Urteil des BVerfG vom 27.05.1998

verfassungsbeschwerde, aufschiebende wirkung, vorläufiger rechtsschutz, rechtliches gehör

- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Paul Michael Günther und Koll.,
Döppersberg 19, Wuppertal -
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BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 378/98 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der Partei "DIE GRAUEN - Graue Panther Bundesverband", Rathenaustraße 2, Wuppertal,
gegen den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen
vom 20. Februar 1998 - 5 B 128/98; 5 E 89/98 -
und Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung
hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richter Sommer,
Jentsch und
Hassemer
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom
11. August 1993 ( BGBl I S. 1473) am 27. Mai 1998 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung.
Gründe:
Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die
Versagung vorläufigen Rechtsschutzes im Verfahren über die Gewährung staatlicher Mittel
zur Parteienfinanzierung an die Freie Demokratische Partei (F.D.P.).
I.
1. Unter dem Datum des 11. Januar 1995 (gemeint war 1996) richtete der
Bundesschatzmeister der F.D.P. an die Präsidentin des Deutschen Bundestags einen
"Antrag auf Abschlagszahlungen nach § 21 Parteiengesetz". Einen weiteren Antrag stellte die
F.D .P . nicht mehr. Am 7. Oktober 1996 legte der zuständige Referatsleiter der
Bundestagsverwaltung in einem Vermerk nieder, daß nach seiner Auffassung kein Antrag auf
endgültige Festsetzung der staatlichen Mittel zur Parteienfinanzierung gemäß § 19 PartG
gestellt sei. Sein dienstvorgesetzter Unterabteilungsleiter sah dagegen bereits den Antrag
vom 11. Januar 1996 als für die Festsetzung nach § 19 PartG ausreichend an. Ein von der
Präsidentin des Deutschen Bundestags eingeholtes Gutachten vom 2. Dezember 1996
stützte die Auffassung des Unterabteilungsleiters.
2. Mit Bescheiden vom 4. Dezember 1996 und vom 5. Februar 1997 setzte die Präsidentin
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des Deutschen Bundestags gegenüber dem Bundesschatzmeister der F.D.P. die staatlichen
Mittel zur Parteienfinanzierung für 1996 zunächst vorläufig und schließlich endgültig in Höhe
von 12.388.104,49 DM fest. Hiervon entfielen auf den Bundesverband 10.481.057,49 DM.
Diese Mittel wurden an die F.D.P. ausgezahlt.
3. Am 23. Dezember 1996 erhob die Beschwerdeführerin Klage zunächst gegen die
vorläufige Festsetzung der Mittel zugunsten der F.D.P. Das Geld stehe der F.D.P. nicht zu,
weil diese keinen entsprechenden Antrag gestellt habe. Durch die Festsetzung zugunsten der
F.D.P. sei das Recht der Beschwerdeführerin auf Chancengleichheit verletzt. Denn wegen
der absoluten Obergrenze des § 18 Abs. 2 PartG sei die staatliche Finanzierung zugunsten
der Beschwerdeführerin dadurch geringer ausgefallen.
Das Verwaltungsgericht gab der inzwischen gegen den endgültigen Bescheid gerichteten
Klage mit Urteil vom 19. November 1997 statt und hob den Festsetzungbescheid vom 5.
Februar 1997 auf. Zugleich verpflichtete es die beklagte Bundesrepublik Deutschland,
vertreten durch die Präsidentin des Deutschen Bundestags, für die Beschwerdeführerin einen
weiteren Betrag zur Parteienfinanzierung in Höhe von 48.494,94 DM festzusetzen.
4. Auf Antrag der Beschwerdeführerin stellte das Verwaltungsgericht durch Beschluß vom
10. Dezember 1997 fest, daß die Klage gegen den Festsetzungsbescheid vom 5. Februar
1997 aufschiebende Wirkung habe und gab der Bundesrepublik Deutschland auf, als
vorläufige
Maßnahme
von der F.D.P. die ihrem Bundesverband gezahlten
Finanzierungsmittel in Höhe von 10.481.057,49 DM unverzüglich bis zur endgültigen Klärung
der Rechtmäßigkeit des Festsetzungsbescheids vom 5. Februar 1997 zurückzufordern. Den
weiterhin gestellten Antrag auf vorläufige Auszahlung der im Hauptsacheverfahren
zugesprochenen 48.494,94 DM nahm die Beschwerdeführerin im Verfahren wieder zurück.
5. Durch Beschluß vom 20. Februar 1998 ließ das Oberverwaltungsgericht auf Anträge des
Deutschen Bundestags und der F.D.P. die Berufungen gegen das Urteil vom 19. November
1997 zu. Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Sie werfe ungeklärte Fragen im
Zusammenhang mit den Anforderungen an einen Antrag nach § 19 PartG auf. Auch stelle
sich die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen einer Partei im
Verfahren der staatlichen Parteienfinanzierung Drittschutzrechte hinsichtlich der Festsetzung
und Auszahlung von Geldern an andere Parteien zustehen.
6. Auf die zugelassenen Beschwerden der Bundesrepublik Deutschland und der F.D.P.
änderte das Oberverwaltungsgericht mit Beschluß vom 20. Februar 1998 den Beschluß des
Verwaltungsgerichts vom 10. Dezember 1997 und lehnte die Anträge auf vorläufigen
Rechtsschutz ab. Nach der Zulassung der Berufung gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts vom 19. November 1997 seien die Erfolgsaussichten in der Hauptsache
offen. Es sei deshalb eine Interessenabwägung vorzunehmen. Besondere Bedeutung
komme dabei dem verfassungsrechtlichen Gebot zu, im Rahmen der staatlichen
Parteienfinanzierung das durch das Grundgesetz garantierte Recht aller Parteien auf
Chancengleichheit zu wahren. Die danach gebotene Abwägung gehe zu Lasten der
Beschwerdeführerin aus. Müßte die F.D.P. die für 1996 gewährten Mittel im Wahljahr 1998
zurückzahlen, so hätte dies für sie einschneidende Konsequenzen. Die mögliche
Benachteiligung der Beschwerdeführerin sei dagegen vergleichsweise gering.
II.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Rechte
aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 21 und Art. 103 Abs. 1 GG. Zusätzlich hat sie den Erlaß
einer
einstweiligen
Anordnung beantragt,
mit
der
die
Entscheidung
des
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Oberverwaltungsgerichts vorläufig außer Kraft gesetzt werden soll.
1. Das Oberverwaltungsgericht habe den Ausgang der Hauptsache zu Unrecht als offen
angesehen, anstatt - wie es richtig gewesen wäre - hierüber zu entscheiden. Die Sachlage
sei geklärt, die rechtlichen Argumente seien allesamt vorgetragen worden. Das
Oberverwaltungsgericht habe sich deshalb nicht auf eine Interessenabwägung beschränken
dürfen.
2. Das Verhalten des Oberverwaltungsgerichts stelle auch eine Verletzung des Art. 103
Abs. 1 GG dar. Das Gericht sei der Pflicht, sich mit den wesentlichen Fragen
auseinanderzusetzen, die vorgetragenen Argumente zu erwägen und im Hinblick hierauf
seine Entscheidung zu begründen, nicht nachgekommen. Das Oberverwaltungsgericht habe
sich insbesondere nicht mit den Argumenten des Verwaltungsgerichts auseinandergesetzt
und auch nicht begründet, warum es die Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage als offen
ansehe.
3. Die Interessenabwägung des Oberverwaltungsgerichts sei zudem fehlerhaft. Es habe
verkannt, daß die verschiedenen Parteien unterschiedliche Ziele verfolgten: Die F.D.P.
kämpfe um die Überwindung der 5%-Hürde. Die Beschwerdeführerin wolle dagegen
zunächst einmal 0,5% der Wählerstimmen erreichen, um auch zukünftig in den Genuß
staatlicher Mittel zur Parteienfinanzierung zu kommen (§ 18 Abs. 4 Satz 1 PartG).
III.
Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde (§ 93a Abs. 2
BVerfGG) liegen nicht vor.
1. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2
lit. a BVerfGG). Die mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob das
Oberverwaltungsgericht im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtet gewesen wäre, bereits
im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine umfassende rechtliche Beurteilung des
Falles vorzunehmen, läßt sich anhand der bisherigen Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts beantworten. Sie ist zu verneinen.
a) Vorläufigem Rechtsschutz kommt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Aufgabe
zu, nicht wiedergutzumachende Folgen, wie sie durch die sofortige Vollziehung einer
hoheitlichen Maßnahme eintreten können, soweit wie möglich auszuschließen (vgl. BVerfGE
51, 268 <284>; stRspr). Bedeutung erlangt das Institut des vorläufigen Rechtsschutzes damit
nur dann, wenn in der Hauptsache Rechtsschutz nicht vor dem Eintritt solcher Folgen erlangt
werden kann.
b) Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt auf die Notwendigkeit einer gerichtlichen
Entscheidung innerhalb angemessener Zeit hingewiesen ( BVerfGE 35, 382 <405>; 40, 237
<257>; 51, 268 <284>; 55, 349 <369>; stRspr). Allerdings obliegt es dem mit der Sache
befaßten Gericht, im Rahmen des ihm im Hinblick auf die Verfahrensführung durch die
einschlägigen Prozeßordnungen eingeräumten Ermessens zu bestimmen, wann im
einzelnen Verfahren ein Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt und die Hauptsache
entschieden wird (vgl. BVerfGE 55, 349 <369>). Einen verfassungsrechtlich verbürgten
Anspruch auf sofortige Entscheidung jeder Hauptsacherechtsfrage gibt es somit nicht.
c) Nach Sinn und Zweck des Eilverfahrens kann es grundsätzlich nicht Aufgabe der
Gerichte sein, schon im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine umfassende
rechtliche Prüfung der Hauptsache vorzunehmen (vgl. Schenke, in Dolzer/Vogel ,
BK, Art. 19 Abs. 4, Rn. 416). Denn damit würde die Effektivität dieses Verfahrens und damit
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des gerichtlichen Rechtsschutzes insgesamt geschwächt (vgl. Schmidt-Aßmann in Maunz-
Dürig, Kommentar zum Grundgesetz Art. 19 Abs. 4 Rn. 276). Auch wenn es von
Verfassungs wegen regelmäßig nicht zu beanstanden ist, wenn Gerichte bei der
Entscheidung über die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes auch die Erfolgsaussichten
des eingelegten Rechtsbehelfs in der Hauptsache in den Blick nehmen (vgl. BVerfG,
Beschluß vom 15. Februar 1982 - 2 BvR 1492/81 - NVwZ 1982, S. 241), ist vorläufiger
Rechtsschutz deshalb grundsätzlich sowohl in Anfechtungs- wie auch in Vornahmesachen
auf der Grundlage einer Abwägung der öffentlichen und der jeweils beteiligten privaten
Interessen zu gewähren (vgl. BVerfGE 51, 268 <280, 286>). Der summarische Charakter
des
verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens
folgt
aus
dem
Wesen vorläufiger
Rechtsschutzgewährung und steht mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht in Widerspruch.
d) Eine umfassendere rechtliche Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten
Anspruchs als Bestandteil der Abwägung bereits im Eilverfahren kann von Verfassungs
wegen ausnahmsweise dann geboten sein, wenn das einstweilige Rechtsschutzvefahren
vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige
Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht (vgl. BVerfGE 69, 315
<363 f.>).
Ein solcher Ausnahmefall ist hier aber nicht gegeben. Das vorliegende Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes tritt nicht an die Stelle des Hauptsacheverfahrens. Eine
Rückforderung der staatlichen Finanzierungsmittel von der F.D.P. ist grundsätzlich auch
noch zu einem späteren Zeitpunkt möglich.
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als
verletzt gerügten Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt (§ 93a Abs. 2 lit. b BVerfGG).
Sie hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).
a) Die Rüge der Beschwerdeführerin, das Oberverwaltungsgericht habe im Rahmen der
vorgenommenen Abwägung unter Verletzung ihres Rechts auf Chancengleichheit die
Bedeutung verkannt, die die streitgegenständliche Maßnahme für sie habe, ist unbegründet.
aa) Die Auslegung und Anwendung einfach-rechtlicher Regelungen unter Würdigung eines
konkreten
Sachverhalts
obliegt
nach
der
ständigen Rechtsprechung
des
Bundesverfassungsgerichts in erster Linie den dafür zuständigen Fachgerichten. Deren
Beurteilung ist vom Bundesverfassungsgericht nur begrenzt darauf nachzuprüfen, ob die
angegriffene Entscheidung Auslegungsfehler erkennen läßt, die auf einer grundsätzlich
unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang
seines Schutzbereichs beruhen und auch in ihrer Bedeutung für den konkreten Rechtsfall
von einigem Gewicht sind ( BVerfGE 18, 85 <92 f.>; stRspr). Die Intensität der gerügten
Grundrechtsbeeinträchtigung und die Schwere der Auswirkungen für den Betroffenen können
z w ar das Bundesverfassungsgericht veranlassen, die vom Fachgericht vorgenommene
Wertung durch seine eigene zu ersetzen (vgl. etwa BVerfGE 42, 143 <148 f.>). Eine derart
weitreichende Nachprüfungsmöglichkeit erscheint aber in der Regel nicht gerechtfertigt, wenn
ein Beschwerdeführer lediglich beanstandet, das Fachgericht habe im Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes eine unzureichende Abwägung der konkreten beiderseitigen
Interessen vorgenommen. Gerade hier kann es grundsätzlich nicht Aufgabe des
Bundesverfassungsgerichts sein, seine Vorstellung von der zu treffenden Entscheidung an
die Stelle derjenigen der Fachgerichte zu setzen (vgl. BVerfGE 53, 30 <61 f.>).
bb) So liegt es hier. Die konkrete Abwägung der widerstreitenden Interessen, die das
Oberverwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung vorgenommen hat, ist
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die angegriffene Entscheidung läßt keine
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Auslegungsfehler erkennen, die auf eine grundsätzlich unrichtige Auffassung von der
Bedeutung der in Frage stehenden verfassungsrechtlichen Verbürgung schließen lassen.
Das Oberverwaltungsgericht hat das verfassungsrechtliche Gebot der Chancengleichheit der
politischen Parteien ausdrücklich bei der Abwägung berücksichtigt und die wesentlichen
Belange sowohl der Beschwerdeführerin als auch der F.D.P. in die Abwägung eingestellt.
Gegen diese Erwägungen ist von Verfassungs wegen nichts zu erinnern.
Insbesondere beeinträchtigt die angegriffene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts
das Recht der Beschwerdeführerin auf Chancengleichheit nicht in einer der endgültigen
Verhinderung
der
Grundrechtsverwirklichung gleichkommenden Weise. Eine der
Beschwerdeführerin
günstige Entscheidung hätte zwar die Finanzkraft der F.D.P.
möglicherweise geschwächt. Hiervon hätte aber nicht nur die Beschwerdeführerin, sondern
hätten alle anderen Konkurrenten ebenso profitiert. Die Wettbewerbslage zwischen den
Parteien wäre deshalb im Hinblick auf die Beschwerdeführerin kaum verändert worden. Unter
dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit könnten deshalb allenfalls die von der
Beschwerdeführerin zunächst begehrten zusätzlichen Mittel in Höhe von 48.494,94 DM
relevant sein, die sie möglicherweise zusätzlich hätte beanspruchen können, wenn die F.D.P.
f ü r 1996 keine staatlichen Mittel zur Parteienfinanzierung erhalten hätte. Ihren
diesbezüglichen Eilantrag auf vorläufige Gewährung solcher Fördermittel hat die
Beschwerdeführerin allerdings schon im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht
zurückgenommen.
b) Die Rüge der Beschwerdeführerin, der angegriffene Beschluß habe ihren Anspruch auf
rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 2 GG verletzt, ist ebenfalls unbegründet.
aa) Grundsätzlich geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, daß die Gerichte das
von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung
gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den
Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen, namentlich nicht bei letztinstanzlichen, mit
ordentlichen Rechtsbehelfen nicht mehr angreifbaren Entscheidungen. Deshalb müssen,
damit das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG feststellen
kann, im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, daß tatsächliches Vorbringen
eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der
Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfGE 86, 133 <145 f.>; 47, 182 <187>
m.w.N.).
bb) Solche besonderen Umstände lassen sich im vorliegenden Fall nicht feststellen. Das
Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung auf seinen Beschluß vom selben Tage
verwiesen, mit dem es im Hauptsacheverfahren die Berufungen wegen grundsätzlicher
Bedeutung
der Rechtssache zugelassen hatte, sowie darauf, daß deswegen die
Erfolgsaussicht des Hauptsacheverfahrens als offen zu beurteilen sei. Entgegen der
Auffassung der Beschwerdeführerin kann daraus gerade nicht geschlossen werden, das
Oberverwaltungsgericht habe sich mit ihrem Vorbringen nicht auseinandergesetzt und es bei
seiner Entscheidung nicht gewürdigt. Zu einer Auseinandersetzung mit den rechtlichen
Erwägungen der Vorinstanz war das Oberverwaltungsgericht nicht verpflichtet. Zudem kann
nach der vom Oberverwaltungsgericht gegebenen Begründung auch keineswegs unterstellt
werden, daß es die Gründe der erstinstanzlichen Eilentscheidung oder des Urteils vom 19.
November 1997 nicht in Erwägung gezogen habe.
Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlaß einer
einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Sommer
Jentsch
Hassemer