Urteil des BVerfG vom 10.12.2001

politische partei, verfassungsbeschwerde, überprüfung, einfluss

- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Roland Meister und Koll.,
Am Zehnthof 219, 45307 Essen -
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BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 408/01 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD),
vertreten durch das Zentralkomitee, vertreten durch den Parteigeschäftsführer, G. ,
gegen a) das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 14. Dezember 2000 - 4 U
106/00 -,
b) das Urteil des Landgerichts Essen vom 30. Juni 2000 - 3 O 147/00 -
hat die 4. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterin Präsidentin Limbach
und die Richter Jentsch,
Di Fabio
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom
11. August 1993 ( BGBl I S. 1473) am 10. Dezember 2001 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
1.
Die
Beschwerdeführerin,
eine
politische Partei, wendet sich mit der
Verfassungsbeschwerde dagegen, dass sie fachgerichtlich verurteilt wurde, "wildes"
Plakatieren neben anderem auf Schaltkästen sowie Trafostationen der Klägerin des
Ausgangsverfahrens zu unterlassen.
2. Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde liegen nicht vor
(§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Ihr kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung
zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Rechte angezeigt (vgl.
BVerfGE 90, 22 <24 ff.>; 96, 245 <248 ff.>). Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist,
ist sie in der Sache ohne Aussicht auf Erfolg.
a) Eine Verletzung der Parteiengleichheit sowie des allgemeinen Willkürverbotes hat die
Beschwerdeführerin bereits nicht ordnungsgemäß dargelegt (§§ 23 Abs. 1, 92 BVerfGG).
b) Die Rüge der Beschwerdeführerin, das Oberlandesgericht habe im Rahmen der
vorgenommenen Abwägung die Bedeutung ihrer durch Art. 21 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten
Betätigungsfreiheit als politischer Partei verkannt, ist unbegründet.
In den Schutzbereich der Parteienfreiheit fällt auch der Straßenwahlkampf mit
Plakatwerbung, Informationsständen und Flugblattverteilung (Morlok in: Dreier ,
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Grundgesetz-Kommentar, 1998, Art. 21, Rn. 59). Die Werbung mit Plakaten ist nicht auf
Wahlkampfzeiten beschränkt, sondern generell ein Teil der Einflussnahme auf die politische
Willensbildung und damit von der Betätigungsfreiheit der politischen Parteien umfasst.
Insbesondere kleinere Parteien wie die Beschwerdeführerin, die in den Medien kaum Gehör
finden, bedürfen dieses Mittels, um Aufmerksamkeit zu erregen und ihre Meinung zu
verbreiten.
Im Rahmen der nur eingeschränkten Prüfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts
bei der Überprüfung der Auslegung und Anwendung des so genannten einfachen Rechts (vgl.
BVerfGE 18, 85 <92 f.>; stRspr, vgl. in neuerer Zeit Beschluss der 1. Kammer des Zweiten
Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Mai 1998 - 2 BvR 378/98 -, NVwZ-RR
1999, S. 217 <218>) begegnet die letztinstanzliche Entscheidung des Oberlandesgerichts
k einen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie lässt keine grundsätzlich unrichtige
Anschauung von Bedeutung und Tragweite des Rechts der politischen Parteien auf freie
Betätigung erkennen; insbesondere hat das Oberlandesgericht nicht verkannt, dass sich die
Beschwerdeführerin auf ihr Recht auf Betätigungsfreiheit aus Art. 21 Abs. 1 GG berufen
kann. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts führt jedoch nicht zu einem faktischen
Verbot der Plakatwerbung, da die Inanspruchnahme ihrem Einfluss unterliegender Personen
für die Beschwerdeführerin keine unzumutbare Belastung darstellt.
Eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 GG ist nicht ersichtlich. Selbst wenn dieses - unter einem
Gesetzesvorbehalt stehende (Art. 5 Abs. 2 GG) - Grundrecht auf Meinungsäußerung einer
Partei durch Plakate anwendbar wäre, so könnte es keinen weiter gehenden Schutz bieten
als die vorbehaltlos gewährleistete Parteienfreiheit aus Art. 21 Abs. 1 GG (vgl. Morlok in:
Dreier , Grundgesetz-Kommentar, 1998, Art. 21, Rn. 50, 55; Ipsen in: Sachs
; Grundgesetz, 2. Aufl., 1999, Art. 21, Rn. 44 ff.).
Von einer weiter gehenden Begründung wird nach § 93d Abs. 1 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Limbach
Jentsch
Di Fabio