Urteil des BVerfG vom 29.04.2002

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Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1818/96 -
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn B ...,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Benno Bleiberg und Mark Schippert,
Schlüterstraße 36, 10629 Berlin -
gegen
a)
das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 23. Juli 1996 - L 2
R 48/96 -,
b)
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 8. Februar 1996 - S 5 R 84/95 -,
c)
den Bescheid der Wehrgebührnisamtes VII in Strausberg vom 3. Januar 1995 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides der Wehrbereichsverwaltung VII in Strausberg
vom 12. April 1995 - II B 4.020 Az 20-01-10 -
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Papier
und die Richter Steiner,
Hoffmann-Riem
gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I
S. 1473) am 29. April 2002 einstimmig beschlossen:
1. Das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 23. Juli 1996 - L 2 R 48/96 -, das Urteil des
Sozialgerichts Neuruppin vom 8. Februar 1996 - S 5 R 84/95 - und der Bescheid des Wehrgebührnisamtes VII
in Strausberg vom 3. Januar 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Wehrbereichsverwaltung
VII in Strausberg vom 12. April 1995 - II B 4.020 Az 20-01-10 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem
Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes. Das Urteil des Landessozialgerichts wird aufgehoben. Die
Sache wird an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
2. Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe:
1
1. Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung des
Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die
Voraussetzungen für eine stattgebende Entscheidung der Kammer nach § 93 c Abs. 1 BVerfGG liegen vor. Die von
der Verfassungsbeschwerde aufgeworfene verfassungsrechtliche Frage ist durch das Bundesverfassungsgericht
bereits entschieden. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit Beschluss vom 21. November 2001
(Az. 1 BvL 19/93, 1 BvR 1318/94, 1 BvR 1513/94, 1 BvR 2358/94, 1 BvR 308/95; im Umdruck beigefügt) festgestellt,
dass die Einstellung der Zahlung von Dienstbeschädigungsteilrenten aufgrund von § 11 Abs. 5 Satz 2 und § 9 Abs. 1
Nr. 2 Satz 2 AAÜG gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Die nach § 94 i.V.m. § 93 c Abs. 2 BVerfGG angehörte
Wehrbereichsverwaltung Ost hat "auf Grund der gleichen Sach- und Rechtslage" wie in dem Verfahren 1 BvL
19/93 u.a. von einer Stellungnahme abgesehen.
2
Im vorliegenden Fall beruhen die angegriffenen Verwaltungs- und Gerichtsentscheidungen auf § 11 Abs. 5 Satz 2
AAÜG und verstoßen daher gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar wurde die Einstellung der Dienstbeschädigungsteilrente
durch die zuständige Behörde mit Wirkung vom 1. März 1994 auf § 11 Abs. 5 Satz 4 AAÜG gestützt und damit
begründet, der Beschwerdeführer beziehe seit diesem Zeitpunkt Altersrente. Diese Vorschrift weist jedoch insoweit
keinen eigenständigen Regelungsgehalt gegenüber dem vom Bundesverfassungsgericht für grundgesetzwidrig
erklärten § 11 Abs. 5 Satz 2 AAÜG auf, der eine Gewährung von Dienstbeschädigungsteilrenten neben Altersrenten
im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 2 AAÜG ausschließt.
3
2. Das angegriffene Urteil des Landessozialgerichts ist aufzuheben und die Sache an das Gericht
zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Das Ausgangsverfahren ist vom Landessozialgericht auszusetzen, damit
der Beschwerdeführer die Möglichkeit hat, aus der gesetzlichen Neuregelung Nutzen zu ziehen.
4
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 34 a Abs. 2 BVerfGG.
Papier
Steiner
Hoffmann-Riem