Urteil des BVerfG vom 07.05.2009
BVerfG: festnahme, ausschreibung, freiheit der person, verfassungsbeschwerde, freiheitsentziehung, polizei, gewahrsam, abschiebungshaft, sicherungshaft, ausländer
Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 475/09 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn V...
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Lerche, Schröder, Fahlbusch,
Blumenauer Straße 1, 30449 Hannover -
gegen
a)
den Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 3. Februar 2009 - 22 W 3 und
4/09 -,
b)
den Beschluss des Landgerichts Hannover vom 27. November 2008 - 28 T 28/08 -,
c)
den Beschluss des Landgerichts Hannover vom 27. Mai 2008 - 28 T 28/08 -,
d)
den Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 28. April 2008 - 43 XIV 48/08 B -
hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterin Osterloh
und die Richter Mellinghoff,
Gerhardt
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S.
1473) am 7. Mai 2009 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
I.
1
Die  Verfassungsbeschwerde  betrifft  die  Frage  der  Notwendigkeit  einer  richterlichen  Entscheidung  über  die
Ausschreibung zur Festnahme nach dem Aufenthaltsgesetz.
2
1. Der Beschwerdeführer ist ein 27 Jahre alter vietnamesischer Staatsangehöriger. Er reiste 2005 mit einem Visum
zur Familienzusammenführung in das Bundesgebiet ein und zog nach Plauen. Die Ausländerbehörde ermittelte dann,
dass  es  sich  bei  der  geschlossenen  Ehe  um  eine  Scheinehe  handelte  und  verweigerte  die  Erteilung  einer
Aufenthaltserlaubnis. Der Beschwerdeführer erklärte zunächst, freiwillig ausreisen zu wollen, tauchte dann aber unter.
Die  Ausländerbehörde  beantragte  beim  sächsischen  Landeskriminalamt  im  November  2006  die  Ausschreibung  des
Beschwerdeführers  zur  Personenfahndung  unter  Angabe  des  Zwecks  "Festnahme,  ausländerrechtliche  Maßnahme"
und  des  Anlasses  "Ausweisung/  Abschiebung".  Beim  Polizeirevier  Plauen  erstattete  die  Ausländerbehörde  Anzeige
wegen  des  Verdachts  des  unerlaubten  Aufenthalts.  Sie  teilte  mit,  dass  sie  im  Falle  des  Aufgriffs  des
Beschwerdeführers Abschiebungshaft beantragen wolle.
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2.  Der  Beschwerdeführer  wurde  nach  seinen  Angaben  am  28.  April  2008  durch  Beamte  des  Polizeikommissariats
Langenhagen  (Niedersachsen)  bei  einer  Gaststättenkontrolle  festgenommen.  Die  Ausländerbehörde  der  Region
Hannover stellte am gleichen Tag einen Antrag auf Anordnung von Abschiebungshaft und beantragte die Bestätigung
der behördlichen Freiheitsentziehung.
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3.  Das  Amtsgericht  ordnete  mit  Beschluss  vom  28.  April  2008  Abschiebungshaft  gegen  den  Beschwerdeführer  an
und  erklärte  die  vorläufige  Ingewahrsamnahme  "durch  die  Verwaltungsbehörde  beziehungsweise  die  Polizei"  für
rechtmäßig: Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Ingewahrsamnahme beruhe auf § 62 Abs. 4 AufenthG. Die
Ausländerbehörde habe den Betroffenen ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und in Gewahrsam nehmen
dürfen. Es habe der dringende Verdacht für das Vorliegen der Haftvoraussetzungen des § 62 Abs. 2 Satz 1 AufenthG
vorgelegen.  Eine  richterliche  Entscheidung  habe  nicht  vorher  eingeholt  werden  können,  da  der  begründete  Verdacht
bestanden habe, dass sich der Beschwerdeführer der Haftanordnung ansonsten entziehen werde.
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4.  Das  Landgericht  wies  die  sofortige  Beschwerde  mit  Beschluss  vom  27.  Mai  2008  zurück:  Die  vorläufige
Ingewahrsamnahme  sei  nach  §  62  Abs.  4  AufenthG  rechtmäßig.  Der  Betroffene  habe  festgehalten  werden  dürfen.
Eine  vorherige  richterliche  Entscheidung  habe  nicht  eingeholt  werden  müssen,  weil  der  Beschwerdeführer
unvorhergesehen aufgegriffen worden sei. Auch die Anordnung von Sicherungshaft sei rechtmäßig.
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5.  Mit  seiner  sofortigen  weiteren  Beschwerde  machte  der  Beschwerdeführer  hinsichtlich  der  behördlichen
Ingewahrsamnahme geltend, dass ein Verstoß gegen Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG vorliege. Aus den Ausländerakten
lasse  sich  entnehmen,  dass  er  zur  Festnahme  ausgeschrieben  gewesen  sei.  Für  diese  Ausschreibung  hätte  die
Ausländerbehörde  einen  richterlichen  Festnahmebeschluss  erwirken  müssen.  Das  Oberlandesgericht  hob  daraufhin
mit Beschluss vom 5. August 2008 die Entscheidung des Landgerichts auf und verwies die Sache zurück: Soweit das
Landgericht die vorläufige Ingewahrsamnahme auf § 62 Abs. 4
AufenthG  stütze  und  eine  vorherige  richterliche  Anordnung  nicht  für  notwendig  erachte,  genügten  die
Sachverhaltsfeststellungen  nicht.  Nach  der  Rechtsprechung  des  Senats  sei  mit  der  Ausschreibung  zur  Festnahme
zugleich  eine  vorläufige  Haftentscheidung  nach  §  11  FreihEntzG  herbeizuführen.  Zu  der  vom  Beschwerdeführer
vorgetragenen  Ausschreibung  zur  Festnahme  fehlten  die  gerichtlichen  Feststellungen.  Es  könne  bis  zur  weiteren
Aufklärung  dahinstehen,  ob  der  Vorbehalt  einer  richterlichen  Haftanordnung  auch  dann  gelte,  wenn  der  Betroffene
längere  Zeit  unbekannten  Aufenthalts  gewesen  sei.  Hinsichtlich  der  Anordnung  von  Sicherungshaft  fehlten
ausreichende Feststellungen zur Beachtung des haftrechtlichen Beschleunigungsgrundsatzes.
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6.  Mit  Beschluss  vom  27.  November  2008  wies  das  Landgericht  die  sofortige  Beschwerde  erneut  zurück:  Die
vorläufige  Ingewahrsamnahme  sei  gemäß  §  62  Abs.  4  AufenthG  rechtmäßig  gewesen.  Eine  einstweilige  Anordnung
nach § 11 FreihEntzG habe nicht eingeholt werden können, da der Beschwerdeführer unvorhergesehen von der Polizei
angetroffen  worden  sei.  Wäre  mit  seiner  Ausschreibung  zur  Festnahme  im  Jahr  2006  eine  Anordnung  nach  §  11
FreihEntzG erwirkt worden, wäre diese am 27. April 2008 nicht mehr wirksam gewesen.
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7. Mit der sofortigen weiteren Beschwerde machte der Beschwerdeführer geltend, dass es hier an einer richterlichen
Entscheidung  im  Zusammenhang  mit  der  Ausschreibung  zur  Festnahme  fehle.  Der  Umstand,  dass  bei  einem  über
einen  längeren  Zeitraum  Untergetauchten  eine  einstweilige  Anordnung  mehrfach  verlängert  werden  müsse,  sei  zwar
mit  Mehraufwand  für  Behörden  und  Gerichte  verbunden.  Dies  könne  nicht  dazu  führen,  dass  zwingende
verfassungsrechtliche Vorgaben missachtet würden.
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8.  Das  Oberlandesgericht  verwies  auf  die  sofortige  weitere  Beschwerde  die  Sache  mit  Beschluss  vom  3.  Februar
2009 teilweise an das Landgericht zurück; soweit sich die sofortige weitere Beschwerde auf die Inhaftierung bis zur
richterlichen  Haftanordnung  bezog,  blieb  sie  ohne  Erfolg:  Die  Maßnahme  habe  auf  §  62  Abs.  4  AufenthG  gestützt
werden  können.  Zwar  sei  mit  der  Ausschreibung  zur  Festnahme  eine  vorläufige  Haftentscheidung  nach  §  11
FreihEntzG  herbeizuführen.  Bei  uneingeschränkter  Geltung  dieses  Rechtssatzes  müsste  diese  alle  sechs  Wochen
wiederholt  werden.  Dies  könne  nur  dann  geschehen,  wenn  das  Amtsgericht  aufgrund  der  zur  Verfügung  stehenden
Erkenntnisse überhaupt in der Lage sei, die Voraussetzungen für die Haftanordnung noch zu prüfen. Fehle es an der
Möglichkeit  einer  richterlichen  Entscheidung,  stehe  der  Ausländerbehörde  die  Möglichkeit  der  Ausschreibung  zur
Festnahme  auch  ohne  Haftanordnung  zur  Verfügung.  Gerade  für  diesen  Fall  sei  auch  §  62  Abs.  4  AufenthG
vorgesehen.  Zwar  hätte  mit  der  ersten  Ausschreibung  des  Beschwerdeführers  zur  Festnahme  ein  richterlicher
Beschluss beantragt werden müssen. Dies wirke sich aber nicht zu Gunsten des seit geraumer Zeit untergetauchten
Beschwerdeführers  aus.  Bis  zum  Zeitpunkt  der  Festnahme  habe  eine  verlässliche  Grundlage  für  eine  die  Haft
anordnende Entscheidung des Gerichts nicht vorgelegen.
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9. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung in seinen Rechten aus Art. 2 Abs.
2  Satz  2  GG  in  Verbindung  mit  Art.  104  Abs.  2  GG:  Die  Festnahme  sei  geplant,  nämlich  aufgrund  einer
Ausschreibung zur Festnahme, erfolgt. Bei dieser Sachlage hätte die zuständige Behörde einen Festnahmebeschluss
erwirken müssen. Die Argumentation des Oberlandesgerichts, weshalb dies hier nicht der Fall sein solle, genüge den
verfassungsrechtlichen  Vorgaben  nicht.  Es  könnten  sich  bereits  kurz  nach  dem  Untertauchen  Gründe  ergeben,
weshalb  die  Anordnung  von  Sicherungshaft  unzulässig  werden  könne.  Sämtliche  aufenthaltsrechtlichen
Statusänderungen,  die  Einfluss  auf  das  Vorliegen  der  Haftgründe  haben  könnten,  bedürften  der  Vorsprache  bei  der
Ausländerbehörde,  die  dann,  wenn  die  Haftgründe  nicht  mehr  vorlägen,  reagieren  und  die  Ausschreibung  zur
Festnahme  löschen  und  den  vorher  beantragten  Haftbeschluss  nicht  vollstrecken  lassen  könnte  und  müsste.  Die
Neuregelung  des  §  62  Abs.  4  AufenthG  führe  nicht  weiter,  diese  betreffe  allenfalls  ungeplante  Festnahmen.  Der
Beschwerdeführer  sei  der  Ausländerbehörde  bekannt,  ebenso,  dass  er  seiner  Ausreisepflicht  nicht  nachgekommen
sei: Es sei nur unklar gewesen, wann er angetroffen werde.
II.
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Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG sind nicht erfüllt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine
hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>). Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig
und im Übrigen offensichtlich unbegründet.
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1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie sich gegen den Beschluss des Landgerichts vom 27. Mai
2008 richtet, da von diesem keine Wirkungen mehr ausgehen. Er ist mit Beschluss des Oberlandesgerichts vom 5.
August 2008 aufgehoben worden.
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Unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde weiterhin, soweit sich die angegriffenen Beschlüsse mit der richterlichen
Haftanordnung  vom  28.  April  2008  und  ihrer  Rechtmäßigkeit  befassen.  Insoweit  ist  der  Rechtsweg  nicht  erschöpft.
Nach  der  Teilaufhebung  des  Beschlusses  des  Landgerichts  vom  27.  November  2008  durch  den  Beschluss  des
Oberlandesgerichts vom 3. Februar 2009 befindet sich das Verfahren erneut im Stadium der sofortigen Beschwerde.
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2. Im Übrigen erweist sich die Verfassungsbeschwerde als unbegründet. Der behauptete Verstoß gegen Art. 2 Abs.
2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG lässt sich nicht feststellen.
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a) Für den schwersten Eingriff in das Recht der Freiheit der Person, die Freiheitsentziehung, fügt Art. 104 Abs. 2 GG
dem  Vorbehalt  des  (förmlichen)  Gesetzes  den  weiteren,  verfahrensrechtlichen  Vorbehalt  einer  richterlichen
Entscheidung  hinzu,  der  nicht  zur  Disposition  des  Gesetzgebers  steht  (vgl. BVerfGE  10,  302  <323>).  Der
Richtervorbehalt  dient  der  verstärkten  Sicherung  des  Grundrechts  aus  Art.  2  Abs.  2  Satz  2  GG.  Alle  staatlichen
Organe  sind  verpflichtet,  dafür  Sorge  zu  tragen,  dass  der  Richtervorbehalt  als  Grundrechtssicherung  praktisch
wirksam wird (BVerfGE 105, 239 <248>; vgl. zu Art. 13 Abs. 2 GG: BVerfGE 103, 142 <151 ff.>).
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Die  Freiheitsentziehung  erfordert  nach  Art.  104  Abs.  2  Satz  1  GG  grundsätzlich  eine  vorherige  richterliche
Anordnung. Eine nachträgliche richterliche Entscheidung, deren Zulässigkeit in Ausnahmefällen Art. 104 Abs. 2 Satz
2 GG voraussetzt, genügt nur, wenn der mit der Freiheitsentziehung verfolgte verfassungsrechtlich zulässige Zweck
nicht erreichbar wäre, sofern der Festnahme die richterliche Entscheidung vorausgehen müsste (vgl. BVerfGE 22, 311
<317>).  Art.  104  Abs.  2  Satz  2  GG  gebietet  in  einem  solchen  Fall,  die  richterliche  Entscheidung  unverzüglich
nachzuholen (vgl. BVerfGE 10, 302 <321>). "Unverzüglich" ist dahin auszulegen, dass die richterliche Entscheidung
ohne  jede  Verzögerung,  die  sich  nicht  aus  sachlichen  Gründen  rechtfertigen  lässt,  nachgeholt  werden  muss  (vgl.
BVerfGE  105,  239  <249>).  Nicht  vermeidbar  sind  zum  Beispiel  Verzögerungen,  die  durch  die  Länge  des  Weges,
Schwierigkeiten  beim  Transport,  die  notwendige  Registrierung  und  Protokollierung,  ein  renitentes  Verhalten  des
Festgenommenen oder vergleichbare Umstände bedingt sind (vgl. BVerfGE 103, 142 <156>; 105, 239 <249>).
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b) Gemessen an diesen Maßstäben halten die angegriffenen Entscheidungen einer verfassungsrechtlichen Prüfung
stand.  Die  Gerichte  haben  ohne  Verfassungsverstoß  festgestellt,  dass  die  Ingewahrsamnahme  in  Anwendung  von
§ 62 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ohne vorherige gerichtliche Entscheidung erfolgen durfte.
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aa) Für die Frage, ob der Zweck der Freiheitsentziehung bei Abwarten einer richterlichen Entscheidung nicht erreicht
werden kann und daher die Freiheitsentziehung ausnahmsweise ohne vorherige gerichtliche Anordnung erfolgen darf,
ist  auf  den  Zeitpunkt  der  Entscheidung  über  die  Freiheitsentziehung  abzustellen.  Daraus  folgt,  dass  von  der
Ausländerbehörde  konkret  geplante  Freiheitsentziehungen  regelmäßig  einer  vorherigen  richterlichen  Anordnung
bedürfen  und  Vollzugsbeamte  der  Polizei,  die  von  der  Ausländerbehörde  gebeten  worden  sind,  einen  Ausländer  im
Wege  der  Amtshilfe  in  Gewahrsam  zu  nehmen,  sich  regelmäßig  nicht  mit  Erfolg  darauf  berufen  können,  dass  zum
Zeitpunkt ihrer Entscheidung eine richterliche Anordnung nicht mehr rechtzeitig eingeholt werden könne.
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Anders  liegt  der  Fall,  wenn  ein  vollziehbar  ausreisepflichtiger  Ausländer  untertaucht  und  infolgedessen  für  die  zu
diesem  Zeitpunkt  zuständige  Ausländerbehörde  nicht  mehr  greifbar  ist.  Dann  ist  nicht  absehbar,  ob  später  die
Abschiebungshaftvoraussetzungen  vorliegen  und  welche  Behörde  gegebenenfalls  für  eine  Ingewahrsamnahme
zuständig  sein  wird;  eine  Festnahme  im  Falle  des  Aufgreifens  des  betroffenen  Ausländers  kann  lediglich  abstrakt
geplant  sein,  da  weder  Aufgriffsort  noch  -zeitpunkt  abgeschätzt  werden  können.  Ein  untergetauchter,  vollziehbar
ausreisepflichtiger  Ausländer  kann  daher  bei  Vorliegen  der  Tatbestandsvoraussetzungen  des  §  62  Abs.  4  AufenthG
zum Zwecke der Vorführung vor den Haftrichter ohne Verstoß gegen Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG durch die Exekutive
in Gewahrsam genommen werden.
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bb)  Die  Ausschreibung  zur  Festnahme  nach  §  50  Abs.  7  Satz  1  AufenthG  bedarf  von  Verfassungs  wegen  keiner
richterlichen  Anordnung.  Auf  die  vom  Oberlandesgericht  erörterte  Frage,  unter  welchen  Voraussetzungen  eine
Festnahme  trotz  Unterbleibens  einer  vorläufigen  Haftentscheidung  nach  §  11  FreihEntzG  bei  der  Ausschreibung
rechtmäßig ist, kommt es daher nicht an.
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Mit der Ausschreibung zur Festnahme nach § 50 Abs. 7 Satz 1 AufenthG räumt das Gesetz der Ausländerbehörde
die  Möglichkeit  ein,  auf  polizeiliche  Fahndungsmaßnahmen  zum  Zweck  der  Aufenthaltsbeendigung  von  Ausländern,
deren Aufenthalt unbekannt ist, zurückzugreifen. Als nicht geschriebenes Tatbestandsmerkmal ist das Vorliegen von
Haftgründen nach § 62 AufenthG zu prüfen, da nur dann, wenn eine Inhaftierung erfolgen darf, eine Ausschreibung zur
Festnahme gerechtfertigt sein kann. Ob eine Ingewahrsamnahme durch die Exekutive in der konkreten Situation des
Ergreifens  zulässig  ist,  bestimmt  sich  nicht  nach  §  50  Abs.  7  Satz  1  AufenthG.  Die  Norm  enthält  nur  die
Ermächtigung  zur  Nutzung  der  Fahndungshilfsmittel  der  Polizei,  nicht  aber  eine  Ermächtigung  zu
Freiheitsentziehungen (vgl. Hailbronner, AuslR, Stand: Oktober 2008, § 50 AufenthG Rn. 44 ff.); diese findet sich in
§ 62 Abs. 4 AufenthG. Die Ausschreibung zur Festnahme nach § 50 Abs. 7 Satz 1 AufenthG lässt für die Polizei als
Nutzer  der  Fahndungshilfsmittel  zwar  erkennen,  dass  die  zum  Zeitpunkt  der  Ausschreibung  zuständige
Ausländerbehörde  nach  eigenverantwortlicher  Prüfung  Haftgründe  nach  §  62  AufenthG  bejaht  hat.  Die  Entscheidung
über die Ingewahrsamnahme bleibt aber der eigenverantwortlich nach § 62 Abs. 4 AufenthG tätig werdenden Behörde
überlassen.  Da  die  Ausschreibung  zur  Festnahme  keine  Bindungswirkung  entfaltet,  bedarf  sie  auch  unter  dem
Gesichtspunkt etwaiger aus Art. 104 Abs. 2 GG abzuleitender Vorwirkungen keiner gerichtlichen Anordnung.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG
abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Osterloh
Mellinghoff
Gerhardt