  BVerfGG  liegen  nicht  vor.  Der
Verfassungsbeschwerde  kommt  grundsätzliche  verfassungsrechtliche  Bedeutung  nicht  zu
(vgl.  BVerfGE  90,  22  <24>;  96,  245  <248>).  Die  mit  der  Verfassungsbeschwerde
aufgeworfenen  Fragen  sind  hinreichend  geklärt;  sie  lassen  sich  mit  Hilfe  der  in  der
Rechtsprechung  des  Bundesverfassungsgerichts  entwickelten  Maßstäbe  ohne  weiteres
entscheiden. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der
in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt, weil sie keine hinreichende Aussicht
auf  Erfolg  hat.  Die  Verfassungsbeschwerde  ist  zum  Teil  unzulässig  und  im  Übrigen
unbegründet.
I.
Soweit  sich  der  Beschwerdeführer  gegen  das  Urteil  des  Oberverwaltungsgerichts  des
Landes
Sachsen-Anhalt
vom
11.
Dezember
2012
wendet,
genügt
die
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Verfassungsbeschwerde  nicht  den  Substantiierungsanforderungen  der  §  23  Abs.  1  Satz  2
Halbsatz  1,  §  92  BVerfGG.  Der  Beschwerdeführer  setzt  sich  nicht  (hinreichend)  mit  der
angegriffenen Entscheidung und deren konkreter Begründung auseinander (vgl. BVerfGE 85,
36 <52 f.>).
II.
Die  Verfassungsbeschwerde  ist  im  Übrigen  unbegründet.  Die  mittelbar  angegriffenen
Vorschriften  §§  27,  28,  80  SächsBesG  in  der  Fassung  des  Art.  2  des  Gesetzes  zur
Neuordnung des Dienst-, Besoldungs- und Versorgungsrechts im Freistaat Sachsen vom 18.
Dezember  2013  sind  mit  dem  Grundgesetz  vereinbar.  Es  ist  daher  verfassungsrechtlich
nicht  zu  beanstanden,  dass  das  Bundesverwaltungsgericht  die  Vorschriften  in  seiner
Entscheidung  als  verfassungskonform  zugrunde  gelegt  hat.  Die  Entscheidung  des
Bundesverwaltungsgerichts  verstößt  auch  nicht  gegen  den  allgemeinen  Gleichheitssatz  in
seiner  Ausprägung  als  Verbot  objektiver  Willkür  (Art.  3  Abs.  1  GG).  Das
Bundesverwaltungsgericht  hat  auch  nicht  durch  Unterlassen  der  Vorlage  nach  Art.  267
AEUV das grundrechtsgleiche Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter
aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt.
1. Die angegriffene rückwirkende Neuregelung der Beamtenbesoldung verstößt nicht gegen
das  verfassungsrechtliche  Rückwirkungsverbot  oder  den  rechtsstaatlichen  Grundsatz  des
Vertrauensschutzes.
a) Das grundsätzliche Verbot rückwirkender belastender Gesetze beruht auf den Prinzipien
der  Rechtssicherheit  und  des  Vertrauensschutzes  (vgl.  BVerfGE  45,  142  <167  f.>).  Es
schützt das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der unter der Geltung des
Grundgesetzes  geschaffenen  Rechtsordnung  und  der  auf  ihrer  Grundlage  erworbenen
Rechte.  Wenn  der  Gesetzgeber  die  Rechtsfolge  eines  der  Vergangenheit  zugehörigen
Verhaltens nachträglich belastend ändert, bedarf dies daher einer besonderen Rechtfertigung
vor dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten des Grundgesetzes, unter deren Schutz
Sachverhalte „ins Werk gesetzt“ worden sind (vgl. BVerfGE 45, 142 <167 f.>; 63, 343 <356
f.>; 72, 200 <242>; 97, 67 <78 f.>).
b) Hieran gemessen entfaltet das Sächsische Besoldungsgesetz schon keine belastende
Wirkung.
aa)  Das  Sächsisches  Besoldungsgesetz  in  der  Fassung  des  Art.  2  Sächsisches
Dienstrechtsneuordnungsgesetz  schafft  ein  diskriminierungsfreies  Besoldungssystem.  Die
bisherige, am Besoldungsdienst- oder Lebensalter ausgerichtete Stufenzuordnung ist durch
eine  altersunabhängige,  an  beruflichen  Erfahrungszeiten  orientierte  Zuordnung  ersetzt
worden.  Eine  rechtsbeeinträchtigende  Wirkung  geht  damit  nicht  einher.  Auch  bei  isolierter
Betrachtung  der  Überleitungsregelung  in  §  80  SächsBesG  sind  keine  nachteiligen
Auswirkungen  festzustellen.  Angesichts  der  rückwirkenden  Einführung  des  neuen
Besoldungssystems  zum  1.  September  2006  hat  der  Gesetzgeber  mit  §  80  SächsBesG
explizit  für  Bestandsfälle  aus  Vertrauensschutzgesichtspunkten  eine  Überleitungsregelung
unter  Wahrung  von  Besitzständen  geschaffen.  Nach  erfolgter  Überleitung  in  die  neue
Erfahrungsstufe beginnt ab 1. September 2006 der weitere Stufenaufstieg nach § 27 Abs. 2
SächsBesG.  Dabei  entspricht  der  anschließende  Stufenaufstieg  hinsichtlich  der  Zahl  der
Stufen  sowie  des  Rhythmus  des  Aufstiegs  der  früher  maßgeblichen  Vorschrift  des
Bundesbesoldungsgesetzes. Für Beamte, die im Zeitraum vom 1. September 2006 bis 31.
Dezember  2013  ernannt  wurden,  sieht  §  80  Abs.  6  SächsBesG  sogar  eine
Günstigerregelung vor, wonach im Einzelfall aus Vertrauensschutzgründen zur Wahrung des
Status  quo  die  §  27  Abs.  1  und  Abs.  2  sowie  §  28  BBesG  in  der  Fassung  der
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Bekanntmachung vom 6. August 2002 Anwendung finden. Eine Schlechterstellung ist mit der
Überleitungsregelung daher nicht verbunden.
bb)  Eine  belastende  Wirkung  ergibt  sich  auch  nicht  daraus,  dass  dem  Beschwerdeführer
rückwirkend  ein  Anspruch  auf  höhere  Besoldung  entzogen  worden  wäre.  Eine  solche
Rechtsposition, die ihm hätte entzogen werden können, stand ihm weder gesetzlich zu, noch
wurde  sie  ihm  bestandskräftig  gerichtlich  zugesprochen.  Ein  Anspruch  des
Beschwerdeführers  auf  Entschädigung  unter  Beibehaltung  des  diskriminierenden
Besoldungssystems oder auf Erlass eines diskriminierungsfreien Besoldungssystems unter
Beibehaltung  des  Anspruchs  auf  Entschädigung  bestand  ebenfalls  nicht.  Nach  der
Rechtsprechung  des  Bundesverfassungsgerichts  muss  es  grundsätzlich  dem
Gestaltungsspielraum  des  Normgebers  überlassen  bleiben,  wie  die  aus  einer
Verfassungswidrigkeit resultierende Lücke zu schließen ist (vgl. BVerfGE 37, 217 <260 f.>;
39, 316 <332 f.>; 88, 87 <101>; 93, 165 <178>; 115, 81 <93 f.>). Für den vorliegenden Fall
bedeutet  dies:  Kann  der  Gesetzgeber  zwischen  mehreren  denkbaren  und
verfassungsrechtlich gleichermaßen zulässigen Lösungen wählen, obliegt es folglich ihm zu
entscheiden, wie die Folgen eines altersdiskriminierenden Besoldungssystems zu beseitigen
sind.  Der  Sächsische  Gesetzgeber  hat  sich  für  den  Erlass  eines  an  der  Berufserfahrung
ausgerichteten  Besoldungssystems  entschieden.  Hiergegen  ist  verfassungsrechtlich  nichts
zu erinnern.
2. Die Stichtags- und Überleitungsregelung in § 80 SächsBesG verstößt weder gegen Art. 3
Abs. 1 GG noch gegen Art. 33 Abs. 5 GG.
a)  Dem  Gesetzgeber  ist  es  durch  Art.  3  Abs.  1  GG  grundsätzlich  nicht  verwehrt,  zur
Regelung  bestimmter  Lebenssachverhalte  Stichtage  einzuführen,  obwohl  jeder  Stichtag
unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt (vgl. BVerfGE 101, 239 <270>; stRspr). Bei der
Regelung  des  Übergangs  von  einer  älteren  zu  einer  neueren  Regelung  steht  dem
Gesetzgeber  ein  Gestaltungsspielraum  zu.  Die  verfassungsrechtliche  Prüfung  von
Stichtagsregelungen  muss  sich  daher  darauf  beschränken,  ob  der  Gesetzgeber  den  ihm
zustehenden Spielraum in sachgerechter Weise genutzt hat, insbesondere ob die Einführung
des Stichtags überhaupt und die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientiert
und  damit  sachlich  vertretbar  war.  In  besonderen  Lagen  können  Stichtags-  und
Überleitungsregelungen geboten sein (vgl. etwa BVerfGE 13, 31 <38>; 44, 1 <20 f.>; 71, 364
<397>; 75, 78 <106>; 80, 297 <311>; 117, 272 <301>).
Diese  Grundsätze  gelten  ebenso  für  die  Anwendung  der  hergebrachten  Grundsätze  des
Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG (vgl. BVerfGE 26, 141 <159>; 76, 256
<295>).
b)  Die  von  dem  Beschwerdeführer  beanstandete  Stichtags-  und  Überleitungsregelung
bewegt  sich  in  diesem  verfassungsrechtlichen  Rahmen.  Der  Landesgesetzgeber  hielt  die
Überleitungsregelung im Interesse der Verwaltungsvereinfachung für erforderlich. Da es mit
Feststellungsaufwand  und  Bewertungs-  sowie  Beweisschwierigkeiten  verbunden  ist,  die
unter  dem  alten  Recht  entstandenen  Rechtsverhältnisse  vollständig  dem  neuen  Recht  zu
unterstellen,  und  der  Grundsatz  der  Rechtssicherheit  klare  schematische  Entscheidungen
über  die  zeitliche  Abgrenzung  zwischen  altem  und  neuem  Recht  verlangt  (vgl.  BVerfG,
Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Januar 2003 - 2 BvL 9/00 -, juris,
Rn.  14),  war  die  Einschätzung  des  Landesgesetzgebers,  dass  eine  Stichtags-  und
Überleitungsregelung  dem  Ziel  der  Gesetzesnovelle  entspricht,  sachgerecht  (zur
Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes vgl. BVerfGE 44, 283 <288>; 82, 60 <101 f.>;
100,  195  <205>).  Eine  solche  Überleitungsregelung  ist  als  Ungleichbehandlung  auch  unter
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dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nicht nur zulässig, sondern kann im Rahmen
einer Abwägung zwischen dem Vertrauen des Beamten auf den Fortbestand der bisherigen
Regelung  und  der  Bedeutung  des  Anliegens  des  Gesetzgebers,  ein  diskriminierungsfreies
Besoldungssystem zu schaffen, sogar geboten sein (vgl. BVerfGE 71, 255 <273>). Die Wahl
des maßgeblichen Zeitpunkts ist am gegebenen Sachverhalt orientiert. Der Gesetzgeber hat
den für die Unterstellung unter das neue Recht maßgeblichen Stichtag an das Inkrafttreten
der
Föderalismusreform,
mithin
an
den
Zeitpunkt
des
Übergangs
der
Gesetzgebungskompetenz  zum  1.  September  2006  gekoppelt.  Dies  ist  von  Verfassungs
wegen nicht zu beanstanden.
3.  Die  Entscheidung  des  Bundesverwaltungsgerichts  verstößt  auch  nicht  gegen  den
allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür (Art. 3 Abs. 1
GG), weil es einen Entschädigungsanspruch für den Zeitraum 1. Januar bis 17. August 2006
verneint  und  für  den  Zeitraum  ab  dem  18.  August  2006  in  Höhe  von  100  €  monatlich
zugesprochen hat.
a)
Ein
Richterspruch
verstößt
nach
ständiger
Rechtsprechung
des
Bundesverfassungsgerichts  dann  gegen  den  allgemeinen  Gleichheitssatz  in  seiner
Ausprägung  als  Verbot  objektiver  Willkür  (Art.  3  Abs.  1  GG),  wenn  er  unter  keinem
denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf
sachfremden  Erwägungen  beruht.  Das  ist  anhand  objektiver  Kriterien  festzustellen.
Fehlerhafte  Rechtsanwendung  allein  macht  eine  Gerichtsentscheidung  nicht  objektiv
willkürlich.  Schlechterdings  unhaltbar  ist  eine  fachgerichtliche  Entscheidung  vielmehr  erst
dann, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt, der Inhalt einer Norm
in  krasser  Weise  missverstanden  oder  sonst  in  nicht  mehr  nachvollziehbarer  Weise
angewendet wird. Von Willkür kann jedoch nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich
mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jedes sachlichen
Grundes entbehrt (vgl. BVerfGE 89, 1 <13 f.>; 96, 189 <203>).
Die gerichtlicherseits erfolgte Festsetzung eines angemessenen (Schadens-) Ausgleichs ist
regelmäßig  das  Ergebnis  der  Auslegung  und  Anwendung  einfachen  Rechts,  die  das
Bundesverfassungsgericht daher nur beanstandet, wenn Anhaltspunkte für eine willkürliche
Wertung bestehen oder sonst wie erkennbar ist, dass grundrechtlich geschützte Positionen in
grundsätzlicher  Weise  verkannt  worden  sind  (vgl.  BVerfGE  18,  85  <93>;  BVerfG,
Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8. März 2000 - 1 BvR 1127/96 -, juris,
Rn. 15 und vom 27. August 2003 - 1 BvR 1986/01 -, juris, Rn. 5).
b)  Die  Ablehnung  eines  Entschädigungsanspruchs  für  den  Zeitraum  1.  Januar  bis  17.
August  2006  mangels  Anspruchsgrundlage  ist  in  diesem  Sinne  nicht  willkürlich.  Das
Bundesverwaltungsgericht  ist  vertretbar  davon  ausgegangen,  dass  ein  hinreichend
qualifizierter Verstoß gegen Unionsrecht in diesem Zeitraum nicht gegeben ist und damit die
Voraussetzungen  des  unionsrechtlichen  Haftungsanspruchs  nicht  erfüllt  sind.  Sachgerecht
sind  insoweit  auch  Auslegung  und  Anwendung  des  §  15  Abs.  1  AGG  im  Hinblick  auf  ein
fehlendes Verschulden.
Die in Auslegung des § 15 Abs. 2 AGG erfolgte Festsetzung der Entschädigungshöhe ist
ebenfalls  nicht  willkürlich.  Das  Bundesverwaltungsgericht  zeigt  die  Maßstäbe  seiner
Entscheidung auf und verweist auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
zur  Bemessung  des  aus  §  15  Abs.  2  AGG  resultierenden  Entschädigungsanspruchs,
wonach die Umstände des Einzelfalles wie Art und Schwere der Benachteiligung aber auch
der  Sanktionszweck  zu  berücksichtigen  sind.  Zur  Begründung  der  Höhe  bezieht  sich  das
Bundesverwaltungsgericht zudem auf vergleichbare gesetzliche Entschädigungsregelungen
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im  Gerichtsverfassungsgesetz  und  Bundesverfassungsgerichtsgesetz.  Da  das
Bundesverwaltungsgericht  aufgrund  der  vorstehenden  Überlegungen  jedenfalls  vertretbar
und nicht aus sachfremden Erwägungen die Entschädigungshöhe festgesetzt hat, ist Art. 3
Abs. 1 GG nicht in seiner Bedeutung als Willkürverbot verletzt (vgl. BVerfGE 87, 273 <279>).
4. Ein Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2
GG durch Nichtvorlage an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV ist
ebenfalls nicht gegeben.
a) Der Gerichtshof der Europäischen Union ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101
Abs. 1 Satz 2 GG (BVerfGE 73, 339 <366>; 82, 159 <192>; 126, 286 <315>; 128, 157 <186
f.>;  129,  78  <105>).  Unter  den  Voraussetzungen  des  Art.  267  Abs.  3  AEUV  sind  die
nationalen Gerichte von Amts wegen gehalten, den Gerichtshof anzurufen (vgl. BVerfGE 82,
159 <192 f.>; 128, 157 <187>; 129, 78 <105>; stRspr). Kommt ein deutsches Gericht seiner
Pflicht  zur  Anrufung  des  Gerichtshofs  im  Wege  des  Vorabentscheidungsverfahrens  daher
nicht  nach  oder  stellt  es  ein  Vorabentscheidungsersuchen,  obwohl  eine  Zuständigkeit  des
Gerichtshofs der Europäischen Union nicht gegeben ist (vgl. BVerfGE 133, 277 <316>; 135,
155 <231>), kann dem Rechtsschutzsuchenden des Ausgangsrechtsstreits der gesetzliche
Richter entzogen sein (vgl. BVerfGE 73, 339 <369>; 126, 286 <315>).
Jedoch  stellt  nicht  jede  Verletzung  der  unionsrechtlichen  Vorlagepflicht  zugleich  einen
Verstoß  gegen  Art.  101  Abs.  1  Satz  2  GG  dar  (vgl.  BVerfGE  126,  286  <315>).  Das
Bundesverfassungsgericht  überprüft  nur,  ob  die  Auslegung  und  Anwendung  der
Zuständigkeitsregel  des  Art.  267  Abs.  3  AEUV  bei  verständiger  Würdigung  der  das
Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich
unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 126, 286 <315 f.>; 128, 157 <187>; 129, 78 <106>). Durch die
zurückgenommene  verfassungsrechtliche  Prüfung  behalten  die  Fachgerichte  bei  der
Auslegung  und  Anwendung  von  Unionsrecht  einen  Spielraum  eigener  Einschätzung  und
Beurteilung,  der  demjenigen  bei  der  Handhabung  einfachrechtlicher  Bestimmungen  der
deutschen  Rechtsordnung  entspricht.  Das  Bundesverfassungsgericht  wacht  allein  über  die
Einhaltung der Grenzen dieses Spielraums (vgl. BVerfGE 126, 286 <316> m.w.N.).
Eine  offensichtlich  unhaltbare  Handhabung  der  Vorlagepflicht  liegt  vor,  wenn  das
letztinstanzliche  Hauptsachegericht  eine  Vorlage  trotz  der  -  seiner  Auffassung  nach
bestehenden  -  Entscheidungserheblichkeit  der  unionsrechtlichen  Frage  überhaupt  nicht  in
Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage
hegt  und  das  Unionsrecht  somit  eigenständig  fortbildet  (grundsätzliche  Verkennung  der
Vorlagepflicht; vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78
<106 f.>; 135, 155 <232>). Ebenso verstößt ein solches Gericht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2
GG, wenn es in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu
entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt
(bewusstes Abweichen ohne Vorlagebereitschaft; vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286
<316  f.>;  128,  157  <187  f.>;  129,  78  <106  f.>;  BVerfG,  Beschluss  der  1.  Kammer  des
Zweiten Senats vom 15. Mai 2014 - 2 BvR 324/14 -, juris, Rn. 9).
Liegt  zu  einer  entscheidungserheblichen  Frage  des  Unionsrechts  einschlägige
Rechtsprechung des Gerichtshofs noch nicht vor oder hat eine vorliegende Rechtsprechung
die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder
erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur als entfernte
Möglichkeit (Unvollständigkeit der Rechtsprechung), wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt,
wenn  das  letztinstanzliche  Hauptsachegericht  den  ihm  in  solchen  Fällen  notwendig
zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschreitet (vgl. BVerfGE 82,
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159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>). Das ist jedenfalls dann
nicht  der  Fall,  wenn  das  Fachgericht  unter  Anwendung  und  Auslegung  des  materiellen
Unionsrechts (vgl. BVerfGE 75, 223 <234>; 128, 157 <188>; 129, 78 <107>) die vertretbare
Überzeugung  bildet,  dass  die  Rechtslage  entweder  von  vornherein  eindeutig  („acte  clair“)
oder  durch  die  Rechtsprechung  in  einer  Weise  geklärt  ist,  die  keinen  vernünftigen  Zweifel
offen lässt („acte éclairé“; vgl. BVerfGE 129, 78 <107>; 135, 155 <233>; BVerfG, Beschluss
der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Mai 2014 - 2 BvR 324/14 -, juris, Rn. 10).
b) Eine nicht mehr verständliche oder unhaltbare Auslegung und Anwendung des Art. 267
Abs.  3  AEUV  liegt  danach  nicht  vor.  Auch  wenn  das  Bundesverwaltungsgericht  nicht
ausdrücklich  erörtert  hat,  ob  es  hinsichtlich  der  Vereinbarkeit  der  rückwirkend  zum
1.  September  2006  in  Kraft  getretenen  Überleitungsregelung  in  §  80  SächsBesG  mit  der
Richtlinie 2000/78/EG einer Vorlage an den Gerichtshof bedurfte, hat es ersichtlich nicht etwa
seine unionsrechtliche Vorlagepflicht verkannt, sondern angenommen, dass die Klarheit der
Rechtslage eine Vorlage entbehrlich macht.
aa)  Soweit  es  um  den  Erlass  einer  Überleitungsregelung  geht,  hat  der  Europäische
Gerichtshof  zur  vergleichbaren  Regelung  im  Berliner  Besoldungsüberleitungsgesetz
entschieden, die Art. 2 und 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG seien dahin auszulegen, dass
sie nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen, die die Modalitäten der Überleitung
von Bestandsbeamten in ein neues Besoldungssystem festlegen und vorsehen, dass zum
einen die Besoldungsstufe, der sie nunmehr zugeordnet werden, allein auf der Grundlage des
unter dem alten Besoldungssystem erworbenen Grundgehalts ermittelt wird, obgleich dieses
alte System auf einer Diskriminierung wegen des Alters des Beamten beruhte, und dass sich
zum anderen der weitere Aufstieg in eine höhere Besoldungsstufe nunmehr allein nach der
seit  dem  Inkrafttreten  dieser  Rechtsvorschriften  erworbenen  Berufserfahrung  bemisst  (vgl.
EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - Rs. C-501/12 - Specht, juris, Rn. 86; zur entsprechenden
Problematik im TVÜ-Bund vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2011 - Rs. C-297/10 und C-
298/10 - Hennigs und Mai). Eine solche Überleitungsregelung verfolge das legitime Ziel der
Wahrung  des  Besitzstands  einer  Personengruppe,  welches  einen  zwingenden  Grund  des
Allgemeininteresses darstelle (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - Rs. C-501/12 - Specht,
juris, Rn. 64). Der nationale Gesetzgeber überschreite die Grenzen seines Ermessens nicht,
wenn er es als weder realistisch noch wünschenswert ansehe, das neue Einstufungssystem
rückwirkend auf alle Bestandsbeamten anzuwenden. Es könne nicht verlangt werden, dass
jeder  Einzelfall  individuell  geprüft  wird,  um  frühere  Erfahrungszeiten  im  Nachhinein  und
individuell  festzustellen,  da  die  Regelung  in  technischer  und  wirtschaftlicher  Hinsicht
handhabbar bleiben müsse (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - Rs. C-501/12 - Specht,
juris, Rn. 78, 80).
Soweit  es  im  Allgemeinen  um  das  rückwirkende  Inkraftsetzen  richtlinienkonformer
Maßnahmen geht, ermöglicht nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die
rückwirkende  und  vollständige  Anwendung  der  Maßnahmen  zur  Durchführung  einer
Richtlinie  die  Behebung  der  Nachteile,  die  sich  aus  der  verspäteten  Umsetzung  ergeben,
wenn die Richtlinie ordnungsgemäß umgesetzt worden ist. Diese Anwendung garantiere den
Betroffenen gerade die Rechte, die ihnen zugestanden hätten, wenn die Richtlinie fristgerecht
umgesetzt  worden  wäre.  Demnach  kann  ein  Mitgliedstaat  als  Ersatz  des  Schadens,  der
durch  die  verspätete  Umsetzung  von  Richtlinien  entstanden  ist,  die  verspätet  erlassenen
Durchführungsmaßnahmen  rückwirkend  anwenden.  Zugleich  betont  der  Europäische
Gerichtshof,  dass  es  Sache  des  nationalen  Gerichts  ist,  darauf  zu  achten,  dass  der  den
Betroffenen  entstandene  Schaden  angemessen  wiedergutgemacht  wird  (vgl.  EuGH,  Urteil
vom 10. Juli 1997 - Rs. C-94/95 und C-95/95 - Bonifaci u. a., juris, Rn. 51 ff.; Urteil vom 10.
Juli 1997 - Rs. C-373/95 - Maso u.a., juris, Rn. 39 ff.).
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bb)  Das  Bundesverwaltungsgericht  hat  aus  dieser  Rechtsprechung  des  Gerichtshofs
gefolgert,  dass  die  Überleitungsregelung  des  §  80  SächsBesG  für  Beamte  der
Besoldungsordnung  A,  die  am  31.  August  2006  in  einem  Dienstverhältnis  zum  Freistaat
Sachsen oder zu einer der Aufsicht des Freistaats unterstehenden Körperschaft, Anstalt oder
Stiftung  des  öffentlichen  Rechts  standen,  die  unmittelbare  Benachteiligung  wegen  des
Lebensalters  zwar  perpetuiere.  Denn  die  Neuzuordnung  der  Stufe  des  Grundgehalts
orientiere sich an der Grundgehaltsstufe, die dem Beamten am 1. September 2006 nach dem
früheren diskriminierenden System nach Maßgabe der §§ 27 und 28 BBesG in der Fassung
der  Bekanntmachung  vom  6.  August  2002  zugestanden  hätte.  Diese  Überleitungsregelung
sei  jedoch  zur  Wahrung  des  Besitzstands  und  zur  Vermeidung  eines  übermäßigen
Verwaltungsaufwands für die Regulierung der in der Vergangenheit liegenden Zeiten nach der
Rechtsprechung  des  Europäischen  Gerichtshofs  gerechtfertigt.  Weiterhin  sei  davon
auszugehen,  dass  die  rückwirkende  Inkraftsetzung  unionsrechtskonformer  Gesetze  eine
zulässige Form der Wiedergutmachung, mithin als Erfüllung des Entschädigungsanspruches
anzusehen ist.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Voßkuhle
Landau
Hermanns