Urteil des BVerfG vom 05.05.2001

unschuldsvermutung, beweis des gegenteils, verfassungsbeschwerde, tatverdacht

- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Prof. Dr. Rainer Hamm und Koll.,
Wolfsgangstraße 92, 60322 Frankfurt am Main -
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BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 413/00 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn F...
gegen a) den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 5. November 1999 - 3 StE 7/94 - 1
(2) StB 1/99 -,
b) den Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 25. Februar
1999 - 5-3 StE 7/94 - 1 (2) - 8/94 -
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterin Präsidentin Limbach
und die Richter Hassemer,
Mellinghoff
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom
11. August 1993 ( BGBl I S. 1473) am 5. Mai 2001 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Auswirkungen der Unschuldsvermutung auf die
Auslagenentscheidung gemäß § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO.
I.
Das Oberlandesgericht stellte mit Beschluss vom 25. Februar 1999 ein gegen den
Beschwerdeführer wegen geheimdienstlicher Tätigkeit eröffnetes Hauptverfahren wegen
Verhandlungsunfähigkeit bzw. alsbald eintretender Verfolgungsverjährung ein. Es sah gemäß
§ 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO davon ab, die dem Beschwerdeführer entstandenen
notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Zur Begründung wies das Gericht
darauf hin, es stehe auf Grund der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung fest, dass der
Beschwerdeführer dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR vorsätzlich Tatsachen und
Erkenntnisse mitgeteilt und sich damit der geheimdienstlichen Agententätigkeit gemäß § 99
Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht habe. Den äußeren Tatablauf des Tatgeschehens habe
e r eingeräumt. Er habe nur bestritten, die Eigenschaft seiner Gesprächspartner als
Mitarbeiter des Ministeriums gekannt zu haben. Dies sei durch die Aussage einer Zeugin
widerlegt. Damit sei das Verfahren bis zur Schuldspruchreife gediehen. Weitere
Beweiserhebungen wären nur für die Aufklärung des Schuldumfangs erforderlich gewesen.
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Der Beschwerdeführer legte gegen die Versagung der Auslagenerstattung sofortige
Beschwerde ein. Die Schuldfeststellung verstoße gegen die Unschuldsvermutung. Es habe
keine Durchführung des Verfahrens bis zur Schuldspruchreife vorgelegen. Eine
Beschränkung
der
noch ausstehenden Beweiserhebungen auf die Frage des
Strafausspruchs wäre prozessordnungswidrig gewesen.
Der Bundesgerichtshof verwarf das Rechtsmittel des Beschwerdeführers, weil die
angefochtene Auslagenentscheidung nicht zu den im Katalog des § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO
aufgeführten Fallgestaltungen gehöre und deshalb nach dem Gesetzeswortlaut nicht
anfechtbar sei. Die Begründung des Beschlusses des Oberlandesgerichts verstoße
allerdings gegen die Unschuldsvermutung. Der Senat habe erwogen, ob deshalb die sofortige
Beschwerde ausnahmsweise für zulässig zu halten sei. Er könne diese Frage aber
unentschieden lassen, weil eine zulässige sofortige Beschwerde jedenfalls unbegründet wäre
und die Entscheidungsgründe des Beschlusses des Oberlandesgerichts durch die dafür
maßgeblichen Überlegungen relativiert würden. Eine Ermessensentscheidung nach § 467
Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO könne auf Grund des Tatverdachts ergehen. Die
Unschuldsvermutung schliesse es nicht aus, in einer das Strafverfahren ohne Schuldspruch
beendenden Entscheidung einen verbleibenden Tatverdacht zu bewerten. Allerdings müsse
dabei aus der Entscheidungsbegründung hervorgehen, dass es sich nicht um eine
gerichtliche Schuldfeststellung handele, sondern nur um die Bewertung einer Verdachtslage.
Wäre die sofortige Beschwerde zulässig, würde der Senat auf dieser Grundlage sein
Ermessen ebenfalls dahin ausüben, die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers nicht
der Staatskasse aufzuerlegen.
II.
1. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen seine
Rechte aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG. Die Unschuldsvermutung sei durch den
Beschluss des Oberlandesgerichts verletzt. Diese Vermutung zwinge zur vollständigen
Durchführung eines prozessordnungsgemäßen Verfahrens zu ihrer Widerlegung. Fehle es
daran, dürften Schuld nicht festgestellt und an eine Schuldfeststellung eine nachteilige
Rechtsfolgenentscheidung nicht geknüpft werden. Dies sei aber geschehen. Auch auf
Erwägungen zu einem bloßen Tatverdacht dürfe die Entscheidung gemäß § 467 Abs. 3 Satz
2 Nr. 2 StPO nicht gestützt werden.
Die Verletzung der Unschuldsvermutung bestehe auch nach der Entscheidung des
Bundesgerichtshofs fort, denn dieser habe den Beschluss des Oberlandesgerichts nicht
aufgehoben, sondern die sofortige Beschwerde als unzulässig betrachtet und eine eigene
Sachentscheidung nicht getroffen. Allein hypothetische Erwägungen seien nicht in der Lage,
eine Grundrechtsverletzung zu heilen; sie könnten eine Aufhebung der Entscheidung nicht
ersetzen, die erforderlich gewesen sei, auch wenn sich der Verfassungsverstoß lediglich aus
der Begründung der Entscheidung, nicht aus dem Tenor ergebe.
2. Die Hessische Staatskanzlei hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Der
Beschluss
des Oberlandesgerichts sei in seiner Begründung zwar mit der
Unschuldsvermutung unvereinbar, da darin vor Eintritt der Schuldspruchreife eine
abschließende Schuldfeststellung getroffen worden sei. Der Verfassungsverstoß sei
allerdings durch die klarstellenden Erwägungen des Bundesgerichtshofs im
Beschwerdeverfahren beseitigt worden. Es sei für den Wegfall der verfassungsrechtlichen
Beschwer unerheblich, dass der Bundesgerichtshof seine Feststellungen, mit denen er die
Verfassungsverletzung benannt habe, im Rahmen von Hilfserwägungen getroffen und nicht
in der Sache selbst entschieden habe. Im Übrigen hindere die Unschuldsvermutung nicht, in
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einer das Strafverfahren ohne förmlichen Schuldspruch beendenden Entscheidung einen
verbleibenden Tatverdacht festzustellen, zu bewerten und bei der Entscheidung über die
kostenrechtlichen Folgen zu berücksichtigen.
3. Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat eine Stellungnahme des Vorsitzenden des 3.
Senats
übersandt, der die mit der Verfassungsbeschwerde ebenfalls angegriffene
Beschwerdeentscheidung getroffen hat. Dieser weist darauf hin, dass nach Auffassung des
Senats der festgestellte Verfassungsverstoß durch die angegriffene Entscheidung korrigiert
worden sei. Dafür sei es ausreichend gewesen, in den Gründen der Entscheidung
festzustellen, dass der Beschwerdeführer nicht als der geheimdienstlichen Agententätigkeit
überführt anzusehen und zu bezeichnen sei. Einer ausdrücklichen Zulassung einer
Beschwerde in ausdehnender Auslegung des § 304 Abs. 4 Satz 2 2. Halbsatz StPO, die der
Senat erwogen habe, habe es deshalb nicht bedurft, weil die Auslagenentscheidung im
Ergebnis zutreffend gewesen sei und sich eine Beschwer nur aus den Gründen der
oberlandesgerichtlichen Entscheidung ergeben habe.
4. Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hält die Verfassungsbeschwerde für
nicht begründet, weil die Voraussetzungen für ihre Annahme nicht vorlägen. Ihr komme keine
grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu; der Verstoß gegen die
Unschuldsvermutung sei unmittelbar aus der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung
herzuleiten. Sie sei auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Grundrechte
angezeigt. Es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer auch im Fall einer
Zurückverweisung an das Ausgangsgericht keinen Erfolg haben würde; es sei zu erwarten,
dass sich das Oberlandesgericht die verfassungsrechtlich unbedenklichen Erwägungen des
Bundesgerichtshofs zu Eigen machen und die Auferlegung der Auslagen auf die Staatskasse
wiederum ablehnen werde. Von wesentlicher Bedeutung sei ferner, dass der
Bundesgerichtshof die Grundrechtsverletzung ausdrücklich festgestellt und den
Beschwerdeführer dadurch rehabilitiert habe. Die Verletzung der Grundrechte des
Beschwerdeführers habe nicht im Tenor, sondern in den Gründen der Entscheidung gelegen,
weshalb sie auch durch die Gründe der Prozessentscheidung des Bundesgerichtshofs habe
ausgeglichen werden können.
III.
Die
Verfassungsbeschwerde
wird
nicht
zur Entscheidung angenommen, da
Annahmegründe im Sinne des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die
Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Die
durch sie aufgeworfenen Fragen sind bereits durch die Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts ( BVerfGE 74, 358 ff.; 82, 106 ff.) geklärt. Ihre Annahme ist auch
nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Verfassungsrechte angezeigt. Die
Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg; den in der Begründung des
oberlandesgerichtlichen Beschlusses liegenden Verfassungsverstoß hat die Entscheidung
des Bundesgerichtshofs beseitigt.
1.
a)
Das
Bundesverfassungsgericht
hat mehrfach entschieden, dass die
Unschuldsvermutung eine besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips ist und deshalb
Verfassungsrang hat ( BVerfGE 74, 358 <370>; 8 2 , 106 <114 f.>). Sie erzwingt ein
prozessordnungsgemäßes Verfahren zum Beweis des Gegenteils, bevor wegen eines
Tatvorwurfs
Entscheidungen getroffen werden, die die Feststellung von Schuld
voraussetzen. Sie schützt den Beschuldigten vor Nachteilen, die Schuldspruch oder Strafe
gleichkommen, denen aber kein rechtsstaatliches prozessordnungsgemäßes Verfahren zur
Schuldfeststellung oder Strafbemessung vorausgegangen ist. Feststellungen zur Schuld des
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Angeklagten zu treffen, Schuld auszusprechen und Strafe zuzumessen, ist den
Strafgerichten erst erlaubt, wenn die Schuld des Angeklagten in dem mit rechtsstaatlichen
Garantien ausgestatteten, bis zum prozessordnungsgemäßen Abschluss durchgeführten
Strafverfahren nachgewiesen ist ( BVerfGE 82, 106 <116>). Erst die durchgeführte
Hauptverhandlung schafft die prozessual vorgesehenen Voraussetzungen dafür,
Feststellungen zur Schuld zu treffen und die Unschuldsvermutung gegebenenfalls zu
widerlegen ( BVerfGE 74, 358 <373>). Wird ein Strafverfahren beendet, ohne dass die
Hauptverhandlung bis zur Schuldspruchreife durchgeführt worden ist, so fehlt es an der
prozessordnungsgemäßen Grundlage für eine Erkenntnis der Schuld ( BVerfGE 82, 106
<116>).
b) Das Bundesverfassungsgericht hat unter diesen Maßstäben wiederholt beanstandet,
d a s s strafprozessuale
Entscheidungen
über
Kosten,
Auslagen
oder
Entschädigungsansprüche mit Feststellungen zur Schuld begründet waren, obwohl das
Verfahren nicht bis zur Schuldspruchreife - also bis zum letzten Wort des Angeklagten -
gediehen war ( BVerfGE 74, 358 <373>; 82, 106 <121 f.>; Beschluss der 2. Kammer des
Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 19. August 1987 - 2 BvR 815/84 -,
NStZ 1988, S. 84; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 1991 - 2 BvR 281/91 -, NStZ 1992, S. 238;
Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 25.
November 1991 - 2 BvR 1056/90 -, NJW 1992, S. 2011; Beschlüsse der 2. Kammer des
Zweiten Senats vom 16. Dezember 1991 - 2 BvR 1590/89 und 2 BvR 1542/90 -, NJW 1992,
S. 1611, 1612). Dabei können allein Schuldzuweisungen oder -feststellungen in den Gründen
eines das Strafverfahren einstellenden Beschlusses zur Feststellung eines selbständigen
Grundrechtsverstoßes führen ( BVerfGE 74, 358 <373 f.>; 82, 106 <116>).
c) Nach diesen Grundsätzen widerspricht der Beschluss des Oberlandesgerichts der im
Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes verankerten Unschuldsvermutung. Das
Oberlandesgericht hat in den Gründen seiner das Verfahren abschließenden Entscheidung
festgestellt, dass das Verfahren gegen den Beschwerdeführer für einen Schuldspruch gemäß
§ 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB reif gewesen sei, weitere Beweiserhebungen nur zur Aufklärung von
Einzelheiten seiner geheimdienstlichen Agententätigkeit erforderlich gewesen seien, und es
hat auf diese Erwägungen die Versagung des Auslagenersatzes gestützt. Darin liegt eine
Schuldfeststellung, die das Oberlandesgericht nicht hätte treffen dürfen, weil die
Hauptverhandlung nicht vollständig durchgeführt worden war und der Angeklagte nicht das
letzte Wort gehabt hatte.
2. a) Dieser Grundrechtsverstoß gegen die Unschuldsvermutung ist durch die
Beschwerdeentscheidung des Bundesgerichtshofs geheilt worden. Der Bundesgerichtshof
stellt ausdrücklich fest, dass die Ausführungen des Oberlandesgerichts gegen die
Unschuldsvermutung verstoßen. Zugleich hebt er heraus, dass der Beschwerdeführer nicht
a l s der Tat überführt angesehen und bezeichnet werden darf. Damit stellt er die
oberlandesgerichtlichen Feststellungen richtig und lässt die verfassungsrechtliche Beschwer
des Beschwerdeführers entfallen.
b) Die Grundrechtsverletzung durch das Oberlandesgericht wird allein durch die Gründe im
Beschluss des Bundesgerichtshofs ausgeglichen, ohne dass es einer Aufhebung der
Entscheidung oder einer Änderung des von Verfassungs wegen nicht zu beanstandenden
Tenors durch den Bundesgerichtshof bedurft hätte. Der Beschwerdeführer war lediglich
durch die Begründung des oberlandesgerichtlichen Beschlusses beschwert; eine für den
Beschwerdeführer nachteilige Auslagenentscheidung hätte nämlich nicht nur auf die
verfassungswidrigen Überlegungen des Oberlandesgerichts zur Überführung des
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Beschwerdeführers, sondern auch - worauf der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss
hingewiesen hat - vor Schuldspruchreife auf Erwägungen zum Tatverdacht gestützt werden
können. Fehlt es aber an einer Beschwer durch den Tenor, bedarf dieser keiner Korrektur
durch das Beschwerdegericht.
Soweit der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang eine für den Beschwerdeführer
nachteilige Auslagenentscheidung, einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansicht
folgend (vgl. OLG Karlsruhe, JR 1981, S. 38, 39; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl.,
§ 467, Rn. 16), für möglich erachtet hat, wenn wie im zu Grunde liegenden Fall nach weit
gehender Durchführung der Hauptverhandlung bei Eintritt eines Verfahrenshindernisses ein
auf die bisherige Beweisaufnahme gestützter erheblicher Tatverdacht besteht und keine
Umstände erkennbar sind, die bei Fortführung der Hauptverhandlung die Verdichtung des
Tatverdachts zur Feststellung der Tatschuld in Frage stellen würden, so steht dies im
Einklang mit ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Danach schließt die Unschuldsvermutung grundsätzlich nicht aus, in einer das
Strafverfahren ohne förmlichen Schuldspruch beendenden Entscheidung einen verbleibenden
Tatverdacht festzustellen und zu bewerten und dies bei der Entscheidung über die
kostenrechtlichen Folgen zu berücksichtigen. Rechtsfolgen, die keinen Strafcharakter haben,
können darum auch in einer das Verfahren abschließenden Entscheidung an einen
verbleibenden Tatverdacht geknüpft werden. Allerdings muss dabei aus der Begründung
deutlich hervorgehen, dass es sich nicht um eine gerichtliche Schuldfeststellung oder -
zuweisung handelt, sondern nur um die Beschreibung und Bewertung einer Verdachtslage.
Dieser Unterschied muss auch in der Formulierung der Gründe hinreichenden Ausdruck
finden. Dabei ist der Sinnzusammenhang der gesamten Entscheidungsgründe zu würdigen (
BVerfGE 82, 106 <117>). Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht in der
Vergangenheit auch Entscheidungen der Fachgerichte unbeanstandet gelassen, die den
Selbstbehalt der Auslagen angeordnet und diesen mit einem fortbestehenden Tatverdacht
begründet haben. Gegen diese Rechtsprechung erhobene Bedenken (vgl. zuletzt Hilger,
NStZ 2000, S. 332) greifen nicht durch. Weder die Feststellung des Tatverdachts als solche
noch
eine daran
anknüpfende
Kostenentscheidung
verstoßen
gegen
die
Unschuldsvermutung; Abgrenzungsschwierigkeiten und mögliche Probleme der Praxis bei
der Beschreibung der für die Auslagenentscheidung maßgeblichen Erwägungen können nicht
dazu führen, die Unschuldsvermutung bereits dann als verletzt anzusehen, wenn
Erwägungen zum Tatverdacht zur Versagung des Auslagenersatzes führen.
c) Bei dieser Beurteilung spielt es keine Rolle, dass der Bundesgerichtshof seine
Feststellungen nur im Rahmen von Hilfserwägungen getroffen und das Rechtsmittel des
Beschwerdeführers entsprechend § 304 Abs. 4 Satz 2 1. Halbsatz StPO als unzulässig
verworfen hat. Selbst wenn der Bundesgerichtshof im Hinblick auf den grundrechtlich
bedeutsamen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung die sofortige Beschwerde in
ausdehnender Auslegung des § 304 Abs. 4 Satz 2 2. Halbsatz StPO ausnahmsweise für
zulässig erachtet hätte, hätte er - worauf er ausdrücklich hingewiesen hat - der Beschwerde
nicht abgeholfen, sondern die angefochtene Entscheidung des Oberlandesgerichts
aufrechterhalten und auf die verfassungsrechtlich unbedenklichen Gründe gestützt, die er in
seiner jetzigen angegriffenen Entscheidung dargelegt hat. Ein bedeutsamer Unterschied, der
zu der Beurteilung zwingen würde, in den im Rahmen der Prozessentscheidung hilfsweise
anges tellten Erwägungen
liege
keine
Heilung
des
oberlandesgerichtlichen
Grundrechtsverstoßes durch den Bundesgerichtshof, ist nicht erkennbar.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3
BVerfGG).
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Limbach
Hassemer
Mellinghoff