Urteil des BVerfG vom 03.09.2009

BVerfG: gerichtshof der europäischen gemeinschaften, verfassungsbeschwerde, verzinsung, veranlagungsverfahren, künstler, einkünfte, pauschalsteuer, anwendungsbereich, finanzen, papier

Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1098/08 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der B... Ltd.
- Bevollmächtigter:
Rechtsanwalt Dr. Harald Grams
in Sozietät Grams und Partner Rechtsanwälte - Steuerberater,
Falkstraße 9, 33602 Bielefeld -
1. unmittelbar gegen
a) den Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 18. September 2007 - I R 15/05 -,
b) das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 27. Januar 2005 - 2 K 3316/02 -,
c) die Einspruchsentscheidung des Bundesamts für Finanzen (heute: Bundeszentralamt für
Steuern) vom 13. Juni 2002, - ... -,
d) den Bescheid des Bundesamts für Finanzen (heute: Bundeszentralamt für Steuern) vom
28. November 2001 - ... -,
2. mittelbar gegen § 233a AO, § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 3
EStG und § 50 Abs. 5 Satz 1 EStG
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Papier
und die Richter Eichberger,
Masing
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S.
1473) am 3. September 2009 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
1
Die Annahmevoraussetzungen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG) sind nicht erfüllt. Die Verfassungsbeschwerde hat weder
grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1
BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
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1. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die nach Auffassung der Beschwerdeführerin von den
angefochtenen Entscheidungen zu Unrecht unterlassene Verzinsung nach § 233a Abgabenordnung (AO). Nicht
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist das Abzugsverfahren nach § 50 Abs. 5 Einkommensteuergesetz (EStG)
in der für das Streitjahr 1997 maßgeblichen Fassung („Künstler-Pauschalsteuer“) als solches, da der
Erstattungsbescheid nach § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 3 Satz 8 EStG im Ausgangsverfahren nicht angefochten ist. Die mit
der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Einwendungen der Beschwerdeführerin, das Abzugsverfahren
benachteilige sie infolge des Quellensteuerabzugs von 25 % in verfassungswidriger Weise gegenüber beschränkt
steuerpflichtigen Künstlern mit geringen Betriebsausgaben oder gegenüber veranlagten beschränkt steuerpflichtigen
Arbeitnehmern, gehen daher ins Leere.
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2. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt im Übrigen, soweit es gegen die unterlassene Verzinsung gerichtet
ist, einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht erkennen. Die Beschwerdeführerin setzt sich weder substantiiert mit
der die angefochtenen Entscheidungen tragenden Vorschrift des § 233a Abs. 1 Satz 2 AO und den für diese Regelung
maßgeblichen Gründen auseinander (a) noch lässt sich ihrem Vortrag eine Ungleichbehandlung gegenüber
unbeschränkt steuerpflichtigen und der inländischen Veranlagung unterliegenden Künstlern entnehmen (b). Es kommt
daher nicht mehr darauf an, dass der Beschwerdeführerin als ausländischer juristischer Person nach Art. 19 Abs. 3
GG grundsätzlich die Berufung auf Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt ist (vgl. BVerfGE 21, 207 <209>; 64, 1 <11>; BVerfG,
Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. Dezember 2007 - 1 BvR 853/06 -, NVwZ 2008, S. 670;
Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Mai 2007 - 1 BvR 2485/06 -, juris) und ob und inwieweit dies -
wie die Beschwerdeführerin meint - gemeinschaftsrechtlichen Zweifeln begegnet.
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a) Die Beschwerdeführerin setzt sich nicht mit der die angefochtenen Entscheidungen tragenden Vorschrift des
§ 233a Abs. 1 Satz 2 AO auseinander, wonach eine Verzinsung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen
ausdrücklich unterbleibt. In dieser Herausnahme der Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträge durch Satz 2 der
Vorschrift aus dem Anwendungsbereich der Vollverzinsung liegt keine sachlich nicht gerechtfertigte
Ungleichbehandlung gegenüber den von § 233a AO erfassten Verzinsungsfällen. Der Gesetzgeber hat die
Steuerabzugsbeträge bewusst aus dem Anwendungsbereich des § 233a AO herausgenommen. Er hat dies damit
begründet, dass dort eine Verzinsung „in aller Regel ins Leere gehe, da die Steuerfestsetzungen beziehungsweise
Steueranmeldungen insoweit zeitnah erfolgen“ (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 195). Anders als bei Veranlagungssteuern,
bei denen üblicherweise ein längerer Zeitraum zwischen dem Entstehen der Steuer und deren Festsetzung liegt und
bei denen deshalb eine Verzinsung geboten erscheint, erfolgt die Erstattung von Abzugssteuern regelmäßig so
kurzfristig, dass sie in die so genannte Karenzfrist von 15 Monaten des § 233a Abs. 2 AO fiele und deshalb ohnehin
zu keiner Verzinsung führte. So soll gerade das vereinfachte Steuererstattungsverfahren nach § 50 Abs. 5 EStG eine
Erstattung des Steuerabzugs nicht erst nach Ablauf des den Veranlagungszeitraum bildenden Kalenderjahres
ermöglichen, sondern zeitnah, das heißt unmittelbar nach Beendigung einer Veranstaltung oder Veranstaltungsreihe
(vgl. dazu Scheurle, IStR 1997, S. 65 <66>). Damit bewegt sich der Gesetzgeber mit der Herausnahme der
Steuerabzugsbeträge aus der Vollverzinsung des § 233a AO im Rahmen des ihm im Steuerrecht eröffneten
Gestaltungs- und Pauschalierungsspielraums (vgl. dazu BVerfGE 120, 1 <29 f.> m.w.N.).
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b) Auch der Einwand der Beschwerdeführerin, sie werde als beschränkt Steuerpflichtige durch den Ausschluss der
Vollverzinsung im Rahmen des Erstattungsverfahrens nach § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 3 EStG schlechter gestellt als
unbeschränkt Steuerpflichtige im Inland, die Vorauszahlungen leisteten und veranlagt würden, zeigt keinen
Gleichheitsverstoß auf. Die Beschwerdeführerin vergleicht insoweit nur die dem Abzugsverfahren unterliegenden
Steuerpflichtigen mit den einem Veranlagungsverfahren unterliegenden Steuerpflichtigen, verkennt aber, dass beide
Gruppen nicht vergleichbar sind. Im Übrigen werden beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtige in § 233a Abs. 1
Satz 2 AO gleich behandelt.
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Der Gesetzgeber hat das Erstattungsverfahren nach § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 3 EStG bewusst nicht als
Veranlagungsverfahren, sondern als vereinfachtes Steuererstattungsverfahren ausgestaltet. Beide Verfahren sind vom
Gesetzgeber unterschiedlich geregelt worden und daher nicht vergleichbar. Das Erstattungsverfahren nach § 50 Abs.
5 Satz 4 Nr. 3 EStG ist auf den sachlichen Umfang des Steuerabzugsverfahrens beschränkt und bezieht sich -
anders als ein Veranlagungsverfahren - nicht auf die persönliche Steuerpflicht in einem Veranlagungszeitraum. Das
Steuerabzugsverfahren umfasst auch nur die an den Künstler einmalig gezahlte Vergütung, nicht sämtliche Einkünfte
des Steuerpflichtigen während eines bestimmten Zeitraums. Zwar war ursprünglich für beschränkt Steuerpflichtige die
Einführung eines Veranlagungsverfahrens angedacht (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf des JStG 1997,
BTDrucks 13/4839, S. 78 f.). Davon hat der Gesetzgeber aber bewusst Abstand genommen, um eine einfache und
schnelle Abwicklung schon während des laufenden Veranlagungszeitraums zu ermöglichen. Die bei beschränkt
Steuerpflichtigen aufgrund der Einbeziehung (weltweiter) ausländischer Einkünfte in den Steuersatz
(Progressionsvorbehalt) regelmäßig schwierige Veranlagung sollte vermieden werden (vgl. BTDrucks 13/5359, S.
124).
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Soweit die Beschwerdeführerin daher eine Ungleichbehandlung daraus herleiten will, dass ein beschränkt
Steuerpflichtiger anders als ein Steuerinländer nicht der Veranlagung unterliegt, übersieht sie, dass diese
Ungleichbehandlung nicht aufgrund der Vorschrift des § 233a Abs. 1 Satz 1 oder 2 AO eintritt, sondern ihre Ursache
allein in der Ausgestaltung des Abzugsverfahrens bei der „Künstler-Pauschalsteuer“ nach § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 3
EStG als Erstattungsverfahren - und nicht als Veranlagungsverfahren - hat (kritisch hierzu Grams, DStZ 1997,
S. 635 ff.), das aber nicht Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist.
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Von einer weiteren Begründung - insbesondere auch zu den nicht durchgreifenden Rügen einer Verletzung von
Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wegen der Nichtvorlage verschiedener Fragen an den Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften - wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Papier
Eichberger
Masing