Urteil des BVerfG vom 19.08.2002

staat und kirche, kirchensteuer, wrv, katholische kirche

- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Wolfgang M. Weißleder und Koll.,
Walkerdamm 4-6, 24103 Kiel -
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BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 443/01 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
1. der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche, Dänische Straße 21-35, 24103 Kiel,
2. des Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreises Oldenburg, Königstraße 8a, 23730 Neustadt,
gegen a) den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Januar 2001 -
BVerwG 11 B 64.00 -,
b) das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 21. Juni
2000 - 2 L 11/99 (1 A 20/96) -
hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richter Jentsch,
Broß
und die Richterin Lübbe-Wolff
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom
11. August 1993 ( BGBl I S. 1473) am 19. August 2002 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
A.
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die vom Bundesverfassungsgericht bereits
entschiedene Frage der Grundrechtsbindung des kirchlichen Gesetzgebers bei der Erhebung
von Kirchensteuer.
1. Im Land Schleswig-Holstein sind Rechtsgrundlagen für die Erhebung der evangelischen
Kirchensteuer das Gesetz über die Erhebung von Kirchensteuern im Lande Schleswig-
Holstein (Kirchensteuergesetz - KiStG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. August
1975 (GVOBl S. 219), zuletzt geändert am 24. Oktober 1996 (GOVBl S. 652), das
Kirchensteuergesetz der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche vom 8. Oktober
1978 (GVOBl NEK S. 409) in der Fassung vom 21. November 1990 (Kirchensteuerordnung)
und das Kirchengesetz über Art und Höhe der Kirchensteuer (Kirchensteuerbeschluss) vom
8. Oktober 1978 (GVOBl NEK S. 415).
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Die maßgeblichen Vorschriften des (staatlichen) Kirchensteuergesetzes lauten:
§ 1 (Steuerberechtigung)
(1) Die evangelisch-lutherischen Landeskirchen und die Katholische
Kirche erheben im Lande Schleswig-Holstein Kirchensteuern auf Grund
eigener Steuergesetze und -verordnungen. Diese gelten für alle Glieder der
evangelischen Kirchen oder der Katholischen Kirche, die ihren Wohnsitz
oder gewöhnlichen Aufenthalt im Lande Schleswig-Holstein haben.
(2) Die Kirchen regeln
1. die Zuständigkeit der Steuererhebung im kirchlichen Bereich,
2. Beginn und Ende der Kirchensteuerpflicht,
3. die Erhebung von Kirchensteuern im Rahmen des § 3 Abs. 1,
4. das Rechtsbehelfsverfahren im kirchlichen Bereich,
5.
das
Besteuerungsverfahren,
soweit
die
Kirchensteuern von ihnen verwaltet werden.
§ 2 (Kirchliche Steuergesetze und -verordnungen)
Die kirchlichen Steuergesetze und -verordnungen der evangelisch-
lutherischen Landeskirchen und der Katholischen Kirche werden dem
Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur vor der
Verkündung vorgelegt. Innerhalb eines Monats nach der Vorlage kann das
Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur verlangen,
dass die Verkündung unterbleibt, wenn
1. durch sie die Einheitlichkeit der Steuergesetze und -verordnungen der
Kirchen beeinträchtigt wird,
2. sie nicht mit den staatlichen Steuerbestimmungen in Einklang stehen.
(2) Beschlüsse der Kirchen über die Höhe der Kirchensteuern bedürfen
der Genehmigung des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung
und Kultur. Sie bleiben in Kraft, bis neue genehmigte Beschlüsse an ihre
Stelle treten. Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn sie nicht bis zum
Ablauf eines Monats nach Eingang des Antrages auf Genehmigung
ausdrücklich versagt wird.
§ 3 (Steuerarten)
(1) Kirchensteuern können - einzeln oder nebeneinander - erhoben werden
als
1. Kirchensteuer vom Einkommen in Höhe eines Vomhundertsatzes der
Einkommen-(Lohn-)steuer,
...
§ 6 (Staatliche Verwaltung der Kirchensteuern)
(1) Der Finanzminister kann auf Antrag der Kirchen die Verwaltung von
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Kirchensteuern den Finanzämtern übertragen, sofern die Kirchensteuern
im ganzen Lande nach einheitlichen Grundsätzen und mit gleichen
Steuersätzen für alle Kirchen erhoben werden. Die Kirchen erstatten dem
Land die durch die Verwaltung der Kirchensteuern entstehenden Kosten.
...
Die maßgeblichen Vorschriften der (kirchlichen) Kirchensteuerordnung lauten:
II. Kirchensteuerpflicht
§ 3 Kirchensteuerpflichtige
(1) Alle Kirchenmitglieder der Nordelbischen Kirche sind
kirchensteuerpflichtig.
(2)
Die
Kirchensteuerpflicht
besteht
gegenüber derjenigen
Kirchengemeinde, in deren Gebiet das Kirchenmitglied einen Wohnsitz
oder
gewöhnlichen
Aufenthalt hat. Entsprechendes gilt für die
Kirchensteuerpflicht gegenüber dem Kirchenkreis.
III. Arten der Kirchensteuern
§ 5 Allgemeines
(1) Die Kirchensteuern können einzeln oder nebeneinander erhoben
werden:
1. Kirchensteuern vom Einkommen
a) in Höhe eines Vomhundertsatzes der Einkommen-(Lohn-)steuer
...
§ 6 Bemessung der Kirchensteuer
(1) Die in Höhe eines Vomhundertsatzes der Einkommen-
(Lohn-)steuer zu erhebende Kirchensteuer wird bei den zu
veranlagenden Kirchensteuerpflichtigen nach der Einkommensteuer
bemessen; im Lohnsteuerabzugsverfahren wird sie nach der Lohnsteuer
bemessen...
Die maßgebliche Vorschrift des Kirchengesetzes in seiner im Steuerjahr 1994 geltenden
Fassung lautete:
§ 1 Kirchensteuer in Höhe eines Vomhundertsatzes der Einkommen-
(Lohn-)steuer
(1) Die Kirchenkreise erheben Kirchensteuern in Höhe eines
Vomhundertsatzes der Einkommen-(Lohn-)steuer nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 a
der Kirchensteuerordnung. Sie beträgt im Bereich der Freien und
Hansestadt Hamburg 8 v.H. der Einkommen-(Lohn-)steuer, jedoch
mindestens 7,20 DM und höchstens 3 % des zu versteuernden
Einkommens. Im Bereich des Landes Schleswig-Holstein beträgt sie 9 %
d e r Einkommen-(Lohn-)steuer, jedoch höchstens 3,5 % des zu
versteuernden Einkommens.
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2. Im Land Hamburg ist Rechtsgrundlage für den Erlass kirchlicher Steuergesetze das
Kirchensteuergesetz der Freien und Hansestadt Hamburg vom 15. Oktober 1973
(HambGVBl I S. 431). Die maßgeblichen Vorschriften dieses Gesetzes lauten:
§ 1 Steuerberechtigte
(1) Die evangelisch-lutherischen Kirchen und die römisch-katholische
Kirche,
ihre
selbständigen gebietlichen
Gliederungen
und
übergemeindlichen Verbände in der Freien und Hansestadt Hamburg sind
berechtigt, sofern sie Körperschaften des öffentlichen Rechts sind,
Kirchensteuern auf Grund eigener Steuervorschriften nach Maßgabe
dieses Gesetzes zu erheben.
...
§ 3 Steuerarten und Steuermaßstab
(1) Kirchensteuern können erhoben werden
a) als Kirchensteuer vom Einkommen in Höhe eines
Vomhundertsatzes der Einkommen- und Lohnsteuer,
...
§ 4 Kirchliche Steuervorschriften
(1) Art und Höhe der Kirchensteuern werden von den steuerberechtigten
Körperschaften
durch Steuervorschriften
bestimmt.
Die
Steuervorschriften bedürfen insoweit der staatlichen Genehmigung.
...
II.
1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die "Glied" der Nordelbischen Evangelisch-
Lutherischen Kirche und des im Land Schleswig-Holstein gelegenen Kirchenkreises
Oldenburg ist, wurde mit Bescheid des Finanzamts Oldenburg für das Jahr 1994 zur
Kirchensteuer in Höhe von 9 v.H. der von ihr zu entrichtenden Lohnsteuer herangezogen.
N a c h erfolgloser Durchführung des (kirchlichen) Vorverfahrens erhob sie vor dem
Schleswig-Holsteinischen
Verwaltungsgericht Anfechtungsklage, mit der sie die
Herabsetzung der Kirchensteuer unter Zugrundelegung des in Hamburg geltenden
niedrigeren Hebesatzes von 8 v.H. begehrte. Zur Begründung trug sie im Wesentlichen vor,
die unterschiedliche Höhe der Steuersätze in den Teilgebieten Nordelbiens bedeute eine sie
benachteiligende Ungleichbehandlung im Verhältnis zu den Kirchenangehörigen in Hamburg,
die nicht nur einen Verstoß gegen innerkirchliches Recht, sondern zugleich einen Verstoss
gegen Art. 3 Abs. 1 GG darstelle.
2. Das Verwaltungsgericht wies die Klage als unbegründet ab. Zur Begründung führte es im
Wesentlichen aus, dass die kirchenrechtliche Festlegung unterschiedlicher Hebesätze je
danach, ob ein Kirchenmitglied in den Ländern Hamburg oder Schleswig-Holstein wohne,
zwar an Art. 3 Abs. 1 GG zu messen, aber sachlich gerechtfertigt sei. Neben der Komplexität
des Entscheidungsprozesses der Vereinheitlichung der in den ursprünglich selbstständigen
Gebietsteilen geltenden Hebesätze und den hiermit verbundenen innerkirchlichen
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Abstimmungsproblemen habe die Kirche die unterschiedlich hohen Hebesätze wegen der
unterschiedlichen Steuerkraft der Kirchenmitglieder in beiden Ländern beibehalten. Hamburg
weise ein deutlich höheres Einkommensniveau auf; der niedrigere Hebesatz führe daher - bei
gleichem Finanzbedarf der Kirche pro Kirchenmitglied - zu einem höheren
Kirchensteueraufkommen in Hamburg.
3. Auf die Berufung der Klägerin des Ausgangsverfahrens gab das Schleswig-Holsteinische
Oberverwaltungsgericht der Klage statt. Zur Begründung führte das Oberverwaltungsgericht
aus, dass die Erhebung der Kirchensteuer auf Grund der kirchenrechtlichen Vorschrift des
§ 1 Abs. 1 KiStB gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße und daher rechtswidrig sei. Die
Kirchensteuererhebung müsse als ein vom Staat abgeleitetes und in den weltlichen Bereich
hinein wirkendes Hoheitsrecht im Einklang mit den Grundrechten stehen. Dies gelte nicht nur
für das hoheitliche Veranlagungsverfahren, sondern auch für die vorgelagerte Bestimmung
des Steuersatzes durch die Kirchen. Die Festsetzung des Kirchensteuerhebesatzes
unterfalle dem durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV geschützten Bereich der
eigenen Angelegenheiten der Kirchen; zu den "Schranken des für alle geltenden Gesetzes"
rechneten auch die Grundrechte. Die unterschiedlich hohen Kirchensteuersätze seien daher
an Art. 3 Abs. 1 GG zu messen. Die Klägerin habe Anspruch auf Gleichbehandlung mit den
in Hamburg wohnhaften Kirchengliedern der Nordelbischen Kirche (NEK). Im Steuerrecht
werde der Gleichheitssatz dadurch verwirklicht, dass gleichartige Tatbestände tatsächlich
und rechtlich gleich steuerlich belastet und die Steuerpflichtigen je nach ihrer finanziellen
Leistungsfähigkeit gleichmäßig zur Finanzierung der allgemeinen Aufgaben herangezogen
würden. Hier liege eine unzulässige Ungleichbehandlung vor, weil sich ein vernünftiger, aus
der Natur der Sache oder sonstwie einleuchtender Grund zur Rechtfertigung der
Ungleichbehandlung nicht finden lasse.
Die Grenzen der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein rechtfertigten die
unterschiedliche Höhe der Hebesätze nicht. Mit Bildung der NEK sei eine (neue) einheitliche
Körperschaft des öffentlichen Rechts entstanden, der jeder getaufte evangelische Christ mit
Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Gebiet der NEK als "Glied" angehöre. Die
Kirchenglieder hätten mithin - ungeachtet ihrer Zugehörigkeit zu verschiedenen Ländern - den
gleichen rechtlichen Status.
Auch das staatliche Kirchensteuerrecht der beiden Länder biete - anders als in der
Sachverhaltskonstellation, die der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem
Jahr 1988 zu Grunde gelegen habe (vgl. BVerwG, NJW 1989, S. 1747 <1748>) - keinen
sachlichen Grund für unterschiedliche Hebesätze.
Die Entstehungsgeschichte der im Jahr 1977 durch Zusammenschluss von fünf
selbstständigen Körperschaften des öffentlichen Rechts entstandenen NEK rechtfertige die
unterschiedlichen Hebesätze nicht mehr; die der Körperschaft auf Grund ihrer
Entstehungsgeschichte zuzubilligende Anpassungsfrist sei im Steuerjahr 1994 abgelaufen
gewesen.
Schließlich sei das unterschiedliche Steueraufkommen in Hamburg und in Schleswig-
Holstein kein geeigneter Anknüpfungspunkt für eine Differenzierung; denn dies führe dazu,
dass - entgegen dem im Steuerrecht geltenden Leistungsfähigkeitsprinzip - in dem
Erhebungs-Teilgebiet mit dem niedrigeren Durchschnittseinkommen der höhere Steuersatz
gelte.
4. Die von den Beschwerdeführern erhobene Beschwerde gegen die Nichtzulassung der
Revision
hat
das Bundesverwaltungsgericht
zurückgewiesen.
Die
in
der
Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfene Rechtsfrage, ob Art. 100 Abs. 1 GG auch
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formelle Kirchengesetze erfasse, lasse sich auf der Grundlage der gefestigten
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eindeutig verneinen. Die Vorlagepflicht
erfasse ausschließlich förmliche, von einem Bundes- oder Landesparlament erlassene
nachkonstitutionelle Gesetze; es solle damit die Autorität des konstitutionellen Gesetzgebers
gewahrt werden. Die Beantwortung der weiteren Rechtsfrage, ob Art. 3 Abs. 1 GG einer
korporierten Religionsgesellschaft, deren Gebiet sich über zwei Länder erstreckt, verbiete, für
die beiden Länder unterschiedlich hohe Steuersätze festzusetzen, sei im Revisionsverfahren
nicht zu erwarten. Maßgeblich für die Beurteilung des Prinzips der Steuergerechtigkeit seien
vorliegend vor allem auch Bedeutung und Tragweite des Art. 111 der Verfassung der NEK,
der die Festsetzung eines einheitlichen Steuersatzes im gesamten Gebiet als Ziel formuliere.
Das Urteil gehe vor diesem Hintergrund davon aus, dass der Beigeladenen ein
Anpassungszeitraum zur Angleichung der unterschiedlichen Steuersätze zuzugestehen sei,
sodass
die
Beantwortung
der aufgeworfenen abstrakten Rechtsfrage nicht
entscheidungserheblich sei.
Schließlich liege auch der Zulassungsgrund der Divergenz nicht vor. Die angeführte
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts betreffe die Frage des Kirchgelds in
glaubensverschiedener Ehe und nicht die Erhebung von Kirchensteuer nach einem
Vomhundertsatz der Einkommen-(Lohn-)steuer.
5. Die Synode der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche hat im Sommer 2000
ein Gesetz verabschiedet, mit dem der Hebesatz in ihrem gesamten Gebiet auf 9 v.H.
angehoben worden ist. Das Gesetz ist zum 1. Januar 2001 in Kraft getreten.
III.
Mit der gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts und den Beschluss des
Bundesverwaltungsgerichts
gerichteten
Verfassungsbeschwerde rügen
die
Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 i.V.m. Art.
140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 und 6 WRV, aus Art. 3 Abs. 1 GG und aus Art. 101 Abs. 1
Satz 2 GG. Die angegriffenen Entscheidungen beruhten auf der unzutreffenden Annahme
einer Grundrechtsbindung der Kirchen im Bereich des Kirchensteuerrechts und auf einer
unzutreffenden Beurteilung des Gewährleistungsgehalts des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs.
6 WRV.
Art. 137 Abs. 6 WRV räume den Kirchen die Befugnis zur Steuererhebung von Verfassungs
wegen ein; der Staat sei verpflichtet, seinen Beitrag zur Erfüllung dieser "gemeinsamen
Angelegenheit von Staat und Kirche" zu leisten, der in dem Erlass von Landesgesetzen als
Voraussetzung für die Steuererhebung und ihrer zwangsweisen Beitreibung bestehe. Die
Kirche leiste ihren Beitrag durch Ermittlung ihres Finanzbedarfs, durch Erstellung einer
Steuerkalkulation und durch die Festlegung des Kirchensteuerhebesatzes. Die Entscheidung
über die Höhe des Hebesatzes sei innerkirchliche Angelegenheit und unterliege keiner
Bindung an die Grundrechte. Der Kirche stehe es frei, in Teilen ihres Kirchengebiets
unterschiedliche Kirchensteuerhebesätze zu bestimmen. Aber auch bei Annahme einer
Bindung der Kirche an Art. 3 Abs. 1 GG halte das Kirchengesetz über die Höhe der
Hebesätze einer Überprüfung stand. Die von der Kirche vorgenommene Differenzierung der
Höhe der Hebesätze je nach Zugehörigkeit eines Gebiets zu verschiedenen Ländern sei in
der Verfassungsgarantie des Art. 137 Abs. 6 WRV, der den Kirchen das Besteuerungsrecht
"nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen" garantiere, angelegt und daher ohne
Weiteres sachlicher Grund für eine unterschiedliche Regelung. Im Übrigen bestehe für die
kirchensteuerberechtigten Kirchen eines Landes die Notwendigkeit, sich auf einheitliche
Steuersätze zu verständigen, damit der Staat die Verwaltung der Kirchensteuern übernehme.
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Auch dies rechtfertige unterschiedliche Hebesätze in den verschiedenen Ländern.
Das Oberverwaltungsgericht habe Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, weil es seiner
Vorlagepflicht aus Art. 100 Abs. 1 GG nicht nachgekommen sei; es sei verpflichtet gewesen,
in direkter oder analoger Anwendung dieser Vorschrift das Verfahren auszusetzen und dem
Bundesverfassungsgericht das kirchliche Gesetz über die Festsetzung der Höhe der
Hebesätze zur Prüfung auf seine Vereinbarkeit mit der Verfassung vorzulegen.
Schließlich habe das Oberverwaltungsgericht Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, weil es von der
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. November 1988 - 8 C 10.87 -, NJW
1989, S. 1747 ff., abgewichen sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe hinsichtlich des
Kirchgelds eine unterschiedliche Regelung in Hamburg und Schleswig-Holstein als mit Art. 3
Abs. 1 GG vereinbar angesehen.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG zur Entscheidung
anzunehmen.
1. a) Der Verfassungsbeschwerde kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung
nicht zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Diese ist nur gegeben, wenn die
Verfassungsbeschwerde eine verfassungsrechtliche Frage aufwirft, die sich nicht ohne
Weiteres aus dem Grundgesetz beantworten lässt und durch die verfassungsgerichtliche
Rechtsprechung noch nicht geklärt ist oder durch veränderte Verhältnisse erneut
klärungsbedürftig geworden ist (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 f.>; 96, 245 <248>).
b) Die hier mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Fragen sind hinreichend geklärt.
Sie lassen sich mit Hilfe der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
entwickelten Maßstäbe ohne Weiteres entscheiden. Das Bundesverfassungsgericht hat die
für das Kirchensteuerrecht maßgeblichen Verfassungsfragen bereits beantwortet (vgl.
BVerfGE 19, 206 <217 f.>; 19, 226 <236 f.>; 19, 248 <251 f.>; 19, 253 <257 f.>; 19, 268
<281>; 30, 415 <422 f.>; 44, 37 <56 f.>; 73, 388 <399 f.>).
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90
Abs. 1 BVerfGG bezeichneten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die
Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg; denn sie ist teils
unzulässig und im Übrigen unbegründet.
a) Ein Verstoß der Fachgerichte gegen das grundrechtsgleiche Recht auf den gesetzlichen
Richter,
auf das sich auch die im fachgerichtlichen Verfahren beigeladene
Beschwerdeführerin zu 1. berufen kann (vgl. BVerfGE 18, 441 <447>), liegt nicht vor. Zwar
kann Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt sein, wenn ein Gericht entgegen Art. 100 Abs. 1 GG
seiner
Verpflichtung zur Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das
Bundesverfassungsgericht nicht nachkommt (vgl. BVerfGE 23, 288 <319>). Hier fehlt es
jedoch an einer Vorlagepflicht der Fachgerichte. Das Oberverwaltungsgericht war ermächtigt
und verpflichtet, in eigener Zuständigkeit als Vorfrage zu der von ihm zu treffenden
Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der festgesetzten Kirchensteuer zu prüfen, ob § 1
Abs. 1 des Kirchensteuerbeschlusses mit dem Grundgesetz in Einklang steht und damit im
staatlichen Bereich Geltung beanspruchen kann (vgl. BVerfGE 19, 248 <253>; 1 9 , 268
<281>; A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, 4. Auflage, Art. 137 WRV
Rn. 297).
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Der von der Synode als innerkirchlich zuständigem Gesetzgebungsorgan erlassene
Kirchensteuerbeschluss unterfällt als autonomes Satzungsrecht einer Körperschaft des
öffentlichen Rechts nicht dem Anwendungsbereich des Art. 100 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 19,
253 <266 f.>; Marré, Das kirchliche Besteuerungsrecht, in: J. Listl/D. Pirson, Handbuch des
Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Auflage, 1995, Bd. 1, § 37, S. 1116,
1117; von Busse, Gemeinsame Angelegenheiten von Staat und Kirche, S. 173;
Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, Art. 140 Rn. 317).
b) Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführer nicht in ihrem durch
Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 der Verfassung vom 11. August 1919 (Weimarer
Reichsverfassung, im Folgenden: WRV) geschützten Selbstbestimmungsrecht.
aa) (1) Nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV sind die korporierten
Religionsgemeinschaften berechtigt, von ihren Mitgliedern Steuern zu erheben. Das
Besteuerungsrecht als mit der Verleihung des Körperschaftsstatus verbundene Befugnis
sichert den Religionsgemeinschaften finanzielle Unabhängigkeit und Eigenständigkeit und
leistet damit einen Beitrag zur Sicherung ihrer durch Art. 140 i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV
garantierten Freiheit (vgl. zuletzt BVerfGE 102, 370 <371>; Marré, Das kirchliche
Besteuerungsrecht, in: J. Listl/D. Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts der
Bundesrepublik Deutschland, 2. Auflage, 1995, Bd. 1, § 37, S. 1101 <1102>; A. v.
Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, 4. Auflage, Art. 137 WRV Rn. 270). Der
Staat ist verpflichtet, den Religionsgemeinschaften mit Körperschaftsstatus das
Besteuerungsrecht als hoheitliche Befugnis zu verleihen. Als echte, von einer Gegenleistung
unabhängige und im Falle der Nichtzahlung notfalls im Wege des Verwaltungszwangs
beizutreibende Steuer unterscheidet die Kirchensteuer sich von Mitgliedsbeiträgen, die die
Religionsgemeinschaften ohne Mitwirkung des Staates von ihren Mitgliedern fordern können
(vgl. BVerfGE 19, 206 <217>; 73, 388 <398 ff.>). Daher sind die Religionsgemeinschaften bei
Inanspruchnahme des Hoheitsrechts an die grundgesetzliche Ordnung, vor allem an die
Grundrechte,
gebunden
(vgl. B V e r f G E 30, 415 <422>; Listl, Das kirchliche
Besteuerungsrecht in der neueren Rechtsprechung der Gerichte der Bundesrepublik
Deutschland, in: Kirche im freiheitlichen Staat, 2. Halbband, 1996, S. 733 <759>; Ehlers, in:
Sachs, GG, 2. Auflage, 1999, Art. 140 GG/Art. 137 WRV Rn. 21; A. v. Campenhausen,
a.a.O., Art. 137 WRV Rn. 271; M. Morlok, in: H. Dreier , GG, 2000, Art. 140 GG/Art.
137 WRV Rn. 83; Hermann Weber, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des
öffentlic hen Rechts im System des Grundgesetzes, 1966, S. 149). Die
Religionsgemeinschaften können nicht erwarten, dass der Staat ihnen seine Hoheitsgewalt
zur Verfügung stellt oder sie bei der Durchsetzung von Maßnahmen unterstützt, wenn hierauf
gerichtete staatliche Akte zu einer Grundrechtsverletzung führen müssten (vgl. F. Hammer,
Rechtsfragen der Kirchensteuer, 2002, S. 294). Andernfalls würden staatliche Stellen
entgegen Art. 1 Abs. 3 GG von ihrer strikten Bindung an die Grundrechtsordnung (vgl.
BVerfGE 6, 386 <387>; stRspr) befreit. Der Staat muss deshalb seine Mitwirkung an der
Kirchensteuererhebung versagen, wenn dadurch Grundrechte missachtet würden (vgl.
BVerfGE 30, 415 <422 f.>). Wollen sich die Kirchen bei ihrer Finanzierung staatlicher
Hoheitsgewalt bedienen, bleibt ihnen deshalb nur, die staatlichen Grundrechte umfassend zu
beachten und ihr Handeln hiernach auszurichten (vgl. BVerfGE 30, 415 <422>; F. Hammer,
Rechtsfragen der Kirchensteuer, 2002, S. 295). Rechtssetzung und Vollzug der
Kirchensteuer unterliegen der Rechtskontrolle durch staatliche Gerichte und müssen darüber
hinaus auch rechtsstaatlichen Grundsätzen genügen (vgl. BVerfGE 19, 206 <217>; Marré,
Zum Wesen des gegenwärtigen kirchlichen Besteuerungsrechts, in: Gedächtnisschrift für
Hans Peters, 1967, S. 302 <325 f.>; Paul Mikat, Grundfragen des Kirchensteuerrechts unter
besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse in Nordrhein-Westfalen, in: Gedächtnisschrift
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für Hans Peters, 1967, S. 328 <344 ff., 347>). Wollen sie diese Bindung vermeiden, müssen
sie sich der Finanzierung durch private Mitgliedsbeiträge bedienen (vgl. F. Hammer,
Rechtsfragen der Kirchensteuer, 2002, S. 295).
(2) Der Staat kommt seiner Verpflichtung aus Art. 137 Abs. 6 WRV nach, wenn er die
rechtlichen Voraussetzungen für das Besteuerungsrecht schafft und dabei die Möglichkeit
zwangsweiser Beitreibung vorsieht (vgl. BVerfGE 19, 206 <217 f.>; 44, 37 <57>; 73, 388
<399>). Dem Landesgesetzgeber steht es dabei frei, ob er sich auf den Erlass von
Rahmengesetzen beschränkt, das Besteuerungsrecht selbst in allen Einzelheiten regelt oder
durch Abschluss staatskirchenrechtlicher Vereinbarungen den Rahmen schafft, den die
Religionsgemeinschaften in Wahrnehmung des Rechts, ihre Angelegenheiten selbst zu
ordnen und zu verwalten, durch Erlass kirchlicher Steuergesetze ausfüllen können (vgl.
B V e r f G E 19,
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<258>; 7 3 , 388
<401>;
Marré,
a.a.O.;
vgl. auch
Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, Art. 140 Rn. 317). Das Kirchensteuerrecht gehört daher
zu den gemeinsamen Angelegenheiten von Staat und Kirche (vgl. BVerfGE 19, 206 <217>;
44, 37 <57>; 73, 388 <399>).
(3) Hat der Landesgesetzgeber sich - wie hier in Schleswig-Holstein und in Hamburg -
darauf beschränkt, die Kirchensteuerarten zu regeln und die Ermächtigungsgrundlage für den
Erlass kirchlicher Steuergesetze zu schaffen, und hat er die Ausfüllung dieses Rahmens -
ohne hierzu von Verfassungs wegen verpflichtet zu sein - den Religionsgemeinschaften
überlassen, so obliegt es jenen in eigener Verantwortung, kirchliche Steuergesetze und
Hebesatzbeschlüsse zu erlassen. Sie unterliegen dabei, weil das Besteuerungsrecht ein
staatlich verliehenes Hoheitsrecht ist, der Bindung an die verfassungsmäßige Ordnung,
insbesondere an die Grundrechte (vgl. BVerfGE 30, 415 <422>; Ehlers, in: Sachs, GG, 2.
Auflage, 1999, Art. 140 GG/Art. 137 WRV Rn. 21; Heinrich List, Kirchensteuer, BB 1997, S.
17 <18>). Die kirchlichen Steuernormen müssen daher die Mindestanforderungen
rechtsstaatlicher Steuererhebung erfüllen (vgl. BVerfGE 19, 248 <251>; Christian Meyer,
Das geltende Kirchensteuerrecht im Bereich der Evangelischen Kirche in Deutschland, in:
Lienemann, Die Finanzen der Kirche, 1989, S. 173 <179>; Gehm, Das Kirchensteuersystem
in der Bundesrepublik Deutschland, StuW 1999, S. 243 <246>). Der den
Religionsgemeinschaften eröffnete Gestaltungsraum ist aber weit. Es steht ihnen frei, ein
eigenes Besteuerungssystem zu entwickeln oder die Kirchensteuer als Zuschlagsteuer zu
bestimmten staatlichen Maßstabsteuern, etwa - wie hier - als Zuschlag zur Einkommen-
(Lohn-)steuer,
auszugestalten
(vgl.
Ferdinand Kirchhof,
Verwerfungen
der
Kirchenzuschlagsteuern wegen des Maßstabs der Einkommensteuer, in: Festschrift für
Martin Heckel zum 70. Geburtstag, Hrsg.: H. Kästner/K. Nörr/K. Schlaich, 1999, S. 373
<374>; Paul Kirchhof, Die Einkommensteuer als Maßstab für die Kirchensteuer, DStZ 1986,
S. 25 <26>). Entscheidet sich eine Religionsgemeinschaft dafür, die Kirchensteuer gleichsam
als Annex zur staatlichen Einkommensteuer auszugestalten, so gewinnt das aus Art. 3 Abs.
1 GG fliessende Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auch für
die kirchliche Entscheidung Bedeutung (vgl. Marré, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 16. Auflage,
1998, § 10 Kirchensteuer, Rn. 10; Ehlers, in: Sachs, GG, 2. Auflage, 1999, Art. 140 GG/Art.
137 WRV Rn. 23; BVerwG, NJW 1989, S. 1747 <1748>; siehe auch BVerfGE 30, 415
<422>).
(4) Die Prüfung, ob die kirchlichen Steuernormen rechtsstaatlichen Mindestanforderungen
genügen, obliegt den staatlichen Gerichten, wenn und soweit Kirchenglieder staatlichen
Rechtsschutz begehren (vgl. BVerfGE 19, 206 <217 f.>; siehe auch A. v. Campenhausen,
a.a.O., Rn. 297; Ferdinand Kirchhof, a.a.O., S. 382 f.). Dabei entspricht es dem
verfassungsrechtlichen Verständnis des Verhältnisses von Staat und Kirche, dass die
Gerichte im Rahmen der von ihnen vorzunehmenden Prüfung auf einen verfassungsrechtlich
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tragfähigen Ausgleich des Spannungsverhältnisses zwischen kirchlicher Selbstbestimmung
einerseits und den Anforderungen der rechtsstaatlichen Ordnung andererseits achten (vgl.
BVerfGE 73, 388 <401>; A. v. Campenhausen, a.a.O., Rn. 150; M. Morlok, a.a.O., Rn. 84;
M . Heckel, Religionsfreiheit und Staatskirchenrecht in der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts, in: Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Hrsg.: P.
Badura/H. Dreier, Bd. II, S. 379 <408>).
bb)
Diesen
verfassungsrechtlichen Anforderungen
wird
das
Urteil
des
Oberverwaltungsgerichts gerecht.
(1) Es hat angenommen, dass die Festlegung der Höhe der Kirchensteuer zu den durch Art.
140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV geschützten eigenen Angelegenheiten der Kirche
zählt und sie in Ausübung des ihr verliehenen Hoheitsrechts an die Grundrechte gebunden
ist. Daher hat das Gericht die für die Höhe der Kirchensteuer maßgebliche Vorschrift des § 2
Abs. 1 des Kirchensteuerbeschlusses an Art. 3 Abs. 1 GG gemessen.
Der von den Beschwerdeführern erhobene Einwand, Bezugspunkt für eine Prüfung am
Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht das kirchliche Gesetz, sondern die im
steuerberechtigten Kirchenkreis Oldenburg geltende Höhe der Kirchensteuer, geht fehl. Zwar
ist richtig, dass ein Träger hoheitlicher Gewalt durch den Gleichheitssatz nur für den Bereich
seiner eigenen Zuständigkeit verpflichtet werden kann ( BVerfGE 21, 54 <68>; 79, 127
<158>). Daraus folgt jedoch nicht, dass die gleichheitsrechtliche Prüfung im vorliegenden Fall
nur den Kirchenkreis Oldenburg ins Auge zu fassen hätte. Zwar hat die Beschwerdeführerin
zu 1. sich in Wahrnehmung ihres Rechts, ihre eigenen Angelegenheiten ohne Einmischung
des Staates zu ordnen und zu verwalten, gegen das von den kirchensteuerberechtigten
Körperschaften weiterhin praktizierte Modell der Landeskirchensteuer oder Ortskirchensteuer
entschieden und die Verwaltung der Kirchensteuer auf die Kirchenkreise übertragen (vgl.
Klaus Blaschke, Kirchliches Finanz- und Haushaltsrecht, ZevKR 27 <1982>, S. 45 <54>).
Unabhängig davon obliegt aber die Ordnung der Kirchensteuer, vor allem die Festlegung der
Höhe des Kirchensteuerhebesatzes, der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche
(vgl. Art. 111 der Verfassung der NEK). Bei dieser Sachlage ist der Ausgangspunkt des
Gerichts für eine Prüfung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG richtig gewählt.
(2) Auch ist gegen das vom Oberverwaltungsgericht unter Zugrundelegung dieses
Prüfungsmaßstabs gewonnene Auslegungsergebnis von Verfassungs wegen nichts zu
erinnern. Das Gericht hat weder Bedeutung und Tragweite des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137
Abs. 6 WRV noch das kirchliche Selbstbestimmungsrecht verkannt.
(a) Zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, dass der von den
Beschwerdeführern
vorgetragene Gesichtspunkt
unterschiedlich
hoher
Durchschnittseinkommen der Kirchenglieder in den Ländern Hamburg und Schleswig-
Holstein die unterschiedliche Höhe der Hebesätze nicht zu rechtfertigen vermochte. Die Wahl
dieses Merkmals als Anknüpfungspunkt, um in dem Erhebungsgebiet mit dem geringeren
Durchschnittseinkommen einen höheren Hebesatz vorzusehen, gerät vielmehr in Konflikt mit
Art. 3 Abs. 1 GG, der im Steuerrecht eine Besteuerung nach der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen gebietet ( BVerfGE 66, 214 <223>; stRspr). Dieser
für den staatlichen Steuergesetzgeber Verbindlichkeit beanspruchende Maßstab ist auch
Leitlinie für den kirchlichen Steuergesetzgeber, wenn er sich - wie hier - dafür entscheidet, die
Kirchensteuer in Anbindung an die Einkommensteuer zu erheben (vgl. BVerfGE 30, 415
<422>; siehe auch Paul Kirchhof, a.a.O., S. 27 ff.; ders., Die Kirchensteuer im System des
deutschen Staatsrechts, in: Kirchensteuer, Notwendigkeit und Problematik, Hrsg.: F. Fahr,
1996, S. 53 <70 f.>; Marré, Die Kirchenfinanzierung in Kirche und Staat der Gegenwart, 3.
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Auflage, 1991, S. 48; weiter gehend Paul Mikat, Grundfragen des Kirchensteuerrechts unter
besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse in Nordrhein-Westfalen, in: Gedächtnisschrift
für Hans Peters, 1967, S. 328 <342>). Das im Land Schleswig-Holstein erzielte niedrigere
Durchschnittseinkommen, das Ausdruck einer geringeren finanziellen Leistungsfähigkeit der
Kirchenglieder ist (vgl. BVerfGE 19, 268 <274>), vermag daher einen höheren Hebesatz
nicht zu rechtfertigen (vgl. Rudolf Titzck, Gleichheitssatz und Kirchensteuerrecht, NordÖR
2000, S. 280 <282>).
(b) Der Einwand der Beschwerdeführer, der Bedeutungsgehalt des Art. 137 Abs. 6 WRV
lege nahe, die Zugehörigkeit von Teilen des Kirchengebiets zu verschiedenen Ländern ohne
Hinzutreten weiterer Umstände als hinreichenden Grund für eine Differenzierung anzusehen,
greift nicht durch. Der hierfür in Bezug genommene Wortlaut des durch Art. 140 GG
inkorporierten Art. 137 Abs. 6 WRV, der den Religionsgesellschaften das Besteuerungsrecht
"nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen" garantiert, ist historisch zu erklären
und als Regelungsauftrag an den (staatlichen) Gesetzgeber zu verstehen (vgl.
Jeand`Heur/Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, 2000, S. 183; A. v.
Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, 4. Auflage, Art. 137 WRV Rn. 265 ff.;
Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band VI, Die Weimarer
Reichsverfassung, 1981, S. 894 ff.; Gerhard Anschütz, Die Verfassung des Deutschen
Reiches vom 11. August 1919, Nachdruck der 14. Auflage, 1968, S. 648; Werner Weber,
Das kirchenpolitische System der Weimarer Reichsverfassung im Rückblick, in: Staat und
Kirche in der Gegenwart, 1978, S. 311 <322>; Marré, Das kirchliche Besteuerungsrecht, in:
J. Listl/D. Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2.
Auflage, 1995, Bd. 1, § 37, S. 1101 <1111>). Die Verfassungsnorm weist den Ländern die
Gesetzgebungskompetenz für den Bereich des Kirchensteuerrechts zu und verpflichtet sie
zum Erlass entsprechender Landesgesetze. Ein weiter gehender Bedeutungsgehalt ist ihr
nicht zu entnehmen. Die Religionsgemeinschaften sind darin frei, im Rahmen ihres durch Art.
140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV geschützten Selbstbestimmungsrechts ihren räumlichen
Wirkungsbereich ohne Anbindung an Ländergrenzen zu bestimmen. Unterschiedliche
ländergesetzliche Regelungen können daher zwar Anlass für eine Religionsgemeinschaft
sein, in Teilen ihres Gebiets, die unterschiedlichen Ländern zugehören, unterschiedliche
Regelungen vorzusehen. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Die
Kirchensteuergesetze von Schleswig-Holstein und Hamburg, die den Gestaltungsraum der
Kirche bestimmen, überlassen die Festsetzung der Kirchensteuerhebesätze ohne weitere
Vorgaben den steuerberechtigten Kirchen (vgl. § 2 Abs. 2 KiStG Schleswig-Holstein und § 4
Abs. 1 KiStG der Freien und Hansestadt Hamburg).
(c) Verfassungsrechtlich unangreifbar ist das Oberverwaltungsgericht weiter davon
ausgegangen, dass die unterschiedlichen Hebesätze auch nicht mit dem Verweis darauf
gerechtfertigt werden können, die Angleichung erfordere einen - bislang nicht hergestellten -
Konsens mit der katholischen Kirche. Auf eine Abstimmung mit der katholischen Kirche
kommt es, wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nur insofern an, als
nach schleswig-holsteinischem wie auch nach hamburgischem Kirchensteuerrecht die
Verwaltung der Kirchensteuern durch die Finanzämter voraussetzt, dass die Kirchensteuer
im ganzen Lande nach einheitlichen Grundsätzen und mit gleichen Steuersätzen für alle
Kirchen erhoben wird. Eine diesbezügliche Übereinstimmung zwischen den Kirchen ist
demnach für die staatliche Verwaltung der Kirchensteuer, nicht aber für die Beseitigung
unterschiedlicher Hebesätze innerhalb der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche
erforderlich. Das durch die Kirchensteuergesetze der Länder eröffnete und durch
Staatskirchenverträge abgesicherte Angebot, staatliche Hilfe für die Verwaltung der
Kirchensteuer in Anspruch zu nehmen, geht über den Gewährleistungsgehalt des Art. 137
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Abs. 6 WRV hinaus (vgl. Ehlers, a.a.O., Rn. 24; A. v. Campenhausen, a.a.O., Rn. 291;
Hermann Weber, Staat und Kirchen unter dem Grundgesetz, in: Kirche und moderne
Gesellschaft, 1976, S. 84 <109>; Rüfner, Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der
Kirchensteuer, NJW 1971, S. 15 <18>). Schon deshalb kann das Interesse an der
Inanspruchnahme dieses Angebots nicht zur Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen
dienen. Das Oberverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang im Übrigen zutreffend
berücksichtigt, dass die Beschwerdeführerin zu 1. selbst in Art. 111 Satz 1 ihrer Verfassung
die
Festlegung einheitlicher Kirchensteuerhebesätze als Ziel formuliert hat. Dieser
Programmsatz der kirchlichen Verfassung belegt, dass es dem Selbstverständnis und dem
Willen der aus dem Zusammenschluss mehrerer ursprünglich selbstständiger Landeskirchen
hervorgegangenen Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche entspricht, alle Mitglieder
ihres Gebietes unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu verschiedenen Ländern gleichmäßig
zur Kirchensteuer heranzuziehen.
c)
Der
zur
Begründung
des
behaupteten Verstosses
gegen
die
Rechtsanwendungsgleichheit
angeführte Hinweis auf eine Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts zur unterschiedlichen Höhe des Kirchgelds in Hamburg und in
Schleswig-Holstein (vgl. BVerwG, NJW 1989, S. 1747 ff.) geht fehl. Unabhängig von der
Frage, inwieweit die dieser Entscheidung zu Grunde liegende Fallkonstellation, die das von
den Kirchengemeinden ohne Anbindung an staatliche Steuertarife erhobene Kirchgeld betraf,
mit der Kirchensteuer nach Einkommen überhaupt vergleichbar ist, scheidet der insoweit
geltend gemachte Grundrechtsverstoß aus. Die Rechtspflege ist wegen der Unabhängigkeit
der Richter konstitutionell uneinheitlich (vgl. BVerfGE 78, 123 <126>; 87, 273 <278>). Selbst
abweichende Auslegungen derselben Norm verletzen das Gleichbehandlungsgebot daher
nicht ohne Weiteres. Einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als
Willkürverbot haben die Beschwerdeführer nicht substantiiert dargetan.
d) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist von Verfassungs wegen nicht zu
beanstanden.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3
BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Jentsch
Broß
Lübbe-Wolff