Urteil des BVerfG vom 17.06.2004

partg, rechenschaftsbericht, politische partei, chancengleichheit

- Bevollmächtigte:
1. Professor Dr. Jörn Ipsen,
Luisenstraße 41, 49565 Bramsche,
2. Rechtsanwälte Dr. Christofer Lenz und Dr. Jens Kaltenborn, Oppenländer
Rechtsanwälte, Altenbergstraße 3, 70180 Stuttgart -
L e i t s a t z
zum Beschluss des Zweiten Senats vom 17. Juni 2004
- 2 BvR 383/03 -
Zu den Rechtsfolgen fehlerhafter Rechnungslegung einer Partei gemäß Art. 21 Abs. 1
GG.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 383/03 -
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der Christlich Demokratischen Union Deutschlands, Bundesverband,
vertreten durch die Bundesvorsitzende Dr. Angela Merkel,
Klingelhöferstraße 8, 10785 Berlin,
gegen a) den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Februar 2003 -
BVerwG 6 B 68.02 -,
b) das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 12. Juni 2002 - OVG
3 B 2.01 -,
c) mittelbar: § 19 Abs. 4 Satz 3 Parteiengesetz in der Fassung der
Bekanntmachung vom 31. Januar 1994 (BGBl I S. 149)
hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat – unter Mitwirkung der
Richterinnen und Richter
Vizepräsident Hassemer,
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Jaeger,
Broß,
Osterloh,
Di Fabio,
Mellinghoff,
Lübbe-Wolff
am 17. Juni 2004 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
A.
Die Beschwerdeführerin erstrebt im Rahmen der Parteienfinanzierung die
Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, bei der Festsetzung der staatlichen
Mittel für das Jahr 1999 auch diejenigen Zuwendungen zu berücksichtigen, die sie im
Jahr 1998 erhalten hat. Sie wendet sich mit der Verfassungsbeschwerde primär
gegen das Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 12. Juni 2002
(NJW 2002, S. 2896), mit dem das ihr günstige Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin
vom 31. Januar 2001 (NJW 2001, S. 1367) geändert und ihre Klage abgewiesen
worden ist. Darüber hinaus greift sie den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts
vom 4. Februar 2003 (NJW 2003, S. 1135) an, mit dem ihre Beschwerde gegen die
Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts zurückgewiesen
worden ist.
I.
Die für die Festsetzung staatlicher Mittel im Rahmen der Parteienfinanzierung für
das Rechnungsjahr 1999 zu Grunde zu legenden Bestimmungen des
Parteiengesetzes
hatten nach der insoweit maßgeblichen Fassung der
Bekanntmachung vom 31. Januar 1994 (BGBl I S. 149) folgenden Wortlaut:
Vierter Abschnitt
Staatliche Finanzierung
§ 18
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Grundsätze und Umfang der staatlichen Finanzierung
(1) Der Staat gewährt den Parteien Mittel als Teilfinanzierung der
allgemein ihnen nach dem Grundgesetz obliegenden Tätigkeit. ...
(2) Das jährliche Gesamtvolumen staatlicher Mittel, das allen
Parteien höchstens ausgezahlt werden darf, beträgt im Zeitpunkt des
Inkrafttretens der Regelung 230 Millionen Deutsche Mark (absolute
Obergrenze).
(3) Die Parteien erhalten jährlich im Rahmen der staatlichen
Teilfinanzierung
1. eine Deutsche Mark für jede für ihre jeweilige Liste abgegebene
gültige Stimme oder
2. eine Deutsche Mark für jede für sie in einem Wahl- oder
Stimmkreis abgegebene gültige Stimme ..., und
3. 0,50 Deutsche Mark für jede Deutsche Mark, die sie als
Zuwendung (Mitgliedsbeitrag oder rechtmäßig erlangte Spende)
erhalten haben; ...
(4) ...
(5) Die Höhe der staatlichen Teilfinanzierung darf bei einer Partei
die Summe ihrer jährlich selbst erwirtschafteten Einnahmen (§ 24
Abs. 2 Nr. 1 bis 5 und 7) nicht überschreiten (relative Obergrenze).
Die Summe der Finanzierung aller Parteien darf die absolute
Obergrenze nicht überschreiten.
(6) - (8) ...
§ 19
Festsetzungsverfahren
(1) Die Festsetzung und die Auszahlung der staatlichen Mittel
sind von den Parteien schriftlich zum 30. September des
jeweils laufenden Jahres beim Präsidenten des Deutschen
Bundestages zu beantragen. Danach eingehende Anträge bleiben
unberücksichtigt.
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(2) Der Präsident des Deutschen Bundestages setzt jährlich zum
1. Dezember die Höhe der staatlichen Mittel für jede
anspruchsberechtigte Partei für das laufende Jahr fest.
(3) ...
(4) Liegt der Rechenschaftsbericht einer Partei für das
vorangegangene Jahr nicht so rechtzeitig vor, dass er für die
Festsetzung nach Absatz 2 berücksichtigt werden kann, werden die
Zuwendungen aus dem zuletzt vorgelegten Rechenschaftsbericht
vorläufig zu Grunde gelegt. Die endgültige Festsetzung erfolgt nach
Vorlage des Rechenschaftsberichts für das vorangegangene Jahr.
Wi rd dieser bis zum 31. Dezember des laufenden Jahres nicht
eingereicht,
erfolgt
die
endgültige
Festsetzung
ohne
Berücksichtigung der Zuwendungen an die Partei, die ihren
Rechenschaftsbericht nicht eingereicht hat. Die sich zwischen der
vorläufigen und der endgültigen Festsetzung ergebenden
Unterschiedsbeträge sind mit der nächsten Abschlagszahlung an
die Parteien zu verrechnen oder, wenn keine Verrechnungslage
gegeben ist, auszugleichen.
(5) Der Berechnung der relativen Obergrenze (§ 18 Abs. 5) sind die
in den Rechenschaftsberichten des jeweils vorangegangenen
Jahres veröffentlichten selbst erwirtschafteten Einnahmen zu Grunde
zu legen.
(6) Bei der Festsetzung ist zunächst die absolute Obergrenze (§ 18
Abs. 2) und sodann für jede Partei die relative Obergrenze (§ 18
Abs. 5) einzuhalten. Überschreitet die Summe der errechneten
staatlichen Mittel die absolute Obergrenze, besteht der Anspruch der
Parteien auf staatliche Mittel nur in der Höhe, der ihrem Anteil an
dieser Summe entspricht.
(7) - (8) ...
§ 20
Abschlagszahlungen
(1) Den anspruchsberechtigten Parteien sind auf Antrag
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Abschlagszahlungen auf den vom Präsidenten des
Deutschen Bundestages festzusetzenden Betrag zu gewähren. ...
(2) ...
(3) Die Abschlagszahlungen sind zurückzuzahlen, soweit sie den
festgesetzten Betrag überschreiten oder ein Anspruch nicht
entstanden ist.
(4) ...
Fünfter Abschnitt
Rechnungslegung
§ 23
Pflicht zur öffentlichen Rechenschaftslegung
(1) Der Vorstand der Partei hat über die Herkunft
und die Verwendung der Mittel, die seiner Partei
innerhalb eines Kalenderjahres (Rechnungsjahr) zugeflossen sind,
sowie über das Vermögen der Partei zum Ende des Kalenderjahres
in einem Rechenschaftsbericht öffentlich Rechenschaft zu geben.
(2) Der Rechenschaftsbericht muss vor einem Wirtschaftsprüfer oder
einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nach den Vorschriften der
§§ 29 bis 31 geprüft werden. ... Er ist bis zum 30. September des
dem Rechnungsjahr folgenden Jahres beim Präsidenten des
Deutschen
Bundestages einzureichen und von diesem als
Bundestagsdrucksache zu verteilen. Der Präsident des Deutschen
Bundestages kann die Frist aus besonderen Gründen bis zu drei
Monaten verlängern. ...
(3) Der Präsident des Deutschen Bundestages prüft, ob der
Rechenschaftsbericht den Vorschriften des Fünften Abschnittes
entspricht. ...
(4) Der Präsident des Deutschen Bundestages darf staatliche Mittel
für eine Partei nach den §§ 18 und 19 nicht festsetzen, solange ein
den
Vorschriften
des Fünften Abschnitts entsprechender
Rechenschaftsbericht nicht eingereicht worden ist. Maßgeblich für
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Zahlungen nach § 18 ist jeweils der für das vorangegangene Jahr
vorzulegende Rechenschaftsbericht, für Zahlungen nach § 20
jeweils
der
im
vorangegangenen
Jahr
vorgelegte
Rechenschaftsbericht. Hat eine Partei diesen Rechenschaftsbericht
bis zum 31. Dezember des folgenden Jahres nicht eingereicht,
verliert sie den Anspruch auf staatliche Mittel; die Festsetzungen und
.
(5) ...
§ 23a
Rechtswidrig erlangte Spenden
(1) Hat eine Partei Spenden rechtswidrig erlangt oder nicht
den
Vorschriften
dieses
Gesetzes entsprechend im
Rechenschaftsbericht veröffentlicht (§ 25 Abs. 2), so verliert sie den
Anspruch auf staatliche Mittel in Höhe des zweifachen des
rechtswidrig erlangten oder nicht den Vorschriften dieses Gesetzes
entsprechend
veröffentlichten
Betrages.
Die
rechtswidrig
angenommenen Spenden sind an das Präsidium des Deutschen
Bundestages abzuführen.
(2) - (4) ...
§ 24
Rechenschaftsbericht
(1) Der Rechenschaftsbericht besteht aus einer Einnahmen-
und
Ausgabenrechnung
sowie
aus
einer
Vermögensrechnung. Er ist nach den Grundsätzen der
ordnungsgemäßen Buchführung unter Berücksichtigung des
Gesetzeszweckes zu erstellen. In den Rechenschaftsbericht der
Gesamtpartei sind die Rechenschaftsberichte jeweils getrennt nach
Bundesverband
und
Landesverband
sowie
die
Rechenschaftsberichte der nachgeordneten Gebietsverbände je
Landesverband aufzunehmen. ...
(2) Die Einnahmerechnung umfasst:
1. Mitgliedsbeiträge und ähnliche regelmäßige Beiträge,
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2. Spenden von natürlichen Personen,
3. Spenden von juristischen Personen,
4. Einnahmen aus Vermögen,
5. Einnahmen aus Veranstaltungen, Vertrieb von
Druckschriften und Veröffentlichungen und
sonstiger mit Einnahmen verbundener Tätigkeit,
6. staatliche Mittel,
7. sonstige Einnahmen,
8. Zuschüsse von Gliederungen,
9. Gesamteinnahmen nach den Nummern 1 bis 8.
(3) Die Ausgaberechnung umfasst:
1. Personalausgaben,
2.
Ausgaben
des
laufenden
Geschäftsbetriebes,
3. Ausgaben für allgemeine politische Arbeit,
4. Ausgaben für Wahlkämpfe,
5. Zinsen,
6. sonstige Ausgaben,
7. Zuschüsse an Gliederungen,
8. Gesamtausgaben nach den Nummern 1 bis 7.
(4) Die Vermögensrechnung umfasst:
1. Besitzposten:
I. Anlagevermögen:
1.
Haus-
und
Grundvermögen,
2. Geschäftsstellenausstattung,
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3. Finanzanlagen;
II. Umlaufvermögen:
1. Forderungen an Gliederungen,
2. Forderungen auf staatliche Mittel,
3. Geldbestände,
4. sonstige Vermögensgegenstände;
III. Gesamtbesitzposten;
2. Schuldposten:
I. Rückstellungen:
1.
Pensionsverpflichtungen,
2. sonstige Rückstellungen;
II. Verbindlichkeiten:
1. Verbindlichkeiten gegenüber Gliederungen,
2. Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten,
3. sonstige Verbindlichkeiten;
III. Gesamte Schuldposten;
3. Reinvermögen (positiv oder negativ).
(5) - (9) ...
§ 25
Spenden
(1)
Parteien
sind
berechtigt, Spenden
anzunehmen. Ausgenommen hiervon sind:
1. - 6. ...
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(2) Spenden an eine Partei oder einen oder mehrere ihrer
Gebietsverbände, deren Gesamtwert in einem Kalenderjahr
(Rechnungsjahr) 20.000 Deutsche Mark übersteigt, sind unter
Angabe des Namens und der Anschrift des Spenders sowie der
Gesamthöhe der Spende im Rechenschaftsbericht zu verzeichnen.
(3) ...
§ 27
Einzelne Einnahmearten
(1) ...
(2) Bei den in § 24 Abs. 2 Nr. 4 und 5 genannten
Einnahmequellen ist der Reinertrag einzusetzen. Die
Ausweisungspflicht nach § 24 Abs. 2 Nr. 2 und 3 und Abs. 5 bleibt
unberührt. Sonstige Einnahmen nach § 24 Abs. 2 Nr. 7 sind
aufzugliedern und zu erläutern, soweit sie bei einer der in § 24 Abs.
1 aufgeführten Gliederungen mehr als 5 vom Hundert der Summe
der Einnahme aus den Nummern 1 bis 6 ausmachen.
(3) ...
§ 28
Pflicht zur Buchführung
Die Parteien haben Bücher über ihre rechenschaftspflichtigen
Einnahmen und Ausgaben sowie über ihr Vermögen zu
führen. Dabei ist nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer
Buchführung unter Berücksichtigung des Gesetzeszweckes zu
verfahren. Die Rechnungsunterlagen sind sechs Jahre, Bücher,
Bilanzen und Rechenschaftsberichte zehn Jahre aufzubewahren.
Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit Ablauf des Rechnungsjahres.
§ 29
Prüfung des Rechenschaftsberichts
(1) Die Prüfung nach § 23 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 erstreckt sich
auf die Bundespartei, ihre Landesverbände sowie nach Wahl des
Prüfers auf mindestens vier nachgeordnete Gebietsverbände.
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(2) Der Prüfer kann von den Vorständen und den von ihnen dazu
ermächtigten Personen alle Aufklärungen und Nachweise
verlangen, welche die sorgfältige Erfüllung seiner Prüfungspflicht
erfordert. Es ist ihm insoweit auch zu gestatten, die Unterlagen für
die Zusammenstellung des Rechenschaftsberichts, die Bücher und
Schriftstücke sowie die Kassen- und Vermögensbestände zu prüfen.
(3) Der Vorstand des zu prüfenden Gebietsverbandes hat dem Prüfer
schriftlich zu versichern, dass in dem Rechenschaftsbericht alle
rechenschaftspflichtigen
Einnahmen,
Ausgaben
und
Vermögenswerte erfasst sind. Auf die Versicherung der Vorstände
nachgeordneter Gebietsverbände kann Bezug genommen werden.
Es genügt die Versicherung des für die Finanzangelegenheiten
zuständigen Vorstandsmitgliedes.
§ 30
Prüfungsbericht und Prüfungsvermerk
(1) Das Ergebnis der Prüfung ist in einem schriftlichen
Prüfungsbericht niederzulegen, der dem Vorstand der Partei und
dem Vorstand des geprüften Gebietsverbandes zu übergeben ist.
(2) Sind nach dem abschließenden Ergebnis der Prüfung keine
Einwendungen zu erheben, so hat der Prüfer durch einen Vermerk
zu bestätigen, dass nach pflichtgemäßer Prüfung auf Grund der
Bücher und Schriften der Partei sowie der von den Vorständen
erteilten Aufklärungen und Nachweise der Rechenschaftsbericht in
dem geprüften Umfang (§ 29 Abs. 1) den Vorschriften dieses
Gesetzes entspricht. Sind Einwendungen zu erheben, so hat der
Prüfer in seinem Prüfungsvermerk die Bestätigung zu versagen oder
einzuschränken. Die geprüften Gebietsverbände sind im
Prüfungsvermerk namhaft zu machen.
(3) ...
II.
1. a) Die Beschwerdeführerin beantragte mit Schreiben vom 4. Januar 1999 die
Festsetzung und Auszahlung staatlicher Mittel aus der Parteienfinanzierung für das
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Jahr 1999 und reichte am 30. September 1999 den Rechenschaftsbericht für das Jahr
1998 ein. Mit Bescheid vom 24. November 1999 setzte der Präsident des Deutschen
Bundestages in seiner Funktion als mittelverwaltende Stelle (vgl. § 21 Abs. 2 PartG)
die auf die Beschwerdeführerin entfallenden staatlichen Mittel für das Jahr 1999
vorbehaltlich der noch nicht vorgelegten Rechenschaftsberichte der anderen
anspruchsberechtigten Parteien auf 76.594.112,55 DM fest und überwies ihr nach
Abzug der bereits geleisteten Abschlagszahlungen einen Betrag von
17.741.168,14 DM. Am 30. Dezember 1999 reichte die Beschwerdeführerin einen
geänderten Rechenschaftsbericht für das Jahr 1998 ein. Die Änderung betraf
Mittelzuflüsse noch ungeklärter Herkunft im Zeitraum von 1993 bis 1998 in Höhe von
rund 2,4 Millionen DM, die in den Rechenschaftsberichten nicht zutreffend
berücksichtigt worden waren.
b) Am 14. Januar 2000 wurde bekannt, dass der Landesverband Hessen der
Beschwerdeführerin Ende 1983 ein Guthaben von 20,8 Millionen DM in die Schweiz
transferiert, dort angelegt und 1993 in eine Stiftung mit dem Namen "Zaunkönig" in
Liechtenstein eingebracht hatte. Dieses Vermögen und die Erträge hieraus flossen in
den Folgejahren in den Landesverband Hessen zurück, wo sie zum Teil als sonstige
Einnahmen verbucht, später wahrheitswidrig als Vermächtnisse von jüdischen
Mitbürgern deklariert oder für Wahlkampfzwecke sowie sonstige Anschaffungen und
Aktivitäten verbraucht wurden. Der im Jahr 1998 hiervon noch vorhandene
Vermögensbestand des Landesverbandes in Höhe von rund 18 Millionen DM war
weder in dem Rechenschaftsbericht vom 30. September 1999 noch in der korrigierten
Version vom 30. Dezember 1999 ausgewiesen. Mit Schreiben vom 28. Januar 2000
berichtigte die Beschwerdeführerin den Rechenschaftsbericht für das Jahr 1998 um
ein Reinvermögen ihres Landesverbandes Hessen in Höhe von rund 18,2 Millionen
DM.
c) Nachdem die Beschwerdeführerin Gelegenheit hatte, ihre Rechtsauffassung mit
Schreiben vom 12. Februar 2000 nochmals darzulegen, setzte der Präsident des
Deutschen Bundestages mit Bescheid vom 14. Februar 2000 die staatlichen Mittel für
die Beschwerdeführerin endgültig auf 35.246.225,13 DM mit der Begründung fest,
Zuwendungen an die Gesamtpartei dürften gemäß § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG nicht
berücksichtigt werden, weil die Beschwerdeführerin bis zum 31. Dezember 1999
keinen inhaltlich richtigen, den Vorschriften des Fünften Abschnitts des
Parteiengesetzes entsprechenden Rechenschaftsbericht für das Jahr 1998
eingereicht habe. Auf den Unterschiedsbetrag zwischen den auf Grund vorläufiger
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Festsetzung geleisteten Zahlungen und dem sich auf Grund endgültiger Festsetzung
ergebenden Betrag in Höhe von 41.347.887,42 DM rechnete er die erste
Abschlagszahlung an die Beschwerdeführerin für das Jahr 2000 in Höhe von
5.499.850,53 DM an und forderte im Übrigen 35.848.036,89 DM zurück.
Die der Beschwerdeführerin verweigerten Mittel wurden durch weitere Bescheide
vom 14. Februar 2000 auf die sonstigen dem Grunde nach anspruchsberechtigten
Parteien verteilt. Dadurch ergaben sich für die übrigen anspruchsberechtigten
Parteien höhere Gesamtbeträge.
2. Die Beschwerdeführerin erhob gegen den Bescheid des Präsidenten des
Deutschen Bundestages vom 14. Februar 2000 Klage. Sie begehrte die Verpflichtung
der Bundesrepublik Deutschland, die Mittel der staatlichen Parteienfinanzierung für
das Jahr 1999 zu ihren Gunsten um 41.034.825,23 DM zu erhöhen. Ferner focht sie
die an die übrigen anspruchsberechtigten Parteien ergangenen Bescheide an, soweit
diese höhere Gesamtbeträge zu deren Gunsten ausweisen. Das Verwaltungsgericht
gab der Klage statt und verpflichtete den Präsidenten des Deutschen Bundestages,
z u Gunsten der Beschwerdeführerin einen zusätzlichen Betrag an staatlicher
Teilfinanzierung in der beantragten Höhe festzusetzen.
3. Auf die hiergegen zugelassene Berufung änderte das Oberverwaltungsgericht mit
der nunmehr angegriffenen Entscheidung das Urteil des Verwaltungsgerichts und
wies die Klage ab. Es folgte der Auffassung des Präsidenten des Deutschen
Bundestages, dass der von der Beschwerdeführerin für das Jahr 1998 fristgerecht
vorgelegte Rechenschaftsbericht unrichtig gewesen sei, weil er das ins Ausland
verbrachte Vermögen des Landesverbandes Hessen in Höhe von rund 18,2 Millionen
DM nicht ausgewiesen habe. Der Rechenschaftsbericht habe daher nicht den
Vorschriften des Fünften Abschnitts des Parteiengesetzes entsprochen.
a) Die Verpflichtung der Parteien, einen den Vorschriften des Fünften Abschnitts des
Parteiengesetzes (§§ 23 bis 31) entsprechenden Rechenschaftsbericht einzureichen,
folge aus § 23 Abs. 4 Satz 1 PartG 1994, der bestimme, dass der Präsident des
Deutschen Bundestages staatliche Mittel für eine Partei nach § 18 und § 19 PartG
nicht festsetzen dürfe, solange ein den genannten Vorschriften entsprechender
Rechenschaftsbericht nicht eingereicht sei. Nur ein materiell richtiger
Rechenschaftsbericht entspreche den Vorschriften des Fünften Abschnitts des
Parteiengesetzes. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des § 23 Abs. 4 Satz 1
PartG, der die Vorlage nicht nur eines Rechenschaftsberichts, sondern eines den
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Vorschriften des Fünften Abschnitts entsprechenden Berichts verlange und damit auf
die dort enthaltenen Normen Bezug nehme. Diese regelten mehr als die an einen
Rechenschaftsbericht zu stellenden formalen Anforderungen.
So sei der Rechenschaftsbericht gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 PartG 1994 nach den
Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchführung unter Berücksichtigung des
Gesetzeszwecks zu erstellen. Zu den Grundsätzen der ordnungsgemäßen
Buchführung gehörten auch die Richtigkeit (vgl. § 239 Abs. 2, § 243 Abs. 1, § 264
Abs. 2 Satz 1 HGB) und Vollständigkeit (vgl. § 239 Abs. 2, § 246 Abs. 1 HGB) des
Jahresabschlusses.
Zu berücksichtigen sei des Weiteren der Zweck des
Parteiengesetzes, die Durchsetzung des Transparenzgebots des Art. 21 Abs. 1 Satz
4 GG, das die Parteien verpflichte, über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel
sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft zu geben. Entsprechendes
schreibe auch § 23 Abs. 1 PartG einfach-rechtlich vor. All diese Ziele seien nur durch
einen materiell richtigen Rechenschaftsbericht zu erreichen. Für das Erfordernis
materieller Richtigkeit des Rechenschaftsberichts sprächen ferner auch die seine
Prüfung betreffenden Vorschriften (vgl. § 23 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 PartG
1994).
Die
Notwendigkeit
eines
materiell
richtigen Rechenschaftsberichts als
Voraussetzung einer Mittelbewilligung gemäß § 23 Abs. 4 Satz 1 PartG 1994 habe
Auswirkungen auch auf die Auslegung weiterer im Zusammenhang mit der
Bewilligung stehender Vorschriften, vor allem des die Folgen einer nicht
fristgerechten Vorlage des Rechenschaftsberichts regelnden § 19 Abs. 4 Satz 3 und
des § 23 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994. Der Begriff des Rechenschaftsberichts in § 19
Abs. 4 Satz 3 und § 23 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 sei derselbe wie in § 23 Abs. 4 Satz
1 PartG 1994. Dies ergebe sich bereits aus der Gesetzesformulierung. § 23 Abs. 4
Satz 1 PartG verweise ausdrücklich auf § 19 PartG, wenn er bestimme, dass
staatliche Mittel nach § 18 und § 19 PartG nicht festgesetzt werden dürften, solange
ein den Vorschriften des Fünften Abschnitts entsprechender Rechenschaftsbericht
nicht eingereicht sei.
Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG verlange keinen uneingeschränkt richtigen und
vollständigen Rechenschaftsbericht. Vielmehr erlaube die in Art. 21 Abs. 3 GG
eröffnete Regelungsbefugnis dem Gesetzgeber gewisse Einschränkungen der
Offenlegungspflicht, die allerdings ihrerseits mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift
vereinbar sein müssten. Sinn und Zweck des Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG sei die
Unterrichtung der Wähler, der Mitglieder der eigenen Partei und der konkurrierenden
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Parteien über die zur Verfügung stehenden Mittel und Grundlagen der Finanzierung.
Hiervon ausgehend könnten bei der Rechnungslegung gemäß §§ 23 ff. PartG Fehler
außer Betracht bleiben, die für das Informationsinteresse der genannten
Personengruppen nicht von Belang und damit unwesentlich seien. Was von Belang
sei, entziehe sich allerdings einer starren prozentualen Festlegung. Es sei vielmehr
jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der
Rechenschaftspflicht
der
Parteien
zu entscheiden, ob ein Fehler im
Rechenschaftsbericht dazu führe, dass dieser nicht den Vorschriften des Fünften
Abschnitts des Parteiengesetzes entspreche. Bei dieser Entscheidung habe der
Präsident des Deutschen Bundestages weder einen Beurteilungs- noch einen
Ermessensspielraum. Seine Entscheidung sei in vollem Umfang gerichtlich
überprüfbar.
Gegen § 19 Abs. 4 Satz 3 und § 23 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 bestünden auch keine
verfassungsrechtlichen Bedenken. Der teilweise oder gänzliche Anspruchsverlust bei
nicht fristgerechter Vorlage eines materiell richtigen Rechenschaftsberichts stelle
k e i n e n Eingriff in einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf staatliche
Teilfinanzierung dar. Ein solcher Anspruch bestehe nicht. Dementsprechend komme
§ 19 Abs. 4 Satz 3 und § 23 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 auch kein Eingriffscharakter zu.
Diese Vorschriften regelten vielmehr im Rahmen der Leistungsverwaltung die Folgen,
die sich ergäben, wenn die Bewilligungsvoraussetzung, einen materiell richtigen
Rechenschaftsbericht einzureichen, nicht fristgerecht erfüllt werde. Eine Sanktion im
Sinne einer Strafe sei damit nicht verbunden. Infolgedessen komme es auch auf die
Frage der Verfassungsmäßigkeit verschuldensunabhängiger Sanktionen nicht an.
Ferner sei der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien, der auch für die
Gewährung staatlicher Finanzierungshilfen gelte, nicht verletzt. Der Gesetzgeber
habe im Parteiengesetz die Voraussetzungen für die Bewilligung staatlicher Mittel für
alle Parteien einheitlich geregelt. Sie hänge unter anderem von der fristgerechten
Einreichung eines materiell richtigen Rechenschaftsberichts ab. Alle Parteien hätten
die gleiche Chance, diese Voraussetzung zu erfüllen und damit an der staatlichen
Parteienfinanzierung teilzunehmen.
Die Beschwerdeführerin habe bis zum 31. Dezember 1999 keinen den Vorschriften
des Fünften Abschnitts des Parteiengesetzes entsprechenden, materiell richtigen
Rechenschaftsbericht für das Jahr 1998 eingereicht. In dem am 30. Dezember 1999
eingereichten korrigierten Rechenschaftsbericht habe das ins Ausland verbrachte
Vermögen des Landesverbandes Hessen in Höhe von rund 18,2 Millionen DM
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gefehlt. Der Rechenschaftsbericht sei daher in einem wesentlichen Punkt unrichtig.
Das habe gemäß § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 den Verlust des
zuwendungsbezogenen Anteils der staatlichen Teilfinanzierung in Höhe von
41.034.825,23 DM zur Folge.
b) Des Weiteren hänge die Entscheidung des Rechtsstreits auch nicht von der
Bewertung des Rechenschaftsberichts der SPD ab. Vielmehr sei in dem den
Rechenschaftsbericht dieser Partei betreffenden Verfahren zu entscheiden, ob deren
Bericht wesentlich fehlerhaft sei mit der Folge, dass auch dieser Partei gemäß § 19
Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 der zuwendungsbezogene Anteil der staatlichen
Parteienfinanzierung für das Festsetzungsjahr 1999 nicht zustehe und damit den
anderen anspruchsberechtigten Parteien, also auch der Beschwerdeführerin, zugute
komme. Dementsprechend bedürfe es vorliegend auch keiner Aufklärung von
Vorgängen im Zusammenhang mit dem Rechenschaftsbericht der SPD.
Rechtsgrundlage der Rückforderung des Präsidenten des Deutschen Bundestages
sei § 19 Abs. 4 Satz 4 PartG 1994. Danach seien die sich zwischen der vorläufigen
und der endgültigen Festsetzung ergebenden Unterschiedsbeträge mit der nächsten
Abschlagszahlung zu verrechnen. Entsprechend sei der Präsident des Deutschen
Bundestages verfahren.
4. Die hiergegen von der Beschwerdeführerin erhobene Beschwerde gegen die
Nichtzulassung der Revision wurde vom Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen.
Dieses führte zur Begründung im Wesentlichen Folgendes aus:
a) Die Rechtssache habe keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO), soweit die Beschwerdeführerin zu dem vom Oberverwaltungsgericht
aufgestellten Rechtssatz, die Bewilligung staatlicher Mittel an eine politische Partei
setze die fristgemäße Einreichung eines materiell richtigen Rechenschaftsberichts
voraus, Fragen aufwerfe. Diese beträfen auslaufendes Recht und rechtfertigten nicht
die Zulassung der Revision. Ferner sei das Oberverwaltungsgericht auch nicht, wie
d i e Beschwerdeführerin
meine,
von
einem
Rechtssatz,
den
das
Bundesverfassungsgericht aufgestellt habe, abgewichen. Die Revision könne
deshalb auch nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen werden.
b) Auch die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage, ob § 18 Abs. 2 und
Abs. 5 Satz 2 sowie § 19 Abs. 6 PartG 1994 so auszulegen seien, dass auch dann
die in § 18 Abs. 2 PartG genannte Summe (absolute Obergrenze) vollständig
festzusetzen und auszuzahlen sei, wenn einzelne anspruchsberechtigte Parteien
130
131
(vgl.
§
18
Abs.
4
PartG
1994)
wegen
Nichterfüllung
von
Bewilligungsvoraussetzungen
(Antragstellung,
Einreichung
des
Rechenschaftsberichts) ganz oder teilweise bei der Vergabe der staatlichen Mittel
nicht berücksichtigt würden, bedürfe keiner Erörterung in einem Revisionsverfahren.
Sie sei ohne weiteres zu bejahen. Die Notwendigkeit einer Umverteilung der
staatlichen Mittel auf die anderen Parteien beim Anspruchsausfall einer Partei ergebe
sich aus § 19 Abs. 6 Satz 2 PartG 1994 selbst. Überschreite die Summe der
errechneten staatlichen Mittel die absolute Obergrenze, so bestehe nach dieser
Vorschrift der Anspruch der Parteien auf staatliche Mittel nur in der Höhe, der ihrem
Anteil an dieser Summe entspreche. Das Gesetz gehe davon aus, dass die Parteien
staatliche Mittel grundsätzlich in der Höhe beanspruchen könnten, die sich in
Anwendung des § 18 Abs. 3 PartG errechne. Da die Summe der Finanzierung aller
Parteien ein bestimmtes jährliches Gesamtvolumen nicht überschreiten dürfe
(absolute Obergrenze; § 18 Abs. 2 und Abs. 5 Satz 2, § 19 Abs. 6 Satz 1 PartG 1994),
seien die errechneten Beträge zu kürzen. Hierzu seien die Anteile der einzelnen
Parteien an der Summe der errechneten Beträge zu ermitteln; das Gesamtvolumen
der staatlichen Mittel werde entsprechend diesen Anteilen auf die Parteien verteilt.
Nur bei dieser Auslegung seien die Vorschriften des § 19 Abs. 4 Satz 3 und des § 23
Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 verständlich. Die Regelung des § 23 Abs. 4 Satz 3 2.
Halbsatz PartG 1994 wäre überflüssig, wenn es keine Umverteilung der
zuwendungsbezogenen Mittel nach § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG gäbe. Ferner liefe die in
§ 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 gewählte Formulierung leer, wenn man nicht von einer
Umverteilung ausgehe.
c) Auch die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage, ob eine vollständige
Festsetzung und Auszahlung der in § 18 Abs. 2 PartG genannten Summe (absolute
Obergrenze) noch mit verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar sei, wenn einzelne
anspruchsberechtigte Parteien (§ 18 Abs. 4 PartG) wegen Nichterfüllung von
Bewilligungsvoraussetzungen ganz oder teilweise bei der Vergabe der staatlichen
Mittel
nicht
zu
berücksichtigen seien, könne die Durchführung eines
Revisionsverfahrens nicht rechtfertigen.
Der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien werde bei der staatlichen
Teilfinanzierung zunächst dadurch verwirklicht, dass alle Parteien staatliche Mittel
beanspruchen könnten, wenn sie die Voraussetzungen gemäß § 18, § 19, § 23 PartG
1994 erfüllten. Des Weiteren sei - klammere man den Einfluss der absoluten
Obergrenze zunächst aus - davon auszugehen, dass verfassungsrechtlich
132
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bedenkenfrei jede Partei die gemäß § 18 Abs. 3 PartG errechneten Mittel im Rahmen
der relativen Obergrenze (vgl. § 18 Abs. 5, § 19 Abs. 1 Satz 1 PartG 1994) in vollem
Umfang beanspruchen könne. Die Ansicht der Beschwerdeführerin, bei Ausscheiden
einer Partei aus der staatlichen Parteienfinanzierung vermindere sich deren
Finanzkraft, weshalb auch der Finanzbedarf der konkurrierenden Parteien sinke, mit
der Folge, dass dem - gewissermaßen in der Gestalt eines Pairing - bei der
Mittelzuweisung Rechnung zu tragen sei, stoße bereits von den tatsächlichen
Grundannahmen her auf Bedenken. Zur Begründung einer verfassungswidrigen
Ungleichbehandlung könne sie jedenfalls schon deshalb nicht herangezogen
werden, weil auf diese Weise bewilligungserhebliche Fehler einer Partei zu
Mittelkürzungen bei den anderen Parteien führen müssten. Es liege auf der Hand,
dass dieses Ergebnis für die anderen Parteien schlechthin unzumutbar wäre.
Daran ändere auch der Umstand nichts, dass wegen der Begrenzung der
staatlichen Finanzierung auf die absolute Obergrenze die Parteien faktisch nicht die
errechneten Mittel, sondern nur einen diesen Mitteln entsprechenden Anteil an dem
durch die absolute Obergrenze bestimmten Betrag erhielten. Für den Vergleich
zwischen den Bewilligungsberechtigten und den Parteien, die keine oder geminderte
staatliche Mittel erhielten, sei es unter Gleichheitsaspekten ohne Belang, ob erstere
die errechneten Mittel in vollem Umfang oder im Hinblick auf die Gesamtsumme der
verfügbaren Mittel mehr oder weniger gekürzt ausbezahlt erhielten.
Der
von
der
Beschwerdeführerin
herangezogene Begriff
des
Sanktionsdoppelungseffekts
umschreibe
zwar plastisch die tatsächlichen
Auswirkungen der Anspruchseinbuße aus der Sicht der Partei, die die
Bewilligungsvoraussetzungen verfehlt habe; er werde aber der rechtlichen Struktur
d e r staatlichen Teilfinanzierung nicht gerecht. Für den Zweck der
Parteienfinanzierung stünden aus übergeordneten Gründen einerseits nur in
beschränktem Umfang staatliche Mittel zur Verfügung (absolute Obergrenze).
Andererseits
hätten
die bewilligungsberechtigten Parteien Ansprüche in
verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Höhe. Diese Ansprüche würden nach
Maßgabe der vorhandenen Mittel erfüllt. Es finde also nicht etwa, wie die
Beschwerdeführerin suggeriere, ein Mitteltransfer von den Parteien, die in einem Jahr
keine oder verminderte staatliche Mittel erhielten, auf die bewilligungsberechtigten
Parteien und damit ein Eingriff in die Wettbewerbssituation statt. Vielmehr erhöhe sich
gewissermaßen die Erfüllungsquote bei den bewilligungsberechtigten Parteien, wenn
andere Parteien weniger Mittel erhielten. Eine Wettbewerbsverzerrung im Sinne
134
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136
137
eines Eingriffs in die Chancengleichheit liege darin ebenso wenig wie beispielsweise
in den Fällen der Wirtschaftsförderung, in denen vorhandene Mittel vollständig allein
unter diejenigen Bewerber verteilt würden, die die Voraussetzungen erfüllten,
während Konkurrenten, bei denen dies nicht der Fall sei, leer ausgingen.
III.
1. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung von
Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 und Art. 21 Abs. 1 GG. Mittelbar wendet sie
sich gegen § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG, den sie für verfassungswidrig hält. Sie sei nicht
i n der Lage, den von ihr zurückgeforderten Betrag vollständig aufzubringen. Ihre
Überschuldung zum 31. Dezember 2002 betrage 17 Mio. Euro. Von der
Rückforderung sei sie existenziell betroffen. Im Einzelnen trägt sie vor:
a) Das Oberverwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung die in Wortlaut,
Entstehungsgeschichte und systematischem Zusammenhang eindeutige Regelung
des § 19 Abs. 4 PartG 1994 auf Grund eigener rechtspolitischer Vorstellungen
verändert und im Wege der Analogie als Sanktionsnorm für den Fall angesehen, dass
eine Partei einen inhaltlich fehlerhaften Rechenschaftsbericht abgebe. Damit habe
das Gericht eine vom Gesetzgeber eindeutig getroffene Entscheidung durch eine
judikative Lösung ersetzt, die im Parlament mit diesem Inhalt nicht erreichbar
gewesen wäre.
Zugleich verletze die vom Oberverwaltungsgericht in unzulässiger Überschreitung
d e r Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung vorgenommene Analogie die
Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Chancengleichheit (Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Art. 3
Abs. 1 GG), weil sie einen vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Umverteilungseffekt
zur Folge habe.
Schließlich verstoße das Urteil des Oberverwaltungsgerichts gegen das Willkür- und
das Übermaßverbot, weil zwischen der im Wege der Analogie begründeten Sanktion
und dem der Beschwerdeführerin vorgeworfenen Rechtsverstoß keine Konnexität
bestehe und auch ein Verhältnis der Proportionalität nicht gewahrt sei. Die
Voraussetzungen
für
einen
Anspruchsverlust
hinsichtlich
des
zuwendungsbezogenen Anteils an der staatlichen Parteienfinanzierung lägen nicht
vor, weil die Beschwerdeführerin ihren Rechenschaftsbericht für das Jahr 1998 am
30. Dezember 1999 beim Präsidenten des Deutschen Bundestages eingereicht habe.
Dieses Ergebnis werde letztlich auch durch die Ausführungen der "Kommission
unabhängiger Sachverständiger zur Parteienfinanzierung" gestützt, die in ihrem
138
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140
141
Bericht vom 17. März 1999 (BTDrucks 14/637, S. 29) zu dem Ergebnis komme, dass
eine gesetzliche Regelung erforderlich sei, die klarstellen solle, dass ein
Rechenschaftsbericht nur dann als fristgerecht vorgelegt gelte, wenn er den im
Parteiengesetz zu definierenden wesentlichen Vorschriften entspreche.
Diese Anwendungsprobleme seien nicht im Wege der Gesetzesauslegung zu
bewältigen. Statt sich hieran zu orientieren, habe sich die Bundestagsverwaltung zu
einer administrativen Rechtsfortbildung entschlossen und im Wege der Analogie den
Anspruchsverlust nach § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 auf eine vom Gesetz nicht
bestimmte Fallkonstellation übertragen.
b) Das Oberverwaltungsgericht habe sich diese administrative Rechtsfortbildung zu
Eigen gemacht und eine rechtsstaatlich unzulässige richterliche Rechtsfortbildung
vorgenommen, indem es einen, einen Geldbestand des Landesverbandes Hessen
nicht
ausweisenden, Rechenschaftsbericht
einem
nicht
eingereichten
Rechenschaftsbericht gleichgestellt habe, um einen Anspruchsverlust bezüglich des
Zuwendungsanteils zu bewirken und eine vermeintliche Lücke im Parteiengesetz zu
schließen. Damit habe das Oberverwaltungsgericht eine Vielzahl unlösbarer
Folgeprobleme aufgeworfen und verfassungswidrige Rechtsfolgen bewirkt, die zur
Unzulässigkeit der Rechtsfortbildung führten.
aa) Die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Analogie werfe zunächst die
Frage auf, auf welche Weise die Bundestagsverwaltung inhaltliche Mängel, die in
einer Differenz zwischen Bericht und Wirklichkeit bestünden, überhaupt feststellen
könne. In einem Vermerk der Abteilung Parlamentarische Dienste vom 9. Dezember
1999 heiße es hierzu unter anderem, "die Möglichkeiten zur Sachverhaltsaufklärung
durch den Bundestagspräsidenten als mittelverwaltende Behörde" seien "vom Gesetz
bewusst auf eine Plausibilitätskontrolle beschränkt". Eine gesetzliche Regelung, die
sich einerseits auf eine Plausibilitätskontrolle beschränke, andererseits aber reine
Zufallsfunde stets mit der Rechtsfolge des § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 belege, sei
rechtsstaatlich nicht vertretbar und mit diesem Inhalt auch in einem parlamentarischen
Verfahren nicht erreichbar gewesen.
bb) Die Regelung des § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 erfasse notwendigerweise den
gesamten Zuwendungsanteil einer Partei, kenne also keine an Art und Ausmaß des
betreffenden Fehlers oder Mangels im Rechenschaftsbericht orientierte Abstufung.
Da das Oberverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang unwesentliche Fehler von
der Rechtsfolge des § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 ausnehmen wolle, stelle sich
142
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144
nicht nur die Frage, wie wesentliche von unwesentlichen Fehlern zu unterscheiden
seien, sondern auch die Frage nach der Zuständigkeit für eine derartige
Entscheidung. Bereits die Schwierigkeit einer solchen Differenzierung an sich und
der Umstand, dass der Bundestagspräsident sie auf Grund völlig ungesicherter
Kriterien treffen müsse, sprächen entscheidend dagegen, dass eine derartige
Regelung im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren erreichbar gewesen wäre.
Des Weiteren werfe die analoge Anwendung von § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 das
Problem auf, dass es an jeglicher Proportionalität zwischen dem Fehler und dem als
Rechtsfolge eintretenden Anspruchsverlust fehle. Dieses Folgeproblem sei prinzipiell
unlösbar, weil der Anspruchsverlust auf Grund des der Regelung des § 19 Abs. 4
Satz 3 PartG 1994 immanenten Prinzips des Alles oder Nichts stets den gesamten
zuwendungsbezogenen Anteil erfasse.
cc) Führe eine Partei Vermögensbestandteile, die ihr über einen längeren Zeitraum
hinweg zustanden, im Rechenschaftsbericht nicht auf, so habe die vom
Oberverwaltungsgericht vorgenommene Analogie zur Folge, dass nicht nur der
jeweils letzte, sondern schlichtweg jeder vorhergehende Rechenschaftsbericht den
Vorschriften des Fünften Abschnitts des Parteiengesetzes nicht entspreche. Da der
Präsident des Deutschen Bundestages staatliche Mittel nach § 18 und § 19 PartG
nicht festsetzen dürfe, solange ein den Vorschriften des Fünften Abschnitts
entsprechender Rechenschaftsbericht nicht eingereicht worden sei (vgl. § 23 Abs. 4
Satz 1 PartG 1994), seien folgerichtig alle auf der Grundlage der unvollständigen
Rechenschaftsberichte
ergangenen
Festsetzungsbescheide rechtswidrig.
Rechtswidrige Bescheide könnten, auch nachdem sie unanfechtbar geworden seien,
gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG mit Wirkung für die Vergangenheit
zurückgenommen werden. Es liege deshalb im Ermessen (vgl. § 48 Abs. 1 Satz 1
VwVfG) des Präsidenten des Deutschen Bundestages, auch in der Vergangenheit
erlassene Bescheide zurückzunehmen und hierdurch die Voraussetzungen für einen
Erstattungsanspruch nach § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG zu schaffen.
Bei der Rücknahme von Bescheiden für die Vergangenheit entfalle jede Möglichkeit,
fehlende oder unrichtige Angaben im Rechenschaftsbericht zu berichtigen. Aus
diesem Grunde habe die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Analogie
zwingend zur Folge, dass die nach einer Rücknahme des Festsetzungsbescheides
Platz greifende Rückforderung sämtliche staatlichen Mittel für den betreffenden
Zeitraum umfasse. Damit könne der Präsident des Deutschen Bundestages
Erstattungsansprüche gegen eine Partei begründen, deren Geltendmachung diese
145
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147
der finanziellen Basis ihrer politischen Tätigkeit beraube.
dd) Sowohl das Landgericht Bonn als auch das Landgericht Wiesbaden seien in
ihren Entscheidungen zur strafrechtlichen Beurteilung der Verbuchung von Geldern
für Parteizwecke als Untreue davon ausgegangen, dass es für die Annahme eines
Nachteils im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB auf die Vorschriften des Parteiengesetzes
ankomme.
Die dadurch
begründete
Parteienrechtsakzessorietät
des
Untreuetatbestandes setze voraus, dass die Vorschriften des Parteiengesetzes über
den Anspruchsverlust eindeutig seien und auf Grund ihres eindeutigen Wortlauts
angewandt würden. Da dies nach der vom Oberverwaltungsgericht vorgenommenen
Analogiebildung nicht (mehr) der Fall sei, liege für jeden Beschuldigten eine
Verletzung des Art. 103 Abs. 2 GG nahe. Eine durch eine solche Analogie belastete
Partei werde in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem
Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verletzt.
ee) Folge man der Logik des Urteils des Oberverwaltungsgerichts, so sei § 23a
PartG mit der Einführung des § 19 Abs. 4 PartG 1994 obsolet geworden. Denn jede
nicht publizierte Spende mache hiernach den Rechenschaftsbericht unvollständig
und stelle somit einen Verstoß gegen die Rechtspflicht der Parteien dar, einen
vollständigen und wahrheitsgemäßen Rechenschaftsbericht abzugeben. Diese
offensichtliche Unstimmigkeit versuche das Oberverwaltungsgericht dadurch zu
beseitigen, dass es § 23a Abs. 1 PartG 1994 als Spezialvorschrift interpretiere und
die damit in Bezug auf § 19 Abs. 3 Satz 4 PartG 1994 vorgenommene Analogie durch
eine teleologische Reduktion ergänze, nach der § 23a PartG 1994 nicht mehr die
Funktion einer Sanktionsnorm, sondern die eines Privilegierungstatbestandes
zukomme. Damit werde jedoch die der Regelung des § 23a PartG 1994 zu Grunde
liegende gesetzgeberische Intention in ihr Gegenteil verkehrt. Die teleologische
Reduktion dieser Vorschrift sei, gemessen am Maßstab des Art. 20 Abs. 3 GG, eine
unzulässige Rechtsfortbildung.
ff) Der mit der Anwendung des § 19 Abs. 4 PartG 1994 verbundene
Umverteilungseffekt habe zur Folge, dass nicht nur die Chancen der säumigen Partei
im politischen Wettbewerb infolge des Anspruchsverlustes beeinträchtigt, sondern
dass umgekehrt auch die Chancen der konkurrierenden Parteien verbessert würden.
Da dieser Effekt unabhängig von Art und Schwere des Fehlers im
Rechenschaftsbericht eintreten solle und stets den gesamten Zuwendungsanteil
erfasse, könne sich die geradezu groteske Situation ergeben, dass bei einer Partei,
die auf Grund ihrer Verwurzelung im Volk über ein besonders hohes Beitrags- und
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Spendenaufkommen verfüge, dieser Erfolg in der Gestalt des frei werdenden
Zuwendungsanteils an die - weniger erfolgreichen - Mitkonkurrenten transferiert
werde.
gg) Schließlich werde auch durch die Novellierung des Parteiengesetzes 2002
bestätigt, dass das Urteil des Oberverwaltungsgerichts die Grenzen zulässiger
Gesetzesauslegung sprenge und eine unzulässige Rechtsfortbildung darstelle. Der
Gesetzgeber habe eine grundsätzlich andere Lösung gewählt, um den aufgezeigten
Folgeproblemen Rechnung zu tragen. Vor allem habe er in § 19a Abs. 3 Satz 5 PartG
n.F. 2002 klargestellt, dass die Verfallsfristen unabhängig von der inhaltlichen
Richtigkeit des Rechenschaftsberichts gewahrt werden. Darin liege eine Kodifikation
dessen, was richtigerweise bereits nach altem Recht gegolten habe.
c) Sofern sich das Oberverwaltungsgericht wider Erwarten tatsächlich auf eine
Auslegung des § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 stützen könne und der
Anspruchsverlust bei Vorlage eines unvollständigen oder sonst unrichtigen
Rechenschaftsberichts wirklich dem objektiven Willen des Gesetzgebers entsprechen
sollte, sei die Verfassungsbeschwerde gleichwohl begründet, weil das Urteil des
Oberverwaltungsgerichts in diesem Falle auf einem verfassungswidrigen Gesetz
beruhe, das die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG in
Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, auf Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 i.V.m.
Art. 21 GG) und Art. 3 Abs. 1 GG (Willkürverbot) verletze.
2. Zu der Verfassungsbeschwerde hat sich der Präsident des Deutschen
Bundestages in seiner Eigenschaft als mittelverwaltende Stelle (§ 21 Abs. 2 PartG)
geäußert. Er hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet.
a) Weder die angegriffenen Gerichtsentscheidungen noch § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG
1994 verletzten Grundrechte der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeschrift gebe
den eigentlichen Anlass für die streitige Mittelfestsetzung und Mittelrückforderung nur
unzureichend wieder. Die hessische CDU habe Ende 1983 ein Guthaben von rd.
20,8 Mio. DM in die Schweiz transferiert, um auf diese Weise die ab 1984 in Folge
des Flick-Skandals verschärfte, nunmehr auch auf das Vermögen der Parteien
erstreckte Rechnungslegungspflicht zu unterlaufen. Dadurch sei in den
Rechenschaftsberichten der CDU von 1984 bis 1998 ein Betrag in Höhe von
insgesamt 42,6 Mio. DM (Rückflüsse in Höhe von rd. 24,3 Mio. DM und Endvermögen
in Höhe von 18,3 Mio. DM) nicht oder jedenfalls nicht den Vorschriften entsprechend
ausgewiesen worden. Da die Beschwerdeführerin bis zum 31. Dezember 1999
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keinen im Wesentlichen den Vorschriften des Fünften Abschnitts des
Parteiengesetzes entsprechenden Rechenschaftsbericht für das vorangegangene
Jahr 1998 eingereicht habe, hätten bei der Berechnung der staatlichen
Teilfinanzierung die Zuwendungen gemäß § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994
unberücksichtigt bleiben müssen. Dieses Ergebnis sei durch die angegriffenen
Entscheidungen der Instanzgerichte bestätigt worden. Der hierbei gewählte
methodische Auslegungsweg verlaufe innerhalb der Grenzen, die der
rechtsprechenden Gewalt mit ihrer Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3,
Art. 97 GG) durch das Grundgesetz vorgegeben seien. Von einer Lücke in § 19 Abs. 4
Satz 3 PartG 1994, die durch Analogie hätte geschlossen werden müssen oder
können, sei in keinem der angegriffenen Urteile auch nur andeutungsweise die Rede.
D i e Ausführungen der Beschwerdeführerin zu den verfassungsrechtlichen
Voraussetzungen und Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung lägen daher
vollkommen neben der Sache.
aa) Eine Begrenzung der Prüfungszuständigkeit des Präsidenten des Deutschen
Bundestages sei der einschlägigen Vorschrift des § 23 Abs. 3 PartG 1994 nicht zu
entnehmen und entspreche auch nicht der langjährigen Praxis der
Bundestagsverwaltung. Der Einwand der Beschwerdeführerin, die gesetzliche
Regelung begnüge sich mit einer bloßen Plausibilitätskontrolle, ohne die
Berücksichtigung von Zufallsfunden auszuschließen, und sei daher rechtsstaatlich
nicht vertretbar, treffe infolgedessen nicht zu.
bb) Entgegen ihrer Auffassung sei der Grundsatz der Wesentlichkeit bereits im
Gesetz selbst, nämlich in den nach § 24 Abs. 1 Satz 2 PartG zu berücksichtigenden
Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung angelegt. Darüber hinaus sei dieses
Kriterium auch mit der dem Gesetzgeber in Art. 21 Abs. 3 GG ausdrücklich eröffneten
Regelungsbefugnis sowie dem Transparenzgebot des Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG
vereinbar. Im Übrigen sei die Unterscheidung zwischen wesentlichen und
unwesentlichen Mängeln im Zusammenhang mit der Gewährung staatlicher
Leistungen und deren Rückabwicklung auch keineswegs etwas Außergewöhnliches,
sondern im Gegenteil gesetzgeberischer Standard, wie etwa § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2
VwVfG, § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X und § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO zeigten. Nach
diesen Vorschriften dürfe sich der Begünstigte nicht auf Vertrauensschutz berufen,
wenn er den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt habe, die in wesentlicher
Beziehung
unrichtig
oder
unvollständig
seien. Schließlich könne die
Beschwerdeführerin auch nicht ernsthaft behaupten, der Präsident des Deutschen
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Bundestages habe die Unterscheidung zwischen einem wesentlichen und einem
unwesentlichen Fehler des eingereichten Rechenschaftsberichts auf Grund völlig
ungesicherter Kriterien getroffen. Die Wesentlichkeit des inhaltlichen Fehlers sei
angesichts des unterschlagenen Auslandsvermögens in Höhe von 18,3 Mio. DM
offenkundig.
Die Erwägungen der Beschwerdeführerin zur Proportionalität seien von vornherein
mit dem Mangel behaftet, dass sie die Wesentlichkeits-Grenze schlichtweg negierten.
§ 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 liege nicht das Prinzip des Alles oder Nichts zu
Grunde, sondern im Gegenteil das Gebot der Unterscheidung von wesentlichen und
unwesentlichen Mängeln eines Rechenschaftsberichts. Entgegen der Ansicht der
Beschwerdeführerin gehe es auch nicht wirklich um Proportionalität, sondern schlicht
um die fristgerechte Erfüllung der Vorlage eines im Wesentlichen richtigen
Rechenschaftsberichts, verbunden mit einer Stichtagsregelung, die im Interesse der
Chancengleichheit aller an der staatlichen Teilfinanzierung partizipierenden Parteien
sowie zur Vermeidung von Manipulationen von der mittelverwaltenden Stelle mit aller
Konsequenz zu beachten sei.
cc) Soweit die Beschwerdeführerin beklage, eine mögliche Konsequenz der
Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts sei es, dass der Präsident des
Deutschen Bundestages durch eine Ermessensentscheidung (§ 48 Abs. 1 VwVfG)
Erstattungsansprüche gegen eine Partei begründen und diese dadurch der
finanziellen
Basis ihrer politischen Existenz berauben könne, lasse sie
unberücksichtigt, dass der Präsident des Deutschen Bundestages im vorliegenden
Fall von einer entsprechenden Rückgängigmachung bereits ergangener, ebenfalls
auf unrichtigen Rechenschaftsberichten beruhender Festsetzungsbescheide wegen
der Unverhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme abgesehen habe.
dd) Die von der Beschwerdeführerin hergestellte Assoziation zu einer
verfassungsrechtlich unzulässigen Analogiebildung im Strafrecht (Art. 103 Abs. 2 GG)
verbiete sich vorliegend schon deshalb, weil das vom Oberverwaltungsgericht und
vom Bundesverwaltungsgericht gefundene Auslegungsergebnis nicht auf einer
Analogie, sondern lediglich auf einer Auslegung der insoweit lückenlosen Vorschrift
des § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 beruhe.
ee) Bei dem durch § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 geregelten Anspruchsverlust gehe
es auch weder um ein Alles oder Nichts noch um Sanktionen. Die staatliche
Teilfinanzierung der Parteien stelle sich vielmehr als freiwillige, lediglich gesetzlich
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normierte Leistung des Staates (Subvention), nicht dagegen als ein aus Art. 21 Abs. 1
GG abzuleitender verfassungsunmittelbarer Anspruch dar. Die entsprechenden
Festsetzungsbescheide und Auszahlungsanordnungen unterlägen deshalb nicht nur
den allgemeinen Regeln über die Rücknahme von rechtswidrigen begünstigenden
Verwaltungsakten (z.B. § 49 VwVfG), sondern auch den Vorschriften der
Bundeshaushaltsordnung (§ 23, § 44 BHO). Daraus folge, dass der Gesetzgeber
nicht nur den Anspruchsgrund, sondern auch die Bedingungen festlegen könne, unter
denen die Parteien in den Genuss der staatlichen Teilfinanzierung kämen; er könne
i h n e n vor allem die rechtzeitige Einreichung eines materiell richtigen
Rechenschaftsberichts zur Pflicht machen und für den Fall ihrer Nicht- oder
Schlechterfüllung sein gesetzliches Förderversprechen zurücknehmen. Darin liege
weder eine Sanktion noch gar eine Strafe. Sanktionen sehe das Parteiengesetz allein
für unzulässige oder nicht ordnungsgemäß deklarierte Spenden (§ 23a PartG 1994)
vor.
Bei den von § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 einerseits und § 23a Abs. 1 PartG 1994
andererseits geregelten Materien handele es sich um ungleiche und unvergleichbare
Sachverhalte, an die ungleiche Rechtsfolgen zu knüpfen der Gesetzgeber im
Rahmen seines politischen Gestaltungsspielraums befugt sei, weil beide Regelungen
jeweils unterschiedliche Zielsetzungen verfolgten: § 23a Abs. 1 PartG 1994 sei als
eine echte Sanktionsnorm zu verstehen; ganz anders verhalte es sich dagegen mit
§ 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994. Diese Regelung sei Ausdruck des zugleich auch in
§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG enthaltenen allgemeinen Rechtsgedankens, wonach
jemand, der eine staatliche Geldleistung durch Angaben erwirkt habe, die in
wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig seien, sich gegenüber der
Entziehung dieser Zuwendung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne und den mit
der Rücknahme verbundenen Vermögensnachteil auch ohne eigenes Verschulden
hinnehmen müsse. Insoweit sei vorbehaltlos anerkannt, dass der Vertrauensschutz
bereits dann entfalle, wenn die Angaben des Begünstigten objektiv unrichtig oder
unvollständig seien, unabhängig davon, ob dieser davon Kenntnis habe.
ff) Die Beschwerdeführerin verkenne, dass es sich bei dem Anspruchsverlust nach
§ 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 nicht um eine Sanktion und mithin auch nicht um einen
Eingriff in das Recht der Parteien auf Chancengleichheit, sondern schlicht um die
Versagung einer freiwilligen Leistung des Staates (Subvention) handele, deren
Anspruchsvoraussetzungen die an sich begünstigte Partei nicht erfüllt habe. Eine
unverhältnismäßige Benachteiligung der Beschwerdeführerin liege insoweit nicht vor.
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Sie selbst bzw. ihr hessischer Landesverband habe über mehr als 15 Jahre hinweg
das Transparenzgebot und damit die Chancengleichheit der Parteien verletzt.
Darüber hinaus sei die Rückzahlungsverpflichtung der Beschwerdeführerin durch
eine mit dem Bundestagspräsidenten abgeschlossene, großzügige Stundungs- und
Verrechnungsvereinbarung, die bis zum Jahre 2007 reiche, wesentlich abgemildert
und es sei auch auf diese Weise dafür gesorgt worden, dass die Beschwerdeführerin
weiterhin in der Lage sei, sich effektiv am politischen Wettbewerb zu beteiligen. In
Wahrheit finde durch § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 auch keine Umverteilung von
verfallenen Mitteln auf andere Parteien statt. Der durch den Anspruchsverlust nach
§ 19 Abs. 4 Satz 3 PartG ausgelöste Mittelzuwachs bei den Mitkonkurrenten liege im
gegenwärtigen System der staatlichen Teilfinanzierung begründet und stelle die
logische Konsequenz einer ansonsten nur durch die absolute Obergrenze bewirkten
proportionalen Kürzung von Mitteln dar, welche die Parteien im Rahmen der relativen
Obergrenze auf Grund der von ihnen erwirtschafteten Eigeneinnahmen rechtmäßig
erworben hätten.
gg) Die Novellierung des Parteiengesetzes im Jahr 2002 erbringe nicht den von der
Beschwerdeführerin ersehnten Beweis, dass die bisherige Regelung rechts- oder gar
verfassungswidrig gewesen und das Urteil des Oberverwaltungsgerichts deshalb
eine unzulässige Rechtsfortbildung sei. Wenn seinerzeit bereits das neue Recht
gegolten hätte, wäre die Einreichung des fehlerhaften Rechenschaftsberichts am 30.
Dezember 1999 zwar noch fristwahrend erfolgt; die Fehlerhaftigkeit des
Rechenschaftsberichts hätte aber bei der Festsetzung der staatlichen Mittel für das
Jahr 1999 zum 15. Februar 2000 zu einem Anspruch gegen die CDU in Höhe des
zweifachen des den unrichtigen Angaben im Rechenschaftsbericht entsprechenden
Betrages (rd. 44 Mio. DM) geführt, der mit der Bewilligung für 1999 hätte verrechnet
werden müssen (§ 31b Satz 1 PartG 2003). Infolgedessen könne die Novellierung
entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Ansicht auch nicht belegen,
dass die bisherigen Regelungen vom (früheren) parlamentarischen Gesetzgeber
nicht hätten getroffen werden dürfen, ohne die Verfassung zu verletzen.
b) Im Übrigen sei die der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegende
gesetzliche Regelung des § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 mit dem Grundgesetz
vereinbar. Sie verstoße weder gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem
Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung
mit Art. 21 Abs. 1 GG (Chancengleichheit der Parteien) und schon gar nicht gegen
das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG).
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168
VI.
Der Senat hat mit Beschluss vom 18. Juni 2003 die Selbstablehnung des Richters
Jentsch für begründet erklärt. Für ihn wurde aus dem Ersten Senat des
Bundesverfassungsgerichts die Richterin Jaeger durch Los als Vertreterin bestimmt
(§ 19 Abs. 4 Satz 1 BVerfGG).
Der Richter Gerhardt war als Richter am Bundesverwaltungsgericht bereits mit
derselben Sache von Amts wegen befasst und ist daher gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2
BVerfGG von der Ausübung seines Richteramtes ausgeschlossen (Beschluss des
Senats vom 28. Januar 2004).
B.
Die zulässige Verfassungsbeschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
I.
1. Die Beschwerdeführerin ist als politische Partei im Verfassungsbeschwerde-
Verfahren antragsberechtigt; denn sie macht die Verletzung von Rechten durch
Verwaltungsmaßnahmen - hier durch den vom Präsidenten des Deutschen
Bundestages als mittelverwaltende Stelle erlassenen Bescheid vom 14. Februar
2000 - geltend (vgl. hierzu BVerfGE 27, 111 <157>; 28, 88 <102 f.>; 73, 1 <30 f.> ).
Grundrechte,
die
den
Parteien unabhängig
von
ihrem
besonderen
verfassungsrechtlichen Status wie jedermann zustehen, sind nicht Bestandteil der
d u rc h Art. 21 GG geschützten Rechtsstellung und können deshalb nicht im
Organstreitverfahren verfolgt werden (vgl. hierzu BVerfGE 4, 27 <30>; 11, 239 <243>;
82, 322 <335>; 84, 290 <298>; 85, 264 <284> ). Ihre Verletzung kann nur auf dem
Rechtsweg und letztlich mit der Verfassungsbeschwerde abgewehrt werden
(BVerfGE 84, 290 <299>).
2. Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Prüfung sind allein die angegriffenen
Entscheidungen, nicht hingegen Entscheidungen über die Rückforderung staatlicher
Leistungen an die Beschwerdeführerin in den Jahren 1994 bis 1998. Insoweit fehlt es
- insbesondere nach den Erklärungen des Bundestagspräsidenten zu dieser Frage -
an einer Beschwer.
II.
Die angefochtenen Entscheidungen begegnen keinen verfassungsrechtlichen
169
170
171
Bedenken. Vor allem ist § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 mit dem ihm von den
Fachgerichten entnommenen Inhalt nicht verfassungswidrig.
1. a) Die Beschwerdeführerin wird durch die angegriffenen Gerichtsentscheidungen
nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem
Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verletzt. Dieses Grundrecht gewährleistet die
allgemeine Handlungsfreiheit in einem umfassenden Sinne (vgl. BVerfGE 80, 137
<152> m.w.N.). Diese ist allerdings nur in den Schranken des zweiten Halbsatzes von
Art. 2 Abs. 1 GG garantiert und steht damit vor allem unter dem Vorbehalt der
verfassungsmäßigen Ordnung (vgl. BVerfGE 6, 32 <37 f.>; 74, 129 <152>; 80, 137
<153>; 91, 335 <338 f.> ).
Zu dieser Ordnung gehören nicht nur die vom Normgeber gesetzten
verfassungsmäßigen Vorschriften, sondern auch deren Auslegung durch den Richter
und ebenso die im Wege zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung gewonnenen
Entscheidungen (vgl. BVerfGE 74, 129 <152 f.>). Der anerkannten Befugnis der
Gerichte zur Fortbildung des Rechts (BVerfGE 34, 269 <287 f.>; 49, 304 <318>; 65,
196 <210 ff.>; 69, 188 <203>; 71, 354 <362 f.>; 74, 129 <152 f.>; 82, 6 <12> ) sind
jedoch Grenzen gezogen, und zwar nicht nur durch den Grundsatz der
Gesetzesbindung in Art. 20 Abs. 3 GG. Legt der Richter offene Gesetzesbegriffe aus
oder bildet er Recht fort, stehen die sich daraus ergebenden Einschränkungen des
Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG nur dann mit der Verfassung in Einklang, wenn sie
den Wertentscheidungen des Grundgesetzes, vornehmlich dem Grundsatz der
Rechtsstaatlichkeit entsprechen (vgl. BVerfGE 6, 32 <41>; 74, 129 <152>).
Das Rechtsstaatsprinzip, das der richterlichen Rechtsfindung Grenzen setzt, enthält
allerdings keine bis in alle Einzelheiten eindeutig bestimmten Gebote oder Verbote.
Es handelt sich vielmehr um einen Verfassungsgrundsatz, der der Konkretisierung
entsprechend den jeweiligen sachlichen Gegebenheiten bedarf (BVerfGE 7, 89
<92 f.>; 65, 283 <290> m.w.N.). Namentlich sind für den Richter - wie für den
Gesetzgeber - die im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsätze der Bestimmtheit (
BVerfGE 56, 1 <12 f.>; 78, 205 <212>; 84, 133 <149>; 87, 234 <263>; 89, 69 <84 f.>;
93, 213 <238>) und der Verhältnismäßigkeit (BVerfGE 19, 342 <348 f.>; 23, 127
<133>; 29, 312 <316>; 61, 126 <134>; 90, 145 <173>) von Bedeutung. Darüber
hinaus verkörpern der Grundsatz der Rechtssicherheit und die Idee der materiellen
Gerechtigkeit weitere wesentliche Bestandteile des Rechtsstaatsprinzips (vgl.
BVerfGE 7, 89 <92>; 49, 148 <164> m.w.N.; 63, 215 <223>; 65, 196 <215>).
Angesichts seiner Weite und Unbestimmtheit ist bei der Ableitung konkreter
172
173
174
Bindungen jedoch mit Behutsamkeit vorzugehen (vgl. BVerfGE 57, 250 <276>; 65,
283 <290>; 90, 60 <86> ).
So liegt eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips dann nicht vor, wenn die
a n g e g ri ffe n e n hoheitlichen
Maßnahmen
und
die
sie
bestätigenden
Gerichtsentscheidungen in der verfassungsmäßigen Ordnung ihre Grundlage finden
und der Durchsetzung und dem wirksamen Schutz eines Verfassungsgutes dienen,
das im Gesetzesrecht verankert ist und vom Grundgesetz selbst als elementarer
Bestandteil seines Wertesystems begriffen wird (vgl. BVerfGE 34, 269 <291> ).
Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist zugleich auch eine Verletzung des
Willkürverbots ( BVerfGE 87, 273 <278 f.>; 89, 1 <13 f.>) ausgeschlossen.
b) Als zu schützendes und durchzusetzendes Verfassungsgut kommt hier zuvörderst
das Transparenz- und Publizitätsgebot des Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG in Betracht.
Hiernach sind die Parteien verpflichtet, über die Herkunft und Verwendung ihrer
Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft zu geben. Dieser
Bestimmung liegt die Erwägung zugrunde, dass die politische Willensbildung
innerhalb einer Partei von Personen oder Organisationen erheblich beeinflusst
werden kann, die den Parteien in größerem Umfang finanzielle Mittel zur Verfügung
stellen. Eine derartige Verflechtung von politischen und wirtschaftlichen Interessen
soll offen gelegt werden. Der Wähler soll sich unter anderem über die Kräfte
unterrichten können, die die Politik der Parteien bestimmen, und er soll die
Möglichkeit haben, die Übereinstimmung zwischen den politischen Programmen und
dem Verhalten derer zu prüfen, die mit Hilfe finanzieller Mittel auf die Parteien
Einfluss zu nehmen suchen (BVerfGE 24, 300 <356>; siehe auch BVerfGE 20, 56
<106>; 52, 63 <86 f.>; 85, 264 <319> ). Zugleich soll die innere Ordnung der Parteien
durch die Pflicht zur öffentlichen Rechenschaftslegung gegen undemokratische
Einflüsse gesichert werden (vgl. BVerfGE 85, 264 <319>). Darüber hinaus soll die
Veröffentlichungspflicht zur Chancengleichheit der Parteien im politischen
Wettbewerb beitragen ( BVerfGE 20, 56 <106>; 85, 264 <320>). Bei der Novellierung
des Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG durch das 35. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes
vom 21. Dezember 1983 ( BGBl I S. 1481 ) ist der verfassungsändernde Gesetzgeber
ebenfalls von dieser Zielsetzung ausgegangen. Um ihr noch näher zu kommen,
wurde die Pflicht zur öffentlichen Rechenschaftslegung auf die Verwendung der Mittel
und das Vermögen der Parteien erstreckt (vgl. BVerfGE 85, 264 <320> ). Dem
Schutzgedanken des Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG ist daher nur dann Genüge getan,
wenn der Wähler vom Vermögen und von der wirklichen Herkunft der Mittel einer
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176
177
Partei Kenntnis erhält. Dafür hat der Gesetzgeber Sorge zu tragen (vgl. BVerfGE 85,
264 <323> ).
Schon der Wortlaut der Vorschrift im Grundgesetz spricht dafür, dass sie auf eine
möglichst vollständige Rechenschaftslegung zielt (vgl. BVerfGE 85, 264 <319> ). Die
in Art. 21 Abs. 3 GG eröffnete Regelungsbefugnis ermöglicht dem
Bundesgesetzgeber zwar gewisse Einschränkungen dieser Offenlegungspflicht,
mögen sie die Form der Rechenschaftslegung oder auch Art und Höhe der erfassten
Einnahmen betreffen. Solche Einschränkungen müssen indes stets mit dem Sinn und
Zweck der Vorschrift vereinbar sein ( BVerfGE 85, 264 <319> ). Dementsprechend
müssen allerdings nur solche Zuwendungen nach ihrer Herkunft verzeichnet werden,
vermittels derer ihrem Umfang nach politischer Einfluss ausgeübt werden kann (vgl.
BVerfGE 24, 300 <356>; 85, 264 <321>). Die Bestimmung dieser Grenze obliegt dem
Gesetzgeber, der hierfür über einen gewissen Einschätzungsspielraum verfügt, bei
dessen Wahrnehmung er nicht zuletzt auch Gesichtspunkte der Praktikabilität
berücksichtigen darf ( BVerfGE 85, 264 <321> ).
c) Im Rahmen der vorliegenden Urteilsverfassungsbeschwerde hat das
Bundesverfassungsgericht zu prüfen, ob die tätig gewordenen Behörden und
Gerichte den Verpflichtungen des Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG in materieller und
verfahrensmäßiger Hinsicht gerecht geworden sind oder ob die von ihnen gestellten
Anforderungen
ohne ausreichende (parteien-) gesetzliche Grundlage in
rechtsstaatswidriger Weise überspannt und dadurch Grundrechte der Parteien verletzt
wurden. Die Feststellung und Würdigung des Tatbestandes, die Auslegung einfachen
(Parteien-) Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind zunächst allein
Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte; das Bundesverfassungsgericht
kann erst eingreifen, wenn spezifisches Verfassungsrecht verletzt ist, vor allem der
Fehler gerade in der Nichtbeachtung von Grundrechten der Parteien, namentlich des
Rechtsstaatsprinzips (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) oder des Grundrechts
auf Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 21 Abs. 1 GG) liegt ( BVerfGE 18,
85 <92 f.> ).
Anders als bei der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf das einfache Recht,
die diese als Elemente einer objektiven Ordnung in alle Rechtsbereiche hinein
entfalten (vgl. BVerfGE 7, 198 <205>; 73, 261 <269> ; stRspr), kann sich die
verfassungsrechtliche Prüfung beim Vollzug des Parteiengesetzes allerdings nicht
lediglich darauf beschränken, ob dessen Auslegung und Anwendung auf einer
grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Grundrechte der
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180
Parteien beruht. Ob eine Partei ihrer Rechenschaftspflicht genügt hat oder ob die
hieran zu stellenden Anforderungen ohne ausreichende (einfach-) gesetzliche
Grundlage im Einzelfall überspannt wurden, betrifft unmittelbar auch die Anwendung
des Art. 21 Abs. 1 GG, eine Verfassungsbestimmung, die die Parteien als
verfassungsrechtlich notwendige Instrumente für die politische Willensbildung des
Volkes ausdrücklich anerkennt und in den Rang einer verfassungsrechtlichen
Institution erhebt (BVerfGE 1, 208 <225>; 2, 1 <73>; 4, 27 <30 f.>; 5, 85 <134, 388>;
11, 266 <273>; 41, 399 <416>). Dem ist durch eine gesteigerte Prüfungstiefe seitens
des Bundesverfassungsgerichts Rechnung zu tragen.
Art. 21 Abs. 1 GG wird durch das Parteiengesetz als Ausführungsgesetz
konkretisiert. Den Rechtsbefehl zu finanzieller Transparenz enthält bereits Art. 21
Abs. 1 Satz 4 GG unmittelbar. Dies ergibt sich sowohl aus dessen Wortlaut als auch
aus der systematischen Stellung innerhalb des Regelungszusammenhangs des
Art. 21 Abs. 1 GG. So wie Art. 21 Abs. 1 Satz 2 GG unmittelbar das Recht verleiht,
eine Partei zu gründen, enthalten Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG und Art. 21 Abs. 1 Satz 4
GG die unmittelbare Verpflichtung der Parteien auf die Grundsätze der
innerparteilichen Demokratie und die Transparenz der Herkunft und Verwendung
ihrer Mittel sowie ihres Vermögens. Diese Normen begründen je für sich eine
verfassungsunmittelbare Verpflichtung der Parteien, die auf Grund des
Regelungsvorbehalts in Art. 21 Abs. 3 GG näherer Ausgestaltung durch den
Bundesgesetzgeber bedarf, wie dies im Fünften Abschnitt des Parteiengesetzes
(§§ 23 ff. PartG 1994) geschehen ist, der bezüglich der Finanzierung auf die
Bestimmungen des Vierten Abschnitts (§§ 18 ff. PartG 1994) verweist.
Im Rahmen der Auslegung und Anwendung des Parteiengesetzes ist deshalb stets
die verfassungsrechtliche Grundlage der einzelnen Bestimmungen im Blick zu
behalten. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf die
Erfüllung der Rechenschaftspflicht durch die Parteien sowohl hinsichtlich der
Ermittlung des Sachverhalts selbst als auch seiner rechtlichen Bewertung zu prüfen,
ob die tatsächliche und rechtliche Wertung der Fachgerichte Grundrechte der
Parteien verletzt oder ob sie ihre Rechtfertigung in der verfassungsmäßigen Ordnung,
namentlich im Publizitäts- und Transparenzgebot des Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG und
dessen einfach-rechtlicher Konkretisierung im Parteiengesetz findet.
Diese Prüfungspflicht bedeutet allerdings nicht, dass das Bundesverfassungsgericht
die Entscheidung, ob die Rechenschaftspflicht im Einzelfall erfüllt oder hieran unter
Verletzung von Grundrechten der Parteien ohne ausreichende (einfach-) gesetzliche
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183
Grundlage oder unter Verletzung der hergebrachten Regeln juristischer Methodik
überzogene Anforderungen gestellt wurden, unter Berücksichtigung der gerichtlichen
Vorentscheidungen neu und selbst zu treffen hätte; die Verfassungsbeschwerde
eröffnet auch hier keine weitere Tatsachen- oder Revisionsinstanz. Das
Bundesverfassungsgericht hat die Entscheidungen der Fachgerichte lediglich auf
Fehler hin zu überprüfen, die geeignet sind, die Beachtung der Grundrechte der
Parteien in Frage zu stellen.
2. Gemessen an diesen Grundsätzen hält die Auslegung des Parteiengesetzes
durch das Oberverwaltungsgericht der verfassungsgerichtlichen Überprüfung stand.
Verfassungsrechtlich unangreifbar nimmt das Oberverwaltungsgericht an, dass der
Rechenschaftspflicht gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG auch im Rahmen des § 19 Abs.
4 Satz 3 PartG 1994 nur durch Vorlage eines materiell richtigen
Rechenschaftsberichtes Rechnung getragen werden kann. Nur ein solcher
Rechenschaftsbericht entspricht den Vorschriften des Fünften Abschnitts des
Parteiengesetzes (§§ 23 bis 31 PartG 1994) und kann Grundlage einer Festsetzung
staatlicher Mittel nach § 23 Abs. 4 Satz 1, § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 sein. Das
Oberverwaltungsgericht kann sich hierbei auf den Wortlaut und den systematischen
Zusammenhang des § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 mit weiteren Vorschriften des
Parteiengesetzes über die Mittelbewilligung (a), deren Sinn und Zweck (b) und deren
Entstehungsgeschichte (c) stützen.
a) Der Wortlaut des § 19 Abs. 4 PartG 1994 allein lässt zwar nicht hinreichend
deutlich erkennen, ob auf einen lediglich formell oder aber auf einen auch materiell
richtigen Rechenschaftsbericht abzustellen ist; die Vorschrift spricht schlicht von
Rechenschaftsbericht. Aus dem Regelungszusammenhang von § 19 Abs. 4 mit § 23
Abs. 3 und 4 PartG 1994 folgt aber, dass ein den Vorschriften des Fünften Abschnitts
des Parteiengesetzes entsprechender Rechenschaftsbericht gemeint ist. Nach § 23
Abs. 3 Satz 1 PartG 1994 prüft der Präsident des Deutschen Bundestages, "ob der
Rechenschaftsbericht den Vorschriften des Fünften Abschnitts entspricht". Gemäß
§ 23 Abs. 4 Satz 1 PartG 1994 darf er staatliche Mittel für eine Partei nach § 18 und
§ 19 PartG nicht festsetzen, "solange ein den Vorschriften des Fünften Abschnitts
entsprechender Rechenschaftsbericht nicht eingereicht worden ist". Da eine
Festsetzung erst nach Vorlage eines den Vorschriften des Fünften Abschnitts
entsprechenden Berichts erfolgen darf (§ 23 Abs. 4 Satz 1 PartG 1994), kann von § 19
Abs. 4 Satz 2 PartG 1994, wonach die endgültige Festsetzung nach Vorlage des
Rechenschaftsberichts für das vorausgegangene Jahr erfolgt, stets nur der Bericht im
184
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Sinne von § 23 Abs. 4 Satz 1 PartG 1994 gemeint sein. Auch § 19 Abs. 4 Satz 3
PartG 1994, der für den Begriff des Rechenschaftsberichts auf § 19 Abs. 4 Satz 2
PartG 1994 verweist, bezieht sich damit zugleich auch auf § 23 Abs. 4 Satz 1 PartG
1994.
Der Begriff des Rechenschaftsberichts in § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 schließt
folglich die in § 23 Abs. 4 Satz 1 PartG genannte Anforderung ein. Dies lässt sich
unschwer auch daraus entnehmen, dass § 23 Abs. 4 Satz 1 PartG ausdrücklich auf
§ 19 PartG 1994 verweist, indem er bestimmt, dass staatliche Mittel nach § 18 und
§ 19 PartG nicht festgesetzt werden dürfen, solange ein den Vorschriften des Fünften
Abschnitts entsprechender Rechenschaftsbericht nicht eingereicht worden ist. Die
gegenteilige Auffassung, § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 handele anders als § 23 Abs.
4 Satz 3 PartG 1994 nicht von einem Rechenschaftsbericht, der den Vorschriften des
Fünften Abschnitts entspreche mit der Folge, dass es für die Beteiligung an der
endgültigen Festsetzung staatlicher Mittel nur darauf ankomme, dass die Partei bis
zum 31. Dezember des laufenden Jahres überhaupt einen Rechenschaftsbericht
einreiche (Depenheuer, FAZ vom 29. Februar 2000, S. 11; Depenheuer/Grzeszick,
Zwischen gesetzlicher Haftung und politischer Verantwortlichkeit, DVBl 2000, S. 736
<738>; Koch, Verlust der Teilhabe an staatlicher Parteienfinanzierung bei
fehlerhaftem Rechenschaftsbericht?, NJW 2000, S. 1004 <1005>; ders., Rechtsfolgen
unzureichender Rechenschaftslegung politischer Parteien, AöR 127 <2002>, S. 165
<175 ff., 189 ff.>; Huber, Das parteienrechtliche Transparenzgebot und seine
Sanktionierung, DÖV 2000, S. 745 <748, 749>), vermag nicht zu überzeugen.
§ 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 darf nicht isoliert von § 23 Abs. 4 PartG 1994
gesehen werden. Beide Regelungen greifen notwendigerweise ineinander. Die
hiervon abweichende Auffassung steht in unauflösbarem Widerspruch zu § 23 Abs. 4
Satz 1 PartG 1994, wonach der Präsident des Deutschen Bundestages eine
Festsetzung nicht treffen darf, solange ein ordnungsgemäßer Rechenschaftsbericht
nicht vorliegt. Es wäre auch ungereimt, wenn es für die Frage, ob die erste Stufe des
Nichtentstehens des Anspruchs eingreift, nur darauf ankommen sollte, ob überhaupt
ein Rechenschaftsbericht vorgelegt worden ist, während die zweite Stufe nur mit
einem ordnungsgemäßen Bericht abgewendet werden könnte; vielmehr bauen beide
Stufen aufeinander auf und sind miteinander verschränkt und verklammert (Cornils,
Das Sanktionensystem des Parteiengesetzes: verfassungsmäßige Grundlage einer
Kürzung des Anspruchs auf staatliche Teilfinanzierung?, VerwArch 91 <2000>, S.
327
<328>;
Heinig/Streit,
Die
direkte staatliche
Parteienfinanzierung:
186
187
Verfassungsrechtliche Grundlagen und parteigesetzliche Rechtsfragen, JURA 2000,
S . 393 <396>; Morlok, Spenden - Rechenschaft - Sanktionen, NJW 2000, S. 761
<766>; Masing, Auslegung oder Auslegungsverweigerung?, NJW 2001, S. 2353
<2355>; H.-P. Schneider, FAZ vom 8. März 2000, S. 10 <11>).
Auch durch die in § 28 PartG 1994 enthaltene Verpflichtung auf die Grundsätze
ordnungsgemäßer Buchführung wird bestätigt, dass nur durch einen korrekten
Rechenschaftsbericht die Voraussetzungen für die Festsetzung staatlicher Mittel
erfüllt werden können. Das Parteiengesetz nimmt hier auf die handelsrechtlichen
Bilanzvorschriften Bezug. Die "Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung", die in
§ 243 Abs. 1 HGB Erwähnung gefunden haben, umfassen auch den Grundsatz der
inhaltlichen Richtigkeit und Vollständigkeit (§ 246 Abs. 1 HGB). Schließlich sieht
auch § 24 Abs. 1 Satz 2 PartG 1994 ausdrücklich vor, dass der Rechenschaftsbericht
nach den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchführung unter Berücksichtigung
des Gesetzeszwecks zu erstellen ist. Die Vorschrift nimmt damit nicht nur unmittelbar
auf die in § 246 Abs. 1 HGB enthaltenen Anforderungen an die inhaltliche Richtigkeit
und Vollständigkeit des Jahresabschlusses, sondern auch auf das verfassungskräftig
verfestigte Transparenz- und Publizitätsgebot des Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG Bezug,
dessen Konkretisierung und Verwirklichung das Parteiengesetz zu dienen bestimmt
ist. Damit kann unter dem Begriff des Rechenschaftsberichts im Sinne des
Parteiengesetzes 1994 nur ein Rechenschaftsbericht verstanden werden, der
bezüglich seiner inhaltlichen Richtigkeit und seiner Vollständigkeit den gesetzlichen
Anforderungen entspricht (Heinig/Streit, Die direkte staatliche Parteienfinanzierung:
Verfassungsrechtliche Grundlagen und parteigesetzliche Rechtsfragen, JURA 2000,
S. 393 <396>; Morlok, Spenden - Rechenschaft - Sanktionen, NJW 2000, S. 761
<766>; Masing, Auslegung oder Auslegungsverweigerung?, NJW 2001, S. 2353
<2355>; Merten, Gesetzmäßige Parteienfinanzierung, Mitteilungen des Instituts für
Deutsches und Europäisches Parteienrecht 9 <1999>, Sonderbeilage, S. 11
<14 f.>).
b) Für die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts spricht zudem, dass nur ein
vollständiger Rechenschaftsbericht dem Verfassungsgebot genügt, die Bürger über
Einnahmen, Ausgaben und Vermögen einer Partei zu unterrichten. Er allein ist
geeignet,
eine Verflechtung von politischen und wirtschaftlichen Interessen
offenzulegen und den Wähler über jene Kräfte zu informieren, die die Politik der
einzelnen Parteien bestimmen ( BVerfGE 24, 300 <356> ; siehe auch BVerfGE 20, 56
<106>; 52, 63 <86 f.>; 85, 264 <319> ). Dieser Zielsetzung widerspräche es, wenn
188
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gewichtige Vermögenspositionen - im Zweifel solche von heikler oder gar anstößiger
Herkunft - folgenlos verschwiegen werden könnten. Andernfalls könnte jede in eine
hinreichende Form gebrachte Lüge in vollem Umfang zum Bezug staatlicher Mittel
berechtigen. Selbst wenn sich eine Partei offen weigern würde, wahrheitsgemäße
Angaben zu machen, könnte sie unter Verweis auf ein beliebig gegriffenes, formalen
Kategorien entsprechendes Rechenwerk vollständige Zahlung erlangen und sich
nach eigenem Gutdünken von unliebsamen inhaltlichen Vorgaben offen freizeichnen
(Masing, Auslegung oder Auslegungsverweigerung?, NJW 2001, S. 2353 <2356>).
Ein solches Ergebnis würde nicht nur den Intentionen des Parteiengesetzes,
sondern auch dem Transparenz- und Publizitätsgebot des Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG
zuwiderlaufen. Infolgedessen kann nur ein materiell richtiger Rechenschaftsbericht zu
gleicher Teilnahme an der staatlichen Parteienteilfinanzierung berechtigen. § 19 Abs.
4 Satz 3 PartG 1994 ist so auszulegen und anzuwenden, dass er die Vorlage eines
inhaltlich richtigen und vollständigen Rechenschaftsberichts erfordert, um den Verlust
des Zuwendungsanteils zu vermeiden. Das Transparenz- und Publizitätsgebot des
Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG, das diese Auslegung trägt, dient seinerseits dem Schutz der
innerparteilichen Demokratie (Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG). Diese ist von Transparenz in
finanziellen
Dingen
abhängig, weil andernfalls die Mitglieder keine
Kontrollmöglichkeit gegenüber der Parteiführung hätten. Erst die Offenlegung von
Finanzströmen macht diese nachvollziehbar und entschärft sie als Instrument
innerparteilicher Machtsicherung (Morlok, Spenden - Rechenschaft – Sanktionen,
NJW 2000, S. 761 <762>).
Das Gesetz geht deshalb folgerichtig davon aus, dass die Rechenschaftsberichte
der Parteien nicht nur formell, sondern auch inhaltlich (materiell) richtig abgefasst sein
müssen. Der Fünfte Abschnitt des Parteiengesetzes 1994 will nicht lediglich die
nackte Form eines formelle Rechtssicherheit gewährenden Zahlenwerks verbürgen,
damit irgendwelche Berechnungen eine bestandskräftige Grundlage finden; er will
und muss die Transparenz der tatsächlichen Parteifinanzen sicherstellen. Denn
Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG soll gewährleisten, dass jede durch Geld eröffnete
Einflusschance offen gelegt und dadurch die Integrität des demokratischen
Willensbildungsprozesses gesichert wird. Die These, eine lediglich formell
ordnungsgemäße Rechenschaftslegung erfülle die Voraussetzungen des § 19 Abs. 4
Satz 3 PartG, ist demzufolge nicht nur einfach-rechtlich unhaltbar, sondern auch mit
den in Art. 21 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommenden institutionellen Garantien und
Grundsätzen unvereinbar.
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c) Sprechen - wie hier - sowohl der systematische Zusammenhang als auch der
durch Art. 21 Abs. 1 GG vorgegebene Zweck der Regelung für die Richtigkeit der in
den angegriffenen Entscheidungen gefundenen Auslegung und steht dieser auch der
Wortlaut
der
Regelung
nicht entgegen, so kann der Vorwurf einer
verfassungswidrigen Rechtsfortbildung nicht darauf gestützt werden, die getroffene
Auslegung werde durch die Entstehungsgeschichte der Regelung nicht gedeckt.
Ausschlaggebende Bedeutung kommt den Gesetzesmaterialien in der Regel nicht zu
( BVerfGE 6, 389 <431>; 41, 291 <309>; 45, 187 <227>; 62, 1 <45>). Dessen
ungeachtet erfährt die in den angegriffenen Entscheidungen gefundene Auslegung
jedoch auch in der Entstehungsgeschichte ihre Bestätigung.
In der Entwurfsbegründung zu § 23 Abs. 4 Satz 1 PartG 1994 werden beide
Tatbestände, die Nichtvorlage eines Rechenschaftsberichts einerseits und die
Vorlage eines den Vorschriften des Fünften Abschnitts des Parteiengesetzes nicht
genügenden Rechenschaftsberichts andererseits, ausdrücklich nebeneinander
genannt (wobei auf Grund eines offenkundigen Redaktionsversehens jeweils statt
Satz 2 Satz 3 genannt ist). Wörtlich heißt es:
Satz 1 der Vorschrift dient - in Verbindung mit Satz 2 - wie bisher der
Klarstellung, dass staatliche Mittel nicht gewährt werden dürfen,
wenn kein bzw
.
entsprechender Rechenschaftsbericht vorgelegt wurde.
(vgl. BTDrucks 12/5774, S. 16)
Mit Blick auf § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 spricht die Gesetzesbegründung
dann von § 23 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 als der entsprechenden materiellen
Regelung des Anspruchsverlustes. Ausdrücklich heißt es hierzu:
Satz 2 korrespondiert mit der Verfahrensvorschrift des § 19 Abs. 4
Satz 3 und enthält die entsprechende materielle Regelung des
Anspruchsverlusts. Bei den Zuwendungen im Sinne dieser
Vorschrift handelt es sich um in § 18 Abs. 3 genannte
Mitgliedsbeiträge oder rechtmäßig erlangte Spenden.
(vgl. BTDrucks 12/5774, S. 16)
§ 23 Abs. 1 Satz 1 und § 23 Abs. 4 Satz 3 sind danach als aufeinander
abgestimmte Regelungen zu verstehen, womit ein unterschiedlicher Begriff des
fristwahrenden - lediglich formell ordnungsgemäßen - Rechenschaftsberichts nicht
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201
vereinbar ist. Vielmehr haben die Gesetzesverfasser beide in Betracht kommenden
Tatbestände - fehlender Rechenschaftsbericht und nicht den Vorschriften des Fünften
Abschnitts entsprechender Rechenschaftsbericht - durch die Wendung "bzw." in ihrer
rechtlichen Behandlung ausdrücklich gleichstellen wollen.
Mit Rücksicht auf diese Rechtslage ist das Oberverwaltungsgericht den Einwänden
der Beschwerdeführerin zu Recht nicht gefolgt.
3. Auch die in der Verfassungsbeschwerde gegen das Erfordernis eines materiell
richtigen Rechenschaftsberichts erhobenen weiteren Bedenken greifen, soweit sie
überhaupt verfassungsrechtlicher Natur sind, nicht durch. Entweder existieren die von
der Beschwerdeführerin behaupteten Folgeprobleme bereits aus rein tatsächlichen
Gründen nicht, oder sie lassen sich im Wege verfassungskonformer
Gesetzesinterpretation bewältigen, oder sie wurzeln ausschließlich im einfachen
Gesetzesrecht, ohne dass die Beschwerdeführerin eine aktuelle Betroffenheit oder
eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts in der Sache nachvollziehbar
aufzeigen könnte.
a) Entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin ist der Präsident des Deutschen
Bundestages bei der Prüfung der Rechenschaftsberichte der Parteien nach dem
PartG 1994 nicht lediglich auf eine Plausibilitätskontrolle beschränkt. Selbst bei einer
bloßen Plausibilitätskontrolle hätte der hier einschlägige Sachverhalt allerdings
berücksichtigt werden müssen. Der von der Beschwerdeführerin in Bezug
genommene Vermerk der "Abteilung Parlamentarische Dienste" vom 9. Dezember
1999 gibt im Übrigen nur die Praxis der Bundestagsverwaltung, nicht jedoch die
Rechtslage wieder.
aa) Die materielle Richtigkeit der Rechenschaftsberichte zu gewährleisten, war nach
dem PartG 1994 zunächst Aufgabe der von den Parteien beauftragten unabhängigen
Wirtschaftsprüfer, deren Testate ihrerseits von den Wirtschaftsprüferkammern in
regelmäßigen Abständen stichprobenartig unter fachlichen Gesichtspunkten überprüft
wurden (vgl. § 23 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. §§ 29 bis 31 PartG 1994). Anschließend prüfte
der Präsident des Deutschen Bundestages, ob der Rechenschaftsbericht den
Vorschriften des Fünften Abschnitts des Parteiengesetzes entsprach (vgl. § 23 Abs. 3
Satz 1 PartG 1994). Daraus und aus der unterschiedslosen Erwähnung beider
Prüfungen (nach § 23 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3) in § 29 Abs. 1 PartG 1994 ist zu
schließen, dass das PartG 1994 davon ausging, dass beide Prüfungen nach Umfang
und Intensität gleich waren (so der Bericht der Kommission unabhängiger
202
203
204
Sachverständiger zu Fragen der Parteienfinanzierung vom 19. Juli 2001, BTDrucks
14/6710, S. 61; siehe auch den Bericht des Präsidenten des Deutschen Bundestages
über die Rechenschaftsberichte 1996, 1997 und 1998 vom 21. November 2000,
BTDrucks 14/4747, S. 17, den Bericht über die Rechenschaftsberichte 1994 und
1995 vom 29. Oktober 1997, BTDrucks 13/8888, S. 12 sowie den inzwischen Gesetz
gewordenen Entwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und FDP vom 16. April 2002, BTDrucks 14/8778, S. 18).
bb) Mit dieser Erkenntnis ist die Vorstellung von einer ausschließlichen oder auch
nur vorrangigen materiellen Prüfungskompetenz der Wirtschaftsprüfer unvereinbar.
§ 23 Abs. 3 PartG 1994 begründete zwischen der Prüfungskompetenz des
Präsidenten des Deutschen Bundestages und derjenigen der Wirtschaftsprüfer auch
keine Arbeitsteilung dergestalt, dass der Bundestagsverwaltung nur eine auf die
Überwachung der äußeren Verfahrensrichtigkeit beschränkte Kontrollaufgabe
verblieben wäre. Vielmehr wies § 23 Abs. 3 PartG 1994 dem Präsidenten des
Deutschen Bundestages eine eigenständige, im Gewicht sogar übergeordnete
Kompetenz
zur
Prüfung
und
abschließenden Entscheidung über die
Vorschriftsmäßigkeit zu.
cc) Daraus darf nun allerdings nicht gefolgert werden, der Präsident des Deutschen
Bundestages sei von Amts wegen verpflichtet gewesen, jeden Rechenschaftsbericht
e n détail auf seine inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen, ohne dass für ein
Fehlverhalten
konkrete
Anhaltspunkte
vorlagen. Vielmehr bestimmte die
Bundestagsverwaltung gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz VwVfG Art und Umfang
i h r e r Ermittlungen selbst. Sie hatte insoweit ein Aufklärungs- und
Verfahrensermessen und musste nicht von sich aus automatisch allen denkbaren
Möglichkeiten nachgehen oder sich ohne Anlass auf Fehlersuche begeben.
dd) Die Beschwerdeführerin kann nicht einerseits geltend machen, die
Bundestagsverwaltung habe nur eine Plausibilitätskontrolle durchgeführt, wenn sie
andererseits ihrer Mitwirkungspflicht nicht genügt und in ihr zurechenbarer Weise
einen unrichtigen Rechenschaftsbericht vorgelegt hat. Sie verkennt, dass das
Prüfungsrecht des Bundestagspräsidenten nicht in ihrem Individual-, sondern im
Allgemeininteresse um der Verwirklichung des Transparenz- und Publizitätsgebots
willen gegeben ist. Das Transparenzgebot und die seiner Verwirklichung dienende
Rechenschaftspflicht haben nicht die Aufgabe, eine korrekte Finanzwirtschaft der
Parteien zu gewährleisten. Hierfür haben diese in ihrem ureigensten Interesse selbst
Sorge zu tragen.
205
206
b) Die vom Präsidenten des Deutschen Bundestages vorgenommene und vom
Oberverwaltungsgericht bestätigte Differenzierung zwischen wesentlichen Fehlern,
die zum Verlust staatlicher Mittel führen, und unwesentlichen Fehlern, bei denen dies
nicht der Fall ist, begegnet auch unter Berücksichtigung der von der
Beschwerdeführerin geltend gemachten Einwände einer mangelnden Bestimmtheit
der Wesentlichkeitsgrenze sowie des Fehlens von Proportionalität zwischen Fehler
und Anspruchsverlust keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insoweit ist weder
d a s Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) noch das
Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt.
aa) § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 scheint zwar dem Wortlaut nach eine pauschale
Alles- oder- Nichts-Lösung zu enthalten. Eine solche Betrachtungsweise griffe aber
zu kurz. Unter einem Rechenschaftsbericht im Sinne dieser Vorschrift ist stets nur ein
solcher zu verstehen, der den Vorschriften des Fünften Abschnitts, namentlich den
Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung unter zusätzlicher Berücksichtigung des
Gesetzeszwecks entspricht (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 2, § 28 Satz 2 PartG 1994). Zu den
Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zählt auch der Grundsatz der
Wesentlichkeit (vgl. Ballwieser in: MünchKomm-HGB, Band 4, 2001, § 243, Rn. 63
und 64). Dieser besagt, dass in der Bilanz Positionen zu vernachlässigen sind, die
wegen ihrer Größenordnung für den Adressaten des Jahresabschlusses ohne
Bedeutung sind und auf das Jahresergebnis keinen nennenswerten Einfluss haben
(vgl. Leffson, Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 7. Aufl. 1987, S. 180 ff.;
Claussen in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Band 4, 2. Aufl. 1991, § 246 HGB,
Rn. 37; Großfeld, Bilanzrecht, 3. Aufl. 1997, Rn. 97) oder außerhalb von Sinn und
Zweck gerade dieser Offenlegung bleiben. Auch wenn sich allgemein gültige
Schwellenwerte nicht festlegen lassen (so Leffson, a.a.O., S. 183) oder jedenfalls
nicht zweckmäßig sind (so Dörner/Wirth in: Küting/Weber , Handbuch der
Rechnungslegung, Band Ia, 4. Aufl. 1995, II. Kapitel, §§ 284 - 288 HGB, Rn. 5 ff.),
widerspricht es den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung jedenfalls nicht,
unwesentliche Fehler außer Betracht zu lassen und einen innerhalb gewisser
Toleranzen verbleibenden Rechenschaftsbericht trotz seiner Fehlerhaftigkeit noch als
ordnungsgemäß anzusehen. Das lässt sich ohne weiteres auf das Parteiengesetz
übertragen (Cornils, Das Sanktionssystem des Parteiengesetzes: verfassungsmäßige
Grundlage einer Kürzung des Anspruchs auf staatliche Teilfinanzierung?, VerwArch
91 <2000>, S. 327 <342 f.>; Heinig/Streit, Die direkte staatliche Parteienfinanzierung:
Verfassungsrechtliche Grundlagen und parteigesetzliche Rechtsfragen, JURA 2000,
207
208
S. 393 <398>; Merten, Gesetzmäßige Parteienfinanzierung, Mitteilungen des Instituts
für Deutsches und Europäisches Parteienrecht 9 <1999>, Sonderbeilage, S.
11 <14 f.>; Masing, Auslegung oder Auslegungsverweigerung?, NJW 2001, S. 2353
<2357>; Morlok, Spenden - Rechenschaft - Sanktionen, NJW 2000, S. 761 <766 f.>;
grundsätzlich ablehnend dagegen: Depenheuer/Grzeszick, Zwischen gesetzlicher
Haftung und politischer Verantwortlichkeit, DVBl 2000, S. 736 <739>; Koch, Verlust
an
der
Teilhabe
an
staatlicher
Parteienfinanzierung bei fehlerhaftem
Rechenschaftsbericht?, NJW 2000, S. 1004 <1006>; ders., Rechtsfolgen
unzureichender Rechenschaftslegung politischer Parteien, AöR 127 <2002>, S. 165
<197 ff.>; Huber, Das parteienrechtliche Transparenzgebot und seine Sanktionierung,
DÖV 2000, S. 745 <749>). Zutreffend hat der Präsident des Deutschen Bundestages
in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die Unterscheidung zwischen
wesentlichen und unwesentlichen Mängeln von Anträgen im Zusammenhang mit der
Gewährung staatlicher Leistungen und deren Rückabwicklung keineswegs etwas
Außergewöhnliches ist (vgl. § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG, § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2
SGB-X und § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO).
Auch das Transparenz- und Publizitätsgebot des Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG fordert
kei nen uneingeschränkt richtigen und vollständigen Rechenschaftsbericht. Der
Wortlaut des Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG spricht zwar dafür, dass die Publizitäts- und
Transparenzpflicht auf eine möglichst vollständige Rechnungslegung zielt (BVerfGE
8 5 , 264 <319>). Die dem Gesetzgeber in Art. 21 Abs. 3 GG eröffnete
Regelungsbefugnis gestattet aber gewisse Einschränkungen der Offenlegungspflicht,
vor allem aus Gründen der Praktikabilität (BVerfGE 85, 264 <321>), sofern sie mit
d e m Sinn und Zweck des Transparenzgebots vereinbar sind ( BVerfGE 85, 264
<319> ). Das ist hier nicht der Fall, weil nicht ernstlich zweifelhaft sein kann, dass die
Grenze überschritten ist. Die Beschwerdeführerin kann nicht geltend machen, dass
sie unter dem Gesichtspunkt des Gebots hinreichender Bestimmtheit förmlicher
Gesetze den Rechtsverstoß nicht habe erkennen und ihr Verhalten nicht darauf habe
einrichten können.
bb) Mit Recht hat das Oberverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang von der
Festlegung einer starren prozentualen Grenze zur Bestimmung dessen, was im
Einzelnen von Belang ist, abgesehen und auf eine Beurteilung im Einzelfall unter
Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Rechenschaftspflicht verwiesen. Eine
starre Festlegung ist auch nicht von Verfassungs wegen geboten. Für den
Rechtsunterworfenen muss zwar die Rechtslage erkennbar sein ( BVerfGE 21, 73
209
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211
<79>; 52, 1 <41>; 62, 169 <182 f.>; 64, 261 <286>); er muss aber die Rechtsfolgen
eines Normverstoßes nicht in allen Einzelheiten vorhersehen können; es genügt,
wenn er zumindest das Risiko ernster Konsequenzen erkennen kann (vgl. BVerfGE
87, 363 <391 f.>; 92, 1 <12>).
Dem ist hier Rechnung getragen. Die Beschwerdeführerin und ihre Vertreter
konnten den Regelungen des Parteiengesetzes entnehmen, dass nur ein den
Vorschri ften des Fünften Abschnitts des PartG 1994 entsprechender
Rechenschaftsbericht den Präsidenten des Deutschen Bundestages zur Festsetzung
staatlicher Mittel berechtigt (§ 23 Abs. 4 Satz 1 PartG 1994) und § 19 Abs. 4 Satz 3
PartG 1994 den Verlust des Zuwendungsanteils (§ 18 Abs. 3 Nr. 3 PartG 1994)
vorsieht, wenn der eingereichte Rechenschaftsbericht nicht von dieser Beschaffenheit
ist. Mehr ist unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgebots nicht zu fordern. Im
Gegenteil, die Festlegung von konkreten Schwellenwerten könnte eine
rechenschaftspflichtige Partei dazu verleiten, diese auszuschöpfen und das
Transparenzgebot des Grundgesetzes zu relativieren oder durch geschickte
Verteilung
von
Zuwendungen
auf
verschiedene
Gliederungs-
und
Organisationsebenen zu umgehen.
Letztendlich bedarf diese Frage hier aber keiner abschließenden Klärung, weil der
Gesetzgeber inzwischen eine Neuregelung vorgenommen hat, die Gemeinsamkeiten
mit der bisherigen Rechtslage nicht mehr aufweist. Auch der Umstand, dass die
Entscheidung, ob ein Rechenschaftsbericht mit wesentlichen Fehlern behaftet ist
oder ob diese noch als unwesentlich beurteilt werden können, vom Präsidenten des
Deutschen Bundestages zu treffen ist, begegnet keinen verfassungsrechtlichen
Bedenken. Die von einer solchen Entscheidung betroffene Partei wird hinreichend
dadurch geschützt, dass dem Präsidenten des Deutschen Bundestages bei seiner
Entscheidung weder ein Beurteilungs- noch ein Ermessensspielraum zusteht und
diese daher in vollem Umfang der gerichtlichen Prüfung unterliegt.
cc) Auch soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG in
Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) darin erblickt, dass es im
Rahmen des § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 an einer Proportionalität zwischen dem
Fehler und dem als Rechtsfolge eintretenden Anspruchsverlust - genauer: dessen
Nichtentstehen - fehlt, kann ihr nicht gefolgt werden. § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994
weist - anders als etwa § 23a PartG 1994 - keinen Sanktions- oder gar Strafcharakter
auf; es handelt sich in Verbindung mit dem Festsetzungsverbot des § 23 Abs. 4 Satz
1 PartG 1994 - bereits dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes nach - lediglich
212
213
um eine von Amts wegen zu berücksichtigende rechtshindernde Einwendung, die
das endgültige Entstehen des Anspruchs - genauer: dessen Festsetzung - hindert.
Von einer strafähnlichen Sanktion könnte nur dann gesprochen werden, wenn eine
Normverletzung rückblickend repressiv geahndet würde (vgl. BVerfGE 20, 323 <331>;
58, 159 <162>). Daran fehlt es jedoch. Der Wegfall des Anspruchs ist keine Sanktion
für fehlerhafte, dem Transparenzgebot widersprechende Rechenschaftsberichte,
sondern - wie die Instanzgerichte zu Recht angenommen haben - lediglich die Folge
der mangelhaften Mitwirkung einer Partei im Rahmen des Festsetzungsverfahrens.
D a s schließt nicht aus, dass die Partei das Nichtentstehen des Anspruchs, mit
dessen Entstehen und den sich daran anknüpfenden endgültigen Mittelzuweisungen
sie fest gerechnet hatte, als Sanktion empfindet; rechtlich maßgebend und damit für
die Beurteilung entscheidend ist jedoch allein, ob eine solche Wirkung Gegenstand
und Zweck des Gesetzes ist. Das ist nicht der Fall. Die Verknüpfung der Vorlage
eines materiell ordnungsgemäßen Rechenschaftsberichts mit dem Entstehen des
Anspruchs auf Parteienfinanzierung und dem damit einhergehenden Eintritt des
Rechtsgrundes für das Behaltendürfen der bereits in Empfang genommenen
Abschlagszahlungen ist kein Akt der Repression.
Eine Partei kann den ihr nach dem Grundgesetz zukommenden Aufgaben, vor allem
der Transformation des durch sie integrierten und kanalisierten Bürgerwillens zum
Staatswillen, nur dann gerecht werden, wenn sowohl die innerparteiliche Demokratie
als auch gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen den Parteien gemäß den
verfassungsrechtlichen Prämissen gewährleistet sind und wenn dem Bürger bei
seiner Wahlentscheidung klar ist, welche Interessen er mit der Abgabe seiner Stimme
für eine bestimmte Partei unterstützt (vgl. BVerfGE 85, 264 <319>). Dies ist bei
Parteien nicht sichergestellt, die in zurechenbarer Weise ihrer Verpflichtung, einen
ordnungsgemäßen Rechenschaftsbericht einzureichen, nicht nachgekommen sind.
Aus diesem Grunde ist der Staat zu deren gleicher Finanzierung nicht nur nicht
verpflichtet, sondern grundsätzlich auch nicht berechtigt. Er ist auch nicht von
Verfassungs wegen verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass den politischen Parteien
die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung stehen
( BVerfGE 52, 63 <86>; 73, 40 <86>; unter Betonung des Vorrangs der
Selbstfinanzierung vor der Staatsfinanzierung offen gelassen in BVerfGE 85, 264
<288f.>; gegen eine grundsätzliche Förderungspflicht ausdrücklich auch BVerfGE
104, 287 <300>). Eine solche Verpflichtung des Gesetzgebers lässt sich dem
Grundgesetz nicht entnehmen ( BVerfGE 8, 51 <65>; 52, 63 <84>; 73, 40 <86> ).
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218
Das Grundgesetz hat den Parteien das Risiko des Fehlschlagens eigener
Bemühungen um ihre Finanzierung nicht abgenommen. Es vertraut vielmehr die
politische Willensbildung der Urteilskraft und Aktivität der Bürger an ( BVerfGE 20, 56
<102 f.>; 52, 63 <85 f.>; 73, 40 <86>; 85, 264 <287>; 104, 287 <300> ). Ein
verfassungsunmittelbarer Anspruch auf staatliche Parteienfinanzierung, der durch das
Erfordernis der fristgerechten Vorlage eines materiell richtigen Rechenschaftsberichts
verletzt werden könnte, existiert mithin, wie das Oberverwaltungsgericht im
angefochtenen Urteil zu Recht erkannt hat, nicht. Der Gesetzgeber ist an einer
finanziellen Förderung der Parteien lediglich nicht gehindert, sofern er diese
hierdurch nicht der staatlichen Vorsorge überantwortet und die vom Grundgesetz
gewährleistete Offenheit des Prozesses der politischen Willensbildung des Volkes
nicht beeinträchtigt wird (BVerfGE 20, 56 <99, 102>; 52, 63 <86>; 73, 40 <86>; 85,
264 <288>).
Es steht dem Gesetzgeber deshalb auf Grund der ihm durch Art. 21 Abs. 3 GG
eröffneten Regelungsbefugnis frei, die Rechenschaftslegung mit der staatlichen
Parteienfinanzierung zu verknüpfen (vgl. BVerfGE 85, 264 <319> ) und für den Fall
der Verletzung von Mitwirkungspflichten das Nichtentstehen von Ansprüchen (§ 19
Abs. 4 Satz 3, § 23 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994) oder gar Sanktionen (§ 23a PartG
1994) vorzusehen. Auch § 23, § 44 Abs. 1 Satz 2 und 3 BHO legen für den Fall der
Gewährung staatlicher Zuwendungen an Stellen außerhalb der Bundesverwaltung
ausdrücklich besondere Rechenschaftspflichten und Prüfungsrechte fest.
Die Rückabwicklung der bereits in Empfang genommenen Abschlagszahlungen
(vgl. § 20 Abs. 3 PartG 1994) ist mithin eine folgerichtige Verwirklichung der sich aus
Art. 21 GG ergebenden verfassungsrechtlichen Vorgaben.
dd) Ebenso wenig begegnet die in § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 getroffene
Stichtagsregelung verfassungsrechtlichen Bedenken. Derartige Regelungen sind
trotz der mit ihnen verbundenen Härten grundsätzlich zulässig (vgl. BVerfGE 3, 58
<148>; 71, 364 <397>; 80, 297 <311> ), sofern der Gesetzgeber – wie hier – den ihm
zukommenden Gestaltungsspielraum in sachgerechter Weise genutzt, die für die
zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt und
eine sachlich begründete Entscheidung getroffen hat (vgl. BVerfGE 58, 81 <126>; 79,
212 <219 f.>; 95, 64 <88>; 101, 239 <270>).
Ein
wie
auch
immer
gearteter rechtfertigungsbedürftiger Eingriff in
verfassungsrechtliche Positionen der Beschwerdeführerin ist mit dem in § 19 Abs. 4
219
220
221
Satz 3, § 23 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 angeordneten Nichtentstehen von Ansprüchen
nicht
verbunden. Diese Vorschriften regeln vielmehr im Rahmen der
Leistungsverwaltung lediglich die Folgen, die sich ergeben, wenn die
Bewilligungsvoraussetzung,
einen
materiell
richtigen Rechenschaftsbericht
einzureichen, nicht fristgerecht erfüllt wurde. Das ist der Fall. Die Frist ist ausreichend,
und es wird nicht geltend gemacht, dass die konkreten Probleme mit einer
unangemessenen Frist zusammenhingen. Es geht hier um ein über viele Jahre
verschwiegenes Vermögen, dessen Herkunft ungeklärt und nach früherem Recht nie
offengelegt worden ist.
ee) Zieht man weiter in Betracht, dass die betroffene Partei durch das
Nichteinreichen eines Rechenschaftsberichts oder das Einreichen eines wesentlich
unrichtigen
Rechenschaftsberichts
den
Anforderungen
eines elementaren
Verfassungsgrundsatzes, des Transparenz- und Publizitätsgebots des Art. 21 Abs. 1
Satz 4 GG, nicht genügt hat, erscheint die Rechtsfolge des Nichtentstehens eines
Anspruchs auf staatliche Teilfinanzierung auch keineswegs unverhältnismäßig, ohne
dass es wegen des fehlenden Eingriffscharakters hierauf noch ankäme.
Bereits das Versäumen der Antragsfrist des § 19 Abs. 1 PartG 1994 zieht die
erheblich gravierendere Rechtsfolge eines vollständigen Nichtentstehens des
Anspruchs nach sich, obwohl es sich hierbei nur um einen Verstoß gegen eine
formelle und in ihrer konkreten Gestaltung nicht verfassungsrechtlich verankerte
Voraussetzung handelt. Wenn aber schon ein vollständiges Nichtentstehen des
A nspruchs wegen Verstoßes gegen formelle Voraussetzungen nicht als
unverhältnismäßig erscheint, so hat dies für den Fall der Vorlage eines wesentlich
unrichtigen Rechenschaftsberichtes erst recht zu gelten.
Der von der Beschwerdeführerin gerügte Mangel an Proportionalität zwischen
einem wesentlichen Fehler - unwesentliche Fehler können bereits wegen
Nichterreichens der Wesentlichkeitsgrenze nicht zu einem Nichtentstehen des
Anspruchs führen - und der in § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 vorgesehenen
Rechtsfolge vermag daher eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3
i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) nicht zu begründen. Diese Rechtsfolge ist im Gegenteil
verhältnismäßig; denn sie trägt dem Verfassungsgebot, die Transparenzpflicht effektiv
auszugestalten (BVerfGE 85, 264 <319>), in besonderer Weise Rechnung. Sie hält
die Parteien zur fristgerechten und vor allem vollständigen Erfüllung ihrer
Mitwirkungspflichten an.
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225
226
c) Soweit die Einwände der Beschwerdeführerin die Befugnis des
Bundestagspräsidenten betreffen, Festsetzungsbescheide für die Vergangenheit
zurückzunehmen, bedürfen sie keiner Befassung des Senats (vgl. auch oben unter
B.I.2.).
d) Soweit die Beschwerdeführerin eine Parteienrechtsakzessorietät des
Untreuetatbestandes (§ 266 StGB) rügt, wird schon nicht deutlich, wie sie als Partei
durch die Anwendung dieser Vorschrift auf Privatpersonen belastet und in ihrem
Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20
Abs. 3 GG) oder Art. 103 Abs. 2 GG verletzt sein könnte. Im Übrigen kennt das
Verfassungsbeschwerde-Verfahren keine (gewillkürte) Prozessstandschaft (vgl.
BVerfGE 25, 256 <263>; 72, 122 <131> ).
e) Anders als die Beschwerdeführerin meint, steht auch § 23a Abs. 1 PartG 1994 der
Auslegung, dass gemäß § 19 Abs. 4 Satz 3, § 23 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 nur ein
materiell richtiger Rechenschaftsbericht zur Teilnahme an der staatlichen
Parteienfinanzierung berechtigt, nicht entgegen. Die Beschwerdeführerin wird durch
eine solche Interpretation nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in
Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verletzt.
aa) Überschneidungen im Rechtsfolgenbereich zwischen § 19 Abs. 4 Satz 3 und
§ 23a Abs. 1 Satz 1 PartG 1994 sind zwar durchaus denkbar, etwa dann, wenn gegen
die Verpflichtung verstoßen wird, Großspender mit Namen und Wohnsitz offen zu
legen (vgl. § 25 Abs. 2 PartG 1994) oder wenn illegale Spenden angenommen und im
Rechenschaftsbericht nicht ausgewiesen werden. Ein solcher Verstoß gegen die
Vorschriften des Fünften Abschnitts des Parteiengesetzes 1994 macht den
Rechenschaftsbericht fehlerhaft und bewirkt - bei Wesentlichkeit - den Verlust der
staatlichen Mittel nach § 19 Abs. 4 Satz 3 und § 23 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994.
Zugleich ordnet § 23a Abs. 1 PartG 1994 für derartige Fälle den Verlust des
Anspruchs auf staatliche Mittel in Höhe des zweifachen des rechtswidrig Erlangten
oder nicht den Vorschriften des Parteiengesetzes entsprechend veröffentlichten
Betrages an. Diese Rechtsfolgenanordnung würde auf Grund ihrer umfänglichen
Beschränkung keinen Sinn machen, wenn der Anspruch ganz oder in Höhe des
zuwendungsbezogenen Anteils (§ 18 Abs. 3 Nr. 3 PartG 1994) bereits nach § 19
Abs. 4 Satz 3, § 23 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 entfiele.
bb) Das Spannungsverhältnis zwischen § 19 Abs. 4 Satz 3, § 23 Abs. 4 Satz 3 PartG
1994 einerseits und § 23a Abs. 1 PartG 1994 andererseits lässt sich jedoch wie folgt
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auflösen: § 23a PartG 1994 betrifft mit seinen differenzierten Anordnungen jeden
Fehler unabhängig von seinem Gewicht für den Gesamtbericht. Die Regelung hat
darüber hinaus Sanktionscharakter, da sie darauf gerichtet ist, eine Normverletzung
rückblickend repressiv zu ahnden. § 19 Abs. 4 Satz 3, § 23 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994
hingegen betreffen mit ihren pauschalen Folgen nur die Fehler, die so wesentlich
sind, dass sie den Rechenschaftsbericht als Ganzes entwerten (Masing, Auslegung
oder Auslegungsverweigerung?, NJW 2001, S. 2353 <2357>). Sie haben weder
Sanktions-
noch Eingriffscharakter, sondern regeln im Rahmen der
Leistungsverwaltung lediglich diejenigen Folgen, die sich daraus ergeben, dass die
Bewilligungsvoraussetzung,
einen materiell richtigen Rechenschaftsbericht
einzureichen, nicht fristgerecht erfüllt wurde. Es handelt sich insoweit lediglich um
eine Obliegenheit, deren Verletzung zu Rechtsnachteilen - einem vollständigen oder
zumindest teilweisen Nichtentstehen des Finanzierungsanspruchs - führt. Die
Überlagerung des Anwendungsbereichs beider Vorschriften, des § 23a Abs. 1 PartG
1994 einerseits und der § 19 Abs. 4 Satz 3, § 23 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994
andererseits, ist danach von vornherein auf die Rechtsfolgenseite beschränkt.
Unterhalb der Schwelle einer wesentlichen Unrichtigkeit des Rechenschaftsberichts
kommt allein § 23a PartG 1994 zum Tragen. Oberhalb dieser Schwelle, also im Falle
des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 23a Abs. 1 Satz 1 PartG 1994
wie auch der Vorlage eines wesentlich unrichtigen Rechenschaftsberichts nach § 19
Abs. 4 Satz 3, § 23 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994, wird § 23a von § 19 Abs. 4 Satz 3, § 23
Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 konsumiert. Es besteht insoweit Idealkonkurrenz
(Heinig/Streit, Die direkte staatliche Parteienfinanzierung: Verfassungsrechtliche
Grundlagen und parteigesetzliche Rechtsfragen, JURA 2000, S. 393 <400>; Streit,
Die Rückforderung von staatlichen Parteifinanzierungsbeiträgen nach § 48 VwVfG,
Mitteilungen des Instituts für Deutsches und Europäisches Parteienrecht 9
<1999>, Sonderbeilage, S. 17 <23>, Fn. 17).
cc) Bei dieser Auslegung verbleibt für § 23a PartG 1994 - unterhalb der Schwelle
d e r Wesentlichkeit von Mängeln des Rechenschaftsberichts - ein erheblicher
Anwendungsbereich. Beide Vorschriften können einander mithin so zugeordnet
werden, dass für jede von ihnen ein sachgerechter Anwendungsbereich verbleibt und
s i e einander optimieren und ergänzen (vgl. hierzu Masing, Auslegung oder
Auslegungsverweigerung?, NJW 2001, S. 2353 <2357>; Heinig/Streit, a.a.O., JURA
2000, S. 393 <400>). Diese Deutung findet - auch wenn der Gesetzgeber das
Wechselspiel zwischen § 23a PartG einerseits und § 19 Abs. 4 Satz 3, § 23 Abs. 4
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231
S a tz 3 PartG 1994 andererseits möglicherweise nicht in allen Ausprägungen
übersehen haben mag - in den Entstehungsstufen des Gesetzes hinreichenden
Rückhalt: Während § 23a PartG bereits durch das Gesetz zur Änderung des
Parteiengesetzes und anderer Gesetze vom 22. Dezember 1983 ( BGBl I S. 1577 )
eingeführt wurde, wurden die weiter reichenden Folgen des Nichtentstehens des
Anspruchs im Falle des Einreichens eines unvollständigen Rechenschaftsberichts
(§ 19 Abs. 4 Satz 3, § 23 Abs. 4 Satz 3 PartG) als zusätzliche Verschärfung erst im
Jahre 1994 in das Gesetz aufgenommen. Dabei bestanden - wie die Genese dieser
Vorschriften zeigt - keinerlei Zweifel, dass diese Rechtsfolgen für den Fall einer
wesentlichen Verletzung der Mitwirkungspflichten der Parteien im Rahmen der
staatlichen Teilfinanzierung in ihrer vollen Härte gewollt waren (Masing, a.a.O., NJW
2001, S. 2353 <2357>). Nach allem kommt eine teleologische Reduktion des § 23a
Abs. 1 PartG 1994 nicht in Betracht. Das zwischen beiden Regelungsebenen, § 23a
Abs. 1 einerseits und § 19 Abs. 4 Satz 3, § 23 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 andererseits,
bestehende Spannungsverhältnis lässt sich vielmehr sach- und interessengerecht
auflösen.
dd) Im Übrigen liegt eine Verletzung der Beschwerdeführerin in ihren Rechten aus
Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) auch
von vornherein fern, weil der Anwendungsbereich des § 23a Abs. 1 PartG 1994 hier
überhaupt nicht tangiert wird. Es stehen nicht Verstöße gegen § 25 PartG 1994 im
Raum, sondern Fehler in der Vermögensrechnung.
f) Auch der mit der Anwendung des § 19 Abs. 4 PartG 1994 verbundene
Umverteilungseffekt verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihren Grundrechten, vor
allem nicht in ihrem Grundrecht auf Chancengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG in
Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 GG.
aa) Das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit ist zwar im
Grundgesetz nicht ausdrücklich festgelegt; es ist jedoch, wie Art. 3 Abs. 1 GG in
Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 GG zu entnehmen ist, grundrechtlich gesichert
(BVerfGE 6, 273 <280>; 7, 99 <107> ) und folgt aus der Bedeutung, die der Freiheit
der Parteigründung und dem Mehrparteienprinzip für die freiheitliche Demokratie
zukommt ( BVerfGE 47, 198 <225>; 73, 40 <88>; 85, 264 <297> ; stRspr). Es steht
allen politischen Parteien zu, die nicht im Verfahren nach Art. 21 Abs. 2 GG vom
Bundesverfassungsgericht verboten sind (BVerfGE 7, 99 <107> ), und gilt nicht nur für
den Wahlvorgang selbst, sondern auch für die Wahlvorbereitung und den Wettbewerb
der Parteien um die Erlangung von Spenden sowie für die Gewährung staatlicher
232
233
Finanzierungshilfen ( BVerfGE 20, 56 <116>; 24, 300 <339 ff.>; 41, 399 <413>; 85,
264 <297>). Der Grundsatz der Chancengleichheit hängt eng mit den Grundsätzen
der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl zusammen, die ihre Prägung durch das
Demokratieprinzip erfahren. Aus diesem Grunde ist in diesem Bereich - ebenso wie
bei der durch die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl verbürgten
gleichen Behandlung der Wähler - die Gleichheit strikt und formal (BVerfGE 8, 51
<64 f.>; 85, 264 <297> ). Greift die öffentliche Gewalt in den Parteienwettbewerb in
einer Weise ein, die geeignet ist, die Chancen der politischen Parteien zu verändern,
sind ihrem Ermessen daher besonders enge Grenzen gezogen ( BVerfGE 8, 51
<64 f.>; 14, 121 <133>; 24, 300 <341>; 44, 125 <146>; 73, 40 <88 f.>; 85, 264 <297>).
Alle Parteien müssen grundsätzlich formal gleich behandelt werden ( BVerfGE 8, 51
<65> ).
Verboten ist deshalb jede unterschiedliche Behandlung, die nicht durch einen
besonderen zwingenden Grund gerechtfertigt ist (BVerfGE 8, 51 <65>; 14, 121 <133>;
34, 160 <163>; 44, 125 <146>; 47, 198 <227>). Vor allem darf der Gesetzgeber die
vorgefundene Wettbewerbslage nicht verändern oder verfälschen (BVerfGE 41, 399
<413>; 42, 53 <58 f.>; 73, 40 <89>; 85, 264 <297> ). Das bedeutet konkret: Der
Grundsatz der Chancengleichheit verlangt einerseits nicht, vorgegebene
Unterschiede auszugleichen mit dem Ziel, eine Wettbewerbsgleichheit herzustellen.
Er verwehrt es dem Gesetzgeber jedoch andererseits, durch finanzielle
Zuwendungen bestehende faktische Ungleichheiten der Wettbewerbschancen zu
verschärfen ( BVerfGE 20, 56 <118>; 41, 399 <413 f.>; 42, 53 <59>; 73, 40 <89>; 78,
350 <358>; 85, 264 <297>; stRspr). Der Willensbildungsprozess des Volkes darf nicht
durch staatliche Intervention verzerrt werden.
bb) Diesen Anforderungen halten die Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts
und des Bundesverwaltungsgerichts stand. Eine Verletzung der Chancengleichheit
der
Parteien liegt nicht inmitten. Der Gesetzgeber hat die rechtlichen
Voraussetzungen für die Gewährung staatlicher Mittel im Parteiengesetz für alle
Parteien gleich geregelt und unter anderem von der fristgerechten Einreichung eines
materiell richtigen Rechenschaftsberichts abhängig gemacht. Damit haben alle
Parteien die gleiche Chance, diese Voraussetzung zu erfüllen und an der staatlichen
Parteienfinanzierung teilzunehmen. Mehr ist von Verfassungs wegen nicht geboten.
Gleiche Chancen am Start waren in jeder Hinsicht gewährleistet. Denn auch die
Beschwerdeführerin und ihre Gliederungen hatten die Möglichkeit, ihr Vermögen
korrekt auszuweisen und materiell richtige Rechenschaftsberichte einzureichen.
234
235
236
237
cc) Auch die mit dem Nichtentstehen des Anspruchs verbundene Umverteilung frei
gewordener Mittel verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Recht auf
Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 21 Abs. 1 GG). Ein von der
Beschwerdeführerin behaupteter Mitteltransfer von den Parteien, die keine oder nur
verminderte staatliche Mittel erhalten, auf bewilligungsberechtigte konkurrierende
Parteien findet, wie das Bundesverwaltungsgericht mit Recht festgestellt hat, nicht
statt. Die gegenteilige Sichtweise entsteht bei der Beschwerdeführerin, weil sie sich
als "an sich anspruchsberechtigt" sieht. Wird ein gemeinsamer Topf gebildet, hängen
die Ansprüche jedoch stets voneinander ab. Darin liegt keine Besonderheit. Vielmehr
erhöht sich lediglich die Erfüllungsquote der Ansprüche der bewilligungsberechtigten
Parteien, wenn Mitkonkurrenten weniger Mittel erhalten oder wegen Nichterfüllung
der Bewilligungsvoraussetzungen mit ihren Ansprüchen ausfallen. Auch um einen
gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss (vgl. hierzu BVerfGE 79, 1 <17>; 93,
386 <396> ) geht es insoweit nicht, sondern um die Folgen der Nichterfüllung allen
Parteien gleichmäßig auferlegter zumutbarer Begünstigungsbedingungen.
g) Schließlich lässt sich aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber im Rahmen der
Novellierung des Parteiengesetzes in § 19a Abs. 3 Satz 5 PartG 2002 nunmehr die
Verfallsfristen unabhängig von der inhaltlichen Richtigkeit des Rechenschaftsberichts
geregelt hat, für das vorliegende Verfahren nichts entnehmen. In diesem
Zusammenhang hat der Präsident des Deutschen Bundestages in seiner
Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin bei Anwendung
neuen Rechts mit einem Anspruch in Höhe des zweifachen des den unrichtigen
Angaben in ihrem Rechenschaftsbericht entsprechenden Betrages (vgl. § 31b Satz 1
PartG 2003) konfrontiert wäre (rd. 44 Mio. DM), der mit der Bewilligung staatlicher
Mittel für das Jahr 1999 verrechnet werden müsste (vgl. § 31b Satz 4 PartG 2003
i.V.m. § 31a Abs. 3 Satz 2 PartG 2002). Im Übrigen kommt es dem Gesetzgeber nicht
zu, ein Gesetz rückwirkend authentisch zu interpretieren. Die Auslegung der
einschlägigen
Vorschriften
des
Parteiengesetzes
in
der Fassung der
Bekanntmachung vom 31. Januar 1994 obliegt ausschließlich den Gerichten. Nach
allem kann die Beschwerdeführerin mit ihren Einwänden nicht durchdringen.
4. Auch die Subsumtion des Oberverwaltungsgerichts begegnet keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken.
a) Frei von Willkür hat das Gericht angenommen, dass die Beschwerdeführerin bis
zum 31. Dezember 1999 keinen den Vorschriften des Fünften Abschnitts
entsprechenden materiell richtigen Rechenschaftsbericht für das Jahr 1998
238
239
240
241
eingereicht hat. In dem am 30. Dezember 1999 vorgelegten, um weitere Angaben
ergänzten Rechenschaftsbericht war das in das Ausland verbrachte Vermögen des
Landesverbandes Hessen in Höhe von rund 18,2 Millionen DM nicht aufgeführt.
Demzufolge war der Rechenschaftsbericht in einem wesentlichen Punkt unrichtig,
was gemäß § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 den Verlust des zuwendungsbezogenen
Anteils der staatlichen Teilfinanzierung in der zwischen den Beteiligten unstreitigen
Höhe von 41.034.825,23 DM zur Folge hat.
b) Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Verfassungsverstoß des Weiteren auch
festgestellt, dass die Beschwerdeführerin hiergegen nicht mit Erfolg einwenden kann,
der Rechenschaftsbericht für das Jahr 1998 sei richtig gewesen, weil weder die
Verantwortlichen des Landesverbandes Hessen noch der Bundesvorstand von dem
im Ausland befindlichen Vermögen Kenntnis gehabt hätten. Die Feststellungen
hierzu überschreiten nicht den Rahmen allgemeiner Grundsätze zivilrechtlicher
Zurechnung (vgl. BGHZ 109, 327 <331 f.>). Die Beschwerdeführerin hat insoweit
verfassungsrechtliche Einwände auch nicht geltend gemacht.
c) Von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden ist auch die Annahme des
Oberverwaltungsgerichts und ihm folgend des Bundesverwaltungsgerichts, die Frage
der Rechtmäßigkeit des Rechenschaftsberichts der SPD sei nicht im vorliegenden,
sondern erst in dem diesen Rechenschaftsbericht selbst betreffenden Verfahren zu
klären.
Die Beschwerdeführerin
hat
hiergegen
im
Rahmen
des
Verfassungsbeschwerde-Verfahrens auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken
(mehr) erhoben. Es handelt sich im Übrigen um eine ausschließlich einfach-rechtlich
z u beurteilende Frage, die sich der Jurisdiktion des Bundesverfassungsgerichts
entzieht.
5. Dem Verlust des Zuwendungsanteils (§ 18 Abs. 3 Nr. 3 PartG 1994) steht des
Weiteren - ohne dass sich die Beschwerdeführerin hierauf berufen hätte - auch der
Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung nicht entgegen.
Die Verwaltung des Deutschen Bundestages hat es zwar in den ersten Jahren nach
Inkrafttreten
der Neuregelung des PartG 1994 noch toleriert, dass ein
vorschriftsmäßiger Rechenschaftsbericht nicht bis zum 31. Dezember des
Festsetzungsjahres
eingegangen
war,
aber
bis
zur Ausarbeitung der
Festsetzungsbescheide Anfang Februar des Folgejahres in korrigierter Form vorlag
(vgl. hierzu den Bericht der Präsidentin des Deutschen Bundestages über die
Rechenschaftsberichte 1994 und 1995 sowie über die Entwicklung der Finanzen der
242
243
244
245
Parteien gemäß § 23 Abs. 5 PartG 1994 vom 29. Oktober 1997, BTDrucks 13/8888,
S. 27 f). Der um das Reinvermögen des Landesverbandes Hessen berichtigte
Rechenschaftsbericht der Beschwerdeführerin ging auch am 28. Januar 2000 beim
Deutschen Bundestag ein.
Allerdings war diese - dem eindeutigen Gesetzeswortlaut widersprechende - Praxis
bereits einige Jahre zuvor eingestellt worden. Dies wurde den Parteien auch
anlässlich
von
Ersuchen
um
Fristverlängerungen
mit entsprechenden
Musterschreiben mitgeteilt (vgl. den Bericht des Präsidenten des Deutschen
Bundestages über die Rechenschaftsberichte 1996, 1997 und 1998 sowie über die
Entwicklung der Finanzen der Parteien gemäß § 23 Abs. 5 PartG 1994 vom 21.
November 2000, BTDrucks 14/4747, S. 67 und Anhang III, Anlagen 1 - 3, S. 179).
Auch wenn man davon absieht, dass keine Selbstbindung an eine rechtswidrige
Verwaltungspraxis besteht, hätte daher zum hier maßgeblichen Zeitpunkt eine Praxis,
die eine Bindung hätte auslösen können, nicht mehr vorgelegen.
III.
Nach allem hat die Verfassungsbeschwerde keinen Erfolg. Die angegriffenen
Entscheidungen lassen weder in ihren tatsächlichen Feststellungen noch in ihren
rechtlichen Wertungen Fehler erkennen, die geeignet wären, die Grundrechte der
Beschwerdeführerin als Partei in Frage zu stellen. Soweit die Beschwerdeführerin
hilfsweise § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 angreift, ist dem durch die vorstehenden
Erwägungen die Grundlage entzogen.
Hassemer
Jaeger
Broß
Osterloh
Di Fabio
Mellinghoff
Lübbe-Wolff
Abweichende Meinung
der Richter Di Fabio und Mellinghoff
zum Beschluss des Zweiten Senats vom 17. Juni 2004
- 2 BvR 383/03 -
I.
Wir können uns der Begründung der Senatsmehrheit nur teilweise anschließen. Die
246
247
Mehrheit beschränkt sich nach unserer Auffassung nicht auf den verfassungsrechtlich
gebotenen Kontrollumfang und würdigt nicht hinreichend das verfassungsrechtliche
Anliegen der Beschwerdeführerin. Der Begründungsgang vermittelt den Eindruck, als
wäre die vom Oberverwaltungsgericht gewählte und vom Bundesverwaltungsgericht
bestätigte Auslegung von § 19 und § 23 PartG 1994 nicht nur vertretbar, sondern
verfassungsrechtlich zwingend geboten. Zu einem solchen Schluss wird man
verleitet, wenn die Rechenschaftspflicht der Parteien aus Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG
zum beherrschenden oder gar allein ausschlaggebenden Maßstab des Falles
gemacht wird, andere verfassungsrechtliche Positionen der Parteien nicht
hinreichend erwogen und grundrechtliche und rechtsstaatliche Risikolagen bei der
Rückforderung von staatlichen Geldleistungen an die Parteien allein in die Sphäre
der antragstellenden Parteien verlagert werden.
II.
Das so genannte Transparenzgebot des Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG hat einen hohen
Rang: Der Senat hat dies ausführlich begründet, hier herrscht Einmütigkeit. Das
Grundgesetz will, dass der Prozess der politischen Willensbildung für den Wähler
durchschaubar gemacht und offenbar wird, welche Gruppen, Verbände oder
Privatpersonen im Sinne ihrer Interessen durch Geldzuwendungen auf die Parteien
politisch einzuwirken suchen (BVerfGE 85, 264 <319> ). Parteien müssen deshalb
nicht nur wie vor dem 35. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes zum 31.
Dezember 1983 die Herkunft ihrer Mittel, sondern auch über ihre Verwendung und
über den Umfang und die Struktur ihres Vermögens der Öffentlichkeit Rechenschaft
geben.
Die Verfassung sagt allerdings nichts dazu, in welchem Verfahren die
Rechenschaftspflicht geprüft wird und welche Konsequenzen ein Verstoß gegen die
Rechenschaftspflicht nach sich zieht. Dies ist nach Art. 21 Abs. 3 GG Sache des
(einfachen) Gesetzgebers. Es lässt sich der Verfassung insbesondere nicht
entnehmen, dass staatliche Geldleistungen an die Parteien nur dann gewährt werden
dürfen, wenn sie einen sachlich richtigen Rechenschaftsbericht abgegeben haben
oder diese zurückgefordert werden müssten, wenn sich nachträglich Unrichtigkeiten
im Rechenschaftsbericht zeigen. Entsprechendes dürfte allerdings der Gesetzgeber
unter Beachtung sonstiger verfassungsrechtlicher Bindungen anordnen. Der Streit im
vorliegenden Fall dreht sich nur darum, ob das damals geltende Parteiengesetz eine
derartige Konsequenz angeordnet hat, es geht mithin um eine Frage der Auslegung
einfachen Rechts, die grundsätzlich den Fachgerichten obliegt.
248
249
250
Das Verwaltungsgericht Berlin hat darauf erkannt, dass die Rechtsfolgen inhaltlich
falscher Rechenschaftsberichte nur mit einer speziellen Vorschrift im Parteiengesetz
behandelt wurden, mit § 23a PartG 1994. Zwar dürfe der Präsident des Deutschen
Bundestages nach § 23 Abs. 4 Satz 1 PartG 1994 staatliche Mittel nicht festsetzen,
wenn
kein
den
Vorschriften
des Fünften
Abschnitts
genügender
Rechenschaftsbericht eingereicht sei, dies sei aber vom Gesetzgeber lediglich als
Verfahrensinstrument eingesetzt, um die häufig säumigen Parteien überhaupt zur
Abgabe eines Rechenschaftsberichts anzuhalten. Es handele sich jedenfalls nicht
um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, neben § 23a PartG 1994 eine
weitere Rechtsfolge für den nach inhaltlicher Überprüfung sich als inhaltlich fehlerhaft
erw eisenden Rechenschaftsbericht anzuordnen. Schon aus Gründen der
systematischen Auslegung gelangte das Gericht zu dem Ergebnis, dass der nach
§ 23a PartG 1994 unrichtige Rechenschaftsbericht nicht noch darüber hinaus
gleichsam gar nicht als Rechenschaftsbericht im Sinne des § 19 PartG 1994
angesehen werden dürfe, mit der weit über die Konsequenzen des § 23a PartG 1994
hinausreichenden Rechtsfolge, dass alle zuwendungsbezogenen Anteile der
staatlichen Finanzierung - möglicherweise über mehrere Jahre - zurückgefordert
werden könnten (vgl. auch Werner Flume, Der Betrieb 2000, Heft 9 vom 3. März 2000,
S. I). Denn eine ausdrückliche Sanktionsnorm wie der § 23a PartG 1994 hätte etwas
über ihr Verhältnis zu einer in der Rechtsfolgenanordnung konkurrierenden, viel
weiter reichenden Norm im selben Gesetz sagen müssen.
Das Schweigen spricht danach dafür, dass es eine solche weiter reichende
Rechtsfolge nach dem Willen des Gesetzes gar nicht geben sollte. Dieses
rechtsmethodisch außerordentlich starke Argument sieht das Verwaltungsgericht
nicht dadurch als erschüttert an, dass § 23a PartG 1994 nur für unwesentliche Fehler
gelten soll, denn für eine solche wichtige Differenzierung fehle es an jedem Hinweis
im Normtext und im Gesetzgebungsverfahren.
Das Oberverwaltungsgericht Berlin hat diese rechtsmethodischen Argumente der
Vorinstanz nicht entkräftet, obwohl es die Überschneidung beider Rechtsfolgen
d u rch a u s gesehen hat (S. 19 f. der Urteilsausfertigung). Es hat den
Argumentationsschwerpunkt
stattdessen
auf
eine verwaltungsrechtliche
Mitwirkungspflicht der Parteien gelegt: Wer den zuwendungsbezogenen Anteil an der
staatlichen Parteienfinanzierung erlangen wolle, der müsse auch einen materiell
richtigen Rechenschaftsbericht einreichen. Der Ausschluss einer Partei von einem
wesentlichen Teil der staatlichen Zuwendungen wird hier nicht als eine mit § 23a
251
252
253
PartG 1994 konkurrierende Rechtsfolge für die Verletzung der bereits
verfassungsrechtlich bestehenden Rechenschaftspflicht, also nicht als im Gesetz klar
auszusprechende
Sanktion
betrachtet,
sondern
nach
allgemeinen
verwaltungsrechtlichen
Grundsätzen
des Subventionsrechtsverhältnisses
abgehandelt. Der Wortlaut des § 23 Abs. 4 Satz 1 PartG 1994 wird vom
Oberverwaltungsgericht unter Berufung auf Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG dahin ausgelegt,
dass nur ein inhaltlich richtiger Rechenschaftsbericht als Anspruchsvoraussetzung
dienen könne (S. 16 der Urteilsausfertigung).
Diese Argumentation kann das Bundesverfassungsgericht als Ausdruck
fachrichterlicher Kompetenz zur Auslegung des einfachen Gesetzes noch
hinnehmen, zumal Art. 21 Abs. 3 GG dem einfachen Gesetzesrecht einen größeren
Gestaltungsraum
einräumt,
der nicht wieder durch eine allzu intensive
verfassungsrechtliche Prüfung der einfachgesetzlichen Auslegung kassiert werden
darf. Die Mehrheit des Senats hat sich aber die Argumentation des
Oberverwaltungsgerichts weitestgehend zu Eigen gemacht und noch vertieft. Eine
solche
Begründung
verstärkt
aber
nach unserer
Auffassung
die
verfassungsrechtlichen
Bedenken
gegen die
Unvollständigkeit
dieses
Argumentationsganges.
III.
Die Förderung von politischen Parteien durch staatliche Finanzmittel ist ein
verfassungsrechtlich außerordentlich
sensibler
Vorgang.
Parteien
sind
Vereinigungen der staatsfreien Gesellschaft, die den Willen politisch handelnder
Bürger aufnehmen, organisieren und auf die politische Willensbildung in Gesellschaft
und Staat gezielt einwirken (Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG). Die moderne repräsentative
Demokratie kann ohne Parteien nicht existieren, sie vermag auch nicht praktisch zu
funktionieren, wenn es sich nicht um ein echtes Mehrparteiensystem handelt, in dem
jede Partei ihre gleiche Chance im Wettbewerb bei der durch Wahl erfolgenden
Vergabe von öffentlichen Ämtern genießt.
Aus diesem Grund darf der Staat Parteien auch finanziell unterstützen, weil sie
notwendige Einrichtungen in einer lebendigen und funktionsfähigen Demokratie sind.
D i e Zuwendung staatlicher Gelder an Parteien muss allerdings der Höhe nach
spezifisch begrenzt sein, um sie nicht in Staatsparteien zu verwandeln (BVerfGE 85,
264 <287 f.>). Zugleich bedeutet die finanzielle Förderung von Parteien immer auch
eine Einflussnahme auf den politischen Wettbewerb, auf den Kampf um Mehrheit und
Macht. Die Gewährung staatlicher Mittel muss deshalb im Verhältnis der Parteien
254
255
strikt gleichheitsgemäß und in besonderer Weise rechtsstaatlich berechenbar sein.
Die Gewährung, die Nichtgewährung und die Rückforderung von nicht nur
geringfügigen finanziellen Mitteln wirken sich in einer föderalen Demokratie mit einer
Vielzahl von Wahlen unmittelbar auf den politischen Machtkampf aus. Der
Ausschluss von laufenden Zuwendungen oder die Rückforderung bereits erhaltender
Mittel kann für eine politische Partei jedenfalls vorübergehend, je nach Umfang und
Zeitraum auch längerfristig eine gravierende Beschränkung ihrer Entfaltungs- und
Handlungsmöglichkeiten bedeuten.
Besondere rechtsstaatliche Anforderungen auch an die Bestimmtheit der insoweit
einschlägigen
gesetzlichen Grundlagen und an die Methodenstrenge der
fachrichterlichen Auslegung bestehen auch deshalb, weil im Verfassungsstaat die
staatliche Verwaltung und die politische Herrschaft miteinander eng gekoppelt sind,
weswegen jedenfalls abstrakt auch im gewaltenteiligen System immer die Gefahr
b e ste h t, dass Verwaltungsentscheidungen über die Mittelvergabe politisch
beeinflusst werden oder politische Stimmungen auf das Ergebnis durchschlagen. Es
besteht deshalb bei allen Gemeinsamkeiten auch ein struktureller Unterschied
zwischen den rechtsstaatlichen und gleichheitsgerechten Anforderungen bei
Wirtschaftssubventionen und der finanziellen Förderung von politischen Parteien.
Rechtsstaatliche Anforderungen hinsichtlich einer klaren gesetzlichen Grundlage
dafür, wann ein Teil der Parteienfinanzierung als Anspruch untergeht, bestehen auch
dann, wenn eine Partei pflichtwidrig einen falschen Rechenschaftsbericht abgibt –
und auch dann, wenn einzelne Funktionsträger der Partei in moralisch höchst
anfechtbarer Weise Vermögenszuflüsse verdunkeln. Die Annahme, dass sich auf
rechtsstaatliche Sicherungen und den Grundsatz der Chancengleichheit derjenige
nicht berufen könne, der einer verfassungsrechtlichen Pflicht nicht entsprochen habe,
lässt sich schon in dieser Allgemeinheit nicht halten; er wird vorliegend auch nicht
den Risiko- und Problemlagen der staatlichen Parteienfinanzierung gerecht. Keine
Bundespartei mit selbstständigen Landesgliederungen kann völlig sicher sein, ob sie
ihr Vermögen richtig im Rechenschaftsbericht ausweist, keine Partei kann lückenlose
Vorkehrungen treffen, dass nicht einzelne Funktionsträger Mittel aus unklarer
Herkunft in den Finanzkreislauf der Partei einspeisen. Dass im konkreten Streitfall die
parteiinternen
Kontrollsysteme offenbar nicht ausreichend waren, hat das
Oberverwaltungsgericht zutreffend festgestellt. Hier Abhilfe zu schaffen, obliegt der
Verantwortung der Parteien und des Gesetzgebers: Gerichte sind nicht berufen, das
Parteiengesetz auch ohne klar ausgesprochene Rechtsfolgenanordnung in einer
256
gerade noch vertretbaren Weise so auszulegen, dass durch ein hartes
Rechtsfolgenregime die Parteien haftbar gemacht werden, um diese anzuhalten, ihrer
Rechenschaftspflicht vollständig und fehlerfrei nachzukommen. Damit schultert die
Rechtsprechung eine Verantwortung, die angesichts des Schweigens der Verfassung
über die Konsequenzen des Verstoßes gegen das Transparenzgebot und der
Konkretisierungsbefugnis des parlamentarischen Gesetzgebers nach Art. 21 Abs. 3
GG ihr in diesem Umfang nicht obliegt. Der vollständige Verlust des
zuwendungsbezogenen Anteils an der Parteienfinanzierung, dies möglicherweise
sogar über mehrere Jahre in die Vergangenheit zurückreichend (vgl. § 48 Abs. 4
Satz 2 VwVfG), und die Verteilung der freigewordenen Mittel an die politischen
Konkurrenten stellt eine so weit reichende Konsequenz für den politischen
Wettbewerb und damit für die Entfaltungsbedingungen des demokratischen
Prozesses dar, dass es dafür einer verlässlichen, in Tatbestand und Rechtsfolge klar
ausgesprochenen gesetzlichen Grundlage bedarf.
Wenn das inzwischen geänderte Parteiengesetz eine so weit gehende Rechtsfolge
des inhaltlich unrichtigen Rechenschaftsberichtes tatsächlich angeordnet hätte,
bedürften Organisation und Verfahren der Festsetzung und Überprüfung durch den
Präsidenten des Deutschen Bundestages einer kritischen verfassungsrechtlichen
Betrachtung. Denn es könnte dann nicht angehen, dass eine inhaltliche Kontrolle der
Rechenschaftsberichte durch eine dazu kaum in Stand gesetzte Behörde und ohne
klar definierte Prüfungstiefe nach den Zufälligkeiten der jeweiligen politischen
Aufmerksamkeit vorgenommen wird. Darauf kommt es aber für die Zukunft nicht mit
diesem Gewicht an, weil der Gesetzgeber mit der Novelle des Parteiengesetzes
klargestellt hat, dass die Rechtsfolgen sachlich unrichtiger Rechenschaftsberichte auf
die Anordnung der § 23a und § 31 b PartG beschränkt bleiben.
Di Fabio
Mellinghoff