Urteil des BVerfG vom 07.11.1995
Erfolglose Verfassungsbeschwerden hinsichtlich der Frage, ob die Erhebung einer Abgabe auf die Entnahme von Wasser durch die Länder Baden-Württemberg und Hessen mit dem Grundgesetz vereinbar ist
Bundesverfassungsgericht
Sie sind hier:
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 413/88 -
- 2 BvR 1300/93 -
IM NAMEN DES VOLKES
In den Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerden
1. B ... AG,
- Bevollmächtigter:
Prof. Dr. Dieter Birk, Borkumweg 43, Münster/Westfalen
gegen
das Gesetz zur Änderung des Wassergesetzes für Baden-Württemberg (Entgelt für Wasserentnahmen) vom 27. Juli
1987 (GBl S. 224)
- 2 BvR 413/88 -,
2. a) D ... AG,
b) R ... GmbH,
c) C ... GmbH & Co. KG,
d) E ... GmbH & Co. KG,
e) O ... GmbH,
f) J ... GmbH & Co. KG
- Bevollmächtigter:
Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof, Panoramastraße 95, Reutlingen
gegen
das Hessische Gesetz über die Erhebung einer Abgabe für Grundwasserentnahmen (Hessisches
Grundwasserabgabengesetz - HGruwAG) vom 17. Juni 1992 (GBl I S. 209)
- 2 BvR 1300/93 -
hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
Präsidentin Limbach,
Böckenförde,
Klein,
Graßhof,
Kruis,
Winter,
Seibert,
Sommer
am 7. November 1995 beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerden werden zurückgewiesen.
G r ü n d e :
A.
1
Gegenstand der zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfahren ist die Frage, ob die Erhebung einer Abgabe auf
die Entnahme von Wasser durch die Länder Baden-Württemberg und Hessen mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
I.
2
1. Seit Ende der achtziger Jahre haben die meisten Bundesländer eine Abgabe auf Wasserentnahmen eingeführt. Baden-
Württemberg erhebt eine solche Abgabe seit 1988, Hessen seit 1992. In beiden Ländern wird das Entnehmen,
Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von Grundwasser mit einer Abgabe belegt (§ 17 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
Wassergesetz für Baden-Württemberg in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Wassergesetzes für Baden-
Württemberg vom 27. Juli 1987, GBl S. 224 , § 1 Abs. 1 Hessisches Gesetz
über die Erhebung einer Abgabe für Grundwasserentnahmen vom
17. Juni 1992, GVBl I S. 209). In Baden-Württemberg ist darüber hinaus auch das Entnehmen oder Ableiten von Wasser aus
oberirdischen Gewässern abgabenbelastet (§ 17 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WG BaWü). Liegen bestimmte - in Baden-Württemberg
und Hessen im einzelnen unterschiedliche - Ausnahmetatbestände vor, entfällt die Entgeltpflicht (§ 17 a Abs. 2 WG BaWü, §
1 Abs. 2 bis 4 HGruwAG). In beiden Ländern gehören dazu erlaubnisfreie Wasserentnahmen (§ 17 a Abs. 2 Nr. 1 WG BaWü, §
1 Abs. 2 Nr. 1 a und b HGruwAG); außerdem besteht eine Bagatellgrenze (§ 17 a Abs. 2 Nr. 6 WG BaWü, § 1 Abs. 4
HGruwAG).
3
Die Höhe des Entgelts bestimmt sich nach Menge und Verwendungszweck, in Baden-Württemberg zudem nach der Herkunft
des Wassers. In Baden-Württemberg beträgt der niedrigste Satz DM 0,01 je Kubikmeter, der höchste DM 0,10 je Kubikmeter
(Verzeichnis über das Entgelt für Wasserentnahmen, Anlage zu § 17 a Abs. 3 WG BaWü). In Hessen waren in den Jahren
1992 und 1993 zwischen DM 0,10 und DM 0,50 je Kubikmeter zu entrichten; seit dem Jahr 1994 hat sich der Höchstsatz
verdoppelt (§ 3 HGruwAG). In Härtefällen besteht die Möglichkeit der Ermäßigung oder der vollen oder teilweisen Befreiung
(§ 17 f WG BaWü, § 1 Abs. 5 und 6 HGruwAG).
4
Das Entgelt wird jährlich festgesetzt. Der Abgabepflichtige hat zweimal jährlich zu im Gesetz festgelegten Zeitpunkten
Vorauszahlungen zu entrichten; diese betragen grundsätzlich die Hälfte des zuletzt festgesetzten Jahresbetrages (§ 17 c WG
BaWü, § 5 HGruwAG).
5
In Baden-Württemberg fließt das Aufkommen aus der Abgabe ohne Zweckbindung in den Landeshaushalt (§ 17 a Abs. 3
Satz 2 WG BaWü). In Hessen wird es dagegen zweckgebunden zur Verringerung von Grundwasserentnahmen sowie zum
Schutz, zur Sicherung und Verbesserung der Grundwasservorkommen verwendet (§ 6 HGruwAG). Nicht verausgabte Mittel
werden einer Rücklage zugeführt (§ 6 Abs. 4 HGruwAG). Außerdem ist nach § 11 HGruwAG die Ministerin oder der Minister
verpflichtet, dem Landtag alle drei Jahre einen Bericht über den Vollzug des Gesetzes vorzulegen.
6
Das Aufkommen aus der Abgabe belief sich in Baden-Württemberg auf zwischen 145 und 165 Mio. DM pro Jahr. In Hessen
erreichte das Aufkommen 1992 ca. 25 Mio. DM, 1993 knapp 80 Mio. DM und im Jahr 1994 knapp 160 Mio. DM.
7
2. Im einzelnen lauten die für dieses Verfahren relevanten Vorschriften des Wassergesetzes für Baden-Württemberg:
8
§ 17 a
9
Entgelt für Wasserentnahmen
10
(1) Das Land erhebt von dem Benutzer eines Gewässers ein Entgelt für folgende Benutzungen, soweit sie der
Wasserversorgung dienen:
11
1. Entnehmen und Ableiten von Wasser aus oberirdischen Gewässern,
12
2. Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von Grundwasser.
13
Bei der Erhebung des Entgelts gilt Grundwasser, das im Zusammenhang mit dem Abbau oder der Gewinnung von Kies,
Sand, Mergel, Ton, Lehm, Torf, Steinen oder anderen Bodenbestandteilen freigelegt worden ist, als oberirdisches Gewässer.
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(2) Ein Entgelt wird nicht erhoben für
15
1. erlaubnisfreie Benutzungen im Sinne von §§ 17 a, 23, 24 und 33 WHG und §§ 26, 27 und 36 Abs. 2 dieses Gesetzes,
16
2. das Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von Wasser aus Heilquellen, soweit das Wasser nicht im
Zusammenhang mit dem Abfüllen von Mineralwasser verwendet wird,
17
3. das Entnehmen und Ableiten von Wasser aus oberirdischen Gewässern, um aus ihm unmittelbar Wärme zu gewinnen,
18
4. das Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von Grundwasser, um aus ihm unmittelbar Wärme zu
gewinnen, wenn die Benutzung vor dem 1. Januar 1988 zugelassen worden ist,
19
5. das Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von Wasser für Zwecke der Fischerei,
20
6. Benutzungen, sofern die Wassermenge nicht mehr als 2.000 Kubikmeter im Kalenderjahr beträgt.
21
(3) Das Entgelt bemißt sich nach Herkunft, Menge und Verwendungszweck des Wassers. Maßgebend für die Höhe des
Entgelts ist das anliegende Verzeichnis (Verzeichnis über das Entgelt für Wasserentnahmen). Das Entgelt steht dem Land
zu.
22
§ 17 c
23
Festsetzung des Wasserentnahmeentgelts, Vorauszahlungen, Fälligkeit
24
(1) Das Entgelt wird jährlich durch Bescheid festgesetzt (Festsetzungsbescheid). Vorauszahlungen nach Absatz 3 werden
angerechnet.
25
(2) Die Festsetzungsfrist beträgt zwei Jahre, bei Überschreitung der Frist für die Abgabeerklärung nach § 17 b Abs. 3 fünf
Jahre. Sie verlängert sich auf zehn Jahre, wenn ein Entgelt hinterzogen oder leichtfertig verkürzt worden ist. Die
Festsetzungsfrist beginnt jeweils mit Ablauf des auf die Benutzung nach § 17 a folgenden Kalenderjahres.
26
(3) Der Entgeltpflichtige hat am 1. Juni und am 1. Dezember Vorauszahlungen für den laufenden Veranlagungszeitraum zu
entrichten. Jede Vorauszahlung beträgt die Hälfte des zuletzt festgesetzten Jahresbetrages, ist noch kein
Festsetzungsbescheid erlassen worden, die Hälfte des zu erwartenden Jahresbetrages. Der Entgeltpflichtige hat die
Vorauszahlung selbst zu berechnen und bei Fälligkeit zu entrichten. Die Wasserbehörde kann den Entgeltpflichtigen auf
Antrag von den Vorauszahlungen ganz oder teilweise befreien, wenn zu erwarten ist, daß die Entgeltpflicht für den
laufenden Veranlagungszeitraum entfällt oder erheblich geringer sein wird als im vorausgegangenen
Veranlagungszeitraum.
27
(4) Das Entgelt ist einen Monat nach Bekanntgabe des Festsetzungsbescheids, die Vorauszahlungen sind sofort zur Zahlung
fällig.
28
§ 17 f
29
Ermäßigung des Wasserentnahmeentgelts
30
(1) Die Wasserbehörde kann unbeschadet der §§ 17 d und 17 e in Verbindung mit §§ 163 und 227 der Abgabenordnung im
Einzelfall das Wasserentnahmeentgelt auf Antrag um bis zu 90 vom Hundert des sich aus § 17 a Abs. 3 ergebenden
Betrages ermäßigen, wenn der Entgeltpflichtige für gewerbliche, landwirtschaftliche oder forstwirtschaftliche Zwecke in
unverhältnismäßig großem Umfang Wasser benötigt (wasserintensive Produktion) und sich bei ungekürzter Erhebung des
Entgelts seine Gestehungskosten so stark erhöhen würden, daß er erheblich und nicht nur vorübergehend in seiner
Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt wäre. In den Fällen des § 17 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 darf die Ermäßigung nur gewährt
werden, wenn die Verwendung von Wasser aus oberirdischen Gewässern unzumutbar ist.
31
(2) In gleicher Weise kann das Wasserentnahmeentgelt ermäßigt werden, wenn ohne Ermäßigung wichtige
wasserwirtschaftliche, ökologische oder sonstige öffentliche Belange gefährdet wären.
32
Anlage zu § 17 a Abs. 3:
33
Verzeichnis über das Entgelt für Wasserentnahmen
34
Nr.
Gewässerbenutzung
Entgelt
(DM je
Kubikmeter)
1
Öffentliche Wasserversorgung
0,10
2
Entnahme, Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von Grundwasser, um aus ihm unmittelbar
Wärme zu gewinnen
0,01
3
Sonstige Wasserversorgung
3.1
Entnahme und Ableiten von Wasser aus oberirdischen Gewässern
0,10
3.1.1 zum Zweck der Kühlung
0,01
3.1.2 zum Zweck der Beregnung oder Berieselung
0,01
3.1.3 zu sonstigen Zwecken
0,04
3.2
Entnahme, Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von Grundwasser
0,10
4
E r m ä ß i g u n g
Das gemäß Nummern 1 und 3.2 festzusetzende Entgelt wird bei Entnahmen von mehr als 2.000 bis 3.000 Kubikmeter
um 50 vom Hundert ermäßigt.
35
3. Die für das Verfahren wesentlichen Vorschriften des Hessischen Grundwasserabgabengesetzes lauten im einzelnen:
§ 1
36
Abgabe für Grundwasserentnahmen
37
(1) Zur Verringerung von Grundwasserentnahmen sowie zum Schutz, zur Sicherung und Verbesserung der
Grundwasservorkommen erhebt das Land eine Abgabe für das Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von
Grundwasser (Grundwasserentnahme).
38
(2) Die Abgabe wird nicht erhoben, wenn
39
1. die Grundwasserentnahme
40
a) nach § 17 a des Wasserhaushaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 1986 (BGBl I S. 1530,
1654), geändert durch Gesetz vom 12. Februar 1990 (BGBl I S. 205), oder
41
b) nach § 33 des Wasserhaushaltsgesetzes in Verbindung mit § 44 des Hessischen Wassergesetzes in der Fassung vom
22. Januar 1990 (GVBl I S. 114), geändert durch Gesetz vom 26. Juni 1990 (GVBl I S. 197), erlaubnisfrei ist oder
42
c) von der zuständigen Wasserbehörde nach § 16 oder § 77 Abs. 2 des Hessischen Wassergesetzes angeordnet oder
genehmigt wurde oder die zuständige Wasserbehörde ihr zugestimmt hat,
43
2. die Grundwasserentnahme
44
a) der unmittelbaren Wärmegewinnung dient,
45
b) zum Zwecke der Bodenentwässerung oder
46
c) zum Zwecke des Abbaus von Bodenschätzen erfolgt und das entnommene Grundwasser wieder dem Grundwasserleiter
zugeführt wird.
47
3. die Grundwasserentnahme zum Zwecke der Beregnung von landwirtschaftlich oder gartenbaulich genutzten Flächen
erfolgt,
48
4. die Grundwasserentnahme aus staatlich anerkannten Heilquellen nach § 46 des Hessischen Wassergesetzes erfolgt,
49
5. natürliches Mineralwasser, Quellwasser, Tafelwasser und sonstiges Trinkwasser im Sinne der Mineral- und
Tafelwasserverordnung vom 1. August 1984 (BGBl I S. 1036), geändert durch Verordnung vom 5. Dezember 1990 (BGBl I
S. 2600), oder sonstiges Grundwasser entnommen und als Getränk oder als Bestandteil von Getränken oder Lebensmitteln
genutzt wird,
50
6. eine Zulassung nach wasserrechtlichen Vorschriften zur Vorsorge für den Verteidigungsfall auf Grund einer
Leistungspflicht nach § 5 des Wassersicherstellungsgesetzes vom 24. August 1965 (BGBl I S. 1225, 1817), zuletzt geändert
durch Gesetz vom 17. Dezember 1990 (BGBl I S. 2809), erteilt worden ist.
51
(3) Ist in den Fällen des Abs. 2 Nr. 2 die Wiederzuführung des entnommenen Wassers in das Grundwasser aus tatsächlichen
Gründen nicht oder nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand möglich, bleibt die Grundwasserentnahme ebenfalls
abgabenfrei, wenn das entnommene Wasser direkt oder indirekt in ein Oberflächengewässer eingeleitet wird.
52
(4) Die Abgabe wird ferner nicht erhoben, soweit der vom Abgabepflichtigen nach § 4 Abs. 1 im Veranlagungszeitraum zu
entrichtende Betrag die Summe von 100 Deutsche Mark nicht überschreitet.
53
(5) Auf Antrag kann die zuständige Stelle im Einzelfall von der Zahlung der Abgabe ganz oder teilweise befreien. Die
Befreiung setzt voraus, daß die Abgabeerhebung für den Abgabepflichtigen eine besondere Härte bedeuten würde. Hierzu
kann die zuständige Stelle vom Abgabepflichtigen die Vorlage einer Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers verlangen.
54
(6) Die Ministerin oder der Minister, die oder der für die Wasserwirtschaft zuständig ist, wird ermächtigt, einzelne Gruppen
von Abgabepflichtigen ganz oder teilweise von der Abgabepflicht zu befreien, wenn sich die Abgabenlast als wirtschaftlich
unzumutbar erweist.
§ 2
55
Bemessungsgrundlage
56
(1) Die Abgabe bemißt sich nach der tatsächlich entnommenen Jahresmenge an Grundwasser.
...
§ 3
57
Abgabesatz
58
Die Höhe der Grundwasserabgabe beträgt für Entnahmen von Grundwasser
59
1. für die öffentliche Wasserversorgung
ab 1. Juli 1992
0,20 DM/m³,
ab 1. Januar 1994
0,40 DM/m³,
2. zum Zwecke der betrieblichen Kühlwasserversorgung
ab 1. Juli 1992
0,50 DM/m³,
ab 1. Januar 1994
1,00 DM/m³,
3. zum Zwecke der gewerblichen Fischhaltung
0,10 DM/m³
1,00 DM/m³,
4. zu sonstigen Zwecken der betrieblichen Wasserversorgung
ab 1. Juli 1992
0,40 DM/m³,
ab 1. Januar 1994
0,80 DM/m³,
5. zu sonstigen Zwecken
ab 1. Juli 1992
0,20 DM/m³,
ab 1. Januar 1994
0,40 DM/m³.
§ 5
60
Festsetzung, Vorauszahlung, Fälligkeit
61
(1) Die Abgabe wird von der zuständigen Stelle jährlich festgesetzt. Vorauszahlungen nach Abs. 4 werden dabei
angerechnet, überzahlte Beträge zurückerstattet.
62
(2) Die Festsetzungsfrist beträgt zwei Jahre und beginnt mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die
Grundwasserentnahme vorgenommen wird. ...
63
(3) Die Abgabe ist einen Monat nach Bekanntgabe des Festsetzungsbescheides fällig.
64
(4) Der Abgabepflichtige hat am 1. April und am 1. Oktober eines jeden Jahres Vorauszahlungen für das laufende
Kalenderjahr, in dem er abgabepflichtige Grundwasserentnahmen vornimmt, zu entrichten. Die einzelne Vorauszahlung
beträgt die Hälfte des für das Vorjahr festgesetzten Jahresbetrages. ...
§ 6
65
Verwendung
66
(1) Das Aufkommen aus der Grundwasserabgabe wird zweckgebunden zur Erreichung der in § 1 Abs. 1 genannten Ziele
verwendet. Aus dem Abgabeaufkommen wird vorweg der mit dem Vollzug dieses Gesetzes entstehende Verwaltungsaufwand
gedeckt.
67
(2) Aus dem Abgabeaufkommen sind im Rahmen der Zweckbindung nach Abs. 1 Satz 1 vorrangig folgende Maßnahmen zu
finanzieren:
68
1. Förderung von Vorhaben, die einer sparsamen und rationellen Verwendung von Grundwasser dienen,
69
2. wasserbehördliche Maßnahmen zum vorbeugenden Schutz und zur gefahrenabwehrenden Sanierung der
Grundwasservorkommen auf der Grundlage der §§ 74, 77 und 78 Abs. 2 des Hessischen Wassergesetzes, soweit hierfür
staatliche Mittel erforderlich sind,
70
3. landesweite Überwachung der Grundwassermengen und der Grundwasserbeschaffenheit im Rahmen des
wasserwirtschaftlichen Landesdienstes nach § 78 Abs. 2 des Hessischen Wassergesetzes,
71
4. Grundwasserbewirtschaftungsmaßnahmen zur allgemeinen Sicherung des ökologischen Gleichgewichts, soweit diese
nicht im Rahmen wasserrechtlicher Zulassungen den Grundwassernutzern auferlegt werden können, und
72
5. Entschädigungsleistungen für den Entzug von Grundwasserentnahmerechten nach §§ 12 und 15 des
Wasserhaushaltsgesetzes.
73
(3) Im übrigen kann das Abgabeaufkommen im Rahmen der Zweckbindung nach Abs. 1 Satz 1 insbesondere zur
74
1. Förderung von Vorhaben, die eine Entsiegelung des Bodens zum Ziel haben, sowie zur
75
2. Unterstützung einer gewässerschutzorientierten Beratung der Land- und Forstwirtschaft verwendet werden.
76
(4) Nicht verausgabte Mittel werden einer Rücklage zugeführt.
§ 7
77
Zuständigkeiten
78
(1) Der Vollzug dieses Gesetzes obliegt den Regierungspräsidien, soweit nichts anderes bestimmt ist.
79
(2) Entscheidungen über die Verwendung des Abgabeaufkommens nach § 6 trifft die für die Wasserwirtschaft zuständige
oberste Landesbehörde. § 41 des Finanzausgleichsgesetzes in der Fassung vom 3. April 1992 (GVBl I S. 142) bleibt
unberührt.
80
(3) Die Landesregierung kann durch Rechtsverordnung, abweichend von Abs. 1, andere Behörden, andere öffentliche
Stellen sowie private Dritte beauftragen, Aufgaben nach diesem Gesetz wahrzunehmen.
§ 11
81
Bericht
82
Die Ministerin oder der Minister, die oder der für die Wasserwirtschaft zuständig ist, legt dem Hessischen Landtag alle drei
Jahre, erstmals zum 30. Juni 1994, einen Bericht über den Vollzug des Gesetzes vor. Im Bericht sind insbesondere die
Abgabeeinnahmen, deren zweckgebundene Verwendung sowie die Auswirkungen der Abgabenerhebung auf die Entwicklung
der Grundwasserentnahmemengen und die Grundwassergütesituation darzulegen. Der Bericht hat eine Empfehlung zur
künftigen Gestaltung der Abgabesätze nach § 3 zu enthalten.
II.
83
Die Beschwerdeführerin zu 1. ist für ihre in Baden-Württemberg gelegenen Werke zur Entrichtung des
Wasserentnahmeentgelts nach § 17 a WG BaWü verpflichtet. Ihre Verfassungsbeschwerde richtet sich unmittelbar gegen die
gesetzlichen Vorschriften über die Erhebung eines Wasserentnahmeentgelts in Baden-Württemberg.
84
1. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG. Die
Verfassungsbeschwerde sei zulässig. Die besonderen Voraussetzungen einer Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz
lägen vor. Die Beschwerdeführerin sei selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen. Das Gesetz verpflichte die Entnehmer
von Wasser unmittelbar zur Zahlung des Entgelts und überlasse ihnen die Berechnung der Vorauszahlungen; einen
Vorauszahlungsbescheid sehe das Gesetz nicht vor.
85
a) Die Beschwerdeführerin werde in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt, da dem Land die
Gesetzgebungskompetenz zur Erhebung einer Abgabe auf die Wasserentnahme fehle.
86
aa) Bei der Abgabe handele es sich - entgegen der Annahme des baden-württembergischen Gesetzgebers - nicht um eine
Gebühr, so daß sich die Kompetenz nicht aus Art. 70 ff. GG ergeben könne. Die Gebühr sei eine öffentliche Abgabe, die für
die unmittelbare Inanspruchnahme einer Leistung eines Hoheitsträgers erhoben werde. Sie unterscheide sich von der
Steuer dadurch, daß sie als Gegenleistung für eine dem Pflichtigen gewährte und ihm unmittelbar zurechenbare Leistung
erhoben werde. Bei den Gebühren unterscheide man herkömmlicherweise zwischen Verwaltungsgebühren,
Benutzungsgebühren und - als weitaus seltenerer Form - den Verleihungsgebühren.
87
Eine Qualifikation der Abgabe als Verwaltungsgebühr scheide aus, da das Entgelt nicht für Amtshandlungen erhoben
werde. Auch eine Benutzungsgebühr liege nicht vor. Die Benutzung der Ressource Wasser schaffe keinen
Benutzungstatbestand, der die Erhebung einer Gebühr rechtfertigen könne. Die Nutzung natürlicher Ressourcen wie Luft
und Wasser könne allenfalls dann als zu entgeltende staatliche Leistung angesehen werden, wenn das Land Eigentümer des
entnommenen Wassers sei. Dies sei aber nicht stets der Fall. Auch eine Einordnung als Sondernutzungsgebühr, die den
Aufwand für die durch Sondernutzung in Anspruch genommene Staatsleistung in den Kosten der Wasserbewirtschaftung
sehe, treffe nicht zu. Leistungen der Unterhaltung und Reinigung der Gewässer erbringe das Land gegenüber der
Allgemeinheit und nicht gegenüber einzelnen Gewässerbenutzern. Dementsprechend fehle es an einer besonderen,
individuell zurechenbaren Gegenleistung. Die Individualisierbarkeit der Leistungen fehle nicht nur auf der Benutzer-,
sondern auch auf der Betreiberseite. Denn die staatlichen Leistungen für die Gewässerreinhaltung würden von Bund, Land
und Gemeinden gemeinsam getragen und ließen sich nicht auf die verschiedenen Leistungsträger aufteilen. Schließlich
komme auch eine Verleihungsgebühr nicht in Betracht, wobei dahingestellt bleiben könne, ob Verleihungsgebühren
überhaupt zulässig seien. Sie scheitere hier jedenfalls daran, daß das Entgelt nicht für die Übertragung eines
Benutzungsrechts, sondern für die Benutzung des Wassers selbst erhoben werde.
88
bb) Bei dem Wasserentnahmeentgelt handele es sich auch nicht um eine Sonderabgabe. Eine Qualifikation als
Sonderabgabe scheitere bereits daran, daß die erzielten Einnahmen zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben
verwendet würden und dementsprechend in den allgemeinen Landeshaushalt flössen.
89
b) In materieller Hinsicht verstoße die Abgabe gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
90
Qualifiziere man das Wasserentnahmeentgelt als Gebühr, stehe es mit dem Äquivalenzprinzip nicht in Einklang. Gebühren
dürften nicht völlig unabhängig von den Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt werden. Solle mit der
Gebühr die Inanspruchnahme des Wassers entgolten werden, fehle jede Abhängigkeit zwischen Entgelt und staatlicher
Leistung. Wasser als natürliche Ressource habe bisher keinen wirtschaftlichen Preis, so daß die Festsetzung eines Preises
nur politisch entschieden werden könne. Solle mit der Gebühr die staatliche Gewässerunterhaltung und -reinigung
abgegolten werden, fehle es an einer sachgemäßen Verknüpfung zwischen den Kosten der Staatsleistung und den dafür
auferlegten Gebühren. Schon der Anteil des Landes an den Unterhaltungsmaßnahmen, die von Bund, Land und Gemeinden
gemeinsam getragen würden, könne kaum bestimmt werden. Auch würden diese Leistungen gegenüber der Allgemeinheit
erbracht, so daß die Abgabepflichtigen einen Sonderbeitrag zur Finanzierung der allgemeinen Staatsaufgabe
Gewässerreinhaltung leisteten, den andere nicht tragen müßten. Damit würden sie ohne Sachgrund zur allgemeinen
Staatsfinanzierung herangezogen. Solle mit der Gebühr die Verleihung des Förderrechts entgolten werden, so gel- te das
vorstehend Ausgeführte entsprechend. Zudem sei willkürlich, daß gerade die Tatbestände des § 17 a Abs. 2 Nr. 2 bis 6 WG
BaWü, die einer Erlaubnis oder Bewilligung bedürften, wie etwa das Fördern von Wasser aus Heilquellen u. a., und
Entnahmen innerhalb einer Freimenge von 2000 m³ im Kalenderjahr von einer Gebührenpflicht ausgenommen würden.
91
2. Nach Auffassung der Regierung des Landes Baden-Württemberg ist die Verfassungsbeschwerde nicht begründet.
92
Das Land Baden-Württemberg sei zur Gesetzgebung zuständig, da das Wasserentnahmeentgelt eine Gebühr sei und sich die
Gesetzgebungszuständigkeit dafür nach den Art. 70 ff. GG bestimme.
93
a) Der verfassungsrechtliche Gebührenbegriff sei weiter zu fassen, als vielfach angenommen werde. Insbesondere lasse sich
ein numerus clausus der Gebührenarten nicht aus dem Gebührenbegriff, somit auch nicht aus dem Verfassungsrecht,
herleiten. Die Gebührenpraxis habe seit jeher - entgegen verengenden Interpretationen im Schrifttum - einen weiten Begriff
zugrunde gelegt. Gebühren könnten an Staatsverhalten jeder Art anknüpfen. Gegenüber dem Prinzip des Steuerstaates
ließen sich Gebühren rechtfertigen, wenn sie entweder auf die Erlangung eines Vorteils oder auf eine besondere
Verantwortlichkeit für die Kosten gestützt werden könnten.
94
Das Wasserentnahmeentgelt erfülle alle Merkmale einer Gebühr im Sinne des Grundgesetzes. Es werde für die Duldung
bestimmter Gewässerbenutzungen erhoben. Eine solche Duldung sei eine gebührenfähige Leistung. Sie sei auch ein dem
Benutzer individuell zurechenbares "Staatsverhalten". Denn wer keine Erlaubnis oder Bewilligung zur Wasserentnahme
habe, könne von der Entnahme nach § 82 Abs. 1 WG BaWü ausgeschlossen werden. Die besondere Rechtfertigung der
Gebührenerhebung liege in dem jedem Pflichtigen durch die Wasserentnahme erwachsenden Vorteil. Wenn der
Gebührencharakter des Wasserentnahmeentgelts verneint werde, beruhe dies auf verengenden Interpretationen des
Gebührenbegriffs oder einzelner seiner Merkmale, die verfassungsrechtlich nicht zu begründen seien.
95
b) Selbst angenommen, daß Gebühren dazu bestimmt sein müßten, in Anknüpfung an die individuell zurechenbare
Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken, stelle das Wasserentnahmeentgelt eine zulässige Form der Gebühr
dar. Der Aufwand des Landes für Unterhaltung und Reinhaltung der Gewässer überschreite das Aufkommen aus dem
Wasserentnahmeentgelt bei weitem. Dieser Aufwand des Landes wäre nicht vonnöten, wenn das Wasser nicht genutzt würde;
es handele sich daher um Gemein- kosten der Wassernutzung.
96
c) Die Gebührenansätze, Ausnahmetatbestände und Befreiungsmöglichkeiten nach der Anlage zu § 17 a Abs. 3, §§ 17 a Abs.
2 und 17 f WG BaWü seien, wie näher dargelegt wird, sachgerecht und entsprächen dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit.
97
3. In Erwiderungen und ergänzenden Stellungnahmen haben die Beschwerdeführerin und die Regierung des Landes Baden-
Württemberg ihre Auffassungen präzisiert und vertieft. Insbesondere rügt die Beschwerdeführerin, daß das
Wasserentnahmeentgelt nicht dazu diene, eine Sonderleistung der Verwaltung an den Gewässerbenutzer abzugelten,
sondern die Entschädigungszahlungen an Landwirte aufgrund der Düngungsbeschränkungen nach § 19 Abs. 4 WHG zu
finanzieren. Dieser Zweck ergebe sich eindeutig aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes.
III.
98
Die Beschwerdeführerinnen zu 2. entnehmen in Hessen Grundwasser. Ihre Verfassungsbeschwerden richten sich gegen das
Hessische Grundwasserabgabengesetz insgesamt.
99
1. Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, das Grundwasserabgabengesetz verletze sie in ihren Grundrechten aus Art.
2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG. Die papierproduzierenden Beschwerdeführerinnen zu 2. d) bis f) rügen darüber hinaus eine
Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Die Verfassungsbeschwerden seien zulässig, da die
Beschwerdeführerinnen vom Hessischen Grundwasserabgabengesetz selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen würden
und der Grundsatz der Subsidiarität nicht entgegenstehe. Auch die Voraussetzungen für eine Vorabentscheidung nach § 90
Abs. 2 Satz 2 BVerfGG seien erfüllt.
100
a) Das Hessische Grundwasserabgabengesetz belaste die Abgabeschuldner mit einer unzulässigen Sonderabgabe und
verletze daher die Beschwerdeführerinnen in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG.
101
aa) Die Grundwasserabgabe sei nach ihrem materiellen Gehalt eine Sonderabgabe; sie sei zudem vom hessischen
Gesetzgeber ausdrücklich als solche konzipiert. Sie sei nicht als Steuer ausgestaltet. Denn sie belaste weder die
Allgemeinheit aller Wasserentnehmer noch bezwecke sie eine Belastung des Wassernutzers als Endverbraucher nach seiner
finanziellen Leistungsfähigkeit. Die Grundwasserabgabe sei auch keine Gebühr. Ihr stehe keine individuell zurechenbare
staatliche Leistung gegenüber; mit der Nutzung der Naturressource Wasser werde keine staatliche Leistung in Anspruch
genommen. Zu den Verleihungsgebühren könne die Grundwasserabgabe deshalb nicht gezählt werden, weil die
Abgabepflicht die tatsächliche Grundwasserentnahme, nicht die Verleihung einer Entnahmebefugnis belaste.
102
bb) Die Grundwasserabgabe genüge keinem der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Kriterien für die Zulässigkeit
einer Sonderabgabe mit Finanzierungszweck. Dies wird im einzelnen dargelegt.
103
cc) Die Grundwasserabgabe genüge auch nicht den Kriterien, die an eine lenkende Sonderabgabe zu stellen seien. Es fehle
an einer speziellen Lenkungsverantwortung der Abgabeschuldner; das Lenkungsziel und die Rechtstechnik seiner
Umsetzung seien unsachlich. Lenkungsziele der Grundwasserabgabe seien das generelle Wassersparen sowie die
Verlagerung der Wasserentnahmen vom Grund- auf das Oberflächenwasser. Im Hinblick auf dieses Lenkungsziel sei die
Adressatenauswahl unsachlich, weil die Grundwasserabgabe alle Wassernutzer dem Lenkungsbefehl unterwerfe, ohne
Rücksicht darauf, ob sie überhaupt Einspar- oder Substitutionsmöglichkeiten hätten. Dies gelte insbesondere, wenn man
den Lenkungsbefehl als an den Endverbraucher gerichtet ansehe; dieser habe keinen Einfluß darauf, ob Grund- oder
Oberflächenwasser entnommen werde. Generell sei eine Abgabe als Lenkungsmittel nur dann unbedenklich, wenn sie
ordnungsrechtliche Vorgaben ersetze oder lediglich allgemein gehaltene Gebote ergänze. Ungeeignet seien
Lenkungsabgaben aber dort, wo das Ordnungsrecht selbst exakt regele. Dies sei vorliegend der Fall.
104
b) Die Höhe und Staffelung der Abgabesätze sei mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar.
105
Die Grundwasserabgabe stelle die hessischen Unternehmen gegenüber vergleichbaren Unternehmen in anderen
Bundesländern und im Ausland erheblich schlechter, weil sie dort mit weitaus niedrigeren oder überhaupt nicht mit
Wasserabgaben belegt würden. Zwar gelte der Gleichheitssatz grundsätzlich nur innerhalb des Bereichs eines Normgebers.
Die föderale Begrenzung des Gleichheitssatzes ende aber dort, wo es um einen Lebenssachverhalt gehe, der seiner Natur
nach über die Ländergrenzen hinaus greife und eine für alle Staatsbürger in allen Bundesländern gleichermaßen
gewährleistete Rechtsposition berühre.
106
Gleichheitswidrig sei die unterschiedliche Höhe der Grundwasserabgabe bei betrieblicher und öffentlicher
Wasserversorgung nach § 3 Nr. 1 und Nr. 4 HGruwAG. Die in den Gesetzesmaterialien genannten Gründe beruhten auf nicht
belegten Vermutungen des Gesetzgebers. Die Privilegierung der öffentlichen Wasserversorger sei auch sachlich nicht
tragfähig. Denn dadurch werde nur die betriebliche Grundwassernutzung mit einer höheren Abgabe belegt, die auf
Eigenförderung beruhe, nicht aber diejenige, die durch die öffentliche Wasserversorgung vermittelt werde.
107
Ungerechtfertigt sei auch die Belastung der betrieblichen Kühlwasserversorgung mit dem höchsten Abgabesatz (§ 3 Nr. 2
HGruwAG). Weshalb diese Nutzung "ökologisch nicht vertretbar" (so die Gesetzesbegründung) sei, werde nicht näher
begründet. Zu einer näheren Begründung sei der Gesetzgeber bei lenkenden Sonderabgaben aber verpflichtet.
108
Die Privilegierung der gewerblichen Fischhaltung (§ 3 Nr. 3 HGruwAG) und die Exemtionen des § 1 Abs. 2 und 3 HGruwAG
ließen sich im Hinblick auf das Lenkungsziel nicht rechtfertigen; ein Subventionswunsch allein reiche zur Rechtfertigung
nicht aus.
109
c) Die Grundwasserabgabe verstoße für die papierproduzierenden Beschwerdeführerinnen zu 2. d) bis f) als erdrosselnde
Abgabe auch gegen Art. 12 GG. Die Papierproduktion sei zwingend auf große Mengen Wasser angewiesen; sie könne weder
den Wasserverbrauch weiter mindern noch in größerem Umfang auf Oberflächenwasser ausweichen. Die Abgabe verringere
den Jahresgewinn der Beschwerdeführerin zu 2. d) erheblich und führe bei den Beschwerdeführerinnen zu 2. e) und f) gar in
die "roten Zahlen". Beeinträchtigungen der Berufsfreiheit seien unzulässig, wenn der Beruf dadurch in aller Regel
wirtschaftlich unmöglich gemacht werde oder sich nicht mehr ökonomisch sinnvoll ausüben lasse. Dies sei hier der Fall. Die
gesamte Papierbranche arbeite seit Jahren mit Gewinnmargen, die an der Grenze dessen lägen, was den Kapital- und
Arbeitseinsatz noch rentierlich mache. Das Gesetz hätte die Papierindustrie oder einzelne Zweige von der Abgabenlast
befreien müssen, die Ermessensvorschrift des § 1 Abs. 6 HGruwAG, die die Entscheidung der Verwaltung überlasse, reiche
dafür verfassungsrechtlich nicht aus.
110
d) Die Grundwasserabgabe verletze die beschwerdeführenden Papierhersteller auch in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1
GG, weil sie aus der Substanz gezahlt werden müsse, die Unternehmen übermäßig belaste und die Privatnützigkeit des
Eigentums an den Produktionsanlagen beseitige.
111
e) Durch die Haushaltsflüchtigkeit der Grundwasserabgabe würden die Beschwerdeführerinnen in ihrem Grundrecht aus
Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Die Haushaltsflüchtigkeit verstoße ferner gegen die Grundsätze der parlamentarischen
Demokratie, was die Beschwerdeführerinnen über Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 GG rügen könnten, und gegen den
Grundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans, der nach Art. 109 Abs. 3 GG und § 8 Haushaltsgrundsätzegesetz auch in
den Ländern gelte. § 7 Abs. 2 Satz 1 HGruwAG räume der für die Wasserwirtschaft zuständigen obersten Landesbehörde die
Entscheidungsbefugnis über die Verwendung des Aufkommens ein. Das Aufkommen der Grundwasserabgabe werde so dem
allgemeinen Staatshaushalt entzogen und dafür ein Sonderhaushalt eingerichtet. Dies sei verfassungswidrig. Die Flucht aus
dem Haushalt bringe Verluste an Transparenz und Öffentlichkeit des Haushaltsverfahrens, nehme dem Parlament das
Budgetrecht, verringere die Koordination der Gesamtfinanzen und verschleiere die Staatsverschuldung.
112
2. Nach Auffassung der Hessischen Landesregierung ist die Verfassungsbeschwerde nicht begründet.
113
a) Die Grundwasserabgabe stelle ein ökonomisches Instrument des Umweltschutzes dar, das die bisherigen regulativen
Instrumente der Bewirtschaftung des Grundwassers ergänze. Sie diene dazu, die externen Kosten des bislang unentgeltlich
in Anspruch genommenen Naturgutes zu internalisieren. Die "klassische" Antwort des Staates auf das Marktversagen im
Bereich der Beeinträchtigung und Nutzung von Umweltgütern bestehe in der Statuierung von Ge- und Verboten. Seit langem
wiesen aber Ökonomen und Umweltrechtler darauf hin, daß dieses System staatlicher Regulierung nur eine begrenzte
Leistungsfähigkeit aufweise. Umweltschutzabgaben besäßen mit ihrer Anreizstruktur einen wichtigen Vorteil gegenüber
direkten staatlichen Kontrollen. Angesichts des bekannten Vollzugsdefizits im Wasserrecht sei der Einsatz eines
ökonomischen Instruments zur Schonung des Grundwasservorkommens sinnvoll.
114
b) Die Sachkompetenz des Landesgesetzgebers ergebe sich aus Art. 70 GG. Der Bund besitze zwar gemäß Art. 75 Nr. 4 GG
für die Regelung des Wasserhaushalts eine Rahmenkompetenz. Von dieser Kompetenz habe er aber hinsichtlich des hier in
Rede stehenden Regelungsgegenstandes keinen Gebrauch gemacht.
115
c) Das Hessische Grundwasserabgabengesetz verstoße auch nicht gegen die finanzverfassungsrechtlichen Vorschriften der
Art. 104a ff. GG.
116
aa) Die Einführung der Grundwasserabgabe sei allein aufgrund der Sachkompetenz zulässig, ohne daß sie einer
besonderen Rechtfertigung gegenüber den finanzverfassungsrechtlichen Vorschriften bedürfe. Eine Sachkompetenz könne
eine Legitimation für die Abgabeerhebung dann bieten, wenn sich die Abgabeerhebung - wie hier - als geeignetes
Instrument zur Wahrnehmung einer Sachregelungskompetenz erweise.
117
bb) Die Grundwasserabgabe sei aber auch unabhängig hiervon vor Art. 104a ff. GG gerechtfertigt. Zwar werde die
Grundwasserabgabe wie die Steuer voraussetzungslos erhoben, da die Duldung der Wasserentnahme keine öffentliche
Leistung darstelle. Doch sei sie als Sonderabgabe zulässig. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen müßten
nicht alle Sonderabgaben die Kriterien der Finanzierungssonderabgaben erfüllen. Stehe bei einer Abgabe - wie der
Grundwasserabgabe - ihre Lenkungsfunktion im Vordergrund, so erscheine die Anwendung der Kriterien für
Finanzierungsabgaben wenig sachgerecht. Gelte das politische Lenkungsziel der gesamten Bevölkerung, könne sich das
Abgabengesetz nicht lediglich an eine von der Allgemeinheit abgrenzbare homogene Gruppe wenden. Dementsprechend
könnten auch die weiteren Kriterien der Sachnähe und der gruppennützigen Verwendung von einer solchen
Lenkungsabgabe nicht erfüllt werden.
118
Die Grundwasserabgabe diene dem legitimen Lenkungsziel, einen ökonomischen Anreiz für den Verzicht auf die Entnahme
von Grundwasser zu schaffen. Dadurch solle der wasserwirtschaftlich und ökologisch bedenklichen Übernutzung des
Grundwasserschatzes entgegengewirkt und das nutzbare Grundwasserdargebot so weit wie möglich und vertretbar der
öffentlichen Wasserversorgung vorbehalten werden. Die Grundwasserabgabe sei auch zur Lenkung geeignet. Zum einen
bilde sie einen Anreiz für den direkten Verbraucher, weniger Grundwasser in Anspruch zu nehmen. Zum anderen könne ein
Anreizeffekt wegen erhöhter Kosten beim Nachfrager grundwasserintensiv hergestellter Produkte eintreten.
119
Die Finanzierungsfunktion der Grundwasserabgabe trete hinter der Lenkungsfunktion zurück. Dies zeige sich daran, daß die
Finanzierungsfunktion ganz in den Dienst des Lenkungszwecks gestellt werde. Die Regelung der Verwendung des
Abgabeaufkommens intensiviere das mit der Abgabe verfolgte Ziel, einen Anreiz zur Reduzierung des
Grundwasserverbrauchs zu schaffen.
120
d) Das Hessische Grundwasserabgabengesetz verstoße nicht gegen die Grundrechte der Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art.
14 Abs. 1 GG. Diese Grundrechte verliehen keinen Anspruch auf Grundwasserentnahme. Der Bundesgesetzgeber habe
bereits durch die Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes die Grundwassernutzung aus dem privaten Verfügungs- und
Nutzungsbereich ausgegliedert. Dadurch sei das Grundwasser zur öffentlichen Sache geworden. Die dem Staat damit
zukommende Bewirtschaftungs- oder Verteilungsfunktion schließe einen originären Leistungsanspruch des einzelnen aus.
121
e) Die Erhebung der Grundwasserabgabe verstoße auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Höhe der Abgabesätze sei, wie
näher dargelegt wird, gleichheitskonform ausgestaltet.
122
f) Das Hessische Grundwasserabgabengesetz genüge ferner den Anforderungen an ein Prognosegesetz. Im
Gesetzgebungsverfahren hätten bereits die Ergebnisse dreier Fachstudien vorgelegen. Die Bedenken hinsichtlich der
Einhaltung der gesetzgeberischen Kontrollpflichten könnten nicht überzeugen. Der Gesetzgeber habe durch § 11 HGruwAG
die Grundlage für die verfassungsrechtlich gebotene Überprüfung der Wirksamkeit des Gesetzes geschaffen.
123
g) Ein Grundrechtsverstoß wegen erdrosselnder Wirkung der Abgabe sei nicht gegeben. Zu einer Erdrosselung durch die
Grundwasserabgabe könne es gar nicht kommen. § 1 Abs. 5 und 6 HGruwAG sähen für den Fall einer besonderen Härte oder
wirtschaftlicher Unzumutbarkeit die Möglichkeit der Befreiung von der Abgabepflicht vor.
124
h) Auch der Vorwurf der Haushaltsflüchtigkeit sei nicht berechtigt. Die Beschwerdeführerinnen gingen offenbar davon aus,
daß der Haushaltsgesetzgeber über das Abgabenaufkommen nicht verfügen dürfe, weil gemäß § 7 Abs. 2 HGruwAG die
zuständige oberste Landesbehörde über dessen Verwendung entscheide. § 7 Abs. 2 HGruwAG betreffe aber nicht die
Aufgabenverteilung zwischen Verwaltung und Parlament, sondern allein die verwaltungsinterne Zuständigkeit für die
Verausgabung des im Landeshaushalt in besonderen Titelgruppen ausgewiesenen Aufkommens.
125
3. In ihrer Erwiderung vertreten die Beschwerdeführerinnen die Auffassung, daß es verfassungsrechtlich verfehlt sei, für
Umweltabgaben wie die Grundwasserabgabe wegen ihres Umweltschutzziels und ihrer angeblich fehlenden
Finanzierungsfunktion einen Sonderstatus anzunehmen, der sie von den finanzverfassungsrechtlichen Vorschriften
freistelle. Eine Exemtion von finanzverfassungsrechtlichen Regeln wegen ihres Zieles kenne das deutsche Verfassungsrecht
nicht.
126
4. Das Umweltministerium Baden-Württemberg hat sich für die Regierung des Landes dahin geäußert, daß es in Anbetracht
der vielfältigen Nutzungen und Gefährdungen, denen die Gewässer ausgesetzt seien, dem Gebot vorsorgender, auf
Schonung des vorhandenen, nutzbaren Wasservorkommens angelegter Politik entspreche, stärker als bisher auf einen
haushälterischen Umgang mit Wasser hinzuwirken. Umweltschäden lediglich zu reparieren, genüge den Anforderungen an
eine verantwortungsvolle Politik nicht. Es gelte vielmehr, Beeinträchtigungen der naturgegebenen Güter von vornherein,
soweit möglich, zu vermeiden. Die Schaffung eines nach marktwirtschaftlichen Regeln funktionierenden Anreizsystems sei
eines der Anliegen auch bei der Einführung des baden-württembergischen Wasserentnahmeentgelts gewesen. Das
Wasserentnahmeentgelt stelle ein wichtiges ökonomisches Instrument des Umweltschutzes dar.
B.
127
Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig.
128
Die Beschwerdeführerinnen werden durch die angegriffenen Gesetze selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen (vgl.
zuletzt BVerfGE 75, 108 <144 f.>). Die Durchführung der angegriffenen Vorschriften setzt weder rechtsnotwendig noch
nach der tatsächlichen Verwaltungspraxis einen besonderen Vollzugsakt voraus (vgl. BVerfGE 1, 97 <102>; 72, 39 <43>).
Die Pflicht zu Vorauszahlungen ergibt sich unmittelbar aus den angegriffenen Gesetzen.
129
Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden steht der Grundsatz der Subsidiarität nicht entgegen. Dieser Grundsatz greift
zwar auch in Fällen unmittelbarer Betroffenheit durch eine Norm ein (vgl. BVerfGE 74, 69 <74>; 84, 90 <116>).
Ungeachtet der Frage, ob den Beschwerdeführerinnen eine Anrufung der Fachgerichte zumutbar wäre, ist nach dem
insoweit sinngemäß anwendbaren § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aber
jedenfalls möglich, wenn der Verfassungsbeschwerde allgemeine Bedeutung zukommt (vgl. BVerfGE 84, 90 <116>; 90, 128
<136 f.>). Dies ist vorliegend der Fall.
C.
130
Die Verfassungsbeschwerden sind unbegründet.
I.
131
Den Ländern steht die Kompetenz zur Erhebung von Wasserentnahmeabgaben zu; die Beschwerdeführerinnen sind insofern
in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG nicht verletzt. Die Auferlegung von Wasserentnahmeabgaben stellt eine Regelung
im Bereich der Wasserbewirtschaftung und Umweltpolitik dar (1.). Die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder ist weder
durch Bundesrecht gemäß Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG (Wasserhaushalt) (2.) noch durch die Finanzverfassung des
Grundgesetzes (Art. 104a ff. GG) (3.) ausgeschlossen.
132
1. Die Erhebung einer Abgabe auf die Entnahme von Wasser in Baden-Württemberg und Hessen verfolgt Lenkungszwecke.
Sie soll - ausweislich der Gesetzesbegründungen - stärker als bisher auf einen "haushälterischen" oder "sparsameren und
rationellen" Umgang mit Wasser hinwirken (Baden-Württemberg: LTDrucks 9/4237, S. 13; Hessen: LTDrucks 13/1075, S. 9).
Dabei sollen vor allem die Grundwasservorkommen geschützt werden. In Hessen wird die Abgabe überhaupt nur für die
Entnahme von Grundwasser erhoben, in Baden-Württemberg werden Grundwasserentnahmen mit dem Höchstsatz belegt.
133
a) Die Nutzung des Wassers unterliegt in Deutschland seit langem einer öffentlich-rechtlichen Regelung. Diese findet sich
derzeit im Wasserhaushaltsgesetz des Bundes und in den Wassergesetzen der Länder. Nach § 1 a Abs. 1 WHG sind die
Gewässer als Bestandteil des Naturhaushalts so zu bewirtschaften, daß sie dem Wohl der Allgemeinheit und im Einklang
mit ihm auch dem Nutzen einzelner dienen und daß jede vermeidbare Beeinträchtigung unterbleibt. Nach § 2 WHG
bedürfen Nutzungen von Gewässern grundsätzlich einer Erlaubnis oder Bewilligung. Ein Anspruch auf Erteilung einer
Erlaubnis oder Bewilligung besteht nicht. Gemeingebrauch am Wasser ist heute fast ausschließlich auf traditionelle,
minder bedeutsame Arten der Nutzung beschränkt (Breuer, Umweltschutzrecht, in: v. Münch/Schmidt-Aßmann (Hg.),
Besonderes Verwaltungsrecht, 1992, S. 391 <462>). Wegen der vielfältigen und teilweise miteinander konkurrierenden
Nutzungsinteressen ist eine geordnete Wasserbewirtschaftung sowohl für die Bevölkerung als auch für die Gesamtwirtschaft
lebensnotwendig; sie ist verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich (vgl. BVerfGE 10, 89 <113>; 58, 300 <341>).
134
b) Die Wasserbewirtschaftung, wie sie in den genannten Gesetzen geregelt ist, bedient sich des Instrumentariums
verwaltungsrechtlicher Ge- und Verbote. Daneben besteht jedoch die Möglichkeit, die Schonung des Wasserhaushalts durch
eine Verteuerung des Wassers, also vermittels der Erhebung von Abgaben zu bewirken. Dies wird in der Umweltökonomie
und der Literatur zum Umweltrecht vielfach als notwendig angesehen, um einen Anreiz zum sparsamen Einsatz dieser
natürlichen Ressource und zur Verbesserung der technischen Möglichkeiten hierfür zu schaffen. In diesem Sinne hat der
Gesetzgeber des Landes Hessen die Erhebung der Grundwasserabgabe ausdrücklich mit der nicht ausreichenden
Wirksamkeit des ordnungsrechtlichen Instrumentariums begründet (Hess. LTDrucks 13/1915, S. 6). Auch die Regierung des
Landes Baden-Württemberg hält das Wasserentnahmeentgelt für ein "wichtiges ökonomisches Instrument des
Umweltschutzes" (Stellungnahme des Umweltministeriums namens der Regierung des Landes Baden-Württemberg vom 18.
April 1994 zum Verfahren 2 BvR 1300/93, S. 3).
135
c) Mit der Erhebung von Abgaben für die Nutzung von Wasser wird ein lange Zeit übliches Regelungsinstrument wieder
aufgegriffen. Sie war in der Form der Ausübung des Wasserregals über lange Zeiträume selbstverständlich
136
vgl. Kloess, Das deutsche Wasserrecht und das Wasserrecht der Bundesstaaten des Deutschen Reiches, 1908, S. 2 ff.;
Wüsthoff, Einführung in das deutsche Wasserrecht, 3. Aufl. 1962, S. 14 ff.
137
Erst einige der um die Jahrhundertwende erlassenen Wassergesetze schlossen die Erhebung von Wasserregalzinsen
ausdrücklich aus
138
vgl. § 54 Preußisches Wassergesetz vom 7. April 1913 (PrGS S. 53); Art. 119 Württembergisches Wassergesetz vom
1. Dezember 1900 (RegBl S. 921).
139
Das in Bayern und Baden geltende Recht sah hingegen weiterhin die Möglichkeit eines Entgelts für bestimmte
Wassernutzungen vor
140
vgl. Art. 73 Abs. 1 Bayerisches Wassergesetz vom 23. März 1907 (GVBl S. 157); § 41 Badisches Wassergesetz vom 26. Juni
1899 (GVBl S. 309); § 43 in der Fassung der Neubekanntmachung des Badischen Wassergesetzes vom 12. April 1913 (GVBl
S. 250).
141
2. Der Zuständigkeit der Länder zur gesetzlichen Regelung eines Wasserentnahmeentgelts als einer Maßnahme im Bereich
des Wasserrechts stehen bundesrechtliche Regelungen nicht entgegen.
142
Nach Art. 70 Abs. 1 GG haben die Länder das Recht zur Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz nicht dem Bunde
Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. Dem Bund steht nach Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG eine Rahmenkompetenz für den
Wasserhaushalt zu. Der Bund hat von dieser Kompetenz nicht in einer Weise Gebrauch gemacht, daß die Erhebung von
Wasserentnahmeentgelten durch die Länder ausgeschlossen wäre.
143
Das Wasserhaushaltsgesetz verbietet die Erhebung von Wasserentnahmeentgelt nicht ausdrücklich. Ein Verbot kann auch
nicht daraus hergeleitet werden, daß das Gesetz sich über die Zulässigkeit einer solchen Abgabe verschweigt.
Rahmenvorschriften sind im Zweifel auf Ausfüllung hin angelegt und sollen die Gesetzgebungskompetenz der Länder nicht
weiter einschränken, als dies ihr Wortlaut zwingend erfordert (vgl. BVerfGE 25, 142 <151 f.>; 80, 137 <158>; vgl. jetzt auch
Art. 75 Abs. 2 GG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 27. Oktober 1994 ).
144
Besondere Anhaltspunkte im Gesetz, denen trotz des Schweigens des Gesetzgebers eine Verbotswirkung für die Länder
entnommen werden könnte, fehlen. Insbesondere lassen sich der Gesetzgebungsgeschichte solche Anhaltspunkte nicht
entnehmen. Im Regierungsentwurf für ein Wasserhaushaltsgesetz aus dem Jahre 1956 war die Einführung eines
Wasserzinses vorgesehen. Der damals vorgeschlagene § 19 Abs. 1 WHG sollte lauten:
145
Wenn ein Gewässer aufgrund einer Erlaubnis oder einer Bewilligung benutzt werden darf, ist hierfür ein Wasserzins zu
erheben, der im Rahmen der wirtschaftlichen Zumutbarkeit den in der Benutzung liegenden Vorteil angemessen
berücksichtigt.
146
(BTDrucks II/2072 S. 8)
147
Diese Vorschrift entfiel im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens vor allem wegen des Widerstandes der Länder, die sich vom
Bund nicht die Erhebung eines Wasserzinses als "Zwangspflicht der Länder" (BTDrucks II/2072, S. 29) vorschreiben lassen
wollten (BTDrucks II/2072, S. 41). Die Landeskompetenz sollte mithin bewahrt und gesichert, nicht hingegen beseitigt
werden.
148
3. Aus der Begrenzungs- und Schutzfunktion der bundesstaatlichen Finanzverfassung (Art. 104a ff. GG) ergeben sich
Grenzen für die Auferlegung von Abgaben in Wahrnehmung einer dem Gesetzgeber zustehenden Sachkompetenz. Die
Erhebung nicht-steuerlicher Abgaben ist insofern nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig (a); diese sind für die in
Frage stehenden Wasserentnahmeentgelte gegeben (b).
149
a) Die Finanzordnung des Grundgesetzes soll sicherstellen, daß der Gesamtstaat und die Gliedstaaten am Gesamtertrag
der Volkswirtschaft sachgerecht beteiligt werden; Bund und Länder müssen im Rahmen der verfügbaren Gesamteinnahmen
so ausgestattet werden, daß sie die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlichen Ausgaben leisten können. Der
Finanzverfassung liegt die Vorstellung zugrunde, daß die Finanzierung der staatlichen Aufgaben in Bund und Ländern
einschließlich der Gemeinden in erster Linie aus dem Ertrag der in Art. 105 ff. GG geregelten Einnahmequellen erfolgt
(Prinzip des Steuerstaates; vgl. u. a. BVerfGE 78, 249 <266 f.>; 82, 159 <178>). Nicht-steuerliche Abgaben verschiedener
Art sind allerdings nicht ausgeschlossen; die Finanzverfassung des Grundgesetzes enthält keinen abschließenden Kanon
zulässiger Abgabetypen (vgl. BVerfGE 82, 159 <181>; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee/Kirchhof ,
Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, 1990, § 88 Rn. 269).
150
aa) Die Voraussetzungen, unter denen die Erhebung nicht-steuerlicher Abgaben nur zulässig ist, ergeben sich aus drei
grundlegenden Prinzipien der Finanzverfassung (vgl. BVerfGE 91, 186 <202 f.>).
151
(1) Die grundgesetzliche Finanzverfassung (Art. 104a bis Art. 108 GG) verlöre ihren Sinn und ihre Funktion, wenn unter
Rückgriff auf die Sachgesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern daneben beliebig Abgaben unter Umgehung der
bundesstaatlichen Verteilung der Gesetzgebungs- und Ertragskompetenz für das Steuerwesen erhoben werden könnten (vgl.
BVerfGE 55, 274 <300 ff.>). Nicht-steuerliche Abgaben bedürfen daher - über die Einnahmeerzielung hinaus oder an deren
Stelle - einer besonderen sachlichen Rechtfertigung (vgl. BVerfGE 78, 249 <266 f.>). Sie müssen sich zudem ihrer Art nach
von der Steuer, die voraussetzungslos auferlegt und geschuldet wird (vgl. BVerfGE 55, 274 <298 f.>), deutlich
unterscheiden.
152
(2) Die Erhebung einer nicht-steuerlichen Abgabe muß der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen Rechnung tragen.
Der Schuldner einer nicht-steuerlichen Abgabe ist regelmäßig zugleich Steuerpflichtiger und wird als solcher schon zur
Finanzierung der die Gemeinschaft treffenden Lasten herangezogen (vgl. BVerfGE 55, 274 <302>). Neben dieser
steuerlichen Inanspruchnahme bedürfen nicht-steuerliche Abgaben, die den Einzelnen zu einer weiteren Finanzleistung
heranziehen, einer besonderen Rechtfertigung aus Sachgründen.
153
(3) Der Verfassungsgrundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans ist berührt, wenn der Gesetzgeber Einnahme- und
Ausgabekreisläufe außerhalb des Budgets organisiert. Der Grundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans zielt darauf
ab, das gesamte staatliche Finanzvolumen der Budgetplanung und -entscheidung von Parlament und Regierung zu
unterstellen. Dadurch soll gewährleistet werden, daß das Parlament in regelmäßigen Abständen den vollen Überblick über
das dem Staat verfügbare Finanzvolumen und damit auch über die dem Bürger auferlegte Abgabenlast erhält. Nur so
können Einnahmen und Ausgaben vollständig den dafür vorgesehenen Planungs-, Kontroll- und Rechenschaftsverfahren
unterworfen werden (vgl. BVerfGE 82, 159 <179>; 91, 186 <202>).
154
bb) Aus der Beachtung dieser Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung erklärt sich die bisherige
verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zu nicht-steuerlichen Abgaben. Das Bundesverfassungsgericht hat seit jeher
verschiedene Formen von Abgaben, die sich von der Steuer als voraussetzungslos geschuldeter Abgabe hinreichend
deutlich unterscheiden, für verfassungsrechtlich zulässig gehalten, für sie jedoch jeweils eine besondere sachliche
Rechtfertigung gefordert.
155
(1) Keinen grundsätzlichen Bedenken unterliegen die herkömmlichen nicht-steuerlichen Abgaben, die Gebühren und
Beiträge (vgl. BVerfGE 82, 159 <181>; 92, 91 <113>). Die Erhebung dieser sogenannten Vorzugslasten wird durch ihre
Ausgleichsfunktion legitimiert. So empfängt, wer eine öffentliche Leistung in Anspruch nimmt, einen besonderen Vorteil,
der es rechtfertigt, ihn zur Tragung der Kosten der öffentlichen Leistung heranzuziehen oder die durch die öffentliche
Leistung gewährten Vorteile ganz oder teilweise abzuschöpfen.
156
(2) Unbedenklich sind auch Abgaben, die auf der Inanspruchnahme eines Kompetenztitels beruhen, der bereits aus sich
heraus - wie etwa Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG - auch auf die Regelung der Finanzierung der in ihm bezeichneten Sachaufgaben
bezogen ist. Der Gesetzgeber kann sich seiner nicht bedienen, um dadurch Mittel für die Finanzierung allgemeiner
Staatsaufgaben aufzubringen (vgl. BVerfGE 75, 108 <148>).
157
(3) Strenge Anforderungen stellt das Bundesverfassungsgericht vor allem an die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von
Sonderabgaben, da diese eine große Ähnlichkeit mit Steuern aufweisen (vgl. BVerfGE 55, 274 <300 ff.&;t;; 67, 256 <275
ff.>; 82, 159 <179 ff.>). Die Auferlegung einer Sonderabgabe rechtfertigt sich letztlich aus einer spezifischen Sachnähe der
Abgabepflichtigen zu einer zu finanzierenden Sachaufgabe. Dies kommt sowohl in der Notwendigkeit einer besonderen
Finanzierungsverantwortung der Abgabepflichtigen für die Aufgabe als auch der einer gruppennützigen Verwendung der
Abgabe zum Ausdruck.
158
(4) Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht weitere Abgaben für mit der Verfassung vereinbar gehalten. So hat es die
Zulässigkeit der Abgabe nach dem Schwerbehindertengesetz mit deren Antriebs- und Ausgleichsfunktion begründet (vgl.
BVerfGE 57, 139 <169>; 67, 256 <277>). Die Zulässigkeit der Abgabe nach dem Gesetz über den Abbau der
Fehlsubventionen im Wohnungswesen (sogenannte Fehlbelegungsabgabe) ergab sich daraus, daß diese Abgabe der
Rückabwicklung von Subventionsvorteilen dient, die von der öffentlichen Hand gewährt wurden; sie steht mit diesen
Subventionsvorteilen in einem unlösbaren sachlichen Zusammenhang und wird mithin nicht voraussetzungslos als
selbständig belastende Abgabe erhoben (vgl. BVerfGE 78, 249 <267 f.>).
159
cc) Diese Rechtsprechung zeigt, daß es für die kompetenzrechtliche Zulässigkeit einer nicht-steuerlichen Abgabe nicht auf
deren begriffliche Zuordnung, sondern allein darauf ankommt, ob sie den Anforderungen standhält, die sich aus der
bundesstaatlichen Finanzverfassung ergeben. So ist die Zulässigkeit einer Abgabe nicht davon abhängig, ob sie sich den
gebräuchlichen Begriffen etwa der Gebühr oder des Beitrags einfügt. Es gibt, worauf der Senat schon in seinem Beschluß
vom 6. Februar 1979 (BVerfGE 50, 217 <225 f.>) hingewiesen hat, keinen verfassungsrechtlichen Gebührenbegriff, der
abschließend die als nicht-steuerliche Abgabe zulässigen Abgabearten definiert. Die in dem genannten Beschluß (a. a. O., S.
226) vorgenommene Umschreibung des Begriffs der Gebühr ist auf den zu entscheidenden Fall einer Verwaltungsgebühr
zugeschnitten und nicht als eine abschließende verfassungsrechtliche Definition zu verstehen. Fragen der Systematisierung
und Katalogbildung aufgrund bestehender Gesetze sind keine Verfassungsfragen.
160
b) Die Erhebung der Wasserentnahmeabgabe in Baden-Württemberg und Hessen genügt den finanzverfassungsrechtlichen
Anforderungen an eine nicht-steuerliche Abgabe.
161
aa) Wasserentnahmeentgelte der hier zu prüfenden Art gefährden nicht die Ordnungsfunktion der Finanzverfassung.
162
(1) Die Erhebung von Wasserentnahmeentgelten ist gegenüber dem Prinzip des Steuerstaates sachlich legitimiert. Es kann
dahinstehen, ob dies bereits aus der Lenkungsfunktion dieser Abgaben folgt. Jedenfalls ergibt sich die sachliche
Legitimation aus ihrem Charakter als Vorteilsabschöpfungsabgaben im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen
Nutzungsregelung. Knappe natürliche Ressourcen, wie etwa das Wasser, sind Güter der Allgemeinheit. Wird Einzelnen die
Nutzung einer solchen, der Bewirtschaftung unterliegenden Ressource (vgl. oben 1.), eröffnet, wird ihnen die Teilhabe an
einem Gut der Allgemeinheit verschafft (vgl. Murswiek, NuR 1994, 170 <175>). Sie erhalten einen Sondervorteil gegenüber
all denen, die das betreffende Gut nicht oder nicht in gleichem Umfang nutzen dürfen. Es ist sachlich gerechtfertigt, diesen
Vorteil ganz oder teilweise abzuschöpfen. Dieser Ausgleichsgedanke liegt auch der herkömmlichen Rechtfertigung der
Gebühr zugrunde (vgl. auch oben 3. a. bb. <1>).
163
(2) Wasserentnahmeentgelte lassen sich hinreichend scharf von Steuern unterscheiden, so daß die Regelungen in Art. 105
und 106 GG nicht durch ein "Wahlrecht" zwischen der Einführung von Steuern oder nicht-steuerlichen Abgaben zur
Disposition des Gesetzgebers gestellt werden (vgl. BVerfGE 55, 274 <302>).
164
Das Grundgesetz verwendet in den Art. 105 ff. den Begriff der Steuer, ohne ihn selbst zu definieren. Das
Bundesverfassungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß das Grundgesetz für den Begriff "Steuer" an
die Definition der Abgabenordnung anknüpft (vgl. zuletzt BVerfGE 67, 256 <282> m. w. N.). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 1.
Halbsatz AO - insoweit entsprechend § 1 Abs. 1 Satz 1 RAO - ist die fehlende Abhängigkeit von einer Gegenleistung für den
Steuerbegriff konstitutiv.
165
Wasserentnahmeentgelte sind demgegenüber gegenleistungsabhängig. Sie werden für eine individuell zurechenbare
öffentliche Leistung, die Eröffnung der Möglichkeit der Wasserentnahme, erhoben. Die Wasserentnahmeentgelte in Baden-
Württemberg und Hessen werden allerdings nach der tatsächlich entnommenen Wassermenge berechnet. Diese
Konstruktion der Abgabe bewirkt aber für die rechtliche Beurteilung keinen Unterschied: Abgeschöpft wird der in der
Eröffnung der Nutzungsmöglichkeit liegende Vorteil nicht nach seinem rechtlichen, sondern nach seinem tatsächlichen
Umfang. Da die Wasserentnahmeentgelte in Baden-Württemberg und Hessen allein für erlaubnispflichtige
Wassernutzungen erhoben werden (erlaubnisfreie Nutzungen sind abgabenfrei: § 17 a Abs. 2 Nr. 1 WG BaWü, § 1 Abs. 2 Nr.
1 a und b HGruwAG), bedarf es keiner Erörterung, ob Abgaben auch für Nutzungen erhoben werden dürften, die nicht
erlaubnispflichtig sind. Der Gegenleistungsbezug der Wasserentnahmeentgelte ergibt sich auch eindeutig aus dem
Abgabetatbestand. Die Abgaben auf die Entnahme von Wasser unterscheiden sich daher klar von der Steuer und lassen
deshalb die Finanzverfassung unberührt.
166
(3) Die für die Abgrenzung zur Steuer unerläßliche Abhängigkeit der Wasserentnahmeentgelte von einer Gegenleistung
bleibt allerdings nur erhalten, wenn deren Höhe den Wert der öffentlichen Leistung nicht übersteigt. Andernfalls würde die
Abgabe insoweit - wie die Steuer - "voraussetzungslos" erhoben. Sie diente dann nicht mehr nur der Abschöpfung eines dem
Abgabeschuldner zugewandten Vorteils, sondern griffe zugleich auf seine allgemeine Leistungsfähigkeit im Blick auf die
Finanzierung von Gemeinlasten zu. Das Heranziehen des Einzelnen zur Finanzierung von Gemeinlasten ist jedoch allein im
Wege der Steuer zulässig. Daß die Höhe der Wasserentnahmeentgelte den Wert der öffentlichen Leistung übersteigen
könnte, ist - selbst für den höchsten Satz der Grundwasserabgabe von DM 1,- je Kubikmeter (§ 3 Nr. 2 HGruwAG) - von den
Beschwerdeführerinnen nicht behauptet worden; es ist auch nicht ersichtlich.
167
(4) Die Rüge der Beschwerdeführerin zu 1., das baden-württembergische Wasserentnahmeentgelt diene in Wahrheit nicht
der Vorteilsabschöpfung, sondern der Finanzierung der Entschädigungszahlungen an die Landwirte wegen
Düngemittelbeschränkungen in Wasserschutzgebieten nach § 19 Abs. 4 WHG, läßt die finanzverfassungsrechtliche
Rechtfertigung der Abgabe nicht entfallen. Dies mag ein politisches Motiv für die Erhebung der Abgabe gewesen sein. Da
die Abgabe rechtlich nicht zweckgebunden ist, kommt es auf die Motive für ihre Einführung nicht an.
168
bb) Wasserentnahmeentgelte verletzen die Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen - vorbehaltlich ihrer
gleichheitskonformen Ausgestaltung im einzelnen - nicht, wenn, wie hier, mit ihrer Erhebung lediglich der dem
Abgabepflichtigen durch die Möglichkeit der Wasserentnahme zugewandte Vorteil (teilweise) abgeschöpft wird.
169
cc) Der Verfassungsgrundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans wird durch die Erhebung der
Wasserentnahmeentgelte nicht berührt. Das Aufkommen aus den Wasserentnahmeabgaben fließt sowohl in Baden-
Württemberg als auch in Hessen in den jeweiligen Landeshaushalt.
170
Zwar ist in § 6 Abs. 1 Satz 1 HGruwAG eine Zweckbindung des Aufkommens vorgesehen. Doch entbindet dies nicht von der
Pflicht, das Aufkommen in den Haushalt einzustellen. In der Praxis wird auch so verfahren (vgl. Bericht des Hessischen
Ministeriums für Umwelt, Energie und Bundesangelegenheiten an den Hessischen Landtag nach § 11 HGruwAG, Juli 1994,
Tabelle 17).
171
Die Zweckbindung von Einnahmen ist - jedenfalls in Einzelfällen - zulässig. Allgemein wird davon ausgegangen, daß dem
Grundsatz der Gesamtdeckung des Haushalts Verfassungsrang nicht zukommt (Vogel/Walter, Bonner Kommentar <1971>,
Art. 105 Rn. 44; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 1980, S. 1244; Kisker, Staatshaushalt, in:
Isensee/ Kirchhof , Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, 1990, § 89 ; vgl. auch BVerfGE 7, 244 <254>; 9,
291, <300>). Es kann dahinstehen, ob diese Auffassung uneingeschränkt zutrifft. Eine - möglicherweise
verfassungswidrige - Einengung der Dispositionsfreiheit des Haushaltsgesetzgebers könnte allenfalls dann angenommen
werden, wenn Zweckbindungen in unvertretbarem Ausmaß stattfänden. Dafür ist nichts ersichtlich.
II.
172
Die Erhebung von Wasserentnahmeabgaben durch die Länder Baden-Württemberg und Hessen verletzt die
Beschwerdeführerinnen auch materiell nicht in ihren Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG.
173
1. Die Ausgestaltung der Abgabesätze verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
174
a) Der Gleichheitssatz verbietet, wesentlich Gleiches ungleich, und gebietet, wesentlich Ungleiches entsprechend seiner
Eigenart ungleich zu behandeln. Dabei liegt es grundsätzlich in der Zuständigkeit des Gesetzgebers, diejenigen
Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will. Der
Gesetzgeber muß allerdings seine Auswahl sachgerecht treffen (vgl. BVerfGE 53, 313 <329>). Was dabei in Anwendung des
Gleichheitssatzes sachlich vertretbar oder sachfremd ist, läßt sich nicht abstrakt und allgemein feststellen, sondern stets
nur in bezug auf die Eigenart des konkreten Sachbereichs, der geregelt werden soll (vgl. BVerfGE 17, 122 <130>; 75, 108
<157>; 90, 145 <195 f.>; stRspr). Der normative Gehalt der Gleichheitsbindung erfährt daher seine Präzisierung jeweils im
Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs. Der Gleichheitssatz verlangt, daß eine vom Gesetz vorgenommene
unterschiedliche Behandlung sich - sachbereichsbezogen - auf einen vernünftigen oder sonstwie einleuchtenden Grund
zurückführen läßt (BVerfGE 75, 108 <157>).
175
b) Die Staffelung der Abgabesätze und die vorgesehenen Freistellungen von der Abgabe im hessischen
Grundwasserabgabengesetz genügen diesen Anforderungen.
176
aa) Die unterschiedliche Höhe der Abgabesätze für die öffentliche Wasserversorgung (seit 1994: 0,40 DM/m
3
) gegenüber
der betrieblichen Wasserversorgung (seit 1994: 0,80 DM/m
3
) nach § 3 Nr. 1 und Nr. 4 HGruwAG wird mit der Erwartung
gerechtfertigt, daß das qualitativ hochwertige Grundwasser schon um seiner selbst willen geschützt und vorrangig der
durch die öffentliche Wasserversorgung wahrgenommenen Trinkwasserversorgung vorbehalten werden solle (LTDrucks
13/1915, S. 8). Da die Trinkwasserversorgung auf hochwertiges Wasser angewiesen ist, ist es sachgerecht, ihr das
Grundwasser in erster Linie vorzubehalten.
177
Die Privilegierung der öffentlichen Wasserversorgung in der Abgabenhöhe führt auch nicht zu einer ungerechtfertigten
Bevorzugung der Unternehmen, die das Wasser für ihre betrieblichen Zwecke von der öffentlichen Wasserversorgung
beziehen. Zwar benötigen diese Unternehmen möglicherweise ebensowenig wie die gewerblich-industriellen Eigenförderer
hochwertiges Wasser. Die Letztgenannten erzielen jedoch - nach der Einschätzung des Gesetzgebers - durch die
Grundwasserentnahme erhebliche wirtschaftliche Vorteile, da die Kosten der eigenen Grundwasserförderung nur einen
Bruchteil der öffentlichen Wassergebühren betragen. Auch einschließlich der Grundwasserabgabe liegen die
Gestehungskosten für die Grundwassereigenförderung erheblich niedriger als die Gebühren für den Trinkwasserbezug aus
öffentlichen Netzen (LTDrucks 13/1915, S. 8, 9). Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen zu 2. ist der Staat nicht
von Verfassungs wegen verpflichtet, Standortvorteile, die auf einem ökologisch bedenklichen Umgang mit Gütern der
Allgemeinheit beruhen, auf Dauer zu erhalten.
178
bb) Die Belastung der Grundwasserentnahme zum Zwecke der betrieblichen Kühlwasserversorgung mit dem Höchstsatz
(seit 1994: 1,00 DM/m
3
) nach § 3 Nr. 2 HGruwAG ist sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber wollte die Verwendung von
Grundwasser für betriebliche Kühlwasserversorgung zurückdrängen, weil er sie für "ökologisch nicht vertretbar" ansieht
(vgl. LTDrucks 13/1075, S. 9). Diese Einschätzung ist nicht zu beanstanden. An Kühlwasser sind in der Regel keine hohen
Qualitätsanforderungen zu stellen, so daß die Nutzung hochwertigen Grundwassers für diesen Zweck unnötig ist. Auch
scheidet die Wiedereinleitung von Kühlwasser in den Grundwasserleiter in der Regel aus. Es ist daher sachgerecht, durch
einen hohen Abgabensatz einen besonders starken Anreiz dafür zu geben, diese Nutzung zu unterlassen oder doch
einzuschränken.
179
cc) Die Begünstigung der gewerblichen Fischzucht durch einen besonders niedrigen Abgabesatz (0,10 DM/m
3
) nach § 3
Nr. 3 HGruwAG stellt eine Subvention dar. In der Entscheidung darüber, welche Personen oder Unternehmen durch
finanzielle Zuwendungen des Staates gefördert werden sollen, ist der Gesetzgeber weitgehend frei. Zwar darf der Staat seine
Leistungen nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten, nicht "willkürlich" verteilen: Subventionen müssen sich
gemeinwohlbezogen rechtfertigen lassen, sollen sie vor dem Gleichheitssatz Bestand haben (vgl. BVerfGE 78, 249
<277 f.>). Sachbezogene Gesichtspunkte stehen jedoch dem Gesetzgeber in sehr weitem Umfang zu Gebote; solange die
Regelung sich auf eine der Lebenserfahrung nicht geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebensverhältnisse
stützt, insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist, kann sie
verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden (vgl. BVerfGE 17, 210 <216>; 22, 100 <103>). Die "generell
problematische Wettbewerbssituation" (LTDrucks 13/1915, S. 9) der gewerblichen Fischzucht ist ein hinreichender Grund,
um die Subventionsentscheidung zu rechtfertigen.
180
dd) Bei der völligen Freistellung der Grundwasserentnahme zum Zwecke der Beregnung von landwirtschaftlich oder
gartenbaulich genutzten Flächen von der Erhebung der Grundwasserabgabe nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 HGruwAG handelt es sich
ebenfalls um eine zulässige Subventionsentscheidung des Gesetzgebers, der insoweit "in verstärktem Maße" eine
problematische Wettbewerbs- situation gegeben sieht (LTDrucks 13/1915, S. 9).
181
ee) Daß in anderen Bundesländern kein oder ein geringeres Wasserentnahmeentgelt erhoben wird, führt schließlich
ebenfalls nicht zu einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Der Landesgesetzgeber ist innerhalb seines
Kompetenzbereiches prinzipiell nicht gehindert, von der Gesetzgebung anderer Länder abweichende Regelungen zu treffen,
auch wenn dadurch die Einwohner seines Landes im praktischen Ergebnis mehr belastet oder begünstigt werden. Dadurch
allein wird - wie das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat (vgl. BVerfGE 32, 346
<360>; 33, 224 <231> jew. m. w. N.) - der Gleichheitssatz nicht verletzt. Dieser verpflichtet den Landesgesetzgeber
grundsätzlich nur dazu, innerhalb des Landes auf Gleichbehandlung zu achten. Anlaß für eine Ausnahme von diesem
Grundsatz (vgl. BVerfGE 33, 303 <352>) besteht hier nicht.
182
c) Die Ausgestaltung der Abgabesätze und die Freistellungen von der Abgabe in Baden-Württemberg sind mit dem
allgemeinen Gleichheitssatz aus den nämlichen Gründen vereinbar.
183
aa) Die besonders hohe Belastung der Grundwasserentnahme gegenüber der Entnahme von Oberflächenwasser
berücksichtigt die besondere Schutzwürdigkeit des Grundwassers (LTDrucks 9/4237, S. 16).
184
bb) Die Freistellungen von der Erhebung des Wasserentnahmeentgelts nach § 17 a Abs. 2 Nr. 2 bis 5 WG BaWü stellen
zulässige Subventionsentscheidungen dar.
185
cc) Die Freistellung von Benutzungen, sofern die Wassermenge nicht mehr als 2000 Kubikmeter im Kalenderjahr beträgt (§
17 a Abs. 2 Nr. 6 WG BaWü), ist im Hinblick auf den Verwaltungsaufwand gerechtfertigt.
186
2. Eine Verletzung der papierproduzierenden Beschwerdeführerinnen zu 2. d), 2. e) und 2. f) in ihren Grundrechten aus Art.
12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG durch die gesetzliche Regelung scheidet schon deshalb aus, weil nach Maßgabe des § 1
Abs. 6 HGruwAG einzelne Gruppen von Abgabepflichtigen ganz oder teilweise von der Abgabepflicht befreit werden können.
Das Gesetz hat damit Vorsorge getroffen, daß die Abgabenlast gemindert oder aufgehoben werden kann, soweit sie sich als
unzumutbar erweist. Für den Fall, daß die Abgabeerhebung für einen einzelnen Abgabepflichtigen eine besondere Härte
bedeuten würde, kann nach § 1 Abs. 5 HGruwAG von der Zahlung der Abgabe ganz oder teilweise befreit werden.
Limbach
Böckenförde
Klein
Graßhof
Kruis
Winter
Seibert
Sommer