Urteil des BVerfG vom 14.06.2010
BVerfG: öffentliche gewalt, verfassungsbeschwerde, presse, aussichtslosigkeit, bekanntmachung, geschäftsführer, copyright, organisation, bibliothek
Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2157/06 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der S... GmbH & Co. KG,
vertreten durch die p... GmbH,
diese vertreten durch den Geschäftsführer,
- Bevollmächtigter:
Rechtsanwalt Stefan Schindler,
Renettenstraße 6, 60435 Frankfurt -
gegen
a)
den Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 13. Juli 2006 - 5 W
9/06 -,
b)
den Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 25. April 2006 - 5 W
9/06 -
hier: Antrag auf Auslagenerstattung
hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten Kirchhof
und die Richter Bryde,
Schluckebier
gemäß § 93d Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 34a Abs. 3 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.
August 1993 (BGBl I S. 1473) am 14. Juni 2010 einstimmig beschlossen:
Der Antrag auf Anordnung der Auslagenerstattung für das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht wird
abgelehnt.
Gründe:
1
Über die Erstattung der Auslagen ist, nachdem die Beschwerdeführerin ihre Verfassungsbeschwerde für erledigt
erklärt hat, nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden (§ 34 a Abs. 3 BVerfGG). Dabei kann insbesondere dem
Grund, der zur Erledigung geführt hat, wesentliche Bedeutung zukommen. So ist es billig, dem Beschwerdeführer die
Erstattung seiner Auslagen zuzuerkennen, wenn die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der
Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt beseitigt oder der Beschwer auf andere Weise abhilft, weil in diesem Fall
davon ausgegangen werden kann, dass sie das Begehren des Beschwerdeführers selbst für berechtigt erachtet hat
(v gl. BVerfGE 85, 109 <114 ff.>; 87, 394 <397 f.>). Im Hinblick auf die Funktion und die Tragweite der
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts begegnet es allerdings Bedenken, wenn im Falle einer Erledigung
der Verfassungsbeschwerde über die Auslagenerstattung - analog den Regelungen in den Verfahrensordnungen für die
Fachgerichte (§ 91 a ZPO, § 161 Abs. 2 VwGO, § 138 Abs. 1 FGO) - aufgrund einer überschlägigen Beurteilung der
Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde entschieden und dabei zu verfassungsrechtlichen Zweifelsfragen
aufgrund einer lediglich kursorischen Prüfung Stellung genommen werden müsste. Diese Bedenken greifen allerdings
dann nicht ein, wenn die Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde unterstellt werden kann oder wenn die
verfassungsrechtliche Lage - etwa durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in einem
gleichgelagerten Fall - bereits geklärt ist (vgl. BVerfGE 85, 109 <115 f.>).
2
Davon ausgehend ist im vorliegenden Fall keine Auslagenerstattung anzuordnen. Dem Grund, der zur Erledigung
geführt hat, kommt für die Entscheidung über die Auslagenerstattung keine Bedeutung zu, weil daraus kein der
öffentlichen Gewalt zurechenbarer Schluss dahin gezogen werden kann, das Ursprungsanliegen der
Beschwerdeführerin sei berechtigt gewesen. Der Bundesgerichtshof hat durch seinen Beschluss vom 18. Juni 2007
(WM 2007, S. 1238) in einem anderen Rechtsstreit die im Ausgangsverfahren vom Oberlandesgericht in bestimmter
Weise beantwortete Rechtsfrage, die nach Auffassung der Beschwerdeführerin dem Oberlandesgericht Anlass zur
Zulassung der Rechtsbeschwerde hätte geben müssen, höchstrichterlich - im Sinne der Ausgangsentscheidungen -
geklärt. Aufgrund dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs war für die Beschwerdeführerin im Ergebnis die
Aussichtslosigkeit ihres fachgerichtlich verfolgten Begehrens absehbar, was die Erledigungserklärung nach sich zog.
3
Auch die Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde, die hier nicht ohne Weiteres unterstellt werden können,
vermögen eine Anordnung der Auslagenerstattung nicht zu rechtfertigen; denn deren Beurteilung würde
verfassungsrechtliche Zweifelsfragen aufwerfen, die im Rahmen einer Auslagenerstattungsentscheidung nicht zu
klären sind (vgl. BVerfGE 33, 247 <264 f.>; 85, 109 <115 f.>). Sonstige Billigkeitsgründe, die eine Auslagenerstattung
tragen könnten, sind nicht ersichtlich.
4
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Kirchhof
Bryde
Schluckebier