Urteil des BVerfG vom 03.04.1998

rechtliches gehör, gesetzliche vermutung, einstweilige verfügung, verfassungsbeschwerde

- Bevollmächtigter:
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BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 415/96 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der Firma T...,
gegen a) das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm
vom 14. November 1995 - 4 U 124/95 -,
b) das Urteil des Landgerichts Siegen
vom 23. Mai 1995 - 6 O 48/95 -
hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die
Richter Sommer,
Jentsch,
Hassemer
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom
11. August 1993 ( BGBl I S. 1473)
am 3. April 1998 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sie jedenfalls
keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>). Es ist nicht
ersichtlich, daß das angegriffene Urteil des Oberlandesgerichts auf einer Verletzung des
Anspruchs der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) beruhen
könnte.
1. Das Oberlandesgericht hat - wie die Beschwerdeführerin selbst vorträgt - schon im
Termin zur mündlichen Verhandlung über die Berufung und Anschlußberufung der Parteien
des Ausgangsverfahrens Bedenken hinsichtlich des für den Erlaß einer einstweiligen
Verfügung erforderlichen Verfügungsgrundes geäußert. Zur Begründung hat es auf einen
Vermerk des Vorsitzenden des erstinstanzlichen Gerichts vom 27. März 1995 verwiesen,
wonach sich der erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte der Beschwerdeführerin auf
telefonische Anfrage mit einer von den Antragsgegnern beantragten Verlegung des Termins
auch bis in den Mai 1995 hinein einverstanden erklärt habe. Die Beschwerdeführerin hatte
Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.
2. a) Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör
damit begründet, daß ihr der genannte Vermerk zuvor unbekannt gewesen sei und sie sich
aus tatsächlichen Gründen zu der Frage, ob ihr früherer Prozeßbevollmächtigter sich mit
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einer Terminsverlegung einverstanden erklärt habe, nicht sogleich habe äußern können,
verhilft dies ihrem Begehren nicht zum Erfolg. Denn der Beschwerdeführerin (bzw. ihrem
erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten) waren jedenfalls alle tatsächlichen Umstände
bekannt, auf die das Oberlandesgericht in der angegriffenen Entscheidung seine
Überzeugung stützt, daß es am Verfügungsgrund der Dringlichkeit für die beantragte
einstweilige Verfügung fehle. Aus dem in der Gerichtsakte des Ausgangsverfahrens
befindlichen
Empfangsbekenntnis
ergibt
sich,
daß
der erstinstanzliche
Prozeßbevollmächtigte der Beschwerdeführerin die Terminsverlegung nebst Begründung
("auf Antrag der Antragsgegnerin und im Einverständnis mit der Antragstellerin") erhalten
hatte; dies wurde von ihm auch in seinem Schreiben vom 21. November 1995 - gerichtet an
die zweitinstanzlichen Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin - eingeräumt. In Anbetracht
dieser Ausgangslage - die auch dem zweitinstanzlichen Bevollmächtigten der
Beschwerdeführerin bei der gebotenen Terminsvorbereitung bekannt gewesen ist oder doch
aus der Sicht eines gewissenhaften und kundigen Prozeßbevollmächtigten jedenfalls hätte
bekannt sein müssen - wäre es Sache der Beschwerdeführerin gewesen darzutun, warum
gleichwohl vom Vorliegen eines Verfügungsgrundes auszugehen sei. Es ist nicht ersichtlich,
warum es hierzu eines Kontakts mit dem erstinstanzlichen Bevollmächtigten der
Beschwerdeführerin bedurft hätte. Denn für die Beantwortung der Frage nach dem Vorliegen
eines Verfügungsgrundes kam es nach der für die Gewährung rechtlichen Gehörs
maßgeblichen Auffassung des Oberlandesgerichts zum materiellen Recht nicht darauf an
abzuklären, ob sich der erstinstanzliche Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin mit der
Terminsverlegung ausdrücklich einverstanden erklärt hatte oder ihr nur nicht
entgegengetreten war.
b) Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn das Oberlandesgericht bei
dieser
Sachlage den für den Erlaß einer einstweiligen Verfügung erforderlichen
Verfügungsgrund der Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung (vgl. §§ 935, 940 ZPO) verneint
hat. Soweit die Beschwerdeführerin Ansprüche u.a. auf §§ 1 und 3 UWG stützte, hatte sie
ebenfalls einen Verfügungsgrund glaubhaft zu machen. Dies erleichterte ihr die gesetzliche
Vermutung des § 25 UWG. Auch diese Vorschrift erlaubt den Gerichten aber, den Erlaß einer
einstweiligen Verfügung in Wettbewerbssachen jedenfalls dann abzulehnen, wenn sich aus
dem zu beurteilenden Sachverhalt ergibt, daß eine vorläufige Regelung nicht dringlich ist. Die
mangelnde Dringlichkeit kann sich auch aus dem prozessualen Verhalten des Antragstellers
ergeben. Im vorliegenden Fall hat das Oberlandesgericht aus dem Umstand, daß die
Beschwerdeführerin nicht auf einer umgehenden Entscheidung des erstinstanzlichen
Gerichts bestanden, sondern sich mit einer Terminsverlegung von nicht nur unerheblicher
Dauer einverstanden erklärt oder sich jedenfalls in eine solche gefügt hat, geschlossen, daß
von einer Dringlichkeit des Begehrens der Beschwerdeführerin nicht (mehr) ausgegangen
werden könne. Das läßt - unabhängig davon, ob die Beschwerdeführerin dem Antrag auf
Terminsverlegung ausdrücklich zugestimmt hat oder ihm nur nicht entgegengetreten ist -
keinen verfassungsrechtlich erheblichen Fehler erkennen.
3. Soweit Verfassungsbeschwerde auch gegen das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts
erhoben worden ist, fehlt es schon an einer den Anforderungen der §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2
BVerfGG genügenden Begründung.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Sommer
Jentsch
Hassemer