Urteil des BVerfG vom 18.02.1999

BVerfG: verfassungsbeschwerde, papier, religionsunterricht, ethik, schüler, fristablauf, behandlung, meinung, beschwerdeschrift, besuch

Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1840/98 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn N...,
- Bevollmächtigter:
Professor Dr. Ludwig Renck,
Wilramstraße 21, München -
1. unmittelbar gegen
das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
vom 17. Juni 1998 - BVerwG 6 C 11.97 -,
2. mittelbar gegen
§ 100 a des Schulgesetzes für Baden-Württemberg
in der Fassung vom 1. August 1983 (GBl S. 397),
zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Dezember 1997
(GBl S. 535),
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den
Vizepräsidenten Papier
und die Richter Grimm,
Hömig
gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I
S. 1473)
am 18. Februar 1999 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
I.
1
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verpflichtung zum Besuch des Ethikunterrichts nach dem baden-
württembergischen Schulrecht.
2
1. Der Beschwerdeführer besuchte bis zum Ende des Schuljahrs 1997/98 ein baden-württembergisches Gymnasium,
an dem er die Abiturprüfung bestand. Im Ausgangsverfahren wandte er sich gegen seine Verpflichtung zur Teilnahme
am Ethikunterricht, die er für verfassungswidrig hält. Dieser Unterricht beruht auf § 100 a des Schulgesetzes für
Baden-Württemberg (SchG) in der Fassung vom 1. August 1983 (GBl S. 397). Danach wird das Fach Ethik als
ordentliches Lehrfach für die Schüler eingerichtet, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen.
3
Das
Rechtsschutzbegehren
des
Beschwerdeführers
ist
vor
dem Verwaltungsgericht und dem
Verwaltungsgerichtshof ohne Erfolg geblieben (vgl. VG Freiburg, NVwZ 1996, S. 507; VGH Baden-Württemberg, DVBl
1997, S. 1186). Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Beschwerdeführers zurückgewiesen (Urteil vom
17. Juni 1998 - BVerwG 6 C 11.97 -).
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2. Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts. Er rügt eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 und 2, Art. 3 Abs. 1 und 3, Art. 4 Abs. 1 und 2,
Art. 7 Abs. 1 und 2, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG.
II.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93 a
Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor, weil die Verfassungsbeschwerde unzulässig ist.
6
Die Verfassungsbeschwerde ist innerhalb der einmonatigen Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG nicht nur
einzulegen, sondern auch in einer § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 und § 92 BVerfGG genügenden Weise zu begründen.
Letzteres ist hier bis zum Fristablauf am 12. Oktober 1998 nicht geschehen.
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1. Wesentlicher Zweck des Begründungserfordernisses ist es sicherzustellen, daß das Bundesverfassungsgericht
ohne weitere Ermittlungen über die Sachentscheidungsvoraussetzungen befinden und sich darüber hinaus bei
Verfassungsbeschwerden im Hinblick auf das Annahmeverfahren eine Meinung über die Erfolgsaussicht des
Begehrens bilden kann. Dem Gericht soll eine zuverlässige Grundlage für die weitere Behandlung des Begehrens
gegeben werden (vgl. Kley, in: Umbach/Clemens, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 1992, § 92 Rn. 3). Dies setzt
voraus, daß der Beschwerdeführer das angeblich verletzte Recht und den die behauptete Verletzung enthaltenden
Vorgang substantiiert darlegt (vgl. BVerfGE 81, 208 <214>). Aus seinem Vortrag muß sich mit hinreichender
Deutlichkeit die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung ergeben (vgl. BVerfGE 78, 320 <329>).
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2. Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Verfassungsbeschwerde nicht. Aus ihr läßt sich nicht hinreichend
deutlich entnehmen, daß die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung besteht. Der Beschwerdeschrift war das
angegriffene Urteil nicht beigefügt. Der Beschwerdeführer hat es in der Begründung der Verfassungsbeschwerde auch
nicht seinem wesentlichen Inhalt nach mitgeteilt oder sich damit in einer Weise auseinandergesetzt, die eine
Beurteilung dahin erlaubt, ob die gerügten Verfassungsverstöße tatsächlich gegeben sind (vgl. BVerfGE 88, 40 <45>;
93, 266 <288>).
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Der Beschwerdeführer gibt in der Verfassungsbeschwerde zwar abstrakt und fragmentarisch die Ergebnisse wieder,
zu denen das Bundesverwaltungsgericht gelangt ist, und setzt sich mit ihnen auseinander. Daraus werden indessen
der genaue Inhalt und die Struktur der Begründung des angegriffenen Urteils nicht auch nur ansatzweise erkennbar.
Weder werden Passagen der Entscheidung im Zusammenhang wiedergegeben noch die rechtlichen und tatsächlichen
Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Verneinung der Verfassungswidrigkeit des § 100 a SchG, zur
Beeinträchtigung der Rechtsstellung des Beschwerdeführers durch die vom Gericht beanstandete untergesetzliche
Ausgestaltung des Ethikunterrichts in Baden-Württemberg und zu den damit zusammenhängenden prozessualen
Fragen annähernd so ausführlich geschildert, daß die Frage einer Verfassungsverletzung verläßlich geprüft werden
könnte.
10
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Papier
Grimm
Hömig