Urteil des BVerfG vom 13.12.2005

freiheit der person, polizei, freiheitsentziehung, gewahrsam

- Bevollmächtigte: Rechtsanwältin Ulrike Donat,
Holstenstraße 194c, 22765 Hamburg -
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 447/05 -
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der Frau L ...
gegen a) den Beschluss des Landgerichts Lüneburg vom 24. Januar 2005 – 10 T
21/04 -,
b) den Beschluss des Amtsgerichts Dannenberg vom 17. Mai 2004 – 12
XIV 660/01 L -,
c) die Ingewahrsamnahme der Beschwerdeführerin am 13. November
2001
hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Richter Broß,
die Richterin Lübbe-Wolff
und den Richter Gerhardt
gemäß § 93c in Verbindung mit §§ 93a, 93b BVerfGG in der Fassung der
Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473 ) am 13. Dezember 2005
einstimmig beschlossen:
Der Beschluss des Landgerichts Lüneburg vom 24. Januar 2005 – 10 T 21/04 – und
der Beschluss des Amtsgerichts Dannenberg vom 17. Mai 2004 – 12 XIV 660/01 L –
verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in
Verbindung mit Artikel 104 Absatz 2 des Grundgesetzes und in ihrem Grundrecht aus
Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.
Der Beschluss des Landgerichts wird aufgehoben. Die Sache wird an das
Landgericht zurückverwiesen.
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Das Land Niedersachsen hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu
erstatten.
Gründe:
A.
Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen
freiheitsentziehende Maßnahmen im Zusammenhang mit einer Sitzblockade.
I.
1. Am 13. November 2001 fand ein so genannter Castor-Transport nach Gorleben
statt. Im Verlauf des 13. November 2001 sollten die Behälter in Dannenberg vom Zug
auf Lastkraftwagen umgeladen und am frühen Morgen des 14. November 2001 der
Straßentransport nach Gorleben durchgeführt werden.
Die Beschwerdeführerin hielt sich am Vormittag des 13. November 2001 in einer
Gruppe von rund 200 Personen auf, die auf der L 256 in Splietau eine Sitzblockade
durchführte. Für diesen Bereich bestand auf der Grundlage einer am 27. Oktober
2001 veröffentlichten Allgemeinverfügung der Bezirksregierung Lüneburg ein
Versammlungsverbot.
Die Sitzblockade hatte gegen 7.50 Uhr begonnen. Ausweislich eines von der Polizei
erstellten so genannten Mantelbogens wurde sie durch Lautsprecherdurchsagen um
8.23 Uhr, 8.41 Uhr und 8.53 Uhr aufgelöst. Mit weiteren Durchsagen um 9.06 Uhr,
9.17 Uhr und 9.36 Uhr wurde für die weiterhin anwesenden Personen ein
Platzverweis ausgesprochen und zu dessen Durchsetzung die Ingewahrsamnahme
angekündigt.
Die Beschwerdeführerin wurde um 10.20 Uhr in Gewahrsam genommen, nachdem
sie entgegen den polizeilichen Aufforderungen die Straße nicht verlassen hatte.
Zusammen
mit weiteren
30
Personen
wurde
sie
in
einem
Gefangenentransportfahrzeug in die Gefangenensammelstelle nach Neu Tramm
verbracht.
Nach Durchlaufen des Aufnahmeverfahrens wurde die Beschwerdeführerin dem
Gewahrsamsbereich für Frauen zugeführt. Dort verblieb sie bis zu ihrer Entlassung
am 14. November 2001 um 8.23 Uhr.
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Zu einer Entscheidung über den Antrag der Bezirksregierung Lüneburg auf
richterliche
Entscheidung
über die
Zulässigkeit
und
Fortdauer
der
freiheitsbeschränkenden Maßnahme kam es nicht mehr.
2. Unter dem 22. November 2001 beantragte die Beschwerdeführerin die
Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung wegen Fehlens der
gesetzlichen Voraussetzungen, der übermäßigen Dauer und der rechtswidrigen
Behandlung während des Gewahrsams.
Mit Beschluss vom 6. Juni 2003 wies das Amtsgericht Dannenberg die Anträge der
Beschwerdeführerin zurück. Auf ihre Beschwerde hob das Landgericht Lüneburg
diesen Beschluss am 25. September 2003 auf und verwies die Sache zur erneuten
Entscheidung an das Amtsgericht zurück.
3. Mit Beschluss vom 17. Mai 2004 wies das Amtsgericht Dannenberg die Anträge
der
Beschwerdeführerin
auf Feststellung
der
Rechtswidrigkeit
der
Freiheitsentziehung sowie der Art und Weise ihrer Durchführung als unbegründet
zurück. Die Anordnung der Ingewahrsamnahme sei zulässig gewesen. Sie sei nach
§ 18 Abs. 1 Nr. 2 NGefAG unerlässlich gewesen, um die unmittelbar bevorstehende
Begehung oder Fortsetzung von Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Gefahr für die
Allgemeinheit zu verhindern und die Durchsetzung des Platzverweises zu
gewährleisten. Die Teilnahme an einer verbotenen Versammlung und das
Sichnichtentfernen nach Auflösung derselben stellten Ordnungswidrigkeiten dar. Vor
allem sei anzunehmen, dass eine Auflösung der Versammlung ohne Platzverweis
und ohne eine sich an dessen Nichtbefolgung anschließende Ingewahrsamnahme zu
einer sofortigen Versammlung an gleicher oder anderer Stelle geführt hätte.
Auch ein Verstoß gegen das Gebot der Herbeiführung einer unverzüglichen
richterlichen Entscheidung liege nicht vor. Die Ingewahrsamnahme mit der
anschließenden Personalienerhebung, die Zuteilung der Betroffenen zu den
Transportbussen und der Transport zur Gefangenensammelstelle habe bei dem
Großeinsatz mit 200 bis 300 Ingewahrsamnahmen einen erheblichen zeitlichen
Aufwand in Anspruch genommen, zumal die Transporte der Begleitung bedurft hätten
und wegen der äußeren Umstände nicht zügig hätten erfolgen können. Bis zur
Erstellung eines entscheidungsreifen Antrages auf Fortdauer der Ingewahrsamnahme
in der Nacht vom 13. auf den 14. November 2001 seien weitere Stunden vergangen,
ohne dass eine schuldhafte Verzögerung durch die Polizei feststellbar sei. Bevor das
Gericht in den frühen Morgenstunden des 14. November 2001 seine Arbeit wieder
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aufgenommen habe, habe die Polizei um 6.55 Uhr – der Castor-Transport sei um 7.09
Uhr in Gorleben eingetroffen – die Entlassung der Gefangenen angeordnet.
Der
Antrag
betreffend
die
Umstände
und
die Durchführung der
Freiheitsentziehungen sei ebenfalls unbegründet. Es sei zwar nicht auszuschließen,
dass es im Einzelfall und vorübergehend Engpässe in der Ausstattung der
Gewahrsamsräumlichkeiten und der Versorgung gegeben habe. Die Organisation der
Toilettengänge sei unbefriedigend und verbesserungsbedürftig gewesen. Ebenso sei
das Telefonieren nur unter Mühen möglich gewesen. Insoweit stehe außer Zweifel,
dass die Rahmenbedingungen der Unterbringung der eigenen Gewahrsamsordnung
der Polizei nur bei wohlwollender Auslegung entsprochen hätten. Der Gewahrsam
habe jedoch insgesamt nur eine Nacht gedauert. Inwieweit der Polizei vorzuwerfen
sei, dass sie sich besser auf eine derartige Masseningewahrsamnahme hätte
vorbereiten können und müssen, könne aus der Rückschau für den Castor-Transport
im Herbst 2001 nur bedingt beantwortet werden. Tatsache sei, dass die Polizei aus
den Erfahrungen der letzten Jahre Konsequenzen gezogen habe und sich darum
bemühe, die Rahmenbedingungen erträglicher zu gestalten.
4. Das Landgericht Lüneburg verwarf mit Beschluss vom 24. Januar 2005 die
sofortige Beschwerde. Das Amtsgericht habe den Antrag auf Feststellung der
Rechtswidrigkeit
der
Ingewahrsamnahme
zu
Recht
abgewiesen. Die
Straßenblockade sei als verbotene Versammlung aufzulösen gewesen. Dies sei
durch die Polizei erfolgt. Die Teilnehmer der Straßenblockade seien auch zu Recht in
Gewahrsam genommen worden, da sie eine erhebliche Ordnungswidrigkeit
begangen hätten. Ihnen sei es um die Verhinderung oder Verzögerung eines
radioaktiven Gefahrguttransportes gegangen. Dieses Verhalten sei weder im Hinblick
auf die Gefahren, die potentiell mit erheblichen Behinderungen eines gefährlichen
Transports radioaktiver Materialien verbunden seien, noch aus Gründen des
Schutzes der Rechtsordnung tolerabel. Vor diesem Hintergrund könne es keinem
Zweifel unterliegen, dass die in dem Verstoß gegen das Versammlungsverbot
liegende Ordnungswidrigkeit einer Sitzblockade eine erhebliche Gefahr für die
Allgemeinheit begründe.
Auch gegen die Dauer der Ingewahrsamnahme bis in die frühen Morgenstunden
des Folgetages bestünden keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Im Hinblick
auf die Struktur der Widerstandsaktionen habe die Polizei davon ausgehen dürfen,
dass auch bei der Beschwerdeführerin die hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine
Teilnahme an weiteren Aktionen bestanden habe. Die zeitlichen Abläufe seien
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ebenfalls nicht zu beanstanden. Bei Großdemonstrationen mit mehreren zehntausend
Teilnehmern und einer entsprechenden Anzahl von Polizeibeamten könne die
Einsatzleitung nicht von vornherein wissen, an welcher Stelle, um welche Uhrzeit und
vor allen Dingen mit welcher Anzahl von Teilnehmern Blockaden durchgeführt
würden. Insofern sei mit dem Vorwurf, die Polizei hätte bessere Abwehrstrategien
entwickeln oder die Transporte besser organisieren können, Zurückhaltung geboten.
Schließlich
seien
die
von
der Beschwerdeführerin
dargestellten
Unannehmlichkeiten nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme zu
begründen. Es sei darauf hinzuweisen, dass diese für die Teilnehmer vorhersehbar
gewesen seien, so dass sie sich hierauf mit entsprechender Kleidung, der Mitnahme
hei ßer Getränke, entsprechender Lebensmittel sowie einer Isoliermatte hätten
einstellen können.
II.
1. Die Beschwerdeführerin rügt die Verletzung von Art. 1 Abs. 1, Art. 2, Art. 8 Abs. 1,
Art. 19 Abs. 4, Art. 101 Abs. 1 Satz 2, Art. 103 Abs. 1 und Art. 104 Abs. 1, 2 und 4 GG.
Die Fachgerichte seien ihrer Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung nicht
nachgekommen. In dieser Hinsicht sei vor allem zu bemängeln, dass keine
Feststellungen dazu getroffen worden seien, ob und gegebenenfalls mit welchem
Wortlaut die Versammlung aufgelöst worden sei. Auch fehlten Feststellungen zur
Unerlässlichkeit einer nicht nur kurzfristigen Freiheitsentziehung und ihrer Dauer bis
zum Morgen des folgenden Tages sowie zur Verhältnismäßigkeit der Mittel unter
Beachtung der Bedeutung des Freiheitsgrundrechts und des Grundrechts auf
Versammlungsfreiheit. Es werde lediglich in abstrakter Weise an die Struktur der
Widerstandsaktionen angeknüpft, während auf ihren Vortrag, dass sie wegen der
Betreuung ihrer Kinder und im Hinblick auf gesundheitliche Probleme nur für eine
bestimmte Zeit ihrem Protest Ausdruck habe verleihen wollen, nicht eingegangen
werde. Ferner unterbleibe eine Auseinandersetzung mit dem Wechsel in der
Begründung der freiheitsentziehenden Maßnahmen durch die Polizei und der daraus
resultierenden Ermessensproblematik. In dem Antrag der Bezirksregierung auf
richterliche Entscheidung werde der Gewahrsam mit dem Verdacht der Begehung
von Straftaten sowie Ordnungswidrigkeiten nach der Eisenbahn-Bau- und
Betriebsordnung (EBO) und dem Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG) begründet.
Die Fachgerichte hätten stattdessen ohne Sachverhaltsaufklärung zur Begründung
des Gewahrsams auf Ordnungswidrigkeiten nach dem Versammlungsgesetz
abgestellt.
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Zudem enthielten die angefochtenen Beschlüsse keine Feststellungen zum
Richtervorbehalt und zu den gerügten Organisationsmängeln bei den Abläufen in der
Gefangenensammelstelle Neu Tramm. Der Ablauf habe sich nach ihrer
Ingewahrsamnahme konkret so dargestellt, dass sie um 16.35 Uhr erstmals im
Computer der Gefangenensammelstelle erfasst worden sei. Zuvor seien Nachfragen
von Angehörigen und Rechtsanwälten nach ihrem Verbleib von der Polizei
dahingehend beschieden worden, sie sei nicht im Computer ausgewiesen und man
wisse daher nicht, ob und wo sie sich in Polizeigewahrsam befinde. Erst gegen 17.00
Uhr habe ihre Rechtsanwältin davon Kenntnis erhalten, dass sie sich in der
Gefangenensammelstelle Neu Tramm befunden habe. Sie selbst habe dann
telefonisch beim anwaltlichen Notdienst nachgefragt, ob für sie ein Antrag auf
richterliche Entscheidung gestellt worden sei. Dies sei ihr dort noch vor 18.00 Uhr
bestätigt worden. Erstmals gegen 20.00 Uhr hätten Rechtsanwältinnen die
Gefangenen besuchen dürfen. Sie hätten ihnen nur mitteilen können, dass der
richterliche Bereitschaftsdienst angekündigt habe, in Kürze Feierabend zu machen.
Zwischen 21.00 Uhr und 22.00 Uhr hätten die Rechtsanwälte des anwaltlichen
Notdienstes den Amtsgerichtsdirektor, der bereits seit Mittag Bereitschaftsdienst
gehabt habe, veranlasst, sich über die Zustände in der Frauenzelle zu informieren.
Dieser habe die Zelle jedoch nicht betreten, sondern unter Ausschluss der
Rechtsanwälte ein Gespräch mit dem für die Gefangenensammelstelle
verantwortlichen Einsatzleiter geführt. Dieser habe behauptet, dass alle Gefangenen,
die sich jetzt noch in den Zellen befänden, "qualifiziert in Gewahrsam genommen"
worden seien, die Aktenvorgänge seien jedoch noch nicht gefertigt. Aus diesem
Grunde habe sich der Richter geweigert, von Amts wegen oder auf Antrag der von
Angehörigen beauftragten Rechtsanwälte tätig zu werden. Auch sei er nicht gegen
die Verzögerungsstrategien der Polizei eingeschritten, indem er etwa jedenfalls in
den Fällen von Anträgen auf Richteranhörung eine Frist zur Begründung der
Freiheitsentziehung oder auf Aktenvorlage gesetzt habe.
Während der gesamten Dauer der Freiheitsentziehung sei somit keine
Richtervorführung erfolgt und auch keine richterliche Entscheidung herbeigeführt
worden. Vielmehr seien durch die mangelhafte Organisation der polizeilichen Abläufe
die Anforderungen des Art. 104 GG umgangen worden. Soweit die angegriffenen
gerichtlichen Entscheidungen die eingetretenen Verzögerungen mit dem Geschehen
vor Ort und polizeilichen und gerichtlichen Personalengpässen bei den
Massenfestnahmen rechtfertigten, fehlten ebenfalls konkrete Feststellungen. So sei
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nicht geprüft worden, ob durch eine verbesserte Gestaltung der Abläufe, etwa eine
frühzeitige telefonische Benachrichtigung des Gerichts, mündliche Anhörungen statt
der zeitraubenden Erstellung von Akten, die noch nicht einmal auf die konkreten tat-
und personenbezogenen Umstände eingingen, oder etwa Gruppenvorstellungen,
eine grundrechtskonforme Gestaltung möglich gewesen sei. Zudem falle auf, dass bei
einer Aufnahmekapazität von mehreren hundert Gefangenen in der Sammelstelle
lediglich fünf mit Computern ausgestattete Arbeitsplätze eingerichtet gewesen seien.
Auch
habe
in
den polizeilichen Abläufen und Organigrammen eine
Aufgabenzuweisung für die Richterbenachrichtigung gefehlt.
Ferner sei auch Art. 19 Abs. 4 GG verletzt, weil der Beschwerdeführerin keine
ausreichende Begründung der Eingriffsmaßnahmen und keine zutreffende
Rechtsmittelbelehrung erteilt worden seien. Hinzu komme, dass ihr weder Zugang zu
ihren Anwälten noch Zugang zum zuständigen Gericht ermöglicht worden sei.
Im Übrigen liege auch ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 19 Abs.
4 GG vor. Die richterliche Geschäftsverteilung für die Ausübung des
Richtervorbehalts bei präventiv-polizeilichen Freiheitsentziehungen und für das
nachträgliche Feststellungsverfahren sei 2001 bei dem Amtsgericht nur unzureichend
und unvollständig geregelt gewesen. Hinzu komme, dass der schon am 13.
November 2001 tätige Amtsrichter im Hinblick auf eine Besorgnis der Befangenheit
nicht auch über die Feststellungsanträge habe entscheiden dürfen. Überdies sei die
Rechtswegzuweisung in § 19 NGefAG an die ordentliche Gerichtsbarkeit nicht
sachgerecht.
Schließlich sei durch die Art und Weise der Freiheitsentziehung auch Art. 104 Abs.
1, Art. 2 Abs. 1 und 2, Art. 1 Abs. 1 GG verletzt worden. Es sei nicht erforderlich
gewesen, den Gefangenen die Mobiltelefone, das Schreibzeug und die mitgebrachte
Verpflegung abzunehmen. Auch der weitere Verlauf der Gewahrsamnahme sei nicht
hinnehmbar gewesen. Die Beschwerdeführerin sei zunächst etwa zwei Stunden auf
einem Feld in einem Polizeikessel festgehalten worden. Danach – etwa gegen 13.00
Uhr – sei sie mit 30 Mitgefangenen auf einen Gefangenentransporter verladen und
dort in einer Viererzelle mit einer Größe von etwa 2 qm untergebracht worden. Der
Transporter habe noch geraume Zeit auf dem Feld gestanden, ehe er auf Umwegen
nach Neu Tramm bei Dannenberg gefahren worden sei. Dort sei er zunächst auf dem
Hof einer ehemaligen Kaserne, die als Gefangenensammelstelle gedient habe,
abgestellt worden, ohne dass etwas geschehen sei. Erst nachdem sich die
gefangenen Insassen mit Klopfen und Rufen bemerkbar gemacht hätten, seien die
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Türen des Gefangenentransporters geöffnet worden. Danach sei ihnen erstmals die
Toilettenbenutzung erlaubt worden, wobei es keine Gelegenheit zum Händewaschen
gegeben habe. Im Anschluss – mittlerweile sei es nach 15.00 Uhr gewesen – hätten
die Beamten ihnen erstmals Getränke sowie einige Äpfel und Schokoriegel gebracht,
die jedoch nicht für alle Gefangenen ausgereicht hätten. Nach langen Diskussionen
seien sie und die weiteren Insassen des Gefangenentransporters bei der Abarbeitung
in der Gefangenensammelstelle vorgezogen worden, so dass um 16.35 Uhr ihre
erstmalige Erfassung erfolgt sei. In der Gefangenensammelstelle sei sie dann
nochmals erkennungsdienstlich behandelt worden. Sie sei erneut fotografiert und
körperlich durchsucht worden. Ihre Daten seien in ein vorgefertigtes Formular einer
allgemeinen Gefahrenprognose aus Anlass des bevorstehenden Castor-Transportes
eingefügt worden. Danach habe sie erstmals eine richtige Toilette mit
Wasseranschluss aufsuchen dürfen. Sodann sei sie in eine Massenzelle in einer
Fahrzeughalle der ehemaligen Kaserne verbracht worden, in der über hundert
Personen gefangen gehalten worden seien. Sie habe dort nur eine sehr dünne
Isomatte und eine einzige Wolldecke bekommen. Die Luft in der Zelle sei staubig
gewesen. Außerdem sei die Zelle nur sporadisch mit einem Gebläse beheizt worden,
s o dass es abwechselnd zu heiß oder zu kalt gewesen sei. Sie habe wegen ihres
Asthmaleidens Probleme mit der Atmung gehabt. Gegen 23.00 Uhr sei Essen
ausgeteilt worden, das jedoch bereits vergoren und deshalb ungenießbar gewesen
sei. Erst nach 23.00 Uhr sei ihr dann ein weiteres Telefonat ermöglicht worden, um
ihrer Familie mitzuteilen, dass sie über Nacht bleiben und daher die Kinderbetreuung
anderweitig organisiert werden müsse. Schließlich sei die Nachtruhe durch ständige
polizeiliche Beobachtungen, Lärm und Aufrufe von Gefangenen nachhaltig gestört
worden. Nachdem sie am Morgen nach 9.00 Uhr das Kasernengelände verlassen
habe, habe sie ihren Heimweg selbst organisieren müssen. Öffentliche Verkehrsmittel
hätten dort nicht verkehrt. Die gesamte Behandlung habe den Eindruck einer
Ersatzbestrafung gemacht.
2. Den gemäß § 94 BVerfGG Äußerungsberechtigten wurde Gelegenheit zur
Stellungnahme gegeben. Das Land Niedersachsen sieht eine Grundrechtsverletzung
nicht als gegeben an. Das von Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG für eine
Freiheitsbeschränkung geforderte Gesetz sei in § 18 NGefAG zu sehen. Die
Feststellung der Gerichte, die Voraussetzungen der Eingriffsermächtigung seien für
den gesamten Zeitraum der Ingewahrsamnahme erfüllt gewesen, sei nicht zu
beanstanden. Die Eindeutigkeit der Auflösungsverfügung ergebe sich schon daraus,
dass nach dem Ergehen der polizeilichen Verfügung von den rund 200 Teilnehmern
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der Sitzblockade insgesamt nur 39 – darunter die Beschwerdeführerin – die Straße
nicht freiwillig geräumt hätten. Die Unerlässlichkeit der Freiheitsentziehung ergebe
sich aus der Gesamtsituation, die in der Allgemeinverfügung vom 27. Oktober 2001
ausführlich dargestellt worden sei. Der sich daraus ergebenden Gefahrenprognose
entspreche auch, dass in den frühen Morgenstunden des 13. November 2001 in
Splietau eine größere Sitzblockade unter Anwendung unmittelbaren Zwangs habe
beendet werden müssen, wobei Menschen, die nicht in Gewahrsam genommen
worden seien, immer wieder versucht hätten, auf die Straße zu gelangen.
Auch Art. 104 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GG seien nicht verletzt. Organisationsmängel
v o n verfassungsrechtlicher Relevanz lägen nicht vor. Die Beschwerdeführerin
überspanne die von Verfassungs wegen an die Organisationsabläufe zu stellenden
Anforderungen. Dies gelte auch hinsichtlich der Anforderungen an die gerichtliche
Ermittlungs- und Begründungsdichte. Die tragenden Erwägungen der angegriffenen
fachgerichtlichen Entscheidungen ergäben keinen Anlass zu verfassungsrechtlichen
Beanstandungen. Die Organisation bei der rechtlichen Behandlung der Festnahmen
möge zwar noch nicht optimal gewesen sein, habe jedoch keine verfassungsrechtlich
bedeutsamen Mängel aufgewiesen. Dies zeige sich schon daran, dass für 269 der
weniger als 500 Inhaftierten ein Antrag auf richterliche Bestätigung gestellt worden
sei. Hinzu trete die am 13. November 2001 um 15.30 Uhr getroffene
Dominanzentscheidung, wonach wegen der hohen Anzahl von Gewahrsamnahmen
die strafrechtliche Abarbeitung der Ermittlungsvorgänge gerade zu Gunsten der
zügigeren Bewältigung der Freiheitsentziehungsanträge zurückgestellt worden sei.
Die Aktenerstellung sei gerade auch Folge des Bemühens der Sicherheitskräfte,
rechtsstaatlichen Darlegungsanforderungen uneingeschränkt gerecht zu werden. Die
zuständigen Behörden hätten vor dem Castor-Transport im November 2001
zahlreiche Besprechungen abgehalten, um die Verfahrensabläufe in der
Gefangenensammelstelle zu optimieren und sich nach den Erfahrungen mit dem
Transport, der im Frühjahr 2001 stattgefunden habe, auch ablauforganisatorisch auf
entsprechend hohe Belastungszeiten vorzubereiten. Der Umstand, dass diese
Planungen dem Demonstrationsgeschehen im Herbst 2001 letztlich nicht in jeder
Phase der Massendemonstration mit etwa 4.000 Teilnehmern voll entsprochen
hätten, könne die Anstrengungen und Ergebnisse nicht entwerten. Eine Umgehung
des
Richtervorbehalts
durch taktisches Zuwarten oder unsachgemäße
Verzögerungen habe es nicht gegeben. Die Verzögerungen seien vielmehr
eingetreten, weil am 13. November 2001 zahlreiche Ingewahrsamnahmen auf Grund
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der massiven und auf mehrere Örtlichkeiten verteilten Aktionen der Demonstranten
erforderlich geworden seien. Die Zeitabläufe seien bei einer derartigen
Massendemonstration nicht im Einzelnen vorhersehbar. Unter Berücksichtigung der
Größe des Einsatzraumes, der aktuellen Verfügbarkeit von Einsatzkräften und des
besonderen, für die Sicherheitsbehörden in ihren Ausmaßen nur begrenzt
kalkulierbaren Störerverhaltens sowie der von Seiten der Polizei nicht zu
vertretenden Widrigkeiten, wie etwa verstopfte Straßen oder Wetterbedingungen, sei
es durchaus als unverzüglich anzusehen, dass die Polizei noch am Abend des 13.
November 2004 einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung formuliert habe. Wann
die Beschwerdeführerin ihrerseits einen Antrag auf richterliche Entscheidung gestellt
habe, bleibe vage.
Die richterliche Tätigkeit habe zudem dem Gebot der Unverzüglichkeit entsprochen.
Unzutreffend sei in diesem Zusammenhang, dass das Gericht überhaupt nur auf
anwaltlichen Druck hin tätig geworden sei. Der Amtsgerichtsdirektor habe berichtet,
Hauptproblem der Abarbeitung sei gewesen, dass die Polizei die in Gewahrsam
genommenen Personen nur schleppend vorgeführt habe. Zwischen der Ankündigung
von Ingewahrsamnahmen und der Zuführung der Personen hätten oft Stunden
gelegen. Eine zeitnahe Bearbeitung habe die Polizei nicht zu gewährleisten
vermocht. Ungeachtet anwaltlicher Hinweise auf einzelne Ingewahrsamnahmen
seien die Richter auch aus eigenem Antrieb fortlaufend bei der Polizei vorstellig
geworden und hätten das Herbeischaffen von Vorgängen und/oder Personen
angemahnt. Die Polizei sei jedoch wegen der hohen Anzahl von in Gewahrsam
genommenen Personen daran gehindert gewesen, dem nachzukommen. Als gegen
22.00 Uhr eine längere Pause in der Vorlage entscheidungsreifer Akten eingetreten
und auf Nachfrage durch die Leitung der Gefangenensammelstelle mitgeteilt worden
sei, dass zur Zeit keine entscheidungsreifen Akten zu erwarten seien, sei die
richterliche Tätigkeit bis zum nächsten Morgen eingestellt worden. Das Gericht sei
auch hier durchaus tätig geworden. Das Absehen von einer Entscheidung wegen des
Fehlens vollständiger Akten sei von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
Vielmehr sei das Bemühen des Gerichts, auf der Grundlage vollständiger
Erkenntnismittel zu entscheiden, sachgerecht gewesen. Außerdem sei nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine richterliche Entscheidung zur
Nachtzeit nicht zwingend geboten. Im Übrigen sei zu bedenken, dass es in
mindestens 125 Fällen zu einer richterlichen Entscheidung gekommen sei. Zudem
seien ganze Gruppen von der Polizei aus dem Gewahrsam entlassen worden, ohne
dass es einer richterlichen Entscheidung bedurft habe.
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Ein Verstoß gegen den Grundsatz effektiver Rechtschutzgewährleistung sei
ebenfalls nicht festzustellen. Eine Verletzung der nur einfach-rechtlich bestehenden
Belehrungs- und Benachrichtigungspflicht nach § 20 Abs. 1 und 2 NGefAG sei nicht
zu erkennen. Auch hier müsse der Begriff der Unverzüglichkeit im Lichte der
tatsächlichen Sachzwänge ausgelegt werden, die durch die administrative und
logistische Bewältigung einer Großdemonstration gesetzt würden. Außerdem habe
die Beschwerdeführerin ihre Familie gegen 16.35 Uhr über ihren Aufenthalt informiert
und habe hierzu um 23.00 Uhr erneut Gelegenheit erhalten. Ferner sei ihr Zugang zu
Rechtsanwälten gewährt worden. Deren Erscheinen in der Sammelzelle erst gegen
20.00 Uhr habe daran gelegen, dass diese vorher hauptsächlich bei den
Vorführungen des Amtsgerichts anwesend gewesen seien.
Auch ein Verstoß gegen Art. 104 Abs. 1 Satz 2 GG oder gegen Art. 1 Abs. 1, Art. 2
Abs. 1 und 2 GG liege nicht vor. In Bezug auf die Unterbringungsbedingungen könne
die
individuelle Befindlichkeit
der
Beschwerdeführerin
nicht
als
verfassungsrechtlicher Maßstab dienen. Die Platzsituation in der voll belegten
Sammelzelle sei zwar beengt und nicht optimal gewesen. Zu einer dauerhaften
Überbelegung sei es jedoch nicht gekommen, weil ständig wieder Personen
entlassen worden seien. Bei individuellen Beschwerden oder gesundheitlichen
Beeinträchtigungen hätten die Aufsichtspersonen uneingeschränkt angesprochen
werden können. Auch sei die ärztliche Versorgung jederzeit gewährleistet gewesen.
Es
spreche
zudem
vieles
dafür,
dass
die
Verpflegung über den
verfassungsrechtlichen Mindeststandard hinausgegangen sei. Ferner seien der
Beschwerdeführerin nach ihrer eigenen Beschreibung Toilettenbesuche möglich
gewesen.
Soweit
das
Landgericht
davon
ausgegangen
sei, dass
es
den
Versammlungsteilnehmern möglich gewesen wäre, sich selbst durch heiße Getränke
oder Lebensmittel einen komfortableren Unterbringungszustand zu schaffen, sei
diese möglicherweise unzutreffende Aussage nicht entscheidungserheblich, weil für
die Beurteilung angemessener Gewahrsamsbedingungen Umstände zu Grunde zu
legen seien, wie sie sich tatsächlich dargestellt hätten und nicht, wie sie sich hätten
darstellen können.
Des Weiteren sei auch der Grundsatz des gesetzlichen Richters nicht verletzt
worden. Mögliche Mängel der richterlichen Zuständigkeitsregelungen hätten sich
nicht ausgewirkt, weil es zu keiner Entscheidung über den Antrag auf gerichtliche
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Entscheidung gekommen sei. In Bezug auf den gestellten Feststellungsantrag
bestehe kein allgemeiner verfassungsrechtlicher Grundsatz, wonach ein Richter mit
demselben Lebenssachverhalt nicht noch einmal befasst sein dürfe.
Selbst wenn jedoch Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Entscheidungen
bestehen sollten, sei die Annahme der Verfassungsbeschwerde mangels einer
Grundrechtsverletzung von besonderem Gewicht nicht angezeigt. Es seien
kontinuierlich Optimierungen sowohl hinsichtlich der Abläufe bei Gewahrsamnahmen
als auch hinsichtlich der Unterbringungsbedingungen vorgenommen worden. Daher
k ö n n e eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten weder durch
niedersächsische Gerichte noch durch niedersächsische Sicherheitsbehörden
festgestellt werden.
B.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur
Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt ist (§ 93b i.V.m.
§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und –
in einer die Entscheidungszuständigkeit der Kammer gemäß § 93c Abs. 1 Satz 1
BVerfGG eröffnenden Weise – auch offensichtlich begründet; die für die Beurteilung
maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht
bereits entschieden.
I.
Die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin
in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 2 GG.
1. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG bezeichnet die Freiheit der Person als "unverletzlich".
Diese verfassungsrechtliche Grundentscheidung kennzeichnet das Freiheitsrecht als
ein besonders hohes Rechtsgut, in das nur aus wichtigen Gründen eingegriffen
werden darf (vgl. BVerfGE 10, 302 <322>; 29, 312 <316>; 65, 317 <322> ). Geschützt
wird die im Rahmen der geltenden allgemeinen Rechtsordnung gegebene
tatsächliche körperliche Bewegungsfreiheit vor staatlichen Eingriffen (vgl. BVerfGE
94, 166 <198>; 96, 10 <21>), also vor Verhaftung, Festnahme und ähnlichen
Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs (vgl. BVerfGE 22, 21 <26> ).
Nach Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG darf die in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistete
Freiheit der Person nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter
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Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Die formellen
Gewährleistungen des Art. 104 GG stehen mit der materiellen Freiheitsgarantie des
Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in unlösbarem Zusammenhang (vgl. BVerfGE 10, 302 <322>;
58, 208 <220>). Art. 104 Abs. 1 GG nimmt den schon in Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG
enthaltenen
Gesetzesvorbehalt
auf
und
verstärkt
ihn
für
alle
Freiheitsbeschränkungen, indem er neben der Forderung nach einem förmlichen
Gesetz die Pflicht, die sich aus diesem Gesetz ergebenden Formvorschriften zu
beachten, zum Verfassungsgebot erhebt (vgl. BVerfGE 10, 302 <323>; 29, 183
<195>; 58, 208 <220>).
Für den schwersten Eingriff in das Recht der Freiheit der Person, die
Freiheitsentziehung, fügt Art. 104 Abs. 2 GG dem Vorbehalt des (förmlichen)
Gesetzes den weiteren, verfahrensrechtlichen Vorbehalt einer richterlichen
Entscheidung hinzu, der nicht zur Disposition des Gesetzgebers steht (vgl. BVerfGE
10, 302 <323>). Der Richtervorbehalt dient der verstärkten Sicherung des
Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Alle staatlichen Organe sind verpflichtet,
dafür Sorge zu tragen, dass der Richtervorbehalt als Grundrechtssicherung praktisch
wirksam wird (BVerfGE 105, 239 <248>; vgl. zu Art. 13 Abs. 2 GG: BVerfGE 103, 142
<151 ff.>). Für den Staat folgt daraus die verfassungsrechtliche Verpflichtung, die
Erreichbarkeit eines zuständigen Richters zu gewährleisten und ihm auch insoweit
eine sachangemessene Wahrnehmung seiner richterlichen Aufgaben zu ermöglichen
(vgl. BVerfGE 103, 142 <156>; 105, 239 <248>). Die Erreichbarkeit des zuständigen
Richters ist dabei zur Tageszeit (vgl. § 188 Abs. 1 ZPO a.F., § 104 Abs. 3 StPO) stets
z u gewährleisten. Ein richterlicher Bereitschaftsdienst zur Nachtzeit ist
demgegenüber von Verfassungs wegen erst dann gefordert, wenn hierfür ein
praktischer Bedarf besteht, der über den Ausnahmefall hinausgeht (Beschluss der 3.
Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Dezember
2003 – 2 BvR 1481/02 -, NJW 2004, S. 1442).
Die Freiheitsentziehung erfordert nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG grundsätzlich eine
vorherige richterliche Anordnung. Eine nachträgliche richterliche Entscheidung, deren
Zulässigkeit in Ausnahmefällen Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG voraussetzt, genügt nur,
wenn der mit der Freiheitsentziehung verfolgte verfassungsrechtlich zulässige Zweck
nicht erreichbar wäre, sofern der Festnahme die richterliche Entscheidung
vorausgehen müsste (vgl. BVerfGE 22, 311 <317>). Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG
gebietet in einem solchen Fall, die richterliche Entscheidung unverzüglich
nachzuholen (vgl. BVerfGE 10, 302 <321> ). "Unverzüglich" ist dahin auszulegen,
38
39
dass die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus
sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, nachgeholt werden muss (vgl. BVerfGE 105,
239 <249> ). Nicht vermeidbar sind zum Beispiel Verzögerungen, die durch die
Länge des Weges, Schwierigkeiten beim Transport, die notwendige Registrierung
und Protokollierung, ein renitentes Verhalten des Festgenommenen oder
vergleichbare Umstände bedingt sind (vgl. BVerfGE 103, 142 <156>; 105, 239
<249>).
Das Gebot der Unverzüglichkeit des Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG entfaltet in zweierlei
Hinsicht Wirkungen. Zum einen verpflichtet es die Polizei, eine richterliche
Entscheidung unverzüglich herbeizuführen. Hat sie eine Person in Gewahrsam
genommen, so hat sie alle unter den Umständen des Einzelfalls gebotenen
Maßnahmen zu ergreifen, um die nachträgliche richterliche Entscheidung über die
Ingewahrsamnahme unverzüglich nachzuholen. Zum anderen muss auch die weitere
Sachbehandlung durch den Richter dem Gebot der Unverzüglichkeit entsprechen
(vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. September 2004 – 1 S 2206/03 -, DÖV
2005, S. 165 <167 ff.>).
Das Bundesverfassungsgericht hat zudem ausgeführt, dass das Verfahren bei
Entscheidungen über die Zulässigkeit oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung in
besonderer Weise dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes entsprechen muss. In
Bezug auf das gerichtliche Verfahren hat es ausgeführt, dass dieses darauf angelegt
sein muss, den Betroffenen vor dem Freiheitsentzug alle diejenigen rechtsstaatlichen
Sicherungen zu gewähren, die mit einem justizförmigen Verfahren verbunden sind.
Die Eilbedürftigkeit einer solchen Entscheidung könne eine Vereinfachung und
Verkürzung des gerichtlichen Verfahrens rechtfertigen, dürfe aber die unabhängige,
auf
Grund
der
Justizförmigkeit
des Verfahrens besonders verlässliche
Entscheidungsfindung nicht gefährden (vgl. BVerfGE 83, 24 <32>). Der Gesichtspunkt
d e r auf die Effektivität des Grundrechtsschutzes gerichteten Flexibilität des
Verfahrens gilt jedoch in gleichem Maße für das Verwaltungsverfahren im Vorfeld der
Anrufung des Gerichts. Demgemäß ist in der fachgerichtlichen Judikatur etwa
anerkannt, dass das Anhängigmachen der freiheitsentziehenden Maßnahme bei
Gericht im Falle einer besonderen Eilbedürftigkeit eines formellen schriftlichen
Antrages nicht bedarf, sofern das Begehren in den Akten in verlässlicher Weise
dokumentiert ist und die Identität der in Gewahrsam Genommenen jedenfalls anhand
der
Akten
festgestellt werden kann, zumal unter der Geltung des
Amtsermittlungsgrundsatzes das Gericht die für seine Entscheidung erheblichen
40
41
42
43
Tatsachen zu ermitteln hat (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. September
2004 – 1 S 2206/03 -, DÖV 2005, S. 165 <168>).
Die freiheitssichernde Funktion des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG setzt weiterhin
Maßstäbe für die Aufklärung des Sachverhalts und damit für Anforderungen in Bezug
auf die tatsächliche Grundlage der richterlichen Entscheidungen. Es ist
unverzichtbare Voraussetzung rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen,
die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher
Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage
haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (vgl. BVerfGE 70, 297
< 3 0 8 > ;
Beschluss
der
3.
Kammer
des Zweiten
Senats
des
Bundesverfassungsgerichts vom 23. März 1998 - 2 BvR 2270/96 -, NJW 1998, S.
1774 <1775>). Angesichts des hohen Ranges des Freiheitsgrundrechts gilt dies in
gleichem Maße, wenn die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit einer
freiheitsentziehenden Maßnahme in Rede steht.
2. Den sich aus diesen Maßstäben ergebenden Anforderungen werden die
angegriffenen Beschlüsse des Amts- und des Landgerichts nicht gerecht. Aus den
von den Fachgerichten getroffenen Feststellungen ergibt sich nicht, dass dem aus
Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG folgenden Verfassungsgebot genügt worden ist.
a) Dies betrifft zunächst die Frage des polizeilichen Vorgehens. Hier fehlt es an
einer Analyse des zeitlichen Ablaufs der Ingewahrsamnahme und der hierfür
ursächlichen Gründe.
Aus einer im Verfahren vor dem Amtsgericht vorgelegten so genannten Zeitschiene
für den Gefangenentransport (Anlage 1 zum Schriftsatz der Bezirksregierung
Lüneburg vom 2. Dezember 2003), mit dem die Beschwerdeführerin in die
Gefangenensammelstelle verbracht wurde, ergibt sich, dass die Ingewahrsamnahme
vor Ort um 10.20 Uhr begann, das Verbringen der in Gewahrsam genommenen
Personen in das Transportfahrzeug zwischen 12.07 Uhr und 13.05 Uhr sowie die
Ankunft in der Gefangenensammelstelle um 13.19 Uhr erfolgte. Während die Dauer
dieser
Maßnahmen
als den unabänderlichen konkreten Umständen am
Versammlungsort geschuldet angesehen werden kann – auch die
Beschwerdeführerin setzt hier nicht mit konkreten Rügen an -, fällt bei dem weiteren
Ablauf in der Gefangenensammelstelle auf, dass ein Datenerfassungsbogen als
Aufnahmezeit betreffend die Beschwerdeführerin den Zeitpunkt 16.25 Uhr nennt. Der
Datenerfassungsbogen weist ferner aus, dass dieser selbst erst um 21.01 Uhr erstellt
44
45
46
wurde. Die Abverfügung des Antrages auf richterliche Entscheidung erfolgte zwar
n o c h unter dem 13. November 2001. Aus einer Mitteilung des Amtsgerichts
Dannenberg ergibt sich aber, dass dieser erst am 14. November 2001 bei Gericht
eingegangen ist, ohne dass die genaue Uhrzeit ermittelt werden konnte.
Die Ausführungen der Fachgerichte zu diesem zeitlichen Ablauf innerhalb der
Gefangenensammelstelle beschränken sich auf blankettartige Begründungen, die
allgemeiner Natur sind und nicht auf den konkreten Fall eingehen. Es ist zwar im
Ausgangspunkt durchaus zutreffend, dass Masseningewahrsamnahmen im Rahmen
v o n Großdemonstrationen eine spezifische Problematik aufweisen, die dadurch
gekennzeichnet ist, dass die personelle und sachliche Ausstattung von Behörden und
Gerichten begrenzt und das Ausmaß des notwendigen außergewöhnlichen Einsatzes
nur begrenzt planbar ist und es demzufolge zu Schwierigkeiten bei der praktischen
Durchführung der Ingewahrsamnahmen kommen kann. Diese allgemeine Erkenntnis
ersetzt jedoch nicht die Aufklärung des konkret in Rede stehenden Sachverhalts. Der
Richtervorbehalt hat als Sicherung gegen unberechtigte Freiheitsentziehungen hohe
Bedeutung. Er erfordert daher besondere Bemühungen und Vorkehrungen (vgl.
BVerfGE 105, 239 <251> ). Die Beantwortung der Frage, ob dieser Verpflichtung
genügt wurde, bedingt die Aufklärung der konkreten Ursachen von eingetretenen
Verzögerungen bei der Stellung von Anträgen auf richterliche Entscheidung.
Von Belang ist hier die konkrete Situation bei Zuführung der in Gewahrsam
genommenen Person. Das Amtsgericht hat zwar diesbezüglich ausgeführt, dass es
zu rund 200 bis 300 Gewahrsamnahmen im Zeitpunkt der Zuführung der
Beschwerdeführerin gekommen sei. Auf welche Grundlage es diese Aussage stützt,
bleibt indessen ebenso unklar wie die näheren Einzelheiten. So ist die Anzahl der
Gefangenentransporte und der mit ihnen zugeführten Personen ebenso ungeklärt wie
die jeweiligen Zuführungszeitpunkte. Überdies stellt dies nur eine Facette bei der
Beurteilung der Gesamtsituation dar. In den Blick zu nehmen sind ferner die Anzahl
der in der Gefangenensammelstelle zur weiteren Behandlung der in Gewahrsam
genommenen Personen eingesetzten Beamten wie auch die Gestaltung der
Arbeitsabläufe als solche. In diesem Zusammenhang wäre auch auf den Vortrag der
Beschwerdeführerin einzugehen gewesen, dass es organisatorische Mängel
gewesen seien, die das unverzügliche Anhängigmachen des Antrages auf
Zulässigkeit und Fortdauer der Gewahrsamnahme verhindert haben.
Nähere Aufklärung dazu ist seitens der Fachgerichte unterblieben. Demgemäß fehlt
es auch an einer sachgerechten Würdigung der Geschehensabläufe, bei der eine ex-
47
48
ante Sicht unter Einbeziehung behördlicher Prognose- und Ermessensspielräume
anzulegen ist. Im Rahmen einer solchen Würdigung werden sich die Fachgerichte
auch mit Gesichtspunkten der Koordination und Flexibilität des polizeilichen
Handelns auseinanderzusetzen haben. Dies betrifft vor allem die Frage, ob nicht
ausgehend von der damaligen Situation jedenfalls ab einem bestimmten Zeitpunkt
von der Erstellung förmlicher schriftlicher Anträge hätte abgesehen werden können. In
diesem Zusammenhang wäre die Frage zu klären, ob sich - stets bei einer ex-ante-
Bew ertung - alternative Vorgehensweisen aufdrängten, die ein zügigeres
Anhängigmachen bei Gericht erwarten ließen. Auch dies setzt die Analyse der
konkreten Arbeitsabläufe und der hierfür maßgeblichen polizeilichen Erwägungen
voraus.
b) Ferner gibt die Art und Weise der Durchführung des richterlichen
Bereitschaftsdienstes Anlass zu verfassungsrechtlichen Beanstandungen. Nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist ein nächtlicher richterlicher
Bereitschaftsdienst erst dann gefordert, wenn hierfür ein praktischer Bedarf besteht,
der über den Ausnahmefall hinausgeht (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten
Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Dezember 2003 – 2 BvR 1481/02 -,
NJW 2004, S. 1442). Im vorliegenden Fall war, bedingt durch die Kenntnis des
bevorstehenden Castor-Transports und die zu erwartenden Massendemonstrationen,
ein Bedürfnis für die besondere Regelung des richterlichen Eildienstes auch zur
Nachtzeit
an diesen Tagen sehr naheliegend. Unter Berücksichtigung der
Vorkommnisse anlässlich des Castor-Transportes im März 2001 - die in der
Allgemeinverfügung vom 27. Oktober 2001 enthaltene Gefahrenprognose nennt
diverse Blockaden, die erst am Abend stattfanden - musste gerade im nahen
zeitlichen Zusammenhang mit dem Transport mit Masseningewahrsamnahmen
gerechnet werden, die nicht sämtlich zur Tageszeit sachgerecht bewältigt werden
konnten. Daher konnte sich der richterliche Bereitschaftsdienst nicht auf die Tageszeit
beschränken,
sondern
musste
im
Hinblick
auf
die
Möglichkeit von
Masseningewahrsamnahmen und den damit verbundenen Zeitaufwand auch eine
Regelung für die Nachtzeit beinhalten.
Unabhängig von diesem Gesichtspunkt hätten die Fachgerichte den Vortrag der
Beschwerdeführerin berücksichtigen müssen, dass dem Amtsgericht bereits vor 22.00
Uhr ein von ihr gestellter Antrag mit dem Ziel der Aufhebung des Gewahrsams vorlag.
Mithin wäre zu erörtern gewesen, ob bereits aus diesem Grunde eine Anhörung der
Beschwerdeführerin geboten war. Die nicht erfolgte Vorlage von Akten durch die
49
50
51
Polizeibehörden ist als solche noch kein sachlich gerechtfertigter Grund für ein
Absehen von einem richterlichen Tätigwerden. Vielmehr ist zu prüfen, ob nicht auf
andere Weise die maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen hätten in sachgerechter
Weise ermittelt werden können. Denkbar ist hier die Beiziehung schon vorliegender
schriftlicher Berichte bezüglich des konkreten Anlasses der Ingewahrsamnahme oder
die mündliche Anhörung eines Einsatzbeamten – sofern der Richter nicht ohnehin
durch seinen bisherigen Dienst von dem jeweiligen Anlass Kenntnis hat -, die mit
einer Anhörung des Betroffenen einhergehen können. Aus den Feststellungen der
Fachgerichte ist weder ersichtlich, dass diese Möglichkeit in Betracht gezogen wurde,
noch dass sachlich gerechtfertigte Gründe eine derartige Verfahrensgestaltung nicht
zugelassen hätten. Ebenso gibt die dienstliche Erklärung des Amtsgerichtsdirektors
nichts für den Schluss her, dass Richter des Bereitschaftsdienstes im Hinblick auf die
zurückliegende Länge der Dienstzeit physisch nicht mehr zu einer sachgerechten
Verfahrensabwicklung in der Lage gewesen wären.
c) Indem die Fachgerichte den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht
hinreichend aufgeklärt und geprüft haben, fehlt es auch an der dem Einzelfall gerecht
werdenden Würdigung der Geschehensabläufe. Damit aber haben sowohl das
Amtsgericht wie auch das Landgericht die Bedeutung von Tragweite des
Freiheitsgrundrechts (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) und seiner formellen Gewährleistung in
Gestalt des Richtervorbehalts nach Art. 104 Abs. 2 GG verkannt. Die Fachgerichte
werden daher im Rahmen einer erneuten Befassung mit der Sache die gebotene
Sachverhaltsaufklärung vorzunehmen und auf ihrer Grundlage zu bewerten haben,
ob dem Gebot der Unverzüglichkeit des Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG genügt wurde.
3. Soweit die Beschwerdeführerin rügt, dass es möglich gewesen sei, schon vor der
Ingewahrsamnahme eine richterliche Entscheidung herbeizuführen, geht weder aus
d e r Verfassungsbeschwerde noch aus den Gerichtsakten hervor, dass sie
entsprechend schon vor den Fachgerichten vorgetragen hat. Im Übrigen ist die
Verfassungsbeschwerde in diesem Punkt auch nicht hinreichend begründet. Insoweit
fehlt es an der Auseinandersetzung mit der Frage, ob sich auch in diesem Fall der
Zweck der polizeilichen Maßnahmen hätte verwirklichen lassen.
II.
Die
angegriffenen
fachgerichtlichen Entscheidungen
verletzen
die
Beschwerdeführerin ferner in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG, soweit sie den
Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Art und Weise des Vollzuges des
Gewahrsams zurückgewiesen haben.
52
53
54
1. Art. 19 Abs. 4 GG verbürgt ein Grundrecht auf effektiven und möglichst
lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl.
BVerfGE 8, 274 <326>; 67, 43 <58>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231>). Die in Art. 19 Abs.
4 GG gewährleistete Effektivität des Rechtsschutzes wird in erster Linie von den
Prozessordnungen gesichert. Sie treffen Vorkehrungen dafür, dass der Einzelne
seine Rechte auch tatsächlich wirksam durchsetzen kann und die Folgen staatlicher
Eingriffe im Regelfall nicht ohne gerichtliche Prüfung zu tragen hat (vgl. BVerfGE 94,
166 <213>; 96, 27 <39> ).
a) Die dem Gesetzgeber obliegende normative Ausgestaltung des Rechtswegs
muss das Ziel der Gewährleistung des Art. 19 Abs. 4 GG - den wirkungsvollen
Rechtsschutz - verfolgen. Sie muss im Hinblick darauf geeignet und angemessen
sowie für den Rechtssuchenden zumutbar sein (vgl. BVerfGE 60, 253 <268 f.>; 77,
275 <284>). Das muss auch der Richter bei der Auslegung dieser Normen beachten.
Er darf den Beteiligten den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen
eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu
rechtfertigender Weise erschweren (vgl. BVerfGE 74, 228 <234>; 77, 275 <284>; 88,
118 <125> ).
b) Mit dem Gebot, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, ist es grundsätzlich
auch vereinbar, die Rechtsschutzgewährung von einem vorhandenen und
fortbestehenden Rechtsschutzinteresse abhängig zu machen (vgl. BVerfGE 96, 27
<39>; 104, 220 <232>). Ein solches Rechtsschutzinteresse ist zu bejahen, solange
der Rechtsschutzsuchende gegenwärtig betroffen ist und mit seinem Rechtsmittel ein
konkretes praktisches Ziel erreichen kann. Trotz Erledigung des ursprünglichen
Rechtsschutzziels kann jedoch ein Bedürfnis nach gerichtlicher Entscheidung
fortbestehen, wenn das Interesse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtslage
in besonderer Weise schutzwürdig ist. Dies ist der Fall bei Bestehen einer
Wiederholungsgefahr oder einer fortwirkenden Beeinträchtigung durch einen an sich
beendeten Eingriff (vgl. BVerfGE 96, 27 <40>). Darüber hinaus kommt ein trotz
Erledigung fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in Fällen tief greifender
Grundrechtseingriffe in Betracht. Hierunter fallen vornehmlich solche, die schon das
Grundgesetz - wie etwa in dem Fall des Art. 104 Abs. 2 und 3 GG - unter
Richtervorbehalt gestellt hat. Bei derart schwerwiegenden Grundrechtseingriffen hat
d a s Bundesverfassungsgericht ein durch Art. 19 Abs. 4 GG geschütztes
Rechtsschutzinteresse unter anderem in Fällen angenommen, in denen die direkte
Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen
55
56
57
Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in der der Betroffene die
gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung eröffneten Instanz kaum
erlangen kann (vgl. BVerfGE 104, 220 <233 ff.> m.w.N.).
2. Soweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang rügt, dass die
gesetzlich begründete Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zur Ausübung des
Richtervorbehalts und zur Kontrolle beendeter Ingewahrsamnahmen nicht
sachgerecht sei, ist die Verletzung verfassungsrechtlicher Vorgaben nicht ersichtlich.
a) Die Zuweisung der Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer des
Gewahrsams (§ 19 Abs. 1 NGefAG) und des nachträglichen Feststellungsverfahrens
(§ 19 Abs. 2 NGefAG) an das nach § 19 Abs. 3 NGefAG zuständige Amtsgericht, das
ohnehin in anderen Zusammenhängen, wie etwa im Rahmen der Strafverfolgung und
in Unterbringungssachen, mit freiheitsentziehenden Maßnahmen befasst ist, verstößt
nicht gegen Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, Art. 72 Abs. 1 GG. Der Bund hat zwar von der ihm in
Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG übertragenen konkurrierenden Kompetenz, Organisation und
Verfahren der Verwaltungsgerichte zu regeln, abschließend und erschöpfend
Gebrauch
gemacht. § 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO eröffnet jedoch dem
Landesgesetzgeber die Möglichkeit, öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nicht
verfassungsrechtlicher Art auf dem Gebiet des Landesrechts einem anderen Gericht
als dem Verwaltungsgericht zuzuweisen. Ein derartiger Vorbehalt des Bundesrechts
zu Gunsten der Landesgesetzgebung ist auch bei einer erschöpfenden Regelung
eines Gegenstandes der konkurrierenden Gesetzgebung zulässig (vgl. BVerfGE 83,
24 <30> m.w.N.).
b) § 19 Abs. 4 NGefAG begegnet auch unter dem Gesichtspunkt, dass er das
Verfahren, in dem der Richter über die Zulässigkeit des Gewahrsams entscheidet,
nicht näher regelt, sondern auf die Vorschriften des Niedersächsischen Gesetzes
über die freiwillige Gerichtsbarkeit verweist, das in seinem Art. 7 wiederum die
Vorschriften der §§ 2 bis 34 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen
Gerichtsbarkeit
(FGG)
für
entsprechend
anwendbar
erklärt, keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken. Art. 104 GG steht einer solchen Ausgestaltung des
Verfahrensrechts nicht entgegen, sofern die Gewährleistung richterlicher Kontrolle
sichergestellt ist. Das gerichtliche Verfahren bei Entscheidungen über die
Zulässigkeit oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung muss darauf angelegt sein,
d e m Betroffenen vor dem Freiheitsentzug alle diejenigen rechtsstaatlichen
Sicherungen zu gewähren, die mit einem justizförmigen Verfahren verbunden sind.
Die Eilbedürftigkeit einer solchen Entscheidung kann eine Vereinfachung und
58
59
Verkürzung des gerichtlichen Verfahrens rechtfertigen, darf aber die unabhängige, auf
Grund der Justizförmigkeit des Verfahrens besonders verlässliche Entscheidung nicht
gefährden (vgl. BVerfGE 83, 24 <32>). Die entsprechende Anwendung des Gesetzes
über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit hat zur Folge, dass für die
n a c h § 19 NGefAG zu treffende Entscheidung vor allem der in § 12 FGG
niedergelegte Grundsatz der Amtsermittlung gilt, der dem Schutzzweck des Art. 104
GG gemäß auszulegen ist. Damit ist dem Verfassungsgebot der förmlichen Regelung
des gerichtlichen Verfahrens genügt. Für die kurzfristig zu treffende richterliche
Entscheidung über die Zulässigkeit eines polizeilichen Gewahrsams in zeitlich eng
begrenzter Dauer von höchstens 48 Stunden (§ 21 Satz 1 Nr. 3 NGefAG) ist ein
gesetzlich eingehend ausgestaltetes Verfahren von Verfassungs wegen nicht
gefordert. Das gerichtliche Verfahren muss vielmehr hinreichend flexibel ausgelegt
sein, um den Anforderungen verschiedener Gefahrenlagen gerecht zu werden. Aus
Art. 104 Abs. 2 Sätze 2 und 3 GG selbst folgt zudem die Eilbedürftigkeit des
Verfahrens, weil jede richterliche Sachaufklärung zeitlich durch das Erfordernis der
unverzüglichen Entscheidung beschränkt und der Inhaftierung ohne richtliche
Entscheidung mit dem Ende des dem Ergreifen folgenden Tages eine äußerste
Grenze gesetzt ist (vgl. BVerfGE 83, 24 <32 f.>). Auch in Bezug auf den Antrag eines
Betrofffenen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des vollzogenen Gewahrsams ist
vor
dem Hintergrund der Geltung des im Lichte des Freiheitsgrundrechts
auszulegenden
Amtsermittlungsgrundsatzes die Regelung weitergehender
Einzelheiten des Verfahrens nicht geboten.
3. Allerdings werden die angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen den in der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten Maßstäben nicht
gerecht.
a) Zunächst fehlt es an einer sachgerechten Auseinandersetzung der Fachgerichte
mit dem Rechtsschutzbegehren der Beschwerdeführerin. Diese hat vor dem
Amtsgericht mit dem verfahrenseinleitenden Schriftsatz die Feststellung beantragt,
dass die erlittene Freiheitsentziehung dem Grunde nach, der Dauer nach und wegen
der Behandlung während der Freiheitsentziehung rechtswidrig gewesen sei. Die
Beschwerdeführerin hat damit nicht nur die Zulässigkeit und Dauer der
freiheitsentziehenden Maßnahmen, sondern auch die Art und Weise des Vollzuges
des Gewahrsams zum Streitgegenstand erhoben. Das Amts- und Landgericht haben
den letzteren Antrag für zulässig erachtet, ihn aber - ohne dass die konkreten
Maßstäbe hinreichend deutlich werden - als unbegründet angesehen. Das
60
61
Amtsgericht hat diesbezüglich ausgeführt, dass die Rahmenbedingungen der
Unterbringung
im Polizeigewahrsam nur bei wohlwollender Auslegung den
gesetzlichen
Anforderungen
genügt
hätten.
Eine
Unzulässigkeit der
Freiheitsentziehung
als
solcher
wegen
der
nur
bedingt vertretbaren
Rahmenbedingungen könne jedoch gleichwohl nicht festgestellt werden. Das
Amtsgericht wie auch das Landgericht, das eine hiervon abweichende Einschätzung
nicht vorgenommen hat, stellen mit dieser Argumentation eine Verknüpfung zwischen
Vollzug des Gewahrsams und der Zulässigkeit der Freiheitsentziehung als solcher
her.
Dies entspricht auch der Rechtsprechung des übergeordneten
Oberlandesgerichts Celle.
Ihr zufolge sind die Behandlung während des polizeilichen Gewahrsams sowie die
Art und Weise der Unterbringung für die Frage der Rechtmäßigkeit der
Ingewahrsamnahme nach § 18 NGefAG grundsätzlich unbeachtlich. Es könne nicht
Aufgabe der ordentlichen Gerichte sein, jeden Einzelnen mit der Freiheitsentziehung
im Zusammenhang stehenden Umstand auf seine Rechtmäßigkeit oder gar auf seine
Vereinbarkeit mit Verwaltungsvorschriften wie der Polizeigewahrsamordnung hin zu
überprüfen. § 19 NGefAG sei eine Ausnahmevorschrift und beschränke die
nachträgliche Überprüfung durch die ordentliche Gerichtsbarkeit auf die Frage der
Rechtmäßigkeit
der Freiheitsentziehung als solcher. Die Umstände der
Unterbringung könnten allerdings dann Bedeutung für die Frage der Rechtmäßigkeit
gewinnen, wenn auf Grund einer Gesamtschau aller Umstände so schwerwiegende
Verstöße gegen verfassungsrechtlich geschützte Grundwerte vorlägen, dass die
Freiheitsentziehung trotz Vorliegens der allgemeinen Voraussetzungen des § 18
NGefAG
unverhältnismäßig erscheine.
Bloße
Beschwernisse
und
Unbequemlichkeiten stellten die Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme indes nicht
in Frage (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 23. Juni 2005 - 22 W 32/05 -; Beschluss
vom 25. Oktober 2004 - 16 W 145/04 -, Nds.Rpfl 2004, S. 348).
Die Frage der Anordnung der Ingewahrsamnahme und deren Vollzug sind indes
grundsätzlich
voneinander
zu scheiden. So kann die Anordnung einer
Ingewahrsamnahme durchaus rechtmäßig sein, während etwa eine einzelne
Maßnahme während des Vollzuges, die zum Zeitpunkt der Ingewahrsamnahme nicht
notwendigerweise vorhersehbar ist, sich als rechtswidrig erweisen kann, ohne dass
von einem Durchschlagen dieses Mangels auf die Freiheitsentziehung als solche
ausgegangen werden muss. Das Anlegen des dargestellten verengten
Prüfungsmaßstabes auf der Begründetheitsebene verschließt den Blick auf das
62
63
weitergehende Rechtsschutzziel der Beschwerdeführerin. Demgemäß bleibt in den
angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen auch offen, aus welchen konkreten
Gründen der weitergehende Antrag der Beschwerdeführerin keinen Erfolg hat.
b) Soweit der verengte Prüfungsmaßstab der Fachgerichte in den angegriffenen
Entscheidungen zum Ausdruck bringen will, dass eine erweiterte Prüfung im Hinblick
auf die Rechtswegzuweisung in § 19 NGefAG nicht möglich sei, fehlt es an der
erforderlichen
eingehenden
Auseinandersetzung mit
den
Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm ebenso wie mit der Frage, ob eine
Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs in Betracht kommt. Der Wortlaut des § 19
Abs. 2 Satz 1 NGefAG ist weit formuliert. Er ermöglicht die gerichtliche Feststellung,
dass die Freiheitsbeschränkung rechtswidrig gewesen ist. Bedenkt man, dass diese
Norm anders als § 19 Abs. 1 NGefAG die Beendigung der freiheitsbeschränkenden
Maßnahme voraussetzt, so ist die Entscheidungsgrundlage eine breitere. Sie eröffnet
schon auf Grund des zeitlichen Ablaufs auch eine Prüfung, ob den §§ 20 f. NGefAG,
die
die
Behandlung
festgehaltener Personen und die Dauer der
Freiheitsbeschränkung regeln, Beachtung geschenkt wurde.
Selbst wenn man aber einer solchen weiten Auslegung nicht folgen wollte, wäre zu
prüfen, ob nicht im Lichte des Art. 19 Abs. 4 GG eine Zuständigkeit der ordentlichen
Gerichte kraft Sachzusammenhangs auch für die Überprüfung des Vollzuges des
Gewahrsams anzunehmen ist. In der fachgerichtlichen Judikatur wird dies in
ä h n l i c h e n Zusammenhängen
angenommen.
So
hat
der
Bayerische
Verwaltungsgerichtshof auf der Grundlage der dem § 19 Abs. 2 NGefAG
vergleichbaren Rechtswegregelung des Art. 17 Abs. 2 BayPAG ausgesprochen, dass
das
nach dessen Absatz 3 zuständige Amtsgericht wegen des engen
Sachzusammenhangs auch für die Kontrolle freiheitsbeschränkender Maßnahmen,
wie etwa einer persönlichen Durchsuchung, während einer Ingewahrsamnahme des
Betroffenen zuständig ist, wenn diese zur Gewährleistung der Ordnung im
Gewahrsam erforderlich sind (BayVGH, Urteil vom 25. Oktober 1988 - 21 B 88.01491
-, NJW 1989, S. 1754 f.). Ferner hat der Bundesgerichtshof gerade im Hinblick auf die
Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes durch Art. 19 Abs. 4 GG entschieden, dass
für die Überprüfung der Art und Weise des Vollzuges einer nach § 105 Abs. 1 Satz 1
StPO nichtrichterlich angeordneten abgeschlossenen Durchsuchung der Betroffene
entsprechend § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO die richterliche Entscheidung beantragen kann
(BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1998 - 5 AR (VS) 2/98 -, NStZ 1999, S. 200
<201 f.>; Beschluss vom 5. August 1998, - 5 ARs (VS) 2/98 -, NStZ 1999, S. 151 f.;
64
65
Beschluss vom 25. August 1999 - 5 AR (VS) 1/99 -, NJW 1999, S. 3499 f.).
Schließlich hat auch das Bundesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit einer
behördlich angeordneten Ingewahrsamnahme zum Zwecke der Durchführung einer
Abschiebung entschieden, es entspreche im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG einer
sinnvollen
Ordnung der Rechtswege, dass über einen einheitlichen
Lebenssachverhalt möglichst nur in einem Rechtsweg entschieden werde (BVerwG,
Urteil vom 23. Juni 1981 - 1 C 93/76 -, NJW 1982, S. 536 f.).
c) Das Gebot effektiven Rechtsschutzes haben Amtsgericht und Landgericht -
unabhängig von den Einwänden gegen den angewendeten Prüfungsmaßstab - durch
die Art und Weise ihrer Befassung mit dem Rechtsschutzbegehren der
Beschwerdeführerin verletzt.
Das Amtsgericht hat sich einer konkreten Rechtsanwendung entzogen, indem es -
gestützt auf eine "wohlwollende Auslegung" der Gewahrsamsordnung der Polizei -
eine allgemeine Würdigung der polizeilichen Bemühungen vorgenommen hat. Das
Landgericht hat das von seinem eigenen rechtlichen Ansatz aus erforderliche
Prüfprogramm nicht eingehalten und das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht
ernsthaft geprüft, sondern seine Entscheidung lediglich auf eine pauschalierende, in
tatsächlicher Hinsicht nicht tragfähige Würdigung gestützt. Die Beschwerdeführerin
h a t gerügt, dass die Art und Weise des Vollzuges des Gewahrsams einer
Ersatzbestrafung gleichgekommen sei. Diesem Vorbringen ist immanent, dass
bessere Bedingungen des Vollzuges durch eine sachgerechte Planung, eine bessere
Organisation und Koordinierung wie auch durch eine anderweitige Unterbringung
möglich gewesen seien. Den damit von der Beschwerdeführerin in tatsächlicher
Hinsicht aufgeworfenen Fragen sind die Gerichte nicht nachgegangen. Ihnen hätte es
oblegen, die Gründe für die Auswahl des Standorts der Gefangenensammelstelle,
deren Kapazitätsgestaltung und die Frage einer zureichenden Ausstattung
ausgehend von einer ex-ante Sicht zu ermitteln und unter Berücksichtigung der
behördlicherseits geltend gemachten Belange sowie behördlicher Prognose- und
Ermessensspielräume zu würdigen. Hierbei ist auch erheblich, ob bei sich
andeutenden Überlastungen alternative Unterbringungsmöglichkeiten bestanden und
solche in Betracht gezogen wurden. Im Übrigen wäre eine konkrete Analyse der von
der Beschwerdeführerin angeführten Beanstandungen unter Berücksichtigung der
Zumutbarkeit und Vermeidbarkeit vorzunehmen gewesen. Dies bedingt eine
Aufklärung der konkreten Verhältnisse des Gewahrsamsvollzuges, woran es
vorliegend ebenfalls fehlt. Hinzu kommt, dass das Landgericht sich bei seinem
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Hinweis, die Teilnehmer der Sitzblockade hätten sich auf die Unannehmlichkeiten
durch sachgerechte Kleidung sowie die Mitnahme von Isoliermatten und
entsprechender
Verpflegung einstellen können, nicht auf unbestrittene oder
festgestellte Tatsachen stützen kann. Die Beschwerdeführerin hat gerade
vorgetragen, dass die in Gewahrsam genommenen Personen die eigene Verpflegung
wie auch mitgeführte Gegenstände nicht mit in die Gewahrsamzelle nehmen durften.
Eine Grundlage für gegenteilige Feststellungen ist nicht ersichtlich.
III.
Auf die weiteren von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Rügen kommt es nach
alledem nicht an.
Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist die Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und
Art. 104 Abs. 2 GG sowie von Art. 19 Abs. 4 GG festzustellen. Der angegriffene
Beschluss des Landgerichts ist unter Zurückverweisung der Sache an das
Landgericht aufzuheben (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG).
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Broß
Lübbe-Wolff
Gerhardt