Urteil des BVerfG vom 20.12.2007

BVerfG: arbeitsgemeinschaft, sachliche zuständigkeit, sozialhilfe, anteil, erfüllung, vollzug, arbeitsmarkt, garantie, angemessener zeitraum, abweichende meinung

Entscheidungen
L e i t s a t z
zum Urteil des Zweiten Senats vom 20. Dezember 2007
- 2 BvR 2433/04 -
- 2 BvR 2434/04 -
Arbeitsgemeinschaften gemäß § 44b SGB II widersprechen dem Grundsatz eigenverantwortlicher
Aufgabenwahrnehmung, der den zuständigen Verwaltungsträger verpflichtet, seine Aufgaben grundsätzlich durch
eigene Verwaltungseinrichtungen, also mit eigenem Personal, eigenen Sachmitteln und eigener Organisation
wahrzunehmen.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 2433/04 -
- 2 BvR 2434/04 -
Verkündet
am 20. Dezember 2007
Herr
Regierungsangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
In den Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerden
1) des Landkreises B...,
2) des Landkreises B...,
3) des Landkreises F...,
4) des Landkreises M...,
5) des Landkreises M...,
6) des Kreises S...
- Bevollmächtigter:
Prof. Dr. Hans-Günter Henneke,
Regensburger Straße 33 A, 10777 Berlin -
gegen Art. 1 § 6, § 44b sowie Art. 2 Nr. 3 Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am
Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl I S. 2954) und Art. 1 Nr. 4 und Nr. 21
Gesetz zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch (Kommunales Optionsgesetz - KOG) vom 30. Juli 2004 (BGBl I
S. 2014) sowie Art. 1 Nr. 22a, d KOG
- 2 BvR 2433/04 -,
1) des Landkreises A...,
2) des Kreises G...,
3) des Landkreises S...,
4) des Landkreises T...,
5) des Landkreises W...
- Bevollmächtigter:
Prof. Dr. Hans-Günter Henneke,
Regensburger Straße 33 A, 10777 Berlin -
gegen Art. 1 § 6b sowie Art. 2 Nr. 3 Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am
Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl I S. 2954) und Art. 1 Nr. 4 Gesetz zur
optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch
(Kommunales Optionsgesetz - KOG) vom 30. Juli 2004 (BGBl I S. 2014) sowie Art. 1
Nr. 22a, d KOG
- 2 BvR 2434/04 -
hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
Vizepräsident Hassemer,
Broß,
Osterloh,
Di Fabio,
Mellinghoff,
Lübbe-Wolff,
Gerhardt,
Landau
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. Mai 2007
durch
Urteil
für Recht erkannt:
§ 44b SGB II ist mit Artikel 28 Absatz 2 Satz 1 und 2 in Verbindung mit Artikel 83 des Grundgesetzes unvereinbar.
Die Vorschrift bleibt bis zum 31. Dezember 2010 anwendbar, wenn der Gesetzgeber nicht zuvor eine andere Regelung
trifft.
Im Übrigen werden die Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen.
Die Bundesrepublik Deutschland hat den Beschwerdeführern in dem Verfahren 2 BvR 2433/04 die Hälfte der
notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe:
A.
1
Die Beschwerdeführer sind Kreise und Landkreise. Sie wenden sich gegen die Zuweisung der Zuständigkeit für
einzelne Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende („Hartz IV“) ohne vollständigen Ausgleich der sich daraus
ergebenden finanziellen Mehrbelastungen. Die Beschwerdeführer im Verfahren 2 BvR 2433/04 beanstanden zudem die
Verpflichtung, Arbeitsgemeinschaften mit der Bundesagentur für Arbeit zu bilden.
I.
2
1. Die Bundesregierung und die sie tragenden Bundestagsfraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
legten im Rahmen des „Zukunftsprogramms Agenda 2010“ gleichlautende Entwürfe eines Gesetzes für moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vor (BTDrucks 15/1516, S. 1638). Kern des Regelungsanliegens war die
Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu einer einheitlichen Leistung, der Grundsicherung für
Arbeitsuchende. Nach § 6 SGB II-E sollte die Bundesagentur für Arbeit für das Erbringen der Leistungen zuständig
sein. Damit sollten die Verwaltungsleistungen der Hilfe bei der Arbeitsuche und der Anspruchsprüfung und -gewährung
unter einem Dach gebündelt werden. Mitarbeiter der bisherigen Träger der Sozialhilfe sollten durch einen gesetzlichen
Auftrag (§ 93 SGB X) beteiligt werden (BTDrucks 15/1516, S. 45, 47, 48). Die Aufwendungen für die Grundsicherung
für Arbeitsuchende sollte der Bund tragen; sein Anteil am Umsatzsteueraufkommen sollte dafür steigen (BTDrucks
15/1516, S. 33 f.). Die finanzielle Entlastung der Kommunen war ausdrückliches Ziel des Gesetzentwurfs (BTDrucks
15/1516, S. 41).
3
Der Gesetzentwurf war in mehreren Gesichtspunkten umstritten. Die Beschlussempfehlung des federführenden
Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Arbeit nahm einige der aus den Oppositionsfraktionen vorgebrachten
Bedenken auf. Dies führte etwa zu Änderungen des Entwurfs in Bezug auf die Regelungen über die Erwerbsfähigkeit,
die Zumutbarkeit einer Beschäftigung oder die Vermögensanrechnung. Die Regelungen über die Zuständigkeit (§ 6
SGB II-E) und die Finanzierung aus Bundesmitteln (§ 46 SGB II-E) blieben aber unangetastet (BTDrucks 15/1728, S.
171, 191).
4
Insbesondere die Zuständigkeit für die Grundsicherung für Arbeitsuchende war jedoch umstritten. Die Opposition im
Bundestag hielt die Kommunen, nicht die Bundesagentur für Arbeit für die geeigneten Träger der Betreuung von
Arbeitslosen und der Arbeitsvermittlung (BTDrucks 15/1749, S. 19). Sie lehnte den Regierungsentwurf auch aus
diesem Grunde ab.
5
Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU hatte eigene Gesetzentwürfe eingebracht, die identisch waren mit
Bundesratsentwürfen, die dort vom Land Hessen eingebracht worden waren. Im Entwurf eines
Existenzgrundlagengesetzes waren die Kreise und kreisfreien Städte und nach landesrechtlicher Bestimmung die
kreisangehörigen Gemeinden als Leistungsträger vorgesehen (BTDrucks 15/1523, S. 31; § 101 SGB XII-E). Die
Zuweisung aller Vermittlungs-, Beratungs- und Leistungsaufgaben an die Kommunen sei unabdingbare Voraussetzung
für ein effektives Hilfesystem (BTDrucks 15/1523, S. 63). Außerdem sollte in das Grundgesetz ein Art. 106b eingefügt
werden, wonach den Ländern die durch Arbeitslosigkeit verursachten Aufwendungen, für die Leistungen der
Arbeitslosenversicherung nicht bereitstehen, aus dem Steueraufkommen des Bundes erstattet werden; die Länder
sollten verpflichtet werden, diese Erstattung an die zuständigen Leistungsträger weiterzugeben (BTDrucks 15/1527).
6
Der Bundestag nahm den Gesetzentwurf der Mehrheitsfraktionen an und lehnte die Oppositionsentwürfe ab. Die
Bundesratsmehrheit beharrte auf einer kommunalen Zuständigkeit für die Arbeitsvermittlung und für die Leistungen an
Arbeitslose. Der Bundesrat verlangte, den Vermittlungsausschuss einzuberufen.
7
Der Vermittlungsausschuss empfahl eine Änderung der Regelungen über die Zuständigkeit (BTDrucks 15/2259): Die
Kreise und kreisfreien Städte sollten für einzelne der Leistungen zuständig sein, nämlich für die Betreuung von
Kindern, die Pflege von Angehörigen, die psychosoziale Betreuung, die Schuldnerberatung, die Suchtberatung, die
Leistungen für Unterkunft und Heizung, die Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung und für Bekleidung
sowie für mehrtägige Klassenfahrten; im Übrigen sollte die Bundesagentur zuständig bleiben (§ 6 Abs. 1 SGB II-E).
Damit die Verwaltung der Leistung dennoch aus einer Hand erfolgen könne, sah § 44b SGB II-E nun die Bildung von
Arbeitsgemeinschaften aus den Agenturen für Arbeit und den kommunalen Trägern vor. Der Bund sollte nur noch die
Aufwendungen der von der Bundesagentur für Arbeit zu erbringenden Leistungen tragen (§ 46 SGB II-E). Der
Gesetzesbeschluss wurde auch in Bezug auf die Umsatzsteuerverteilung geändert, und es wurde eine Sonderbedarfs-
Bundesergänzungszuweisung an die neuen Länder zum Ausgleich der Lasten aus struktureller Arbeitslosigkeit
vorgesehen (BTDrucks 15/2259, S. 8).
8
Der Bundestag nahm die Beschlussempfehlung an, und der Bundesrat stimmte dem Gesetz zu. Das Vierte Gesetz
für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 wurde am 29. Dezember 2003 verkündet
(BGBl I S. 2954). Die hier umstrittenen Regelungen traten am 1. Januar 2004 in Kraft (Art. 61 Abs. 2).
9
Sie lauteten im Einzelnen:
10
Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I)
- Allgemeiner Teil -
11
§ 19a Leistungen der Grundsicherung für
12
Arbeitsuchende
13
(1) Nach dem Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende können in Anspruch genommen
werden
14
1. Leistungen zur Eingliederung in Arbeit,
15
2. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
16
(2) Zuständig sind die Agenturen für Arbeit und die sonstigen Dienststellen der Bundesagentur
für Arbeit, sowie die kreisfreien Städte und Kreise, soweit durch Landesrecht nicht andere
Träger bestimmt sind.
17
Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II)
18
- Grundsicherung für Arbeitsuchende -
19
§ 6 Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende
20
Träger der Leistungen nach diesem Buch sind:
21
1. die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur),
22
soweit Nummer 2 nichts Anderes bestimmt,
23
2. die kreisfreien Städte und Kreise (kommunale Träger) für die Leistungen nach § 16 Abs. 2
Satz 1, 2 Nr. 1 bis 4, § 22 und § 23 Abs. 3, soweit durch Landesrecht nicht andere Träger
bestimmt sind.
24
Zu ihrer Unterstützung können sie Dritte mit der Wahrnehmung von Aufgaben beauftragen.
25
§ 44b Arbeitsgemeinschaften
26
(1) Zur einheitlichen Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Buch errichten die Träger der
Leistungen nach diesem Buch im Bezirk jeder Agentur für Arbeit eine Arbeitsgemeinschaft in
den nach § 9 Abs. 1a des Dritten Buches eingerichteten Job-Centern. Die Ausgestaltung und
Organisation der Arbeitsgemeinschaften soll die Besonderheiten der beteiligten Träger, des
regionalen Arbeitsmarktes und der regionalen Wirtschaftsstruktur berücksichtigen.
27
(2) Die Geschäfte der Arbeitsgemeinschaft führt ein Geschäftsführer. Er vertritt die
Arbeitsgemeinschaft außergerichtlich und gerichtlich. Können die Agentur für Arbeit und die
Kommunen sich bei der Errichtung der Arbeitsgemeinschaft nicht auf ein Verfahren zur
Bestimmung des Geschäftsführers einigen, wird er von der Agentur für Arbeit und den
Kommunen abwechselnd jeweils für ein Jahr einseitig bestimmt. Das Los entscheidet, ob die
erste einseitige Bestimmung durch die Agentur für Arbeit oder die Kommunen erfolgt.
28
(3) Die Arbeitsgemeinschaft nimmt die Aufgaben der Agentur für Arbeit als Leistungsträger
nach diesem Buch wahr. Die kommunalen Träger sollen der Arbeitsgemeinschaft die
Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Buch übertragen; § 94 Abs. 4 in Verbindung mit
§ 88 Abs. 2 Satz 2 des Zehnten Buches gilt nicht. Die Arbeitsgemeinschaft ist berechtigt, zur
Erfüllung ihrer Aufgaben Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide zu erlassen.
29
(4) Die Agentur für Arbeit teilt dem kommunalen Träger alle Tatsachen mit, von denen sie
Kenntnis erhält und die für seine Leistungen erheblich sein können.
30
(5) In den Fällen des § 6a gelten die Absätze 1 bis 4 nicht.
31
§ 46 Finanzierung aus Bundesmitteln
32
(1) Der Bund trägt die Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, soweit die
Leistungen von der Bundesagentur erbracht werden. Er erstattet der Bundesagentur hierfür die
Verwaltungskosten. In den Fällen des § 6a regelt das Bundesgesetz nach § 6a eine
entsprechende Finanzierung; eine Pauschalierung ist zulässig. Der Bund kann festlegen, nach
welchen Maßstäben die Mittel für Leistungen zur Eingliederung in Arbeit auf die Agenturen für
Arbeit zu verteilen sind, es sei denn, dass die Maßstäbe in einer Zielvereinbarung (§ 48)
geregelt sind.
33
(2) Die Bundesagentur erstattet dem Bund jeweils zum 15. Februar, 15. Mai, 15. August und
15. November einen Aussteuerungsbetrag, der dem Zwölffachen der durchschnittlichen
monatlichen Aufwendungen für Arbeitslosengeld II, Sozialgeld und Beiträge zur
Sozialversicherung im vorangegangenen Kalendervierteljahr für eine Bedarfsgemeinschaft,
vervielfältigt mit der Zahl der Personen, die im vorangegangenen Kalendervierteljahr innerhalb
von drei Monaten nach dem Bezug von Arbeitslosengeld einen Anspruch auf Arbeitslosengeld
II erworben haben, entspricht.
34
2. Die Ausgestaltung der Option kommunaler Trägerschaft der Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch – Zweites
Buch -, also des Verzichts auf die Arbeitsgemeinschaften zu Gunsten der Alleinzuständigkeit der Kreise oder
kreisfreien Städte, konnte im Vermittlungsverfahren nicht abschließend bestimmt werden. Sie wurde einem weiteren
Gesetzgebungsverfahren zugewiesen.
35
Dazu legten die Bundestagsfraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Entwurf eines Kommunalen
Optionsgesetzes vor (BTDrucks 15/2816). Der Entwurf sah auch die Änderung von Vorschriften vor, die die Option
nicht betrafen. Durch Landesrecht sollte bestimmt werden, dass die Kreise ihre Gemeinden zur Aufgabenerfüllung
heranziehen können. Als Aufsichtsbehörde der Arbeitsgemeinschaften war die oberste Landesbehörde im Benehmen
mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit vorgesehen.
36
Auch dieser Gesetzentwurf geriet nach dem Beschluss des Bundestags auf Verlangen des Bundesrats in das
Vermittlungsverfahren. Neben der Ausgestaltung der Option bemängelte die Bundesratsmehrheit vor allem eine nach
ihrer Auffassung durch das Sozialgesetzbuch – Zweites Buch - bewirkte finanzielle Belastung der Kommunen,
insbesondere durch das Wohngeld (BRatPlPr 799, S. 196 A ff., 198 C f., 201 C f.).
37
Die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses (BTDrucks 15/3495) sah dazu eine Verpflichtung auf eine
Entlastung der Kommunen um jährlich 2,5 Milliarden Euro vor. Der Bund sollte einen bestimmten Anteil an den von
den Kommunen zu erbringenden Leistungen für Unterkunft und Heizung tragen. Der Bundestag nahm den
Vermittlungsvorschlag an, und der Bundesrat stimmte dem Gesetz zu. Das Gesetz zur optionalen Trägerschaft von
Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Kommunales Optionsgesetz) vom 30. Juli 2004 wurde am
5. August 2004 verkündet (BGBl I S. 2014). Die Änderungen der hier angegriffenen §§ 6 und 46 SGB II traten am Tag
nach der Verkündung in Kraft (Art. 17 Abs. 1).
38
Die Vorschriften lauteten nunmehr:
39
Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I)
40
- Allgemeiner Teil -
41
§ 19a Leistungen der Grundsicherung für
42
Arbeitsuchende
43
(1) Nach dem Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende können in Anspruch genommen
werden
44
1. Leistungen zur Eingliederung in Arbeit,
45
2. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
46
(2) Zuständig sind die Agenturen für Arbeit und die sonstigen Dienststellen der Bundesagentur
für Arbeit, sowie die kreisfreien Städte und Kreise, soweit durch Landesrecht nicht andere
Träger bestimmt sind. In den Fällen des § 6a des Zweiten Buches ist abweichend von Satz 1
der zugelassene kommunale Träger zuständig.
47
Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II)
- Grundsicherung für Arbeitsuchende -
48
§ 6 Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende
49
(1) Träger der Leistungen nach diesem Buch sind:
50
1. die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur), soweit Nummer 2 nichts Anderes bestimmt,
51
2. die kreisfreien Städte und Kreise für die Leistungen nach § 16 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 4,
§§ 22 und 23 Abs. 3, soweit durch Landesrecht nicht andere Träger bestimmt sind
(kommunale Träger).
52
Zu ihrer Unterstützung können sie Dritte mit der Wahrnehmung von Aufgaben beauftragen.
53
(2) Die Länder können bestimmen, dass und inwieweit die Kreise ihnen zugehörige Gemeinden
oder Gemeindeverbände zur Durchführung der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Aufgaben
nach diesem Gesetz heranziehen und ihnen dabei Weisungen erteilen können; in diesen Fällen
erlassen die Kreise den Widerspruchsbescheid nach dem Sozialgerichtsgesetz. § 44b Abs. 3
Satz 3 bleibt unberührt. Die Sätze 1 und 2 gelten auch in den Fällen des § 6a.
54
(3) Die Länder Berlin, Bremen und Hamburg werden ermächtigt, die Vorschriften dieses
Gesetzes über die Zuständigkeit von Behörden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende
dem besonderen Verwaltungsaufbau ihrer Länder anzupassen.
55
§ 44b Arbeitsgemeinschaften
56
(1) Zur einheitlichen Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Buch errichten die Träger der
Leistungen nach diesem Buch durch privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Verträge
Arbeitsgemeinschaften in den nach § 9 Abs. 1a des Dritten Buches eingerichteten Job-
Centern. Befinden sich im Bereich eines kommunalen Trägers mehrere Agenturen für Arbeit,
ist eine Agentur als federführend zu benennen. Die Ausgestaltung und Organisation der
Arbeitsgemeinschaften soll die Besonderheiten der beteiligten Träger, des regionalen
Arbeitsmarktes und der regionalen Wirtschaftsstruktur berücksichtigen.
57
(2) Die Geschäfte der Arbeitsgemeinschaft führt ein Geschäftsführer. Er vertritt die
Arbeitsgemeinschaft außergerichtlich und gerichtlich. Können die Agentur für Arbeit und die
Kommunen sich bei der Errichtung der Arbeitsgemeinschaft nicht auf ein Verfahren zur
Bestimmung des Geschäftsführers einigen, wird er von der Agentur für Arbeit und den
Kommunen abwechselnd jeweils für ein Jahr einseitig bestimmt. Das Los entscheidet, ob die
erste einseitige Bestimmung durch die Agentur für Arbeit oder die Kommunen erfolgt.
58
(3) Die Arbeitsgemeinschaft nimmt die Aufgaben der Agentur für Arbeit als Leistungsträger
nach diesem Buch wahr. Die kommunalen Träger sollen der Arbeitsgemeinschaft die
Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Buch übertragen; § 94 Abs. 4 in Verbindung mit
§ 88 Abs. 2 Satz 2 des Zehnten Buches gilt nicht. Die Arbeitsgemeinschaft ist berechtigt, zur
Erfüllung ihrer Aufgaben Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide zu erlassen. Die
Aufsicht über die Arbeitsgemeinschaft führt die zuständige oberste Landesbehörde im
Benehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit.
59
(4) Die Agentur für Arbeit und der kommunale Träger teilen sich alle Tatsachen mit, von denen
sie Kenntnis erhalten und die für die Leistungen des jeweils anderen Trägers erheblich sein
können.
60
(5) (weggefallen)
61
§ 46 Finanzierung aus Bundesmitteln
62
(1) Der Bund trägt die Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der
Verwaltungskosten, soweit die Leistungen von der Bundesagentur erbracht werden. Der
Bundesrechnungshof prüft die Leistungsgewährung. Dies gilt auch, soweit die Aufgaben von
Arbeitsgemeinschaften nach § 44b wahrgenommen werden. Eine Pauschalierung von
Eingliederungsleistungen und Verwaltungskosten ist zulässig. Die Mittel für die Erbringung von
Eingliederungsleistungen und Verwaltungskosten werden in einem Gesamtbudget
veranschlagt.
63
(2) Der Bund kann festlegen, nach welchen Maßstäben die Mittel nach Absatz 1 Satz 4 auf die
Agenturen für Arbeit zu verteilen sind. Bei der Zuweisung wird die Zahl der erwerbsfähigen
Bezieher von Leistungen zur Grundsicherung zugrunde gelegt. Das Bundesministerium für
Wirtschaft und Arbeit kann im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen durch
Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates ergänzende andere Maßstäbe für die
Verteilung der Mittel für Leistungen zur Eingliederung in Arbeit festlegen.
64
(3) Nicht verausgabte Mittel nach Absatz 1 Satz 5 sind zur Hälfte in das Folgejahr übertragbar.
Die übertragbaren Mittel dürfen einen Betrag von 10 vom Hundert des Gesamtbudgets des
laufenden Jahres nicht übersteigen.
65
(4) Die Bundesagentur erstattet dem Bund jeweils zum 15. Februar, 15. Mai, 15. August und
15. November einen Aussteuerungsbetrag, der dem Zwölffachen der durchschnittlichen
monatlichen Aufwendungen für Arbeitslosengeld II, Sozialgeld und Beiträge zur
Sozialversicherung im vorangegangenen Kalendervierteljahr für eine Bedarfsgemeinschaft,
vervielfältigt mit der Zahl der Personen, die im vorangegangenen Kalendervierteljahr innerhalb
von drei Monaten nach dem Bezug von Arbeitslosengeld einen Anspruch auf Arbeitslosengeld
II erworben haben, entspricht.
66
(5) Der Bund beteiligt sich zweckgebunden an den Leistungen für Unterkunft und Heizung nach
§ 22 Abs. 1, um sicherzustellen, dass die Kommunen durch das Vierte Gesetz für moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung der sich aus ihm ergebenden
Einsparungen der Länder um jährlich 2,5 Milliarden Euro entlastet werden.
67
(6) Der Bund trägt im Jahre 2005 29,1 vom Hundert der in Absatz 5 genannten Leistungen.
Dieser Anteil wird zum 1. März 2005 und zum 1. Oktober 2005 überprüft. Ergibt die
Überprüfung, dass die Entlastung der Kommunen den Betrag von 2,5 Milliarden Euro jährlich
übersteigt oder unterschreitet, ist der Anteil des Bundes rückwirkend zum 1. Januar 2005
entsprechend anzupassen, allerdings nicht mehr als auf eine Stelle hinter dem Komma genau.
Mit der Überprüfung zum 1. Oktober 2005 wird darüber hinaus der Anteil des Bundes für das
Jahr 2006 festgelegt.
68
(7) Die Überprüfung für die Jahre 2006 und 2007 ist jeweils zum 1. Oktober vorzunehmen.
Ergibt sie, dass die Entlastung der Kommunen den Betrag von 2,5 Milliarden Euro jährlich
übersteigt oder unterschreitet, ist der Anteil des Bundes rückwirkend zum 1. Januar des
jeweiligen Jahres entsprechend anzupassen, allerdings nicht mehr als auf eine Stelle hinter
dem Komma genau. Mit der Überprüfung zum 1. Oktober 2006 wird darüber hinaus der Anteil
des Bundes für das Jahr 2007 und mit der Überprüfung zum 1. Oktober 2007 der Anteil des
Bundes ab dem Jahre 2008 festgelegt.
69
(8) Weitere Überprüfungen und Anpassungen sind zum 1. Oktober 2009 und danach alle zwei
Jahre vorzunehmen.
70
(9) Für die Überprüfungen und Anpassungen des in Absatz 5 genannten Anteils des Bundes
nach den Absätzen 6 bis 8 sind die in der Anlage genannten Kriterien maßgebend.
71
(10) Der Anteil des Bundes an den in Absatz 5 genannten Leistungen wird den Ländern
erstattet. Der Abruf der Erstattungen ist zur Monatsmitte und zum Monatsende zulässig.
Wenn die Überprüfung des in Absatz 5 genannten Anteils des Bundes nach den Absätzen 6
bis 8 ergibt, dass dieser zu erhöhen ist, werden bis zur gesetzlichen Festsetzung eines
erhöhten Anteils des Bundes auf Antrag eines Landes monatlich im Voraus Abschläge auf den
bis dahin geltenden Anteil des Bundes gezahlt. Die Abschläge können bis zu einem Monat
vorgezogen werden.
72
Die Finanzierungsregelungen des § 46 Abs. 6 bis 10 SGB II wurden im Dezember 2005 auf feste Anteile des
Bundes für die Jahre 2005 und 2006 umgestellt; die zuvor geregelten Änderungsmechanismen entfielen (Erstes
Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 22. Dezember 2005, BGBl I S. 3675).
73
3. Mit dem Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl I S. 1706)
wurde der neue Zuschnitt der Zuständigkeiten der Bundesministerien nachvollzogen: Das Bundesministerium für
Arbeit und Soziales trat an die Stelle des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Art. 1 Nr. 3 dieses Gesetzes
änderte § 6 SGB II; in Abs. 1 Satz 2 wurde folgender Halbsatz eingefügt: „sie sollen einen Außendienst zur
Bekämpfung von Leistungsmissbrauch einrichten.“ Die Änderung sollte für die Träger der Grundsicherung für
Arbeitsuchende die Aufgabe begründen, einen Außendienst zur Bekämpfung des Leistungsmissbrauchs einzurichten,
um zu überprüfen, ob die Anspruchsvoraussetzungen von Personen, die Leistungen der Grundsicherung beziehen
oder bezogen, vorliegen oder vorlagen (BTDrucks 16/1410, S. 18). In § 6 Abs. 2 Satz 3 SGB II wurden nach der
Angabe von „§ 6a“ die Wörter „mit der Maßgabe, dass eine Heranziehung auch für die Aufgaben nach § 6b Abs. 1
Satz 1 erfolgen kann“ eingefügt. Durch diese Änderung sollte klargestellt werden, dass die zugelassenen kommunalen
Träger Gemeinden und Gemeindeverbände im Rahmen einer landesrechtlichen Regelung zur Erfüllung der Aufgaben
als zugelassener kommunaler Träger gemäß § 6b Abs. 1 SGB II heranziehen können (BTDrucks 16/1410, S. 18).
74
Da sich die Verpflichtung der Agenturen für Arbeit, gemäß § 9 Abs. 1a SGB III Job-Center als einheitliches
Organisationsmodell für alle einzurichten, in der Praxis aufgrund der Um- und Neustrukturierung der Agenturen für
Arbeit und der heterogenen Struktur der Arbeitsgemeinschaften und zugelassenen kommunalen Träger als nicht
umsetzbar erwies (BTDrucks 16/1410, S. 31), wurde die Regelung des § 9 Abs. 1a SGB III wieder aufgehoben. Dies
führte dazu, dass auch die in § 44b Abs. 1 Satz 1 SGB II geregelte Verpflichtung, die Arbeitsgemeinschaften in den
Job-Centern einzurichten, aufgehoben wurde. Die Verpflichtung der kommunalen Träger, mit den Agenturen für Arbeit
durch privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Verpflichtung Arbeitsgemeinschaften zu bilden (§ 44b Abs. 1 Satz 1
SGB II) und den Arbeitsgemeinschaften die Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu übertragen (§ 44b Abs. 3 Satz 2
SGB II), blieb unberührt. Außerdem wurde § 44b Abs. 3 Satz 4 SGB II neu gefasst, um den zuständigen obersten
Landesbehörden die Möglichkeit zu geben, für die Aufsichtsführung über die Arbeitsgemeinschaften eine andere Stelle
zu bestimmen. Satz 4 lautet nunmehr: „Die Aufsicht über die Arbeitsgemeinschaft führt die zuständige oberste
Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales.“
75
4. Die letzte Änderung des Sozialgesetzbuchs – Zweites Buch - durch das Gesetz zur Änderung des Zweiten
Buches Sozialgesetzbuch und des Finanzausgleichsgesetzes vom 22. Dezember 2006 (BGBl I S. 3376), das am
1. Januar 2007 in Kraft trat, ließen § 6 und § 44b SGB II unberührt. Geändert wurden hingegen die
Finanzierungsregelungen des Bundes gemäß § 46 SGB II; der Bund erhöhte seine Beteiligung an den Leistungen der
kommunalen Träger für Unterkunft und Heizung für 2007 von 29,1 vom Hundert auf 35,2 vom Hundert für Baden-
Württemberg, 41,2 vom Hundert für Rheinland-Pfalz und für die übrigen Länder auf 31,2 vom Hundert. Ab 2008
bestimmt sich die Beteiligung nach einer Formel (BTDrucks 16/3269, S. 4).
II.
76
Die Beschwerdeführer meinen, die angegriffenen Regelungen verletzten Art. 28 Abs. 2 GG.
77
1. Die Bestimmung der Zuständigkeit der Kreise für einzelne Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende
durch § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II und § 19a Abs. 2 SGB I sei ein unzulässiger Durchgriff des Bundes auf die
kommunale Ebene. Die Kompetenzordnung nach Art. 83 und Art. 84 Abs. 1 GG sehe als Regelfall vor, dass die
Länder in eigener Verantwortung entscheiden, ob Bundesgesetze durch unmittelbare oder mittelbare
Landesverwaltung ausgeführt werden sollen. Die Einbeziehung von Gemeinden und Gemeindeverbänden richte sich
dann nach dem Landesrecht. Das führe bei einer Aufgabenzuweisung an die Kommunen zu
landesverfassungsrechtlichen Schutzmechanismen, nämlich insbesondere dem in vielen Landesverfassungen
geregelten Konnexitätsprinzip: das Land müsse Kostenersatz für die mit der Aufgabenzuweisung verbundenen
Belastungen leisten. Weise der Bund die Aufgabe zu, dann sei das Land nicht zum Kostenersatz verpflichtet, und
auch zwischen dem Bund und den Kommunen gebe es direkte Finanzbeziehungen, die zum Ausgleich genutzt
werden könnten, nicht.
78
Wenn eine bundesgesetzliche Zuweisung von Zuständigkeiten an die Kommunen überhaupt von Art. 84 Abs. 1 GG
gedeckt sein könne, müsse sie jedenfalls an enge Voraussetzungen gebunden bleiben. Es dürfe sich bei der
Aufgabenzuweisung nur um eine punktuelle Annexregelung handeln, und diese Annexregelung müsse zum wirksamen
Vollzug der materiellen Bestimmungen notwendig sein. Beide Voraussetzungen würden durch die angegriffenen
Regelungen nicht erfüllt. Die den Kommunen zugewiesenen Aufgaben seien neu; sie seien nämlich durch die
Neuregelung nicht nur umbenannt, sondern neu konzipiert worden. Um eine Annexregelung handele es sich nicht, weil
die Aufgabenzuweisung geradezu das organisationsrechtliche Herzstück des neuen Sozialgesetzbuchs – Zweites
Buch - darstelle. Auch der erhebliche Umfang der zugewiesenen Aufgaben spreche gegen eine bloße Annexregelung.
79
Die Aufgabenzuweisung an die Kommunen sei zum Gesetzesvollzug auch nicht notwendig, sondern sogar
hinderlich. Da es sich bei den den Kommunen zugewiesenen Leistungen nicht um abgegrenzte Leistungen, sondern
um Elemente des einheitlichen Arbeitslosengeldes II handele, sei es folgerichtig gewesen, dass der Gesetzentwurf
eine einheitliche Aufgabenträgerschaft vorgesehen habe. Nur um den Kommunen finanzielle Lasten aufzubürden, sei
im Vermittlungsverfahren die Aufgabenverantwortung einerseits aufgeteilt und andererseits in den
Arbeitsgemeinschaften wieder zusammengeführt worden. Der Landesrechtsvorbehalt belege zudem, dass der
Gesetzgeber selbst die Bestimmung der Kommunen zu Aufgabenträgern nicht für notwendig halte.
80
Der Bund habe gegen das Verbot verstoßen, die finanziellen Verhältnisse der Kommunen ohne Einschaltung der
Länder zu ordnen. Indem er die Ausgleichsleistungen für die übertragenen Aufgaben begrenze, bestimme er selbst
unmittelbar, welche Lasten die Kommunen selbst tragen müssten. Der Bund hätte, wenn er schon Aufgaben an die
Kommunen zuweise, einen vollständigen Mehrbelastungsausgleich leisten müssen. Stattdessen könne er nicht
einmal sicherstellen, dass der gewährte unzureichende Ausgleich von den Ländern an ihre Kommunen weitergeleitet
werde.
81
2. Die Beschwerdeführer im Verfahren 2 BvR 2433/04 beanstanden zudem einen Verstoß gegen Art. 28 Abs. 2 GG
durch die in § 44b SGB II geregelte Verpflichtung, Arbeitsgemeinschaften mit den Agenturen für Arbeit zu errichten
und diesen die Aufgaben der kommunalen Träger zu übertragen. Diese Konstruktion diene allein dem Beibehalten
einheitlicher Aufgabenwahrnehmung trotz der Lastenzuweisung insbesondere für die Leistungen für Unterkunft und
Heizung an die Kommunen. Die Kommunen müssten die Wahrnehmung der Aufgaben an die Arbeitsgemeinschaften
übertragen, obwohl sie Aufgabenträger und damit finanzierungsverantwortlich blieben. Das widerspreche Art. 104a
Abs. 1 GG, der die Ausgabenlast an die Wahrnehmung, nicht an die Trägerschaft knüpfe. Zudem sei eine unzulässige
Mischverwaltung entstanden.
82
3. Mit einem am 11. August 2006 eingereichten Schriftsatz haben die Beschwerdeführer erklärt, ihre
Verfassungsbeschwerden auch auf die geänderte Fassung des § 46 SGB II zu erstrecken.
83
Ergänzend führen die Beschwerdeführer aus, dass das in seinen materiellrechtlichen Bestimmungen zum 1. Januar
2005 in Kraft getretene Sozialgesetzbuch – Zweites Buch - nicht lediglich die Fortführung bestehender Aufgaben sei,
sondern dass es sich um eine bundesgesetzlich neu geregelte Aufgabe handele, die aufgrund der neuen
gesetzgeberischen Konzeption unter anderem zu einem exorbitanten Anstieg der Anspruchsberechtigten geführt habe,
ohne dass die kommunalen Träger entsprechend entlastet worden seien. Die Beschwerdeführer in dem Verfahren 2
BvR 2433/04 würden durch § 44b SGB II in Arbeitsgemeinschaften hineingezwungen. Von einer völligen rechtlichen
Trennung der Stränge der Aufgabenerledigung könne keine Rede sein.
III.
84
Zu den Verfassungsbeschwerden haben die Bundesregierung, das Bundessozialgericht, der Deutsche Landkreistag
und der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. Stellung genommen. Außerdem haben sich der
Sächsische Datenschutzbeauftragte und der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
geäußert.
85
1. Die Bundesregierung verteidigt die angegriffenen Regelungen. Sie beschreibt das Gesetzgebungsverfahren,
gerade in Bezug auf die Regelungen über die Zuständigkeit, als eine schwierige Suche nach Kompromissen. Das
Ergebnis, auch die angegriffenen Normen, habe deshalb ferner experimentellen Charakter. Das erweitere den
Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers und enge die Kontrollbefugnisse des Bundesverfassungsgerichts ein. Die
verfassungsgerichtliche Überprüfung müsse berücksichtigen, dass die Steuerungsmöglichkeiten zur Bekämpfung der
Massenarbeitslosigkeit beschränkt seien. Auch und gerade Organisationsregelungen seien Teil des Problemzugriffs
und daher von dem Prognose- und Beurteilungsspielraum umfasst, der die Intensität der Normenkontrolle beschränke.
86
Über das Anliegen, die Arbeitslosen- und die Sozialhilfe zu einer neuen, einheitlichen Leistung zusammenzuführen,
seien sich die am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten weitgehend einig gewesen. Im Mittelpunkt der
Auseinandersetzungen habe die Bestimmung des Leistungsträgers gestanden. Schon früh habe sich die dann Gesetz
gewordene Lösung angedeutet. Sie stamme weder erst aus den Diskussionen in den letzten Verfahrensabschnitten
noch diene sie der Verschiebung der Finanzverantwortung zu Lasten der Kommunen, die im Ergebnis sogar entlastet
würden. Für die Aufgabenübertragung an die Kommunen hätten wesentliche Sachgründe gesprochen: Die soziale und
psychosoziale Betreuung nähmen die Kommunen seit Jahrzehnten wahr; nur sie kennten die Probleme vor Ort. Für
die Leistung der Unterkunftskosten sprächen die regional und lokal erheblichen Unterschiede im Wohnungsmarkt und
der häufige Zusammenhang ungesicherter Wohnverhältnisse mit anderen persönlichen Krisenlagen, für deren
Bewältigung die Kommunen soziale Betreuung anböten. Im Ergebnis seien den Kommunen damit nicht neue
Aufgaben zugewiesen, sondern ihnen sei ein Teil der ihnen bislang nach dem Bundessozialhilfegesetz obliegenden
Zuständigkeiten belassen worden.
87
Mit den Arbeitsgemeinschaften werde der Versuch unternommen, trotz der aufgeteilten Zuständigkeit
bürgerfreundlich eine einheitliche Verwaltungsleistung aus einer Hand zu erbringen. Dem Bundesgesetzgeber sei
bewusst gewesen, dass er wegen der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, die die eigenverantwortliche
Aufgabenwahrnehmung und Verantwortungsklarheit umfasse, die Übertragung von kommunalen Aufgaben und die
Beteiligung an den Arbeitsgemeinschaften nicht erzwingen dürfe. Mit der Formulierung „sollen“ in § 44b Abs. 3 Satz 2
SGB II sei daher nicht mehr als ein gesetzgeberischer Appell geregelt worden. Beteilige sich eine Kommune an einer
Arbeitsgemeinschaft, so blieben beide Partner für die ihnen jeweils obliegenden Leistungen verantwortlich. Die
Anträge würden in enger Abstimmung bearbeitet und in einem gebündelten Bescheid beschieden, aber dabei handele
es sich bloß um die äußere Verbindung verschiedener einzelner Verwaltungsakte in einer Sammelverfügung unter
dem Namen der Arbeitsgemeinschaft.
88
Motiv für die vorgenommene Aufgabenverteilung sei nicht die Neuverteilung der finanziellen Lasten gewesen. Die
angestrebten und zu erwartenden Einsparungen durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe sollten
zwischen Bund und Kommunen aufgeteilt werden. Der Bund habe die Kommunen erheblich entlasten wollen. Dazu
sehe das Gesetz einen Garantie-Entlastungsbetrag von 2,5 Milliarden Euro vor, der überschritten werden könne, wenn
die geregelte Berechnungsmethode eine Mehrbelastung der Kommunen ergäbe. Die Weiterleitung dieser
Sonderzuweisung des Bundes durch die Länder dürfe der Bund nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes nicht
erzwingen. Sie falle in den Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich der Länder.
89
Dies berücksichtigt, sei schon die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden zweifelhaft. Die angegriffenen
Regelungen wiesen den Kommunen nicht neue Aufgaben zu, sondern beließen es bei einer Aufgabenzuweisung -
derjenigen des Bundessozialhilfegesetzes -, die das Bundesverfassungsgericht gebilligt habe. Die Regelungen über
die Bildung und Errichtung von Arbeitsgemeinschaften beschwerten die Kommunen nicht, weil eine Verpflichtung nicht
begründet werde. Verweigerten die Kommunen die Aufgabenübertragung, so gebe es kein rechtlich zulässiges Mittel,
diese Weigerung zu überwinden.
90
Auch gegen die Regelungen zur finanziellen Beteiligung des Bundes könnten sich die Kommunen nicht mit der
Verfassungsbeschwerde wenden, weil sie gar nicht Adressaten dieser Normen seien. Tatsächlich rügten sie auch
nicht
die
getroffene,
sondern
das
Unterlassen
einer
ihnen
günstigeren
Regelung.
Die
Kommunalverfassungsbeschwerde könne sich indes nicht gegen gesetzgeberisches Unterlassen wenden.
91
Jedenfalls seien die Verfassungsbeschwerden unbegründet. Die angegriffene Aufgabenzuweisung gehe nicht über
das hinaus, was die Kommunen schon bislang als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft erledigt hätten. Ihnen
seien die zuvor durch das Bundessozialhilfegesetz zugewiesenen Aufgaben verblieben; dies sei - anders als ein
Entzug dieser Aufgaben - verfassungsrechtlich nicht rechtfertigungsbedürftig. Nur der rechtliche Rahmen sei nun ein
anderer. Die Kosten für Unterkünfte und Heizung seien zuvor von der allgemeinen Hilfe zum Lebensunterhalt umfasst
gewesen; einmalige Leistungen für Wohnung, Bekleidung, Schwangerschaft, Geburt und Klassenfahrten seien zuvor
ebenfalls nach dem Bundessozialhilfegesetz gewährt worden; gleiches gelte schließlich für die Schuldnerberatung, die
psychosoziale Betreuung, die Suchtberatung und die auf Ausbildung, Arbeitsplatz und Wohnung bezogenen Hilfen.
Neue Aufgaben seien mithin nicht geregelt worden, und die Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten greife
nicht in Zuständigkeiten ein.
92
Eine Beeinträchtigung der Selbstverwaltungsgarantie könne nur angenommen werden, wenn diese auch vor einer
Verknappung der finanziellen Mittel schützte oder wenn sie ein Recht auf eine bestimmte finanzielle Ausstattung
umfasste. Das Grundgesetz garantiere indes eine tatsächliche Finanzausstattung der Kommunen nicht. Ansprüche
auf eine Mindestausstattung oder einen Ausgleich neuer Lasten, wie sie in Landesverfassungen vorgesehen seien,
kenne das Grundgesetz nicht.
93
Der Bund sei für die angegriffene Regelung der Aufgabenzuweisung gesetzgebungsbefugt gewesen. Die
Sachregelungsbefugnis zur Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ergebe sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 7
GG. Für die Organisations- und Verfahrensregelungen bestehe entweder eine Annexzuständigkeit, die der
Sachregelungsbefugnis folge, oder eine auf Art. 84 Abs. 1 Halbsatz 2 GG beruhende Gesetzgebungszuständigkeit.
Die sich aus dieser Norm ergebende Kompetenz zur Aufgabenübertragung auch an die Kommunen sei grundsätzlich
unbegrenzt, unterliege insbesondere keinen Beschränkungen aus Art. 72 Abs. 2 GG oder aus dem Übermaßverbot.
94
Die landesverfassungsrechtlichen Konnexitätsregelungen beschränkten den Bund bei der Aufgabenzuweisung nicht.
Der Bund sei nicht verpflichtet, auf Schutzvorkehrungen der Landesverfassungen Rücksicht zu nehmen. Andernfalls
würde Landesverfassungsrecht zum Maßstab der Auslegung von Bundesverfassungsrecht. Die Öffnungsklausel zu
Gunsten einer landesrechtlichen Bestimmung anderer Aufgabenträger vermindere den etwaigen Übergriff in die
Organisationsgewalt der Länder und könne deshalb nicht zur Verfassungswidrigkeit der bundesgesetzlichen
Aufgabenzuweisung führen.
95
Ergänzend verweist die Bundesregierung für ihren Rechtsstandpunkt auf ein Rollenpapier „Die
Arbeitsgemeinschaften und ihre Träger im SGB II“ vom 12. Januar 2007.
96
2. Das Bundessozialgericht sieht keinen Bezug der Verfassungsbeschwerden zu seiner Rechtsprechung. Selbst
wenn mit der Errichtung der Arbeitsgemeinschaften auch deren Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten
verfassungswidrig wäre, liege ein Nichtigkeitsgrund nach § 40 Abs. 2 SGB X nicht vor. Auch die Aufhebung eines von
einer Arbeitsgemeinschaft erlassenen Verwaltungsaktes werde nicht beansprucht werden können.
97
3. Der Deutsche Landkreistag hält die Verfassungsbeschwerden für zulässig und begründet.
98
Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für eine Aufgabenzuweisung an die Kommunen durch Bundesgesetz
seien nicht eingehalten. Die Bestimmung der Landkreise und kreisfreien Städte zu Aufgabenträgern sei für den
wirksamen Vollzug des Gesetzes nicht notwendig. Der Landesrechtsvorbehalt spreche dagegen, und die
Notwendigkeit sei auch im Gesetzgebungsverfahren an keiner Stelle dargelegt worden. Gegen eine bloß punktuelle
Annexregelung sprächen schon die finanzielle Dimension der Aufgabe und zudem der erhebliche Verwaltungsaufwand,
den diese größte Reform des deutschen Sozialwesens erfordere. Die bundesgesetzliche Regelung umgehe die
landesverfassungsrechtlichen Konnexitätsregelungen. Einen Anspruch gegen den Bund auf Ausgleich der
entstehenden Mehrausgaben hätten die Kommunen nicht.
99
Die Soll-Regelung des § 44b Abs. 3 Satz 2 SGB II verpflichte die Kommunen zur Aufgabenübertragung auf die
Arbeitsgemeinschaften, wenn nicht überwiegende Gründe für einen atypischen Fall sprächen. Die durch Art. 28 Abs. 2
GG geschützte Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung sei dadurch beeinträchtigt. Das Ob der
Übertragung sei der Entscheidungsbefugnis der Kommunen entzogen, und die etwa auf die Führung der Geschäfte
bezogenen Vorgaben schränkten auch die Gestaltbarkeit der Aufgabenerledigung ein. Zudem sei mit den
Arbeitsgemeinschaften ohne sachlichen Grund eine Mischverwaltung aus Bundes- und Landesbehörden gebildet
worden. Dies diene allein als finanzielles Kompensationsmodell für den Bund. Die Experimentierklausel (§ 6a SGB II)
zeige, dass eine Mischverwaltung nicht zwingend oder sachlich geboten sei.
100
4. Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge hält die angegriffenen Regelungen für verfassungswidrig.
101
Die Aufgabenzuweisung berühre den Schutzbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG),
verletze ihn aber nicht. Die teilweise Wahrnehmung von Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende sei eine
Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft und gehöre zu den traditionellen Leistungen der Kommunen. Eine
Aufgabenneuzuweisung erfolge hier nicht. Die Leistungen für Unterkunft und Heizung seien hingegen bislang in
Bundesauftragsverwaltung nach dem Wohngeldgesetz erledigt worden. Die Verweisung in den Bereich der
kommunalen Selbstverwaltung sei jedoch durch eine Annexkompetenz zur Kompetenznorm des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7
GG zulässig.
102
Verletzt sei aber die Organisationshoheit der Kommunen. Die Organisationsbestimmungen des Sozialgesetzbuchs
– Zweites Buch - verletzten den Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie. § 44b SGB II bestimme die
Art und Weise der Erledigung der Aufgaben der Grundsicherung, indem die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft und die
Übertragung von Aufgaben auf diese Arbeitsgemeinschaft angeordnet werde. Dadurch werde den Kommunen die
Organisations- und Personalhoheit für diesen Bereich entzogen. Die Steuerung und Überwachung der Mitarbeiter und
des Verwaltungsvollzugs würden eingeschränkt. Die formale sachliche Zuständigkeit bleibe ohne die Kompetenz zur
organisatorischen Ausgestaltung eine leere Hülse. Das Erbringen sozialer Leistungen sei für die Kommunen Teil der
politischen Gesamtsteuerung, die sie ohne die Organisationsgewalt nicht mehr sinnvoll ausüben können.
103
Ohne einen adäquaten Finanzausgleich der Mehrbelastung greife eine Aufgabenzuweisung in die Finanzhoheit der
Kommunen ein. Eine Ausgleichspflicht des Bundes gegenüber den Kommunen sei zwar nicht explizit normiert, finde
aber einen Niederschlag in Art. 106 Abs. 8 GG. Eine pauschale, bundesweit wirkende Ausgleichsleistung sei
unzureichend. Eine kommunal-individuell angepasste Ausgleichsleistung sei unabdingbar.
104
Die geschaffene Form der Mischverwaltung verletze wegen der unzureichenden aufsichtsrechtlichen Durchformung
das Demokratieprinzip. Die Arbeitsgemeinschaften seien privatrechtlich organisierte Beliehene, für die eine
Fachaufsicht nicht ausreichend sichergestellt sei.
105
5. Der Sächsische Datenschutzbeauftragte und der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die
Informationsfreiheit weisen auf die Schwierigkeiten hin, die sich daraus ergäben, dass die Datenschutzkontrolle der
Tätigkeiten der Arbeitsgemeinschaften teilweise beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und teilweise bei den
Landesdatenschutzbeauftragten liegt. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit weist
darauf hin, die bisherige Praxis zeige, dass sachgerechte Lösungen im Umgang mit dem Konstrukt der
Arbeitsgemeinschaften möglich seien.
IV.
106
In der mündlichen Verhandlung am 24. Mai 2007 haben die Beschwerdeführer und die Bundesregierung ihre
schriftsätzlichen Äußerungen erläutert, vertieft und ergänzt.
107
Das Bundesverfassungsgericht hat sachverständige Einschätzungen von zwei Geschäftsführern von
Arbeitsgemeinschaften zu den tatsächlichen Abläufen innerhalb von Arbeitsgemeinschaften gehört. Der
Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft im Kreis Aachen, G., und der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft
SGB II Erfurt, R., haben sich zu den strukturellen und organisatorischen Fragen bei der praktischen Umsetzung
geäußert und sind insbesondere auf die Entscheidungsstrukturen, Weisungsstränge, die Aufsicht durch verschiedene
Behörden, Personalfragen, die Finanzausstattung und die technische Infrastruktur eingegangen. Außerdem wurden
Prof. Dr. H. und Prof. Dr. R. als sachkundige Auskunftspersonen (§ 27a BVerfGG) zur praktischen Umsetzung der
gesetzlichen Vorgaben, zu den Entscheidungsstrukturen und zu möglichen Problemen des gemeinsamen
Aufgabenvollzugs von Gemeindeverbänden und der Bundesagentur für Arbeit in den Arbeitsgemeinschaften gehört.
B.
108
Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig.
109
Die Beschwerdeführer sind beschwerdebefugt. Sie haben eine mögliche Verletzung ihres Rechts auf
Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) ausreichend substantiiert behauptet.
110
Soweit die Bundesregierung meint, die Beschwerdeführer könnten schon eine Beschwer durch die Errichtung der
Arbeitsgemeinschaften nicht ausreichend darlegen, weil § 44b Abs. 3 Satz 2 SGB II nur einen Appell des
Gesetzgebers enthalte und die kommunalen Träger nicht verpflichte, Aufgaben zu übertragen, kann dem nicht gefolgt
werden.
111
§ 44b Abs. 3 Satz 2 SGB II enthält für den Regelfall eine Verpflichtung der kommunalen Träger, ihre Aufgaben (§ 6
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II) der Arbeitsgemeinschaft zu übertragen. Die Formulierung „sollen“ bedeutet in der
Gesetzessprache eine den Adressaten treffende Verbindlichkeit, die Ausnahmen nur für atypische Fälle zulässt.
Ermessen soll durch eine solche Regelung nicht eröffnet werden.
112
Ein Wille, dem Wort „sollen“ hier einen anderen als den üblichen Sinn beizumessen, ist auch den
Gesetzgebungsmaterialien nicht zu entnehmen. Eine Bedeutungsabweichung vom üblichen Gebrauch des Wortes
„sollen“ wird dort nicht erörtert. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Gebot der Verständlichkeit geltender
Normen steht einer Auslegung entgegen, die auf den Willen derjenigen abstellen würde, die mit der Formulierung
„sollen“ einen unverbindlichen, deklaratorisch vorgetragenen Wunsch ausdrücken wollten. Allein die Anweisung an die
Kommunen, ihre Aufgaben im Regelfall auf die Arbeitsgemeinschaften zu übertragen, ist dem Gesetz zu entnehmen.
Die Tatsache, dass die gesetzlichen Regelungen keine Sanktion oder anderweitige Maßnahmen regeln, um diese
Rechtsfolge durchzusetzen, ändert an diesem Befund nichts.
C.
113
Die Verfassungsbeschwerden sind unbegründet, soweit sie sich gegen die Aufgabenzuweisung in § 6 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 SGB II und gegen die Finanzierungsregelung in § 46 Abs. 1 und Abs. 5 bis 10 SGB II richten. Soweit die
Beschwerdeführer in dem Verfahren 2 BvR 2433/04 die Verfassungswidrigkeit der in § 44b SGB II geregelten
Arbeitsgemeinschaften rügen, hat die Kommunalverfassungsbeschwerde Erfolg.
I.
114
Soweit sich die Verfassungsbeschwerden gegen die Aufgabenzuweisung (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II) richten,
bleiben sie erfolglos und sind zurückzuweisen. Die Bestimmung der Kreise und kreisfreien Städte zu Trägern der
Grundsicherung verletzt nicht das Recht auf kommunale Selbstverwaltung. Eine Verletzung von Art. 28 Abs. 2 Satz 2
GG durch Aufgabenzuweisung ist nicht erkennbar (1.). Soweit die Beschwerdeführer sich auf eine Verletzung von
Art. 84 Abs. 1 GG berufen, haben ihre Verfassungsbeschwerden ebenfalls keinen Erfolg (2.).
115
1. Der die Beschwerdeführer schützende Garantiegehalt des Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG wird durch die
Aufgabenzuweisung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II nicht verletzt.
116
a) Das Recht der Selbstverwaltung ist den Gemeindeverbänden nach Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG für die
Ausgestaltung ihres Aufgabenbereichs nur eingeschränkt gewährleistet. Anders als bei den Gemeinden (Art. 28
Abs. 2 Satz 1 GG) beschreibt die Verfassung die Aufgaben der Kreise nicht selbst, sondern überantwortet dies dem
Gesetzgeber (vgl. BVerfGE 79, 127 <150>; 83, 363 <383>; Dreier, in: Dreier, Grundgesetz, Band II, 2. Aufl. 2006,
Art. 28 Rn. 174; Löwer, in: von Münch/Kunig, GG, 4./5. Aufl. 2001, Art. 28 Rn. 85; Stern, in: Dolzer/Vogel/Graßhof,
Bonner Kommentar , Losebl. , Art. 28 Rn. 168; Waechter, Kommunalrecht, 3. Aufl. 1997, Rn. 172).
Dessen Gestaltungsspielraum bei der Regelung des Aufgabenbereichs der Kreise findet erst dort Grenzen, wo
verfassungsrechtliche Gewährleistungen des Selbstverwaltungsrechts der Kreise entwertet würden. Der Gesetzgeber
darf diese Gewährleistung nicht unterlaufen, indem er keine Aufgaben zuweist, die in der von der Verfassung selbst
gewährten Eigenverantwortlichkeit wahrgenommen werden könnten. Der Gesetzgeber muss deshalb einen
Mindestbestand an Aufgaben zuweisen, die die Kreise unter vollkommener Ausschöpfung der auch ihnen gewährten
Eigenverantwortlichkeit erledigen können.
117
Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG spricht zwar nicht dagegen, den Kreisen auch staatliche Aufgaben in den übertragenen
Wirkungskreis zuzuweisen; aber er garantiert daneben eine Zuweisung in den eigenen Wirkungskreis, also einen
Bestand an überörtlichen, kreiskommunalen Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises (vgl. BVerfGE 83, 363
<383 f.>; Löwer, a.a.O., Art. 28 Rn. 85). Dieser Aufgabenbestand muss für sich genommen und im Vergleich zu
zugewiesenen staatlichen Aufgaben ein Gewicht haben, das der institutionellen Garantie der Kreise als
Selbstverwaltungskörperschaften gerecht wird. Würden ihnen neben einem Schwergewicht an Aufgaben im
übertragenen Wirkungskreis nur ganz randständige, in Bedeutung und Umfang nebensächliche
Selbstverwaltungsaufgaben des eigenen Wirkungskreises zugewiesen, so wäre die Garantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 2
GG durch den Gesetzgeber umgangen und entwertet (vgl. Schmidt-Aßmann/Röhl, Kommunalrecht, in: Schmidt-
Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2005, Rn. 138). Hält der Gesetzgeber diese Begrenzung ein, so
bleibt ihm ein weiter Spielraum, der die Gewährleistung des Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG nicht berührt (vgl. Schmidt-
Aßmann/Röhl, a.a.O.).
118
b) Nicht nur ein Entzug von Aufgaben (vgl. BVerfGE 79, 127), sondern auch eine Aufgabenzuweisung kann in das
Recht auf Selbstverwaltung eingreifen, wenn dadurch die Möglichkeit eingeschränkt wird, Selbstverwaltungsaufgaben
wahrzunehmen, die zum verfassungsrechtlich geschützten Aufgabenbestand gehören (vgl. NWVerfGH, Urteil vom
22. September 1992 - VerfGH 3/91 -, NVwZ-RR 1993, S. 486 <487>; Urteil vom 12. Dezember 1995 - VerfGH 5/94 -,
NVwZ 1996, S. 1100; Urteil vom 9. Dezember 1996 - VerfGH 11, 12, 15, 34 u. 37/95 -, NVwZ 1997, S. 793 f.;
RhPfVerfGH, Urteil vom 16. März 2001 - VGH 88/00 -, NVwZ 2001, S. 912 <914>; SachsAnhVerfG, Urteil vom
8. Dezember 1998 - LVG 10-97 -, NVwZ-RR 1999, S. 393 <396>; Stober, Kommunalrecht in der Bundesrepublik
Deutschland, 3. Aufl. 1996, § 7 IV 1 b bb; Waechter, a.a.O., Rn. 149).
119
Bei Gemeinden wird die gemeindliche Selbstverwaltung bereits dadurch berührt, dass eine Aufgabenzuweisung
ihnen erschwert, neue Selbstverwaltungsaufgaben zu übernehmen; denn zur Garantie der gemeindlichen
Selbstverwaltung gehört das Zugriffsrecht auf alle Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft, die nicht anderen
Verwaltungsträgern rechtmäßig zugewiesen sind. Demgegenüber können sich Kreise nur unter besonderen
Umständen gegen eine Aufgabenzuweisung durch den Gesetzgeber wehren. Einen Abwehranspruch gegen
Veränderungen des gesetzlichen Aufgabenbestands gewährt Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG den Gemeindeverbänden in
der Regel nicht (vgl. Waechter, a.a.O., Rn. 178).
120
Anders als bei den Gemeinden spricht bei den Gemeindeverbänden die Vermutung zunächst gegen einen Eingriff in
das Selbstverwaltungsrecht; da diese auf einen gesetzlich beschriebenen Aufgabenbestand verwiesen sind, bedeutet
eine Änderung in aller Regel nicht einen Eingriff in den verfassungsrechtlich garantierten Aufgabenbestand, sondern
eine neue Umschreibung seines Umfangs. Ein Eingriff in das verfassungsrechtlich garantierte Selbstverwaltungsrecht
der Gemeindeverbände kann erst angenommen werden, wenn die Übertragung einer neuen Aufgabe ihre
Verwaltungskapazitäten so sehr in Anspruch nimmt, dass sie nicht mehr ausreichen, um einen Mindestbestand an
zugewiesenen Selbstverwaltungsaufgaben des eigenen Wirkungskreises wahrzunehmen, der für sich genommen und
im Vergleich zu zugewiesenen staatlichen Aufgaben ein Gewicht aufweist, das der institutionellen Garantie der Kreise
als Selbstverwaltungskörperschaften gerecht wird.
121
Außerhalb eines solchen Mindestbestands an echten Selbstverwaltungsaufgaben schützt Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG
gegen Aufgabenentziehungen und -zuweisungen nicht; den Gemeindeverbänden ist, anders als den Gemeinden, kein
bestimmter Aufgabenbereich unmittelbar durch die Verfassung zugewiesen (vgl. BVerfGE 21, 117 <128 f.>; 23, 353
<365>; 79, 127 <150 ff.>; 83, 363 <383>; Dreier, a.a.O., Art. 28 Rn. 178; Gern, Deutsches Kommunalrecht, 3. Aufl.
2003, Rn. 97; Stern, a.a.O., Art. 28 Rn. 169; Waechter, a.a.O., Rn. 178).
122
c) Eine Verletzung des Kernbereichs oder Wesensgehalts der Selbstverwaltung durch die Aufgabenzuweisung in § 6
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II haben die Beschwerdeführer nicht dargetan. Die Beschwerdeführer bezeichnen die
finanziellen Folgen der Zuweisung der Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende als gravierend. Der Schutz
des strikten Konnexitätsprinzips nach dem Verfassungsrecht der Länder werde umgangen, so dass ein vollständiger
finanzieller Ausgleich für die zu übernehmenden Aufgaben ausbleibe.
123
Auf diese Weise können Kreise eine Verletzung des Wesensgehalts der Selbstverwaltung nicht mit Erfolg geltend
machen. Die Beschwerdeführer beklagen durch den Hinweis auf finanzielle Belastungen mittelbar mangelnden
Spielraum zur Erfüllung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben. Da aber Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG die Wahrnehmung
freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben nicht garantiert, kann ein Verfassungsverstoß nicht festgestellt werden. Über
den Bestand ihrer Pflichtaufgaben im eigenen Wirkungskreis und über die Wahrnehmung dieser Aufgaben geben die
Beschwerdeführer keine Auskunft. Sie legen nicht dar, wie es um die Aufgaben bestellt ist, die nach Landesrecht
üblicherweise den Kreisen als Pflichtaufgaben im eigenen Wirkungskreis zugewiesen sind wie die Trägerschaft für
weiterführende Schulen, die Nahverkehrsträgerschaft, die Abfallentsorgung oder etwa die Krankenhausversorgung. Es
kommt in Betracht, diesen Aufgabenkreis wenigstens als einen Mindestbestand an „kreiskommunalen“ - also
überörtlichen - Aufgaben zu beurteilen, der das Bild der Kreise als Selbstverwaltungskörperschaften und als nicht nur
staatliche Verwaltungsstellen ausreichend prägen kann. Solange aber eine ernsthafte Beeinträchtigung der Erfüllung
solcher Aufgaben nicht nachprüfbar dargelegt ist, kann eine Verletzung des Wesensgehalts der Selbstverwaltung der
Kreise durch Eingriffe in den Aufgabenbestand nicht angenommen werden.
124
2. Soweit sich die Beschwerdeführer auf eine Verletzung von Art. 84 Abs. 1 GG berufen, haben ihre
Verfassungsbeschwerden ebenfalls keinen Erfolg.
125
a) Gemeinden und Gemeindeverbände können sich im Rahmen der Kommunalverfassungsbeschwerde nur
eingeschränkt darauf berufen, dass eine gesetzliche Regelung auch sonstiges Verfassungsrecht verletzt; denn die
Kommunalverfassungsbeschwerde folgt, auch wenn sie ausschließlich gegen Rechtsnormen gerichtet werden kann,
nicht den Regeln der abstrakten Normenkontrolle. Das Bundesverfassungsgericht ist nicht befugt, im Gefolge einer
zulässigen
Kommunalverfassungsbeschwerde
die
Begründetheitsprüfung
beliebig
auf
andere
Verfassungsbestimmungen auszuweiten (vgl. Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 91
Rn. 63).
126
Ist die Selbstverwaltungsgarantie durch eine angegriffene Regelung nicht berührt, kann eine Überprüfung am
Maßstab der grundgesetzlichen Kompetenzordnung im Verfahren der Kommunalverfassungsbeschwerde nicht erreicht
werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 23. September 1994 - 2 BvR 1547/85 -,
NVwZ 1995, S. 370 <371>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 7. Januar 1999 - 2 BvR 929/97 -,
NVwZ 1999, S. 520 <522>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 13. März 2000 - 2 BvR 860/95 -,
BayVBl 2000, S. 721 <722>).
127
Im Rahmen einer Kommunalverfassungsbeschwerde können andere Verfassungsnormen als Art. 28 Abs. 2 GG nur
insoweit als Prüfungsmaßstab herangezogen werden, als sie ihrem Inhalt nach das verfassungsrechtliche Bild der
Selbstverwaltung mitzubestimmen geeignet sind (vgl. BVerfGE 1, 161 <181>; 56, 298 <310>; 71, 25 <37>; 91, 228
<242>). Die Rüge einer Verletzung von Art. 84 Abs. 1 GG oder Vorschriften über die Gesetzgebung des Bundes kann
nur in dem Rahmen erhoben werden, den der Garantiegehalt des Art. 28 Abs. 2 GG eröffnet; sie ist akzessorisch (vgl.
Bethge, a.a.O., § 91 Rn. 59 ff.; siehe auch Robra, Organisation der SGB II-Leistungsträger im Schnittbereich
zwischen Staatsorganisations-, Finanzverfassungs- und kommunalem Selbstverwaltungsrecht, 2007, S. 160).
128
Soweit eine andere Norm des Grundgesetzes einen Bezug zur Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG
aufweist, wird sie nicht in vollem Umfang zum Prüfungsmaßstab im Rahmen einer kommunalen
Verfassungsbeschwerde, sondern nur insoweit, als sie sich als Konkretisierung des Art. 28 Abs. 2 GG darstellt (vgl.
BVerfGE 71, 25 <38>). Nur soweit die Verfassungsnorm in den Gewährleistungsumfang des Art. 28 Abs. 2 GG
hineinwirkt, kann sie im Rahmen einer Kommunalverfassungsbeschwerde als Prüfungsmaßstab herangezogen
werden.
129
Diese Einschränkungen der Kommunalverfassungsbeschwerde auf den Gewährleistungsbereich des Art. 28 Abs. 2
GG ergeben sich aus dem in der Verfassung geregelten gegenständlich beschränkten Antragsrecht der Gemeinden
und Gemeindeverbände (vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG) und lassen eine Reihe von Konstellationen zu, in denen
Verfassungsverstöße nicht geltend gemacht werden können und daher - seien sie noch so offensichtlich - nicht zu
einer verfassungsgerichtlichen Beanstandung führen können, wenn die fragliche Norm nicht in einer anderen
Verfahrensart - etwa der abstrakten oder konkreten Normenkontrolle - Prüfungsgegenstand wird.
130
b) Danach muss offen bleiben, ob der Bund durch § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II gegen Art. 84 Abs. 1 GG a.F.
verstoßen hat; denn die Beschwerdeführer können sich, soweit der Schutzbereich der Selbstverwaltungsgarantie des
Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG nicht berührt ist, im Rahmen einer Kommunalverfassungsbeschwerde nicht auf diese Norm
des Grundgesetzes berufen.
131
aa) Art. 84 Abs. 1 GG a.F. diente nicht dazu, den Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung zu erhalten, sondern
sollte vor einem unzulässigen Eingriff des Bundes in die Verwaltungszuständigkeit der Länder schützen (vgl. auch
BVerfGE 22, 180 <209 f.>). Art. 84 GG a.F. betraf die Ausgestaltung der Landeseigenverwaltung und ermöglichte
einen wirksamen Vollzug von Bundesgesetzen. Soweit es um die Aufgabenzuweisung an die Gemeinden und
Gemeindeverbände geht, konnte es nur darum gehen zu verhindern, dass die Länder in der Gestaltung der von
landesorganisatorischen Besonderheiten abhängigen Verwaltungsorganisation eingeschränkt werden, ohne dass dies
das Grundgesetz ausdrücklich bestimmt oder zulässt (vgl. Henneke/Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar
zum Grundgesetz, 10. Aufl. 2004, Art. 84 Rn. 10). Der Schutz eines Mindestbestands an Selbstverwaltungsaufgaben
der Gemeindeverbände wird damit nicht bezweckt.
132
Soweit sich die Beschwerdeführer darauf berufen, dass landesrechtliche Konnexitätsvorschriften umgangen würden,
führt dies ebenfalls nicht dazu, dass sich Gemeindeverbände im Rahmen einer Kommunalverfassungsbeschwerde vor
dem Bundesverfassungsgericht gegen die Zuweisung von Aufgaben auf Art. 84 Abs. 1 GG a.F. berufen können.
133
Die Beschwerdeführer machen geltend, dass die Kompetenzfrage im vorliegenden Zusammenhang nicht nur von
bundesstaatlicher Bedeutung sei. Die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Bund und Ländern sei aus der Sicht der
betroffenen Kreise und kreisfreien Städte von herausragendem materiellen Interesse, weil im Falle einer
bundesgesetzlichen Aufgabenzuweisung alle landesverfassungsrechtlichen Schutzmechanismen unanwendbar
würden. Damit wird aber lediglich dargelegt, dass aus verfassungssystematischen Gründen und im Hinblick auf die
innerhalb der Länder ausgelösten finanzverfassungsrechtlichen Folgen ein Durchgriff des Bundes auf die kommunale
Ebene verfassungswidrig sei. Damit sich die Gemeindeverbände im Rahmen der Kommunalverfassungsbeschwerde
ohne weiteres auf Art. 84 Abs. 1 GG a.F. berufen können, müsste diese Vorschrift jedoch dazu dienen, die
Gemeindeverbände vor einer Aufgabenzuweisung in ihren Kernbereich zu schützen. Dies lässt sich Art. 84 Abs. 1 GG
a.F. nicht entnehmen.
134
Schließlich können sich die Beschwerdeführer auch nicht auf die bisherige Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts berufen. Danach erlaubte Art. 84 Abs. 1 GG a.F. dem Bundesgesetzgeber jedenfalls in
Ausnahmefällen
die
Zuweisung
von
Aufgaben
an
Gemeinden
oder
Gemeindeverbände
als
Selbstverwaltungsaufgaben. Das Bundesverfassungsgericht hat als einen solchen Ausnahmefall die Einschaltung von
Gemeinden in den Vollzug von Bundesgesetzen auch im Bereich des eigenen Wirkungskreises für zulässig erachtet,
wenn es sich um eine punktuelle Annexregelung zu einer zur Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers gehörenden
materiellen Regelung handelte und wenn diese Annexregelung für den wirksamen Vollzug der materiellen
Bestimmungen des Gesetzes notwendig war (vgl. BVerfGE 22, 180 <209 f.>; 77, 288 <299>). Grund für diese
Einschränkung war nicht eine Konkretisierung des Kernbereichs der Selbstverwaltungsgarantie der
Gemeindeverbände; vielmehr stellte das Bundesverfassungsgericht darauf ab, dass das Grundgesetz die Materie des
Kommunalrechts nicht dem Bund zuweist, sondern sie ausschließlich den Ländern belässt (Art. 30, 70 ff. GG). Eine
Erweiterung des Schutzbereichs der kommunalen Selbstverwaltung hat das Gericht in Art. 84 Abs. 1 GG a.F. nicht
gesehen.
135
bb) Schließlich enthält Art. 84 Abs. 1 GG a.F. keine Konkretisierung des Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG. Anders als
Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006
(BGBl I S. 2034) ließ sich der früheren Fassung des Art. 84 Abs. 1 GG kein absolutes Verbot der Aufgabenzuweisung
auf die kommunale Ebene entnehmen.
136
c) Soweit die Beschwerdeführer darauf verweisen, dass die nach ihrer Auffassung verfassungswidrige
Aufgabenzuweisung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II in der Zukunft eine Erweiterung durch Bundesgesetz
ermögliche und die Beschwerdeführer dem schutzlos ausgeliefert seien, werfen sie Fragen namentlich des
Übergangsrechts des Art. 125a GG auf, die in diesem Verfahren zu klären kein Anlass besteht.
II.
137
Die Verfassungsbeschwerden sind auch unbegründet, soweit die Beschwerdeführer sich gegen § 46 Abs. 1 und
Abs. 5 bis 10 SGB II wenden. Die Vorschrift ordnet eine Geldzahlung des Bundes an die Länder an. Die Höhe des
vom Bund an die Länder zu zahlenden Betrags soll eine Entlastung der Kommunen in bestimmter Höhe bewirken. Die
Norm berechtigt und verpflichtet allein den Bund und die Länder. Ansprüche oder Pflichten der Kommunen werden
nicht geregelt.
138
Eine Verletzung des Rechts aus Art. 28 Abs. 2 GG ist ausgeschlossen; denn § 46 SGB II verstößt weder gegen
Art. 28 Abs. 2 GG noch gegen eine andere Norm der Verfassung.
139
1. Die Beschwerdeführer setzen voraus, der Bund sei weder berechtigt noch verpflichtet, die finanziellen
Verhältnisse der Kommunen ohne Einschaltung der Länder zu ordnen, und meinen, dagegen verstoße § 46 SGB II,
weil diese Norm verbindlich bestimme, welche Ausgleichsleistungen die kommunalen Träger der Grundsicherung aus
dem Bundeshaushalt erhalten und welche Lasten sie folglich selbst zu tragen hätten.
140
Dem widerspricht der Wortlaut des § 46 SGB II. Nach dessen Absatz 6 bis 8 hat der Bund jedem Land einen
bestimmten Anteil der von den Kommunen zu erbringenden Leistungen zu erstatten. Einen Zahlungsanspruch gegen
den Bund erwerben aus § 46 SGB II mithin allein die Länder. Die Ausgaben der Kreise und kreisfreien Städte
bestimmen die Höhe des Betrags, den jedes Land vom Bund beanspruchen kann. § 46 SGB II bietet aber keinen
Anhaltspunkt für einen Anspruch der Kreise und kreisfreien Städte, weder gegen den Bund noch gegen das Land.
141
§ 46 Abs. 5 SGB II formuliert die Absicht, die Kommunen in bestimmter Höhe durch die Zahlung des Bundes zu
entlasten. Aber ein Rechtsverhältnis zwischen den Kommunen und dem Bund entsteht nicht. Die Regelung gebietet
auch dem Land nicht, den Betrag an die Kreise und kreisfreien Städte weiterzugeben, noch beschränkt sie eine nach
etwaigem Landesrecht zu leistende Zahlung auf den vom Bund erhaltenen Betrag.
142
2. Daher braucht auch aus Anlass dieses Verfahrens nicht entschieden zu werden, ob Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG die
Gewährleistung der Selbstverwaltung sachlich erweitert oder wenigstens materiellrechtlich verstärkt hat oder ob zu der
durch Art. 28 Abs. 2 GG gewährleisteten kommunalen Finanzhoheit über eine eigenverantwortliche Einnahmen- und
Ausgabenwirtschaft hinaus auch eine angemessene Finanzausstattung oder jedenfalls eine finanzielle
Mindestausstattung gehört. Selbst wenn es Ausgleichsansprüche der Gemeinden und Kreise gegen den Bund gäbe,
die aus der Übertragung von Zuständigkeiten folgten, könnte § 46 SGB II einen solchen Anspruch nicht verletzen.
143
Mit der Behauptung, sie hätten einen Anspruch, während § 46 SGB II das Land berechtige, führen die
Beschwerdeführer einen untauglichen Angriff gegen die Norm. Der Berechtigte eines Zahlungsanspruchs hat kein
Abwehrrecht gegen die Zahlung an den Nichtberechtigten, sondern allein ein Recht auf Leistung an sich. Für die
Beschwerdeführer hätte allenfalls die Möglichkeit bestanden, ein gesetzgeberisches Unterlassen zu rügen und zu
beanstanden, dass eine sie berechtigende Norm fehlt.
III.
144
Soweit die Beschwerdeführer in dem Verfahren 2 BvR 2433/04 die Verfassungswidrigkeit der in § 44b SGB II
geregelten Arbeitsgemeinschaften rügen, ist die Verfassungsbeschwerde begründet. § 44b SGB II verstößt gegen
Art. 28 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 83 GG.
145
1. Die in § 44b SGB II geregelte Pflicht der Kreise zur Aufgabenübertragung auf die Arbeitsgemeinschaften und die
gemeinsame Aufgabenwahrnehmung in den Arbeitsgemeinschaften betrifft die Garantie der eigenverantwortlichen
Aufgabenerledigung, die den Gemeindeverbänden in gleichem Umfange gewährt ist wie den Gemeinden (Art. 28
Abs. 2 Sätze 1 und 2 GG).
146
a) Das Recht zur eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte bedeutet allgemein die Freiheit von staatlicher
Reglementierung in Bezug auf die Art und Weise der Aufgabenerledigung und die Organisation der
Gemeindeverwaltung einschließlich der Entscheidungen über die Aufstellung des Haushalts und die Auswahl und
Verwendung des Personals (vgl. BVerfGE 83, 363 <382>; 91, 228 <245>; 107, 1 <14>). Zur Befugnis
eigenverantwortlicher Führung der Geschäfte gehört insbesondere die Festlegung der Abläufe und
Entscheidungszuständigkeiten für die Wahrnehmung der Aufgaben (vgl. BVerfGE 91, 228 <236>). Die Gemeinden und
Gemeindeverbände können grundsätzlich nach eigenem Ermessen Behörden, Einrichtungen und Dienststellen
errichten, ändern und aufheben, diese ausstatten, beaufsichtigen und die Steuerungsmechanismen festlegen (vgl.
Löwer, a.a.O., Art. 28 Rn. 70). Eine Ausprägung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie ist die Befugnis, darüber
zu befinden, ob eine bestimmte Aufgabe eigenständig oder gemeinsam mit anderen Verwaltungsträgern
wahrgenommen wird und ob zu diesem Zweck gemeinsame Institutionen gegründet werden (vgl. zur sog.
Kooperationshoheit: Nierhaus, in: Sachs , Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, Art. 28 Rn. 53; Thorsten I. Schmidt,
Kommunale Kooperation, 2005, S. 55 ff.; Mempel, Hartz IV-Organisation auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand,
2007, S. 129). Außerdem haben Gemeinden und Gemeindeverbände grundsätzlich das Recht auf freie Auswahl,
Anstellung, Beförderung und Entlassung ihrer Mitarbeiter (vgl. BVerfGE 9, 268 <289 f.>; 17, 172 <182>; 91, 228
<245>). Zum Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie gehören in diesem Zusammenhang die
Dienstherrenfähigkeit und die eigene Personalauswahl (vgl. Löwer, a.a.O., Art. 28 Rn. 67).
147
b) Die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung wird den Gemeinden und Gemeindeverbänden jedoch nur nach
Maßgabe der Gesetze gewährleistet (vgl. BVerfGE 91, 228 <236 f., 240>). Sie unterliegt normativer Prägung durch
den Gesetzgeber, der sie inhaltlich ausformen und begrenzen darf (vgl. BVerfGE 91, 228 <240>). Die Übertragung der
verwaltungsmäßigen Besorgung gemeindlicher Aufgaben auf einen anderen Träger begründet demnach für sich
genommen noch keine Verletzung des Kernbereichs eigenverantwortlicher Aufgabenerledigung. Denn Art. 28 Abs. 2
Satz 1 GG berechtigt den Gesetzgeber, den Gemeinden Vorgaben zu ihrer Organisation zu machen, und verschafft
ihm daher mittelbar auch Einfluss auf die Aufgabenerledigung. Dies ist mit der Regelungskompetenz des
Gesetzgebers zur Organisation der Gemeinden unausweichlich verbunden und auch gewollt. Durch die Möglichkeit
organisatorischer Rahmensetzung soll der Gesetzgeber auf eine effektive Aufgabenerledigung durch die Gemeinden
hinwirken können (BVerfGE 107, 1 <19>).
148
c) Der Gesetzgeber muss bei der Bestimmung der Reichweite der Selbstverwaltungsgarantie aber nicht nur einen
Kernbereich unangetastet lassen, um den Wesensgehalt der Selbstverwaltung vor Aushöhlung zu schützen. Vielmehr
hat er den verfassungsgewollten prinzipiellen Vorrang einer dezentralen, also gemeindlichen, vor einer zentral und
damit staatlich determinierten Aufgabenwahrnehmung zu berücksichtigen. Inhaltliche Vorgaben bedürfen damit eines
gemeinwohlorientierten rechtfertigenden Grundes, insbesondere etwa durch das Ziel, eine ordnungsgemäße
Aufgabenwahrnehmung sicherzustellen. Sie sind zu beschränken auf dasjenige, was der Gesetzgeber zur Wahrung
des jeweiligen Gemeinwohlbelangs für erforderlich halten kann, wobei er angesichts der unterschiedlichen
Ausdehnung, Einwohnerzahl und Struktur der Gemeinden typisieren darf und auch im Übrigen einen grundsätzlich
weiten Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum hat (vgl. BVerfGE 83, 363 <382 f.> m.w.N.).
149
Die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung der Gemeinden und Gemeindeverbände wird aber beeinträchtigt,
wenn der Gesetzgeber ohne hinreichend rechtfertigenden Grund die gleichzeitige Aufgabenwahrnehmung durch
verschiedene Verwaltungsbehörden verbindlich anordnet (vgl. Löwer, a.a.O., Art. 28 Rn. 72 f. m.w.N.).
150
d) Ordnet der Gesetzgeber – wie bei den Arbeitsgemeinschaften nach § 44b SGB II – an, dass die Aufgaben
gemeinsam von Bund und Gemeinden oder Gemeindeverbänden wahrgenommen werden, ist für die
verfassungsrechtliche Prüfung auch entscheidend, ob die Verwaltungszuständigkeiten von Bund und Ländern gemäß
Art. 83 ff. GG eingehalten sind. Überschreitet der Gesetzgeber die ihm dort gesetzten Grenzen des zulässigen
Zusammenwirkens von Bundes- und Landesbehörden, führt dies gleichzeitig zu einer Verletzung der kommunalen
Selbstverwaltungsgarantie in ihrer Ausprägung als Garantie eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung im Sinne
des Art. 28 Abs. 2 GG.
151
Die Kompetenzaufteilung nach Art. 83 GG ist eine wichtige Ausformung des bundesstaatlichen Prinzips des
Grundgesetzes und dient dazu, die Länder vor einem Eindringen des Bundes in den ihnen vorbehaltenen Bereich der
Verwaltung zu schützen (vgl. BVerfGE 108, 169 <181 f.>). Die Verwaltungszuständigkeiten von Bund und Ländern
sind grundsätzlich getrennt und können selbst mit Zustimmung der Beteiligten nur in den vom Grundgesetz
vorgesehenen Fällen zusammengeführt werden. Zugewiesene Zuständigkeiten sind mit eigenem Personal, eigenen
Sachmitteln und eigener Organisation wahrzunehmen. Ausnahmen hiervon sind nur in seltenen Fällen und unter engen
Voraussetzungen zulässig. Diese Grundsätze gelten auch für das Verhältnis von Bund und Kommunen. Die
Gemeinden und Gemeindeverbände sind staatsorganisationsrechtlich und finanzverfassungsrechtlich den Ländern
zugeordnet (vgl. BVerfGE 39, 96 <109>). Sie können sich zwar auf die Selbstverwaltungsgarantie in Art. 28 Abs. 2
GG stützen, bleiben jedoch hinsichtlich der grundgesetzlichen Verteilung der Verwaltungskompetenzen stets
Bestandteil der Länder (vgl. auch Mempel, a.a.O., S. 36).
152
aa) Die Verwaltung des Bundes und die Verwaltung der Länder, zu denen auch die Kommunen gehören, sind
organisatorisch und funktionell im Sinne von in sich geschlossenen Einheiten prinzipiell voneinander getrennt (vgl.
BVerfGE 108, 169 <182>). Die Verwaltungszuständigkeiten von Bund und Ländern sind in den Art. 83 ff. GG
erschöpfend geregelt und grundsätzlich nicht abdingbares Recht (vgl. BVerfGE 32, 145 <156>; 41, 291 <311>; 63, 1
<39>). Bund und Länder dürfen von der in diesen Bestimmungen vorgeschriebenen „Verwaltungsordnung“ nicht
abweichen. Es gilt der allgemeine Verfassungssatz (vgl. BVerfGE 4, 115 <139>), dass weder der Bund noch die
Länder über ihre im Grundgesetz festgelegten Kompetenzen verfügen können; Kompetenzverschiebungen zwischen
Bund und Ländern sind selbst mit Zustimmung der Beteiligten nicht zulässig (vgl. BVerfGE 32, 145 <156>).
153
Der Spielraum bei der organisatorischen Ausgestaltung der Verwaltung findet in den Kompetenz- und
Organisationsnormen der Art. 83 ff. GG seine Grenzen (BVerfGE 63, 1 <39>). Aus dem Normgefüge der Art. 83 ff.
GG folgt, dass Mitplanungs-, Mitverwaltungs- und Mitentscheidungsbefugnisse gleich welcher Art im Aufgabenbereich
der Länder, wenn die Verfassung dem Bund entsprechende Sachkompetenzen nicht übertragen hat, durch das
Grundgesetz ausgeschlossen sind (vgl. BVerfGE 32, 145 <156>; 108, 169 <182>). Das Grundgesetz schließt, von
begrenzten Ausnahmen abgesehen, auch eine sogenannte Mischverwaltung aus (vgl. BVerfGE 63, 1 <38 ff.>; 108,
169 <182> m.w.N.).
154
Die Regelungen der Art. 83 ff. GG gehen damit grundsätzlich von der Unterscheidung zwischen Bundes- und
Landesverwaltung aus. Sie lassen freilich auch erkennen, dass die Verwaltungsbereiche von Bund und Ländern in der
Verfassung nicht starr voneinander geschieden sind. Ein Zusammenwirken von Bund und Ländern bei der Verwaltung
ist in vielfältiger Form vorgesehen (vgl. nur die bei der Auftragsverwaltung und im Rahmen der Ausführung der
Bundesgesetze durch die Länder als eigene Angelegenheit möglichen Einwirkungen des Bundes ).
Innerhalb des durch die Art. 83 ff. GG gezogenen Rahmens ist eine zwischen Bund und Ländern aufgeteilte
Verwaltung deshalb zulässig (vgl. BVerfGE 63, 1 <38 ff.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom
14. Mai 2007 - 1 BvR 2036/05 -, NVwZ 2007, S. 942 <944>). Damit wird dem Bedürfnis der öffentlichen Gewalt, in
ihrem Streben nach angemessenen Antworten auf neue staatliche Herausforderungen nicht durch eine zu strikte
Trennung der Verwaltungsräume gebunden zu werden, Rechnung getragen.
155
bb) Die grundsätzliche Trennung der Verwaltungsräume von Bund und Ländern gewährleistet durch eine klare und
auf Vollständigkeit angelegte Zuordnung von Kompetenzen die Verantwortlichkeit der handelnden Staatsorgane.
156
Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber auch bei der Bestimmung von Verwaltungszuständigkeiten die
rechtsstaatlichen Grundsätze der Normenklarheit und Widerspruchsfreiheit (vgl. BVerfGE 21, 73 <79>; 78, 214
<226>; 98, 106 <119>; 108, 169 <181 f.>) zu beachten, um die Länder vor einem Eindringen des Bundes in den ihnen
vorbehaltenen Bereich der Verwaltung zu schützen und eine Aushöhlung des Grundsatzes des Art. 30 GG zu
verhindern (vgl. BVerfGE 108, 169 <181 f.>).
157
Aus Sicht des Bürgers bedeutet rechtsstaatliche Verwaltungsorganisation ebenfalls zuallererst Klarheit der
Kompetenzordnung; denn nur so wird die Verwaltung in ihren Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten für den
einzelnen „greifbar“ (vgl. Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: HStR, 3. Aufl., § 26 Rn. 79; vgl. auch Robra, a.a.O.,
S. 188).
158
Eine hinreichend klare Zuordnung von Verwaltungszuständigkeiten ist vor allem im Hinblick auf das
Demokratieprinzip erforderlich, das eine ununterbrochene Legitimationskette vom Volk zu den mit staatlichen
Aufgaben betrauten Organen und Amtswaltern fordert und auf diese Weise demokratische Verantwortlichkeit
ermöglicht (vgl. BVerfGE 47, 253 <275>; 52, 95 <130>; 77, 1 <40>; 83, 60 <72 f.>; 93, 37 <66 f.>). Demokratische
Legitimation kann in einem föderal verfassten Staat grundsätzlich nur durch das Bundes- oder Landesvolk für seinen
jeweiligen Bereich vermittelt werden (vgl. Trute, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle , Grundlagen
des Verwaltungsrechts, 1. Aufl. 2006, Bd. 1, § 6 Rn. 5). Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist zwar nicht die Form der
demokratischen Legitimation staatlichen Handelns entscheidend, sondern deren Effektivität; notwendig ist ein
bestimmtes Legitimationsniveau (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <66 f.>). Daran fehlt es aber, wenn die Aufgaben
durch Organe oder Amtswalter unter Bedingungen wahrgenommen werden, die eine klare Verantwortungszuordnung
nicht ermöglichen. Der Bürger muss wissen können, wen er wofür - auch durch Vergabe oder Entzug seiner
Wählerstimme - verantwortlich machen kann.
159
cc) Der Verwaltungsträger, dem durch eine Kompetenznorm des Grundgesetzes Verwaltungsaufgaben zugewiesen
worden sind, hat diese Aufgaben grundsätzlich durch eigene Verwaltungseinrichtungen, also mit eigenem Personal,
eigenen Sachmitteln und eigener Organisation wahrzunehmen. Der Grundsatz eigenverantwortlicher
Aufgabenwahrnehmung schließt zwar die Inanspruchnahme der „Hilfe“ - auch soweit sie sich nicht auf eine bloße
Amtshilfe im Einzelfall beschränkt - nicht zuständiger Verwaltungsträger durch den zuständigen Verwaltungsträger
nicht schlechthin aus, setzt ihr aber Grenzen: Von dem Gebot, die Aufgaben eigenverantwortlich wahrzunehmen, darf
nur wegen eines besonderen sachlichen Grundes abgewichen werden. Dem Grundgedanken einer Kompetenznorm
(wie auch der finanziellen Lastenaufteilung zwischen Bund und Ländern) widerspräche es, wenn in weitem Umfang
Einrichtungen der Landesverwaltung für Zwecke der Bundesverwaltung herangezogen würden (vgl. BVerfGE 63, 1
<41>).
160
Daher kann die Heranziehung an sich unzuständiger Verwaltungseinrichtungen nur hinsichtlich einer eng umgrenzten
Verwaltungsmaterie in Betracht kommen (vgl. BVerfGE 63, 1 <41>) und ist an besondere Voraussetzungen
gebunden.
161
2. Danach verletzt § 44b SGB II die Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden; das in dieser Vorschrift geregelte
Zusammenwirken von Bundes- und Landesbehörden überschreitet die Grenzen des verfassungsrechtlich Zulässigen.
162
a) § 44b SGB II ordnet an, dass die Agenturen für Arbeit und die kommunalen Träger zur einheitlichen
Wahrnehmung ihrer Aufgaben Arbeitsgemeinschaften bilden. Die Arbeitsgemeinschaften nehmen kraft Gesetzes die
Aufgaben der Agentur für Arbeit als Leistungsträger wahr; die kommunalen Träger sollen ihre Aufgaben den
Arbeitsgemeinschaften übertragen. Ziel der Regelung ist es danach, die Aufgaben grundsätzlich gemeinsam in den
und durch die Arbeitsgemeinschaften zu vollziehen.
163
Zwar überlässt der Gesetzgeber den Trägern der Leistung die Entscheidung darüber, in welcher Form die
Arbeitsgemeinschaften errichtet und wie sie im Einzelnen organisatorisch ausgestaltet werden. Das ändert jedoch
nichts daran, dass es sich um eine gemeinschaftliche Einrichtung einerseits der dem Bund zuzuordnenden Agenturen
für Arbeit und andererseits der kommunalen Träger handelt. Auch wenn die Arbeitsgemeinschaften nicht als Träger für
die Leistungen nach § 6 Abs. 1 SGB II bestimmt worden sind, wird ihnen in § 44b SGB II eine eigene
Aufgabenzuständigkeit eingeräumt. Bei den Arbeitsgemeinschaften handelt es sich nicht lediglich um eine räumliche
Zusammenfassung verschiedener Behörden; denn die beiden Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende
übertragen die Aufgabenwahrnehmung auf die Arbeitsgemeinschaften (vgl. § 44 Abs. 3 SGB II). Die
Arbeitsgemeinschaften sollen sich nicht auf eine bloße Zusammenfassung selbständiger Einheiten beschränken,
sondern die gesamten operativen Aufgaben einer hoheitlichen Leistungsverwaltung wahrnehmen (vgl. Mempel, a.a.O.,
S. 122). § 44b SGB II sieht eine selbständige, sowohl von der Sozial- als auch von der Arbeitsverwaltung getrennte
Organisationseinheit vor, die sich nicht auf koordinierende und informierende Tätigkeiten beschränkt, sondern die
gesamten Aufgaben einer hoheitlichen Leistungsverwaltung im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende
umfasst (vgl. Berlit, in: LPK-SGB II, § 44b Rn. 3).
164
Die Arbeitsgemeinschaft ist nach § 44b Abs. 3 Satz 3 SGB II berechtigt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben
Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide zu erlassen. Die Leistungen der Grundsicherung sollen trotz geteilter
Leistungsträgerschaft „aus einer Hand“ gewährt werden (vgl. Ruge/Vorholz, DVBl 2005, S. 403 <404>; Kersten, ZfPR
2005, S. 130; Rixen, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 1. Aufl. 2005, § 44b Rn. 1; Gröschel-Gundermann, in:
Jehle/Linhart/Adolph, Sozialgesetzbuch II, Sozialgesetzbuch XII, Asylbewerberleistungsgesetz, Ordner I, Stand:
Januar 2005, § 44b Rn. 1; Luthe, in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch II, Stand: Dezember 2006, § 44b Rn. 2; Brosius-
Gersdorf, VSSR 2005, S. 335 <356 f.>).
165
Die Arbeitsgemeinschaften sind damit gemeinschaftliche Verwaltungseinrichtungen der Bundesagentur und der
kommunalen Träger zum Vollzug der Grundsicherung für Arbeitsuchende. An dieser Einordnung ändert sich auch
nichts dadurch, dass die Finanzierungs- und Gewährleistungsverantwortung bei der Bundesagentur und den
kommunalen Trägern verbleiben soll. Die Rechtsprechung stellt insoweit zwar teilweise darauf ab, dass die
Arbeitsgemeinschaften nicht die Befugnis zur Erfüllung der Aufgaben erhalten hätten, sondern dass in ihnen nur die
Kompetenz zur Wahrnehmung der Aufgaben gebündelt werde (vgl. Bundessozialgericht, Urteil des 7b. Senats vom
7. November 2006 – B 7b AS 6/06 R –, FEVS 58, 347 <349>; Urteil des 11b. Senats vom 23. November 2006 – B
11b AS 1/06 R –, FEVS 58, 353 <354 f.>). Auch bei einer fortbestehenden Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der
Träger der Grundsicherung findet in den Arbeitsgemeinschaften aber ein gemeinschaftlicher Vollzug von Aufgaben
des Bundes und der kommunalen Träger statt. Ob die mit der Aufgabenerbringung betrauten Verwaltungsstellen
zugleich Träger der Aufgabe sind, ist für die Zuordnung der Verwaltungskompetenzen nach Art. 83 ff. GG irrelevant
(vgl. Brosius-Gersdorf, a.a.O., S. 335 <349>).
166
b) Die Arbeitsgemeinschaften sind als Gemeinschaftseinrichtung von Bundesagentur und kommunalen Trägern nach
der Kompetenzordnung des Grundgesetzes nicht vorgesehen (aa). Besondere Gründe, die ausnahmsweise die
gemeinschaftliche Aufgabenwahrnehmung in den Arbeitsgemeinschaften rechtfertigen könnten, existieren nicht (bb).
167
aa) Das Grundgesetz enthält keine Vorschrift, die eine Gemeinschaftseinrichtung von Bund und Ländern zur
gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (Zweites Buch) vorsieht. Nach der
Systematik des Grundgesetzes wird der Vollzug von Bundesgesetzen entweder von den Ländern oder vom Bund,
nicht hingegen zugleich von Bund und Land oder einer von beiden geschaffenen dritten Institution wahrgenommen.
168
Nach Art. 83 ff. GG führen die Länder, zu denen die Kommunen gehören, die Bundesgesetze aus, soweit das
Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zulässt. Zwar enthält Art. 87 Abs. 2 GG für soziale Versicherungsträger
eine von der Grundregel des Art. 83 GG abweichende Regelung, und Art. 87 Abs. 3 GG ermöglicht dem Bund,
selbständige Bundesoberbehörden und neue bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen
Rechts durch Bundesgesetz zu errichten. Es kann offenbleiben, ob der Bund nach diesen Vorschriften die
Verwaltungszuständigkeit für die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch – Zweites Buch –
an sich ziehen kann, denn bei den Arbeitsgemeinschaften nach § 44b SGB II handelt es sich nicht um
Bundesverwaltung gemäß Art. 87 Abs. 2 oder Abs. 3 GG (vgl. Brosius-Gersdorf, a.a.O., S. 335 <356 f.>), sondern um
gemeinsame Einrichtungen von bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts und
Verwaltungseinrichtungen der Kommunen (Länder).
169
bb) Zwar bedarf das Zusammenwirken von Bund und Ländern im Bereich der Verwaltung nicht in jedem Fall einer
besonderen verfassungsrechtlichen Ermächtigung (vgl. BVerfGE 63, 1 <40>). Allerdings widerspricht es der
Kompetenzordnung des Grundgesetzes, wenn in weitem Umfang Mitverwaltungs- und Mitentscheidungsbefugnisse
des Bundes im Aufgabenbereich der Länder ohne entsprechende verfassungsrechtliche Ermächtigung vorgesehen
werden. Eine Ausnahme von den Kompetenz- und Organisationsnormen der Art. 83 ff. GG bedarf daher eines
besonderen sachlichen Grundes und kann nur hinsichtlich einer eng umgrenzten Verwaltungsmaterie in Betracht
kommen (s. oben C. III. 1. d) cc).
170
(1) Bei den Regelungen über die Grundsicherung für Arbeitsuchende handelt es sich nicht um eine eng umgrenzte
Verwaltungsmaterie, die ausnahmsweise ein Abweichen vom Grundsatz der eigenverantwortlichen
Aufgabenwahrnehmung rechtfertigen könnte. Bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende handelt es sich um einen der
größten Sozialverwaltungsbereiche, der einen beträchtlichen Teil der Sozialleistungen des Staates umfasst. Sowohl
nach der Anzahl der von den Regelungen betroffenen Personen als auch nach dem Finanzvolumen handelt es sich
um eine besonders bedeutsame Verwaltungsmaterie. Die Regelungen im Sozialgesetzbuch – Zweites Buch -, die
sowohl staatliche Transferleistungen als auch die Beratung und Betreuung von bedürftigen Erwerbsfähigen zum
Gegenstand haben, betreffen nach seriösen Schätzungen etwa 6 bis 7 Millionen Menschen (vgl. Lühmann, DöV 2004,
S. 677; Pressemitteilung des Deutschen Landkreistags vom 27. September 2007). Die Zuständigkeiten der
Leistungsträger nach § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB II machen jeweils einen erheblichen Teil der Sachaufgaben von
Bundesagentur und kommunalen Trägern aus (vgl. Mempel, a.a.O., S. 127). Die sozialen und finanziellen
Dimensionen der Grundsicherung für Arbeitsuchende sprechen klar gegen das Vorliegen einer eng umgrenzten
Verwaltungsmaterie.
171
(2) Unabhängig davon, dass ein Abweichen von der Kompetenzordnung des Grundgesetzes schon wegen
Bedeutung und Umfang der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausscheidet, fehlt es auch an einem hinreichenden
sachlichen Grund, der eine gemeinschaftliche Aufgabenwahrnehmung in den Arbeitsgemeinschaften rechtfertigen
könnte.
172
Das Anliegen, die Grundsicherung für Arbeitsuchende „aus einer Hand“ zu gewähren, ist zwar ein sinnvolles
Regelungsziel. Dieses kann aber sowohl dadurch erreicht werden, dass der Bund für die Ausführung den Weg des
Art. 87 GG wählt, als auch dadurch, dass der Gesamtvollzug nach der Grundregel des Art. 83 GG insgesamt den
Ländern als eigene Angelegenheit überlassen wird.
173
Ein sachlicher Grund zur Vermischung beider Möglichkeiten besteht nicht. Schon die unterschiedlichen Vorschläge
im Gesetzgebungsverfahren zeigen, dass es nicht erforderlich ist, zunächst zwei Träger für die Grundsicherung für
Arbeitsuchende zu bestimmen, um diese sodann zur gemeinschaftlichen Aufgabenwahrnehmung in den
Arbeitsgemeinschaften zu verpflichten. So sah der ursprüngliche Entwurf eines Gesetzes für moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt der Bundesregierung vor, dass allein die Bundesagentur für Arbeit für das Erbringen
der Leistungen zuständig sein sollte. Demgegenüber waren nach dem Entwurf eines Existenzgrundlagengesetzes der
damaligen Opposition die Kreise und kreisfreien Städte und nach landesrechtlicher Bestimmung die kreisangehörigen
Gemeinden als alleinige Leistungsträger vorgesehen. Die Regelung des § 6a SGB II zeigt, dass der
Bundesgesetzgeber selbst eine in der Natur der Aufgabe begründete Notwendigkeit für die gemäß § 44b SGB II
organisierte Aufgabenwahrnehmung von Bundesagentur und kommunalen Trägern nicht gesehen hat. Denn diese
Regelung sieht ohne weitere Voraussetzungen vor, dass anstelle der Arbeitsgemeinschaften Kreise und kreisfreie
Städte - in beschränkter Anzahl - die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende außerhalb der Regellösung
des § 44b SGB II vollziehen können. Weshalb dies nicht auch ohne die in § 6a Abs. 3 Satz 1 SGB II vorgesehene
zahlenmäßige Beschränkung möglich sein sollte, ist nicht ersichtlich.
174
Als sachlicher Grund für die Arbeitsgemeinschaften kann auch nicht angeführt werden, dass sich die politisch
Handelnden nicht auf eine alleinige Aufgabenwahrnehmung entweder durch die Bundesagentur oder durch die
kommunale Ebene einigen konnten. Mangelnde politische Einigungsfähigkeit kann keinen Kompromiss rechtfertigen,
der mit der Verfassung nicht vereinbar ist.
175
Schließlich rechtfertigt auch das historisch gewachsene Nebeneinander von kommunal verwalteter Sozialhilfe und
von gesamtstaatlich verwalteter Arbeitslosenhilfe nicht die auf Dauer angelegte gemeinschaftliche
Aufgabenwahrnehmung in den Arbeitsgemeinschaften. Zwar hatte sich seit Jahrzehnten und lange vor Bestehen der
Bundesrepublik die getrennte Gewährung dieser Sozialleistungen entwickelt, und der Gesetzgeber verfolgt mit der
Zusammenlegung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe für Erwerbsfähige, als deren Folge die hier angegriffene
Regelung erlassen wurde, ein Ziel, das in der Wissenschaft ebenso wie im politischen Willensbildungsprozess von der
weit überwiegenden Meinung als notwendig erachtet worden ist. In dieser Situation muss er sich aber für eine Lösung
entscheiden, die mit der Kompetenzordnung des Grundgesetzes vereinbar ist.
176
c) Die Einrichtung der Arbeitsgemeinschaft in § 44b SGB II widerspricht dem Grundsatz eigenverantwortlicher
Aufgabenwahrnehmung, der den zuständigen Verwaltungsträger verpflichtet, diese Aufgaben grundsätzlich durch
eigene Verwaltungseinrichtungen, also mit eigenem Personal, eigenen Sachmitteln und eigener Organisation
wahrzunehmen (vgl. oben C. III. 1. d) cc). Den Gemeinden und Gemeindeverbänden ist in Art. 28 Abs. 2 GG die
eigenverantwortliche Führung der Geschäfte garantiert, zu der auch die Festlegung der Abläufe und
Entscheidungszuständigkeiten für die Wahrnehmung der Aufgaben gehört (vgl. oben C. III. 1. a).
177
aa) Eine eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung ist in den Arbeitsgemeinschaften weder für die Agenturen für
Arbeit noch für die kommunalen Träger gewährleistet. Die von § 44b Abs. 1 Satz 1 SGB II geforderte einheitliche
Aufgabenwahrnehmung führt dazu, dass die Aufgaben nur dann nach den Vorstellungen des jeweiligen
Verwaltungsträgers vollzogen werden können, wenn diese sich mit denjenigen des anderen Trägers decken.
178
(1) In den Arbeitsgemeinschaften sind unabhängige und eigenständige Entscheidungen über die
Aufgabenwahrnehmung durch den jeweiligen Verwaltungsträger in weitem Umfang weder vorgesehen noch möglich.
§ 44b Abs. 1 Satz 1 SGB II bestimmt, dass die Aufgaben in den Arbeitsgemeinschaften einheitlich wahrgenommen
werden. Diese einheitliche Aufgabenwahrnehmung zwingt die beiden Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende,
sich in wesentlichen Fragen der Organisation und der Leistungserbringung zu einigen. Innerhalb der
Arbeitsgemeinschaften sind die Aufgaben der Arbeitsagenturen und der kommunalen Träger untrennbar verbunden
und werden integriert und ganzheitlich wahrgenommen; gerade dies ist der Sinn der Regelung. Organisatorische,
personelle und rechtliche Maßnahmen, die einer der beiden Leistungsträger ergreift, haben Einfluss auf den
Aufgabenvollzug des jeweils anderen Leistungsträgers.
179
Die Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaften entscheiden einheitlich über die von beiden Trägern zu gewährenden
Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Hierbei handelt es sich nicht lediglich um zusammengesetzte -
und dementsprechend in Teile, die jeweils einem der beteiligten Leistungsträger zuzuordnen sind, zerlegbare -
Verwaltungsakte oder Widerspruchsbescheide; vielmehr wird über zentrale Fragen wie die Erwerbsfähigkeit und
Hilfebedürftigkeit einheitlich entschieden (vgl. auch §§ 44a, 45 SGB II). Weisungen oder Anordnungen eines der
beiden Leistungsträger haben damit unmittelbaren Einfluss auf die Leistung des jeweils anderen.
180
Die Bündelung von Wahrnehmungskompetenzen mit dem Ziel, für den Bürger Leistungen aus einer Hand anbieten
zu können, fordert darüber hinaus eine Zusammenführung von Daten sowie deren gemeinsame Verwaltung und
Verarbeitung. Der Vortrag der Beschwerdeführer zu den zwingenden Vorgaben der Bundesagentur hinsichtlich der
dazu einzusetzenden Software (insbesondere A2LL, VerBIS, FINAS) wurde durch die Ausführungen des
Geschäftsführers der Arbeitsgemeinschaft im Kreis Aachen in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Den
kommunalen Trägern der Grundsicherung bleibt hinsichtlich der Organisation der elektronischen Datenverarbeitung
keine Wahlmöglichkeit. Dadurch werden, wie die sachverständige Auskunftsperson G. in der mündlichen Verhandlung
bestätigt hat (vgl. auch Graaf, Der Landkreis 2007, S. 344 <347>), verfahrens- und inhaltliche
Entscheidungsmöglichkeiten mit Wirkung für beide Leistungsträger auf die mit der vorgegebenen Software
verarbeitbaren Lösungen begrenzt. Durch die softwarebedingten Vorgaben verlieren die an den Arbeitsgemeinschaften
beteiligten Landkreise und Kreise Entscheidungsspielräume, die ihnen im Rahmen eigenverantwortlicher
Aufgabenerfüllung zustünden.
181
(2) Die Organisationsstruktur der Arbeitsgemeinschaften widerspricht ebenfalls der eigenverantwortlichen
Aufgabenwahrnehmung. Schon aus dem Gesetz ergibt sich, dass die Personalauswahl insbesondere hinsichtlich der
Behördenleitung erheblich eingeschränkt wird. Gemäß § 44b Abs. 2 SGB II werden die Geschäfte der
Arbeitsgemeinschaft von einem Geschäftsführer geführt. Können sich die beiden Träger der Grundsicherung für
Arbeitsuchende nicht einigen, kommt es gemäß § 44b Abs. 2 Satz 3 SGB II zu einer wechselnden, jeweils auf ein
Jahr befristeten Geschäftsführung einer der beiden Verwaltungsträger.
182
Neben dem in § 44b SGB II geregelten Geschäftsführer sehen die ARGE-Musterverträge bei den privatrechtlichen
Rechtsformen die Gesellschafterversammlung und im Übrigen die Trägerversammlung vor, die sich paritätisch aus
den Vertretern der Gesellschafter der Arbeitsgemeinschaft oder den Vertretern der Vertragspartner zusammensetzen.
Wesentliche Entscheidungen über die Aufgabenwahrnehmung werden in diesen Gremien getroffen. Dabei kommt es
zu einer Verschränkung von Bundesagentur und kommunalen Trägern und zu einer Vergemeinschaftung der
Willensbildung. Die Folge ist einerseits die unumgängliche Mitentscheidung des jeweils anderen Verwaltungsträgers
bei der Aufgabenwahrnehmung. Andererseits ergeben sich aus dieser Organisationsform systemimmanente
Blockademöglichkeiten und Kompromisszwänge (vgl. Berlit, a.a.O., § 44b Rn. 11; Mempel, a.a.O., S. 123).
183
Eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung setzt voraus, dass der jeweils zuständige Verwaltungsträger auf den
Aufgabenvollzug hinreichend nach seinen eigenen Vorstellungen einwirken kann. Daran fehlt es in der Regel, wenn
Entscheidungen über Organisation, Personal und Aufgabenerfüllung nur in Abstimmung mit einem anderen Träger
getroffen werden können. Besteht, wie bei den Arbeitsgemeinschaften nach § 44b SGB II, keine
Letztentscheidungsmöglichkeit im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung, kann keiner der beteiligten Verwaltungsträger
seinen eigenen Aufgabenbereich eigenverantwortlich wahrnehmen.
184
(3) Um die damit verbundenen Probleme zu lösen, ist die Bundesagentur für Arbeit z.B. in der Rahmenvereinbarung
zur „Weiterentwicklung der Grundsätze der Zusammenarbeit der Träger der Grundsicherung in den
Arbeitsgemeinschaften gemäß § 44b SGB II“ vom 1. August 2005 eine Selbstbeschränkung eingegangen, nach der
unter bestimmten Voraussetzungen auf Weisungen zur operativen Umsetzung der Grundsicherung für Arbeitsuchende
verzichtet wird. Werden von den Arbeitsgemeinschaften jährlich abgeschlossene Zielvereinbarungen sowie die
Controlling-Berichterstattung, das Benchmarking und die Mindeststandards bei der Leistungserbringung als verbindlich
anerkannt, wird sowohl auf Weisungen bei der Umsetzung des gesetzlichen Auftrags als auch auf eine Rechenschaft
der Arbeitsgemeinschaften über das auftragsgemäße Handeln verzichtet. In dem vom Bundesministerium für Arbeit
und Soziales und der Bundesagentur für Arbeit erstellten so genannten Rollenpapier „Die Arbeitsgemeinschaften und
ihre Träger im SGB II“ vom 12. Januar 2007 wird festgestellt, dass einseitige Eingriffe der Leistungsträger als
Auftraggeber der Arbeitsgemeinschaften für ihren jeweiligen Aufgabenbereich die Ausnahme sein sollen, „aber wegen
der Verantwortung als Leistungsträger grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden“ könnten. In der mündlichen
Verhandlung ist deutlich geworden, dass bei gegensätzlicher Auffassung der jeweiligen Träger die Leistungen nur
erbracht werden können, wenn einer der beiden – in der Praxis zumeist der kommunale Träger – auf sein
Weisungsrecht und damit auf seine Einwirkungsmöglichkeiten verzichtet.
185
Selbstbeschränkungen eines der beiden Verwaltungsträger erweitern zwar die Möglichkeiten des anderen
Verwaltungsträgers, seine eigenen Vorstellungen durchzusetzen. Die Selbstbeschränkung eines der Aufgabenträger
ist aber jedenfalls hier gleichzeitig mit der Nichtwahrnehmung der eigenen Verantwortung verbunden. Soweit etwa
nach der Rahmenvereinbarung vom 1. August 2005 die Kommunen auf die Ausführung von Bundesaufgaben
einwirken und diese operativ steuern (vgl. Mempel, a.a.O., S. 152), kann dies nur auf der Grundlage entsprechend
zurückgenommener Steuerungsansprüche auf Seiten des Bundes funktionieren. Entsprechendes gilt in umgekehrter
Richtung. In diesen Fällen kann jedenfalls bei einem der beiden Verwaltungsträger nicht mehr von einer
eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung gesprochen werden.
186
Daher ist es folgerichtig, dass etwa der Bundesrechnungshof in seinem Bericht vom 19. Mai 2006 zur Durchführung
der Grundsicherung für Arbeitsuchende (GZ.: VI 6/VI 2 – 2006 -1219, Ziff. 6.1.1.2) die vertragliche Beschränkung der
Bundesagentur auf die Gewährleistungsverantwortung und in dem Verzicht auf verbindliche Weisungen eine
unzulässige Einengung ihrer gesetzlichen Rolle als Leistungsträgerin sieht. Um ihrer Verantwortung für die
rechtmäßige und wirtschaftliche Aufgabenerledigung durch die Arbeitsgemeinschaften nachzukommen, dürfe die
Bundesagentur in ihren unmittelbaren Einflussmöglichkeiten nicht beschränkt werden.
187
Ebenso wenig wie die Bundesagentur auf ihre eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung verzichten darf, besteht
diese Möglichkeit für die kommunalen Träger, denn auch in diesem Fall würden die zugewiesenen Kompetenzen nicht
in verfassungsgemäßer Weise wahrgenommen. Das Grundproblem lässt sich daher nicht durch eine Verschiebung der
Einwirkungsmöglichkeiten zur einen oder anderen Seite hin bewirken; vielmehr fehlt es an einer eindeutigen Aufgaben-
und Verantwortlichkeitszuordnung, die der Kompetenzordnung des Grundgesetzes entspricht.
188
(4) Die Aufsichtsregelungen belegen den Mangel eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung.
189
Nach § 44b Abs. 3 Satz 4 SGB II führt die Aufsicht über die Arbeitsgemeinschaft die zuständige oberste
Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
Dies betrifft die Aufsicht über die Arbeitsgemeinschaft hinsichtlich ihrer organisatorischen Ausgestaltung (vgl.
BTDrucks 16/1410, S. 17; vgl. Ehrhardt, in: Mergler/Zink, Sozialgesetzbuch II, Stand: Juli 2004, § 47 Rn. 4: Aufsicht
über die Arbeitsgemeinschaften als solche). Für die von den jeweiligen Leistungsträgern zu verantwortenden Bereiche
bestehen zwar eigenständige Aufsichtsregelungen. So unterliegt die Bundesagentur für Arbeit, soweit sie Leistungen
nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II erbringt, der Rechts- und Fachaufsicht durch das Bundesministerium für Arbeit
und Soziales (§ 47 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Soweit die kreisfreien Städte und Kreise Leistungen nach § 6 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 SGB II erbringen, unterliegen sie der allgemeinen landesrechtlichen Kommunalaufsicht (BTDrucks
15/2816, S. 13; O'Sullivan, in: Estelmann, Sozialgesetzbuch Zweites Buch, Stand: Dezember 2006, § 47 Rn. 14;
Hoehl, in: Schlegel/Voelzke, SGB II, 2005, § 44b Rn. 55). Die mehrfache Aufsicht über die Arbeitsgemeinschaften
spiegelt jedoch die problematische Zwischenstellung der Arbeitsgemeinschaften als Mischverwaltung einer
Bundesbehörde und einer staatsorganisationsrechtlich den Ländern zuzuordnenden kommunalen Behörde wider (vgl.
Berlit, a.a.O., § 44 Rn. 54).
190
Die Ausgestaltung der Aufsicht über die Arbeitsgemeinschaften als solche widerspricht der eigenverantwortlichen
Aufgabenwahrnehmung. Die in § 44b Abs. 3 SGB II vorgesehene Rechtsaufsicht umfasst unter anderem eine
Überprüfung der Einhaltung von Rechtsvorschriften etwa im Hinblick auf die Geschäfts- und Rechnungsführung der
Arbeitsgemeinschaften, Fragen der Rechtsform oder des Datenschutzes (vgl. BTDrucks 16/1410, S. 28). Es erscheint
schon fraglich, ob das Fehlen einer Fachaufsicht in diesem Bereich nicht zu unzureichender Aufsicht und Kontrolle
führt (vgl. Luthe, a.a.O., § 44b Rn. 7). Jedenfalls erhalten durch § 44b Abs. 3 Satz 4 SGB II die Länder
Aufsichtsbefugnisse auch gegenüber den Mitarbeitern der Bundesagentur für Arbeit in den Arbeitsgemeinschaften.
Entsprechende Probleme ergeben sich, soweit nach anderen Vorschriften (z.B. § 89 Abs. 5 SGB X; s. zur Reichweite
der Anwendbarkeit der Auftragsregelungen der §§ 94, 88, 89 SGB X i.V.m. § 44b Abs. 3 Satz 2 SGB II Gröschel-
Gundermann, a.a.O., § 44b Rn. 1; Hoehl, a.a.O., § 44b Rn. 46) der Bundesagentur für Arbeit und mittelbar dem dieser
gegenüber aufsichtführenden Bundesministerium für Arbeit und Soziales (§ 47 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB II)
Aufsichts- und Weisungsrechte gegenüber den Arbeitsgemeinschaften zustehen. Die mit § 44b Abs. 3 Satz 4 SGB II
vorgenommene Zuweisung der Aufsicht an die zuständige oberste Landesbehörde, die diese im Benehmen mit dem
Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu führen hat, führt zudem gleichsam zu einer „Mischaufsicht“ ohne
wirksame Vorkehrungen für den Fall, dass Einvernehmen nicht erzielt werden kann (vgl. Brosius-Gersdorf, a.a.O.,
S. 335 <357>; Berlit, a.a.O., § 44b Rn. 53; Graaf, a.a.O., S. 345; Gröschel-Gundermann, a.a.O., § 44b Rn. 2).
191
bb) Das Grundgesetz fordert nicht nur die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung des jeweils zuständigen
Verwaltungsträgers; vielmehr hat der Gesetzgeber auch bei der Bestimmung von Verwaltungszuständigkeiten die
rechtsstaatlichen Grundsätze der Normenklarheit und Widerspruchsfreiheit zu beachten. Selbst wenn man davon
ausginge, dass die gemeinschaftliche Aufgabenwahrnehmung in den Arbeitsgemeinschaften von der
Kompetenzordnung des Grundgesetzes gedeckt wäre, würde § 44b SGB II gegen den Grundsatz der
Verantwortungsklarheit verstoßen.
192
(1) Zwar ließe sich noch bestimmen, welcher der beiden Träger der Grundsicherung für die jeweilige Leistung
zuständig ist. Die organisatorische und personelle Verflechtung bei der Aufgabenwahrnehmung behindert aber eine
klare Zurechnung staatlichen Handelns zu einem der beiden Leistungsträger. Die trägerübergreifende
gemeinschaftliche Aufbau- und Ablauforganisation, die einheitliche Geschäftsführung und die gemeinsame Steuerung
der Arbeitsgemeinschaften über die Trägerversammlung erschweren eine klare Abgrenzung von
Verantwortungsbereichen der Bundesagentur für Arbeit und der kommunalen Träger (vgl. Mempel, a.a.O., S. 124;
Lühmann, a.a.O., S. 677 <683>).
193
(2) Ausdruck der mangelhaften Zuordnung von Verantwortlichkeiten, die mit der unklaren Zuordnung der
Arbeitsgemeinschaften zur Bundes- oder zur kommunalen Ebene zusammenhängt, sind auch Unsicherheiten
hinsichtlich der Anwendbarkeit von Bundes- und Landesrecht, wie sie etwa im Vollstreckungsrecht und beim
Datenschutz aufgetreten sind.
194
Unsicherheiten über die Zuordnung von Zuständigkeiten tauchen bei der Verwaltungsvollstreckung auf, wenn
gewährte Leistungen zurückgefordert und entsprechende Bescheide zwangsweise durchgesetzt werden müssen. So
ist umstritten, ob für Leistungen, für welche die Bundesagentur für Arbeit als Träger verantwortlich ist,
Bundesverwaltungsvollstreckungsrecht anzuwenden sei (dies offen lassend: Beschluss des 28. Senats des
Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. März 2007 - L 28 B 134/07 AS, L 28 B 119/07 AS PKH -, zitiert nach
JURIS) oder ob ausgehend von der Einordnung der Arbeitsgemeinschaft als landesrechtliches Subjekt (vgl. § 44b
Abs. 3 Satz 4 SGB II) umfassend Landesverwaltungsvollstreckungsrecht zur Anwendung zu bringen sei. Folgte man
dem erstgenannten Ansatz, könnte dies Anlass für unterschiedliche Vollstreckungsverfahren bieten, nämlich dann,
wenn, wie häufig, die gesamte gewährte Leistung zurückgefordert wird und damit teilweise Leistungen in der
Trägerschaft der Bundesagentur und teilweise solche in kommunaler Trägerschaft berührt sind.
195
(3) Die Übertragung der Wahrnehmungskompetenz auf die Arbeitsgemeinschaften, an denen Bund und kommunale
Träger beteiligt sind, führt auch zu Rechtsunsicherheiten bei der Anwendung des sozialrechtlichen Datenschutzes.
Grundsätzlich wird die Zuständigkeit im Bereich des sozialrechtlichen Datenschutzes (§§ 67 ff. SGB X) auf den Bund
zurückgeführt, soweit Stellen des Bundes beteiligt sind (vgl. § 81 Abs. 1 Nr. 1 SGB X), und auf das Land, soweit
Stellen des Landes beteiligt sind (vgl. § 81 Abs. 1 Nr. 2 SGB X). Gegenwärtig bestehen für dieselben Prüfungsgebiete
sowohl Anknüpfungen für die Zuständigkeit des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit,
wenn nach § 50 Abs. 2 SGB II die Bundesagentur für Arbeit zur verantwortlichen Stelle im Sinne des § 67 Abs. 9
SGB X für die Aufgabenwahrnehmung in den Arbeitsgemeinschaften bestimmt wird, als auch für die
Landesdatenschutzbeauftragten, wenn Anknüpfungspunkt für die Abgrenzung der Zuständigkeit und damit auch der
Verantwortlichkeit die Arbeitsgemeinschaft als solche ist, welche nicht über den Bereich eines Landes hinaus tätig
wird (vgl. § 81 Abs. 3 Satz 1 SGB X). Diese Unklarheiten wirken sich als Hindernisse für eine wirksame Kontrolle
insbesondere dann aus, wenn die mit der Kontrolle beauftragten Behörden des Bundes und der Länder eine
Tatsachen- oder Rechtsfrage unterschiedlich beurteilen.
196
cc) Die Unklarheiten in Bezug auf Einwirkungsmöglichkeiten und Verantwortungszurechnung führen zu Freiräumen in
den Arbeitsgemeinschaften, die die Gefahr einer Verselbständigung ohne hinreichende Kontrolle durch einen
verantwortlichen Träger mit sich bringen. Ohne klare Zuständigkeiten besteht kein effektives Weisungs- und
Aufsichtsrecht der zuständigen Aufsichtsbehörde. Es kann dann einerseits zu Kompetenzkonflikten von
Aufsichtsorganen kommen; andererseits besteht die Gefahr, dass zur Vermeidung solcher Konflikte auf notwendige
Steuerungs- und Kontrollmaßnahmen überhaupt verzichtet wird.
197
Die Möglichkeit einer solchen Entwicklung wurde in der mündlichen Verhandlung insbesondere von der
sachkundigen Auskunftsperson Professor H. hervorgehoben, der auf die Verselbständigungstendenzen aufgrund
unklarer Aufsichts-, Kontroll- und Steuerungsformen hinwies. Es gebe zwar vielfältige Prüfungen durch die
Bundesagentur, kommunale Prüfungsämter, Bundes- und Landesrechnungshöfe, jedoch keine wirklichen
Konsequenzen für den örtlichen Vollzug.
198
dd) Die gemeinschaftliche Aufgabenwahrnehmung in den Arbeitsgemeinschaften beeinträchtigt auch die
Personalhoheit der Gemeindeverbände.
199
Nach den rechtlichen Vorgaben aus den Gründungsvereinbarungen der Arbeitsgemeinschaften bleibt die
Verantwortung für das zur Verfügung gestellte Personal zwar bei dem jeweiligen Mitglied der Arbeitsgemeinschaft (vgl.
§ 9 Abs. 1 Mustervereinbarung Öffentlich-rechtlicher Vertrag und GbR-Gründungsvertrag; § 4 Abs. 1
Mustervereinbarung GmbH). Jedoch ist zu berücksichtigen, dass wesentliche Elemente der tatsächlichen
Personalführung in der Praxis nur in den Händen des Geschäftsführers der Arbeitsgemeinschaft liegen können, der
als Vermittler für die Anstellungskörperschaft wirken muss. Damit ist die Personalführung in einem unaufhebbaren
Dilemma zwischen faktischer Entleerung der kommunalen Personalhoheit und sachwidrig verkürzter
Einflussmöglichkeit des Geschäftsführers gefangen.
200
Durch die Ausgliederung des der Arbeitsgemeinschaft zur Verfügung gestellten Personals aus den sonstigen
kommunalen Beschäftigungsstrukturen werden den Gemeindeverbänden gezielte Personalentwicklungsmaßnahmen
erschwert, da sich die bei den Arbeitsgemeinschaften Beschäftigten regelmäßig nur noch sehr begrenzt im
tatsächlichen Einflussbereich des Gemeindeverbandes befinden und bereits die Bewertung von Stärken und
Schwächen über den Umweg des Geschäftsführers der Arbeitsgemeinschaft erfolgen muss. Mit dem Verlust der
direkten Kenntnis vom Entwicklungsstand eines Teils des Personals verlieren die kommunalen Träger die Möglichkeit
einer einheitlichen, eigenbestimmten und auf den Bedarf des Personals abgestimmten Personalentwicklung.
201
ee) Schließlich berühren Vorgaben des SGB II über das Zusammenwirken von kommunalen Trägern der
Grundsicherung und der Bundesagentur auch die kommunale Finanzhoheit (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der
2. Kammer des Zweiten Senats vom 7. Januar 1999 - 2 BvR 929/97 -, NVwZ 1999, S. 520).
202
Gerade im Bereich der aktiven Leistungen nach dem SGB II, also der regulären Eingliederungsleistungen und der
flankierenden Maßnahmen (§§ 14 ff. SGB II), hängen Art und Umfang der zu erbringenden Leistungen in erheblichem
Maße von gemeinsamen Planungen der Grundsicherungsträger und im Einzelfall von einer einvernehmlichen
Eingliederungsvereinbarung mit dem Hilfebedürftigen ab (vgl. § 15 Abs. 1 SGB II). Damit wird über Ausgabenumfang
und -art zwischen den Trägern der Grundsicherung konsensual entschieden; insoweit ist eine finanzielle
Eigenverantwortung nur noch eingeschränkt gegeben. Es besteht vielmehr, wie dies auch vom Sachverständigen
Professor H. in der mündlichen Verhandlung dargelegt und in den danach von ihm vorgelegten schriftlichen
Ausführungen vertieft worden ist, eine starke wechselseitige Beeinflussung der Finanzierungsverantwortung im
Vollzug der Leistungen.
203
3. § 44b SGB II verletzt danach Art. 28 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GG in Verbindung mit Art. 83 GG. Verstößt eine Norm
gegen das Grundgesetz, führt dies in der Regel zur Nichtigkeit der angegriffenen Norm. Im Hinblick auf einen
geordneten Gesetzesvollzug im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist § 44b SGB II jedoch nur für
unvereinbar mit dem Grundgesetz zu erklären und kann längstens bis zum 31. Dezember 2010 weiter angewendet
werden.
204
a) Die bloße Unvereinbarerklärung, verbunden mit der Anordnung befristeter Fortgeltung der verfassungswidrigen
Regelung, kommt statt der gesetzlich vorgesehenen Nichtigkeit als Rechtsfolge dann in Betracht, wenn es aus
verfassungsrechtlichen Gründen unabdingbar ist, eine verfassungswidrige Vorschrift für eine Übergangszeit
fortbestehen zu lassen, damit in dieser Zeit nicht ein Zustand besteht, der von der verfassungsmäßigen Ordnung
noch weiter entfernt ist als der bisherige (vgl. BVerfGE 33, 303 <347>; 61, 319 <356>; 92, 53 <73>; 111, 191 <224>).
Neben den Grundrechten (vgl. BVerfGE 83, 130 <154>; 92, 158 <186>) wird vor allem das Rechtsstaatsprinzip in der
Ausprägung des Prinzips der Rechtssicherheit (vgl. BVerfGE 37, 217 <261>; 73, 40 <101 f.>) als ein Rechtsgut
anerkannt, zu dessen Schutz die befristete Weitergeltung einer nicht verfassungskonformen Regelung gerechtfertigt
und geboten sein kann. Dieses ist dann betroffen, wenn mit der Nichtigerklärung der angegriffenen Regelung ein
rechtliches Vakuum aufträte und sowohl bei den Behörden als auch bei den Rechtsunterworfenen Unsicherheit über
die Rechtslage entstünde (vgl. BVerfGE 37, 217 <261>; 73, 40 <102>; 92, 53 <74>). Die Feststellung der
Unvereinbarkeit einer Rechtslage mit dem Grundgesetz darf auch nicht dazu führen, dass der Verwaltung zeitweilig
die Erfüllung verfassungsrechtlicher Pflichtaufgaben mangels hinreichender gesetzlicher Grundlage unmöglich
gemacht wird (vgl. BVerfGE 83, 130 <152 ff.>; auch 51, 268 <290 f.>); dies gilt auch für die tatsächliche
Wahrnehmung der ihr übertragenen Aufgaben.
205
b) Danach ist § 44b SGB II lediglich für mit der Verfassung unvereinbar zu erklären, um zu verhindern, dass durch
die Nichtigerklärung der angegriffenen Regelung bei den betroffenen Behörden und Rechtsunterworfenen Unsicherheit
über die Rechtslage besteht, und um eine wirkungsvolle, durch das Sozialstaatsprinzip gebotene
Aufgabenwahrnehmung zu ermöglichen.
206
Die durch die Grundsicherung für Arbeitsuchende gewährten Leistungen decken weite Bereiche der Sozialleistungen
des Staates ab. Bei einer Nichtigerklärung könnten die Aufgaben ab sofort nicht mehr einheitlich durch die nach § 44b
SGB II gegründeten Arbeitsgemeinschaften wahrgenommen werden. Hiervon wären eine hohe Zahl von
Leistungsempfängern und die Mitarbeiter in den Arbeitsgemeinschaften betroffen. Ohne eine hinreichende
Übergangszeit ist es nicht möglich, eine geordnete Sozialverwaltung sicherzustellen.
207
Die weitere Anwendung der angegriffenen Norm ist bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens bis zum
31. Dezember 2010 zuzulassen. Dieser Zeitraum ist dem Gesetzgeber zur Schaffung einer Neuregelung im Rahmen
der hier betroffenen besonders komplexen Regelungsmaterie zuzubilligen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
dass der Gesetzgeber mit den hier angegriffenen Regelungen, die Teil der Zusammenlegung der Arbeitslosenhilfe und
der Sozialhilfe für Erwerbsfähige sind, ein Ziel verfolgt, das in der Wissenschaft ebenso wie im politischen
Willensbildungsprozess von der weit überwiegenden Meinung als notwendig erachtet worden ist, dass zugleich aber
die bisherige Zuordnung der getrennt wahrgenommenen jeweils bedeutenden Aufgabenkomplexe teils zum Bund, teils
zur den Ländern zugehörigen Kommunalebene zur Erreichung dieses Ziels Umstellungen von ungewöhnlichem
Ausmaß erfordert.
208
Mit der Zusammenlegung der Sozialleistungen der Sozial- und der Arbeitslosenhilfe hat sich der Gesetzgeber einer
historisch einmaligen Aufgabe gestellt, die unterschiedliche Lösungen zulässt. Dies zeigt sich auch an den im Vorfeld
des Gesetzgebungsverfahrens gemachten verschiedenartigen Vorschlägen aus Politik und Wissenschaft (vgl.
Kommission zum Abbau der Arbeitslosigkeit und zur Umstrukturierung der Bundesanstalt für Arbeit, Moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, 2002, S. 67 ff., S. 125 ff.; zu den Vorschlägen im Gesetzgebungsverfahren vgl.
oben A. I. 1.). Zum Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens, aus dem die hier angegriffenen Normen hervorgingen,
sah sich der Gesetzgeber einem historisch gewachsenen Nebeneinander von kommunal verwalteter Sozialhilfe und
gesamtstaatlich verwalteter Arbeitslosenhilfe gegenüber. Seit Jahrzehnten und lange vor Bestehen der
Bundesrepublik hatte sich die getrennte Leistungsgewährung dieser Sozialleistungen entwickelt (vgl.
Sachße/Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland, Band 2, 1988, S. 98 f., S. 146 f.). Diese historisch
bedingte Aufteilung des Sachverstands auf den Gebieten der Fürsorge und der Arbeitsvermittlung auf die Kommunen
als öffentliche Träger der Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz einerseits und die Bundesarbeitsverwaltung
andererseits einer einheitlichen Aufgabenwahrnehmung zuzuführen, wird allgemein als sinnvoll und notwendig
angesehen.
209
Namentlich die im Februar 2002 durch die Bundesregierung beauftragte Kommission zum Abbau der Arbeitslosigkeit
und zur Umstrukturierung der Bundesanstalt für Arbeit schlug in ihrem Bericht „Moderne Dienstleistungen am
Arbeitsmarkt“ vom 16. August 2002 vor, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammenzuführen. Jeder, der
Sozialleistungen beziehe, solle von einer einzigen Stelle betreut werden und eine einzige Leistung erhalten. Durch die
Zusammenführung werde nach den Ausführungen der Kommission eine entscheidende Schwachstelle der bisherigen
Systeme beseitigt, nämlich die aus den jeweiligen Eigeninteressen der Leistungsträger resultierenden
„Verschiebebahnhöfe“ bestimmter Zielgruppen (Kommission zum Abbau der Arbeitslosigkeit und zur Umstrukturierung
der Bundesanstalt für Arbeit, Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, 2002, S. 67 ff. und S. 125 ff.).
210
Dem Gesetzgeber muss für eine Neuregelung, die das Ziel einer Bündelung des Vollzugs der Grundsicherung für
Arbeitsuchende verfolgt, ein der Größe der Umstrukturierungsaufgabe angemessener Zeitraum belassen werden.
Dabei muss ihm die Möglichkeit gegeben werden, die Erfahrungen der einheitlichen Aufgabenwahrnehmung in den so
genannten Optionskommunen des § 6a SGB II und die Ergebnisse der gemäß § 6c SGB II vorgesehenen
Wirkungsforschung zu den Auswirkungen der Neuregelung des Sozialgesetzbuchs – Zweites Buch - zu
berücksichtigen.
IV.
211
Die Verfassungsbeschwerden im Verfahren 2 BvR 2434/04 haben keinen Erfolg. Die Verfassungsbeschwerden im
Verfahren 2 BvR 2433/04 sind begründet, soweit sie sich gegen § 44b SGB II wenden; soweit sie §§ 6 und 46 SGB II
angreifen, sind sie unbegründet. Die erfolglose Beanstandung der Aufgabenzuweisung hatte wesentliches Gewicht im
Vortrag der Beschwerdeführer. Der nur teilweise Erfolg lässt es gerechtfertigt erscheinen, dass den
Beschwerdeführern in diesem Verfahren gemäß § 34a Abs. 2 BVerfGG die Hälfte ihrer notwendigen Auslagen erstattet
wird.
Hassemer
Broß
Osterloh
Di Fabio
Mellinghoff
Lübbe-Wolff
Gerhardt
Landau
Abweichende Meinung
des Richters Broß, der Richterin Osterloh und
des Richters Gerhardt
zum Urteil des Zweiten Senats vom 20. Dezember 2007
- 2 BvR 2433/04 -
- 2 BvR 2434/04 –
212
Der Entscheidung der Mehrheit des Senats können wir nicht folgen. § 44b SGB II begegnet im Rahmen einer
verfassungskonformen Auslegung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
213
Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang einer Regelung sowie deren Sinn und
Zweck mehrere Deutungen zu, von denen eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt, so ist allein diese
zulässig und geboten (vgl. BVerfGE 69, 1 <55>; 83, 201 <214 f.>; 86, 288 <320 f.>; 88, 145 <166>; 95, 64 <81, 93>).
214
Hiervon ausgehend ist Folgendes festzustellen:
215
1. § 44b SGB II ermöglicht, wie letztlich auch die Senatsmehrheit unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die
einschlägige Rechtsprechung der zuständigen Fachgerichte (vgl. Umdruck S. 55) nicht bestreitet, eine Auslegung,
nach der die Sachkompetenz bei dem jeweiligen Träger verbleibt und die Arbeitsgemeinschaft nur mit der
Durchführung der Aufgaben betraut wird. Diese werden von den Arbeitsgemeinschaften lediglich aus Gründen der
Optimierung der Verwaltungsabläufe wahrgenommen (so namentlich Rixen, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 1. Aufl.
2005, § 44b Rn. 7 und 19; ders., in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht,
Stand: 1. September 2007, § 44b SGB II Rn. 6; Berlit, in: LPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 44b Rn. 42; Weiß, in:
Estelmann, Sozialgesetzbuch Zweites Buch, Stand: Dezember 2005, § 44b Rn. 1, 23; Hoehl, in: Schlegel/Voelzke,
SGB II, 2005, § 44b Rn. 10; Quaas, SGb 2004, S. 723 <724 ff.>; Breitkreuz, SGb 2005, S. 141 <144 f.>; Kersten,
ZfPR 2005, S. 130 <131, 136>; Adolph, in: Linhart/Adolph, Sozialgesetzbuch II, Sozialgesetzbuch XII,
Asylbewerberleistungsgesetz, Ordner I, Stand: April 2007, § 44b Rn. 1; vgl. auch BTDrucks 15/4709, S. 4). Die
Aufgabe der Arbeitsgemeinschaft besteht danach allein in der einheitlichen Durchführung der Aufgaben der Träger der
Leistungen. Die Arbeitsgemeinschaft wird dadurch nicht selbst zum Träger der Aufgaben; deren Erfüllung obliegt
vielmehr weiterhin den nach § 6 SGB II zuständigen Agenturen für Arbeit und den kommunalen Trägern. Diese
verlieren durch die Wahrnehmung der Aufgaben in der Arbeitsgemeinschaft auch nicht ihre Eigenständigkeit als Träger
der jeweiligen Aufgabenzuständigkeit (vgl. näher Kersten, a.a.O., S. 130 <131>).
216
Unterstrichen wird die fortbestehende Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der Träger in der Arbeitsgemeinschaft
unter anderem auch durch die Informationspflicht nach § 44b Abs. 4 SGB II (vgl. BTDrucks 15/4709, S. 4), nach der
sich die Agentur für Arbeit und die kommunalen Träger alle Tatsachen mitteilen, von denen sie Kenntnis erhalten und
die für die Leistungen des jeweils anderen Trägers erheblich sein können. Die Arbeitsgemeinschaften selbst erhalten
danach keine Befugnis zur Erfüllung der den beiden Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende obliegenden
Aufgaben. Vielmehr wird in ihnen nur die Kompetenz zur Wahrnehmung dieser Aufgaben gebündelt (so auch die
eingangs erwähnte Rechtsprechung der Sozialgerichte: Bundessozialgericht, Urteil des 7b. Senats vom 7. November
2006 – B 7b AS 6/06 R -, FEVS 58, 347 <349>; Urteil des 11b. Senats vom 23. November 2006 – B 11b AS 1/06 R -,
FEVS 58, 353 <354 f.>; Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. August 2006 – L 1
AS 4/06 -, JURIS Rn. 19; Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30. Juni 2005 – L 8 AS 2374/05
ER – B -, FEVS 57, 40 f.; Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 2. August 2006 - S 1 AS 411/05 ER -, JURIS
Rn. 21; Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 25. Januar 2005 – S 5 AL 32/05 ER -, NVwZ 2005, S. 976).
217
Ebenso wenig steht die Ermächtigung der Arbeitsgemeinschaften zum Erlass von Verwaltungsakten und
Widerspruchsbescheiden in § 44b Abs. 3 Satz 3 SGB II der vorgenannten Einordnung entgegen. Die
Arbeitsgemeinschaft erhält insoweit lediglich die Befugnis, als Ausgangsbehörde mit Wirkung für den Leistungsträger,
dessen Aufgabenzuständigkeit wahrgenommen wird, Einzelfallregelungen im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X zu treffen
und als Widerspruchsbehörde Widerspruchsbescheide zu erlassen (§§ 78 SGG ff. i.V.m. § 62 f. SGB X).
Verantwortlich für die Entscheidungen bleiben stets die jeweils zuständigen Verwaltungsträger in der
Arbeitsgemeinschaft, die der Arbeitsgemeinschaft auch im Einzelfall verbindlich eine Entscheidung vorgeben können
(vgl. auch Rixen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, a.a.O., § 44b SGB II Rn. 21).
218
Die den Landkreisen in Art. 28 Abs. 2 GG garantierte eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung wird auch durch
die Regelungen über eine einheitliche Entscheidung (§§ 44a ff. SGB II) nicht beeinträchtigt. Das Verfahren bei
unterschiedlicher Bewertung der Erwerbsfähigkeit (§ 8 SGB II) und der Hilfebedürftigkeit des Arbeitsuchenden (§ 9
SGB II) führt zwar zu einer einheitlichen Entscheidung der Träger der Grundsicherung über die
Anspruchsvoraussetzungen und unterwirft sie der Mehrheitsentscheidung der gemeinsamen Einigungsstelle (§ 45
Abs. 2 Satz 2 SGB II). Jedoch handelt die Verwaltung insoweit in voller Rechtsbindung. Die Einigung über die
Anspruchsvoraussetzungen zwischen den Leistungsträgern stellt sich nicht als Verständigung mit
Kompromisscharakter dar, sondern als Entscheidung zwischen rechtmäßigem und rechtswidrigem
Verwaltungshandeln, über die letztlich die Sozialgerichte befinden. Somit nimmt nicht ein Träger der Grundsicherung
unmittelbar Einfluss auf die Leistungsgewährung des anderen, vielmehr erleichtert das Einigungsverfahren es
lediglich, die gesetzlich determinierte Entscheidung zu finden.
219
Auch die Vorschriften über die Aufsicht über die in den Arbeitsgemeinschaften tätigen Verwaltungsträger zwingen zu
keiner anderen Beurteilung. Nach § 44b Abs. 3 Satz 4 SGB II führt die Aufsicht über die Arbeitsgemeinschaft die
zuständige oberste Landesbehörde im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales. § 44b Abs. 3
Satz 4 SGB II betrifft jedoch nur die Aufsicht über die Arbeitsgemeinschaft als solche. Diese tritt neben die Aufsicht
über die einzelnen Leistungsträger (vgl. Ehrhardt, in: Mergler/Zink, Sozialgesetzbuch II, Stand: Juli 2004, § 47 Rn. 4;
Weiß, a.a.O., § 44b Rn. 54). Den jeweiligen Leistungsträgern verbleiben somit die Aufsicht und die Weisungsbefugnis
für den jeweils von ihnen zu verantwortenden Bereich. Die Weisungsbefugnis besteht für den jeweiligen
Verwaltungsträger grundsätzlich auch in den Fällen, in denen die Arbeitsgemeinschaften Verwaltungsakte oder
Widerspruchsbescheide erlassen. Verantwortlich für diese Entscheidungen bleiben die jeweils zuständigen Mitglieder
der Arbeitsgemeinschaft, die der Arbeitsgemeinschaft auch im Einzelfall verbindlich eine Entscheidung vorgeben
können. Die Möglichkeit verbindlicher Weisungen im Einzelfall folgt aus § 94 Abs. 4 SGB X in Verbindung mit § 88
Abs. 2 Satz 1, § 89 Abs. 5 SGB X (vgl. hierzu näher Breitkreuz, in: LPK-SGB X, 2. Aufl. 2007, § 94 Rn. 15). Damit ist
– entgegen der Auffassung der Senatsmehrheit (vgl. Umdruck S. 64) – die Letztentscheidungskompetenz und
Letztverantwortlichkeit der beteiligten Träger für den jeweils eigenen Aufgabenbereich gewahrt. Eine freiwillige
Selbstbeschränkung im Einzelfall darf mit der Nichtwahrnehmung der eigenen Verantwortung nicht gleichgesetzt
werden (so aber die Mehrheitsmeinung, vgl. Umdruck S. 65; s. dazu auch unten 3.). Vielmehr zeigt sich gerade in
einer partiellen Zurückstellung eigener Vorstellungen und der darin zum Ausdruck kommenden Fähigkeit zum
Kompromiss die Übernahme von Verantwortung für das Ganze.
220
Nach allem bestehen in jeder Hinsicht ausreichende Regelungen, die eine Zuordnung der Verantwortlichkeit zu dem
jeweiligen Leistungsträger ermöglichen. Die Arbeitsgemeinschaft nimmt die Aufgaben der Leistungsträger nur im
Sinne einer gebündelten Komplementärzuständigkeit wahr. Die einzelnen Träger bleiben Zurechnungssubjekte der
ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben, ihre Finanzierungs- und Gewährleistungsverantwortung wird nicht tangiert,
lediglich die Wahrnehmungszuständigkeit und Durchführungsverantwortung, nicht aber die sachliche Zuständigkeit
geht auf die Arbeitsgemeinschaften über. Eine Einräumung von Mitwirkungsrechten in Kompetenzbereichen des
jeweils anderen Trägers findet von vornherein nicht statt. Die Arbeitsgemeinschaften handeln, dem Tätigwerden z.B.
einer bayerischen Verwaltungsgemeinschaft bei der Wahrnehmung von Aufgaben des eigenen Wirkungskreises ihrer
Mitgliedsgemeinden (vgl. hierzu näher Lissack, Bayerisches Kommunalrecht, 2. Aufl. 2001, § 9 Rn. 11 m.w.N.) nicht
unähnlich und den Antragstellern damit aus dem eigenen Rechtskreis durchaus vertraut, lediglich „als Büro“ beider
Träger. Sie sind nicht mehr und nicht weniger als der „Mantel“, in den die Leistungsträger gemeinsam schlüpfen, ohne
sich dadurch ihrer Eigenständigkeit als Träger der jeweiligen Aufgabe zu entkleiden (so treffend Weiß, a.a.O., § 44b
Rn. 23).
221
Mangels eigener Sachkompetenz der Arbeitsgemeinschaften kann entgegen der Senatsmehrheit von einer
Abweichung vom Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung oder einer Verwischung von
Verantwortlichkeiten - jedenfalls nach der vom Grundgesetz gebotenen und auch in Literatur (vgl. näher Rixen, in:
Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, a.a.O., § 44b SGB II Rn. 26; Weiß, a.a.O., § 44b Rn. 25; Quaas, a.a.O., S. 723
<724 ff.>; Breitkreuz, a.a.O., S. 141 <144 f.>; Kersten, a.a.O., S. 130 <136 f.>) und Rechtsprechung (siehe nur
Bundessozialgericht, Urteil des 7b. Senats vom 7. November 2006 – B 7b AS 6/06 R -, FEVS 58, 347 <349> sowie
Urteil des 11b. Senats vom 23. November 2006 – B 11b AS 1/06 R -, FEVS 58, 353 <354 f.>) überwiegend
befürworteten verfassungskonformen Auslegung - keine Rede sein.
222
Die Senatsmehrheit verhält sich zur Frage einer verfassungskonformen Auslegung nicht. Mit den in Literatur und
Rechtsprechung insoweit zahlreich vorgebrachten Argumenten (vgl. statt aller Kersten, a.a.O., S. 130 <136 f.>;
Breitkreuz, a.a.O., S. 141 <144 f.>; Quaas, a.a.O., S. 723 <725 f.> jeweils m.w.N.) befasst sie sich nicht, sondern
hält sie ohne weitere Begründung für „irrelevant“ (vgl. näher Umdruck S. 55). Stattdessen erörtert die Senatsmehrheit
einfachrechtliche Fragen unter anderem des Vollstreckungs- und des Datenschutzrechts (vgl. Umdruck S. 69 ff.), die
vorrangig der Beantwortung durch die Fachgerichte vorbehalten sind (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 99, 361 <366>)
und hier allenfalls dann erheblich wären, wenn feststünde, dass sie einer verfassungskonformen Lösung nicht
zugänglich wären. Dafür allerdings bringt die Senatsmehrheit nichts vor.
223
Lässt sich, wie die Mehrheitsmeinung einräumt, nach alledem bestimmen, welcher der beiden Träger der
Grundsicherung für die jeweilige Leistung zuständig sei (so ausdrücklich Umdruck S. 69), genügt dies für eine
Zurechnung der Verwaltungsverantwortung (so zutreffend Weiß, a.a.O., § 44b Rn. 25). Das entzieht allen weiteren
Überlegungen, namentlich solchen nicht ausreichend gewährleisteter Verantwortungszuordnung unter dem
Gesichtspunkt des Demokratieprinzips (siehe Umdruck S. 52 und 69) die Grundlage.
224
2. Anders als die Mehrheit der Senatsmitglieder meint, muss § 44b Abs. 3 Satz 2 SGB II auch keine Verpflichtung
der Kommunen entnommen werden, ihre Aufgaben auf die Arbeitsgemeinschaften zu übertragen. Die
Gesetzesformulierung „sollen“ postuliert kein zwingendes Gebot; sie bringt lediglich eine in rechtlicher Hinsicht nicht
strikt verbindliche Erwartung des Normgebers zum Ausdruck (so im Ergebnis auch Münder, NJW 2004, S. 3209
<3213>; Rixen, in: Eicher/Spellbrink, a.a.O., § 44b Rn. 21). Das Wort „sollen“ ist vom Gesetzgeber bewusst gewählt
worden, um eine ansonsten absehbare verfassungsrechtliche Konfliktlage mit der Selbstverwaltungsgarantie der
Kommunen (Art. 28 Abs. 2 GG) zu vermeiden. Das Ob, der Zeitpunkt, der Umfang und die Dauer der Übertragung
stehen deshalb im pflichtgemäßen Ermessen der kommunalen Träger (so zutreffend Berlit, a.a.O., § 44b Rn. 50).
§ 44b SGB II hätte jedenfalls im Wege verfassungskonformer Auslegung (siehe hierzu Berlit, a.a.O., § 44b Rn. 13 u.
50; Kersten, a.a.O., S. 130 <135> m.w.N.) unter der Maßgabe, dass die Kommunen zu einer Übertragung ihrer
Aufgaben nicht verpflichtet sind, für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt werden müssen, sofern man die
Verfassungsbeschwerden nicht bereits wegen Fehlens der Beschwerdebefugnis für unzulässig hält. Damit hätte sich
dem Senat die – im Grunde unbeantwortet gebliebene – Frage nicht gestellt, in welchem Verhältnis die
Gewährleistungen des Art. 28 Abs. 2 GG zu denen der Art. 83 ff. GG stehen und inwieweit letztere Prüfungsmaßstab
in einem Verfahren der Kommunalverfassungsbeschwerde sein können. In den Ausführungen der Senatsmehrheit ist
angelegt, dass die Kommunalverfassungsbeschwerde entgegen ihrer Intention zur abstrakten Normenkontrolle wird
(vgl. hierzu näher Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 91 Rn. 62 f. m.w.N.). Auch gerät die
Auffassung der Senatsmehrheit in Widerspruch zu Art. 83 GG, der im zweigliedrigen Bundesstaat des Grundgesetzes
(vgl. BVerfGE 13, 54 <77 f.>) ausschließlich das Verhältnis von Bund und Ländern betrifft und bereits allein deshalb
ungeeignet ist, das verfassungsrechtliche Bild der kommunalen Selbstverwaltung (siehe hierzu näher BVerfGE 1, 167
<181>; 56, 298 <310>; 71, 25 <37>; 91, 228 <242>) mitzubestimmen.
225
3. Die Senatsmehrheit fordert für das Zusammenwirken von Körperschaften des Bundes und der Länder mit dem
Ziel, außerordentlich bedeutsame sozialstaatliche Leistungen aus einer Hand zu erbringen, eine rechtliche
Durchnormierung, die unserer Ansicht nach verfassungsrechtlich nicht geboten, der vom Gesetzgeber zu lösenden
Aufgabe unangemessen und der Weiterentwicklung eines lebendigen Föderalismus abträglich ist.
226
Die Senatsmehrheit entwickelt keine subsumtionsfähigen verfassungsrechtlichen Maßstäbe, an denen die
Organisationsform der Arbeitsgemeinschaft, um die es hier ungeachtet aller Besonderheiten geht, gemessen werden
könnte. Sie orientiert sich im Wesentlichen an einem Präjudiz zur geschäftsführenden Wahrnehmung von
Bundesaufgaben durch eine bestimmte Landesbehörde (BVerfGE 63, 1), dessen Aussagen offensichtlich nicht ohne
weiteres zur Beurteilung von Kooperationsformen wie Arbeitsgemeinschaften gemäß § 44b Abs. 2 SGB II
herangezogen werden können. Insbesondere fehlt es an einer Maßstabsbildung für die Frage, inwiefern rein
tatsächliche Risiken des Zusammenarbeitens verschiedener Träger öffentlicher Verwaltung in einer
Arbeitsgemeinschaft für eine effektive und transparente Wahrnehmung der jeweiligen Verantwortlichkeiten
verfassungsrechtlich bedeutsam sind. Die Senatsmehrheit lässt sich von vermeintlich drohenden Gefahren für eine
rechtsstaatliche und demokratisch legitimierte Aufgabenwahrnehmung leiten, ohne sich auch nur ansatzweise mit der
Leistungsfähigkeit der - namentlich von der Bundesagentur für Arbeit eingesetzten - neueren Steuerungsinstrumente
zu befassen. Die Möglichkeiten demokratischer Legitimation moderner Verwaltungsstrukturen werden schlicht durch
den Rückgriff auf das Bild der Legitimationskette ausgeblendet, was dem komplexen Konzept des hinreichenden
Legitimationsniveaus (vgl. dazu Trute, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle , Grundlagen des
Verwaltungsrechts, 1. Aufl. 2006, Bd. 1, § 6 Rn. 14), das die Senatsmehrheit auch heranzieht (Umdruck S. 51 f.),
nicht gerecht wird. Die Forderung nach detaillierter gesetzlicher Durchnormierung im Bereich der
Verwaltungsorganisation führt nicht weiter und beruht auf der verfehlten Prämisse, die Träger der vollziehenden
Gewalt seien angesichts praktischer Schwierigkeiten nicht in der Lage, die ihnen zugewiesenen Aufgaben in
verfassungskonformer Weise zu erfüllen.
227
Wie die Senatsmehrheit bei der Erörterung des Rechtsfolgenausspruchs zutreffend darstellt, stand der Gesetzgeber
bei der Hartz IV-Gesetzgebung vor der äußerst schwierigen Aufgabe, gewachsene Sozialsysteme im Interesse der
Arbeitsuchenden zusammenzuführen. Er hat – auch, um ein von allen Seiten für notwendig erachtetes Reformwerk
politisch realisieren zu können – verwaltungsorganisatorisch Neuland beschritten und dafür einen rechtlichen Rahmen
festgelegt, der auf Ausfüllung durch die beteiligten Körperschaften angelegt ist. Das Gesetzgebungswerk ist, wie
namentlich die Option kommunaler Trägerschaft belegt, darauf angelegt, Erfahrungen zu sammeln und diese zu
gegebener Zeit in der gebotenen Weise zu berücksichtigen, was die Möglichkeit ergänzender Gesetzgebung
einschließt. Die verfassungsgerichtliche Kontrolle darf diesen Aspekt nicht ausklammern. An der grundsätzlichen
Zulässigkeit der Zusammenarbeit von Trägern öffentlicher Gewalt des Bundes mit solchen der Länder kann nicht
gezweifelt werden. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverfassungsgericht zwar die bundesstaatlichen Grenzen
einer solchen Zusammenarbeit aufzuzeigen. Das Gebot, die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers zu respektieren,
steht aber der Verwerfung einer Regelung entgegen, die vordergründig fragmentarisch, in der Sache wegen des
Fehlens belastbarer Entscheidungsgrundlagen und im Hinblick auf die plausible Erwartung angemessenen
Zusammenwirkens der beteiligten Stellen hingegen zu Recht entwicklungsoffen formuliert und, soweit geboten,
verfassungskonform auslegbar ist.
228
Die Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe ist wesentlicher Teil einer groß angelegten und allgemein
befürworteten Reform, die naturgemäß nicht alle Fragen mit jener Akribie beantworten kann, die in anderen, etablierten
Rechtsgebieten zum rechtsstaatlichen Maßstab geworden ist. Allein in dem Fehlen gesetzlicher Detailvorgaben für die
verwaltungsorganisatorische Ausgestaltung der Arbeitsgemeinschaften gemäß § 44b SGB II als
Regelverwaltungsform eine Verletzung der Selbstverwaltungsgarantie der an abweichenden Gestaltungen
interessierten Landkreise zu sehen, läuft dem Anliegen des Verfassungsgesetzgebers zuwider, den Föderalismus zu
stärken: Die Haltung der Senatsmehrheit hat absehbar zur Folge, dass die Bereitschaft der gesetzgebenden
Körperschaften schwindet, neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern unter Inkaufnahme
vorübergehender Unschärfen und Phasen des Experimentierens zu entwickeln.
Broß
Osterloh
Gerhardt