Urteil des BVerfG vom 09.12.2008
BVerfG: beendigung des dienstverhältnisses, versetzung, pfarrer, wrv, pfarrstelle, öffentliche gewalt, verfassungsbeschwerde, abberufung, selbstbestimmungsrecht, gleichstellung
Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 717/08 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn R…
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. Armin Schwalfenberg & Judith Jackel,
Uckendorfer Weg 1, 35745 Herborn -
gegen
a)
den Beschluss der Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche im Rheinland vom
7. März 2008 - VK 16/2006 -,
b)
das Urteil der Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 17.
August 2007 - VK 16/2006 -,
c)
den Widerspruchsbescheid des Landeskirchenamtes der Evangelischen Kirche im
Rheinland vom 24. Oktober 2006 - 11-41:R/0293/01 -,
d)
den Widerspruchsbescheid des Kollegiums des Landeskirchenamtes der
Evangelischen Kirche im Rheinland vom 15. August 2006 - 11-41:R/0293 -,
e)
den Bescheid der Gemeinsamen Versorgungskasse für Pfarrer und Kirchenbeamte
vom 8. August 2006 - 55 088 5 -,
f)
den Bescheid des Landeskirchenamtes der Evangelischen Kirche im Rheinland vom
22. Juni 2006 - 11-41:R/0293 -
hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richter Broß,
Di Fabio
und Landau
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S.
1473) am 9. Dezember 2008 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
1
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a
Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen.
I.
2
1.  Die  Verfassungsbeschwerde  ist  unzulässig.  Eine  Verfassungsbeschwerde  kann  nach  §  90  Abs.  1  BVerfGG  nur
wegen Grundrechtsverletzungen durch die "öffentliche Gewalt" erhoben werden. Akte der öffentlichen Gewalt im Sinne
dieser  Vorschrift  sind  aber  nur  Maßnahmen  aller  drei  grundrechtsverpflichteten  Staatsfunktionen,  mithin  alle
Staatsgewalt  (vgl.  Bethge,  in:  Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge,  BVerfGG,  25.  Erg.-Lief.  März  2006,  §  90  Rn.
182;  Ruppert,  in:  Umbach/Clemens/Dollinger,  BVerfGG,  2.  Aufl.  2005,  §  90  Rn.  53  f.).  Angesprochen  sind  der
(deutsche)  Staat  in  seiner  Einheit  (BVerfGE  4,  27  <30>)  und  die  von  ihm  ausgehenden  -  unmittelbaren  oder
mittelbaren  -  Einwirkungen  auf  die  Sphäre  eines  Grundrechtsträgers.  Folglich  umfasst  dieser  Begriff  nicht  rein
innerkirchliche Maßnahmen (BVerfGE 18, 385 <386>; stRspr: BVerfGE 42, 312 <334 f.>; 66, 1 <20>; 72, 278 <289>;
111,  1  <5>;  BVerfG,  Vorprüfungsausschuss,  Beschluss  vom  1.  Juni  1983  -  2  BvR  453/83  -,  NJW  1983,  S.  2569;
BVerfG, Vorprüfungsausschuss, Beschluss vom 5. Juli 1983 - 2 BvR 514/83 -, NJW 1983, S. 2569 f.; BGHZ 12, 321
<325>;  34,  372  <373  f.>;  46,  96  <99>;  BVerwGE  25,  226  <229  ff.>;  28,  345  <347  f.>;  30,  326  <327  f.>;  66,  241
<244 f.>; 95, 379 <380>; 117, 145 <147>; BVerwG, Urteil vom 25. November 1982 - 2 C 38/81 -, ZevKR 28 <1983>,
S.  421,  424  f.>;  BVerwG,  Beschluss  vom  20.  November  1992  -  7  B  48/92  -,  NVwZ  1993,  S.  672;  BAGE  30,  247
<252 ff.>; 51, 238 <244 f.>; 64, 131 <135 ff.>; BAG, Urteil vom 7. Februar 1990 - 5 AZR 84/89 -, NJW 1990, S. 2082
<2083>;  OVG  Magdeburg,  Beschluss  vom  24.  Februar  1997  -  B  2  S  30/96  -,  NJW  1998,  S.  3070  <3071  f.>;
HessVGH,  Beschluss  vom  6.  November  2002  -  10  UZ  2439/00  -,  DÖV  2003,  S.  256  f.;  OVG  Rheinland-Pfalz,
Beschluss vom 15. Juli 2004 - 6 B 10891/04 -, NJW 2004, S. 3731 f.; VG Stuttgart, Urteil vom 14. Juli 2005 - 17 K
1515/05  -,  verfügbar  in  JURIS;  VGH  Baden-Württemberg,  Beschluss  vom  13.  Oktober  2005  -  4  S  1542/05  -,  DÖV
2006, S. 177 f.; VG Hannover, Urteil vom 8. März 2006 - 6 A 2792/05 -, ZevKR 51 <2006>, S. 602 <603>).
3
2.  Nach  dem  kirchenpolitischen  System  des  Grundgesetzes  ordnet  und  verwaltet  jede  Religionsgesellschaft  ihre
Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne
Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 und Abs. 3 WRV). Damit
erkennt  der  Staat  die  Kirchen  als  Institutionen  mit  dem  Recht  der  Selbstbestimmung  an,  die  ihrem  Wesen  nach
unabhängig  vom  Staat  sind  und  ihre  Gewalt  nicht  von  ihm  herleiten.  Die  Folge  ist,  dass  der  Staat  in  ihre  inneren
Verhältnisse nicht eingreifen darf (BVerfGE 18, 385 <386>).
4
Die  Verfassungsgarantie  des  kirchlichen  Selbstbestimmungsrechts  bedeutet  keine  Ausklammerung  aus  der
staatlichen  Rechtsordnung  im  Sinne  rechtsfreier  Räume,  sondern  sie  begründet  im  Gegenteil  eine  die
gemeinschaftliche  Freiheitsausübung  respektierende  Sonderstellung  innerhalb  der  staatlichen  Rechtsordnung  (vgl.
Grzeszick,  Staatlicher  Rechtsschutz  und  kirchliches  Selbstbestimmungsrecht,  AöR  2004,  S.  168  <203>).  Dies  ist
nicht nur dem Grundrecht aus Art. 4 GG im Sinne gemeinschaftlicher Glaubens- und Religionsfreiheit geschuldet, es
handelt sich vielmehr auch um eine institutionelle Sicherung der geforderten Staatsfreiheit der Kirchen im Sinne des
Art. 137 Abs. 3 WRV.
5
a)  Die  Eigenständigkeit  der  Kirchen  wird  auch  nicht  durch  ihren  Charakter  als  Körperschaften  des  öffentlichen
Rechts  (Art.  140  GG  i.V.m.  Art.  137  Abs.  5  WRV)  in  Frage  gestellt.  Angesichts  der  religiösen  und  konfessionellen
Neutralität  des  Staates  nach  dem  Grundgesetz  bedeutet  diese  zusammenfassende  Kennzeichnung  der
Rechtsstellung  der  Kirchen  keine  Gleichstellung  mit  anderen  öffentlich-rechtlichen  Körperschaften,  die  in  den  Staat
eingegliederte  Verbände  sind,  sondern  nur  die  Zuerkennung  eines  öffentlichen  Status,  der  sie  zwar  über  die
Religionsgesellschaften  des  Privatrechts  erhebt,  aber  keiner  besonderen  Kirchenhoheit  des  Staates  oder  einer
gesteigerten  Staatsaufsicht  unterwirft.  Infolge  dieser  öffentlichen  Rechtsstellung  und  öffentlichen  Wirksamkeit  der
Kirchen,  die  sie  aus  ihrem  besonderen  Auftrag  herleiten  und  durch  die  sie  sich  von  anderen  gesellschaftlichen
Gebilden grundsätzlich unterscheiden, ist die kirchliche Gewalt keine staatliche Gewalt. Nur soweit sie die vom Staat
verliehenen  Befugnisse  ausüben  oder  soweit  ihre  Maßnahmen  den  kirchlichen  Bereich  überschreiten  oder  in  den
staatlichen  Bereich  hineinreichen,  betätigen  die  Kirchen  mittelbar  auch  staatliche  Gewalt  mit  der  Folge,  dass  ihre
Selbstbestimmung eine in der Sache begründete Einschränkung erfährt (BVerfGE 18, 385 <387>).
6
Wenn  staatliche  Gerichte  in  der  Sache  über  kirchliche  Angelegenheiten  zu  entscheiden  haben,  bestimmen  sie  in
diesen Angelegenheiten mit, und zwar selbst dann, wenn sie sich bemühen, der kirchlichen Eigenständigkeit bei der
materiellen Entscheidung gerecht zu werden. Die konkrete Betrachtung der konfligierenden Interessen und Rechte im
Einzelfall kann erfahrungsgemäß zu einer allmählichen Steigerung der richterlichen Kontrolldichte führen und birgt so
die  Gefahr,  dass  die  religiöse  Legitimation  kirchenrechtlicher  Normen  verkannt  und  damit  gegen  den  Grundsatz  der
Neutralität des Staates in religiösen Dingen verstoßen wird. Das aber ist gerade in dem sensiblen Bereich der durch
Art.  137  Abs.  3  Satz  2  WRV  ausdrücklich  gewährleisteten  kirchlichen  Ämterhoheit  problematisch  (vgl.  Rüfner,  in:
Handbuch  des  Staatskirchenrechts  II,  2.  Aufl.,  1995,  §  73,  S.  1081  <1082>;  Schmidt/Aßmann,  in:
Maunz/Dürig/Herzog,  GG,  48.  Erg.-Lief.  November  2006,  Art.  19  Abs.  4  GG,  Rn.  115;  Grzeszick,  Staatlicher
Rechtsschutz  und  kirchliches  Selbstbestimmungsrecht,  AöR  2004,  S.  168  <183  f.,  204  f.>;  Kazele,  Ausgewählte
Fragen des Staatskirchenrechts, VerwArch 2005, S. 557 <564 ff.>).
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b) Die angefochtenen Beschlüsse der Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche im Rheinland betreffen keinen
Bereich, in dem der Staat der Kirche hoheitliche Gewalt verliehen hat. Vielmehr entscheiden sie lediglich einen Streit
im  Bereich  der  inneren  kirchlichen  Angelegenheiten.  Die  Versetzung  eines  Pfarrers  in  den  Ruhestand  wie  auch  die
Festsetzung  eines  Ruhegehalts  betreffen  Fragen  der  Verfassung  und  Organisation  der  Evangelischen  Kirche  im
Rheinland. Die Ausgestaltung des Dienst- und Amtsrechts unterliegt aber - wie der über die Verweisung des Art. 140
GG weitergeltende Art. 137 Abs. 3 Satz 2 WRV besonders betont - dem Selbstbestimmungsrecht der Kirche und ist -
sofern  diese  es  nicht  selbst  dem  staatlichen  Recht  unterstellt  -  der  staatlichen  Gerichtsbarkeit  entzogen.  Ist  die
Kirche nur im Bereich ihrer innerkirchlichen Angelegenheiten tätig geworden, so liegt kein Akt der öffentlichen Gewalt
vor,  gegen  den  der  Rechtsbehelf  der  Verfassungsbeschwerde  gegeben  sein  könnte.  Die  von  der  Verfassung
anerkannte  Eigenständigkeit  und  Unabhängigkeit  der  kirchlichen  Gewalt  würde  geschmälert  werden,  wenn  der  Staat
seinen  Gerichten  -  auch  dem  Bundesverfassungsgericht  -  das  Recht  einräumen  würde,  innerkirchliche  Maßnahmen,
die  im  staatlichen  Zuständigkeitsbereich  keine  unmittelbaren  Rechtswirkungen  entfalten,  auf  ihre  Vereinbarkeit  mit
dem Grundgesetz zu prüfen (BVerfGE 18, 385 <387 f.>).
II.
8
Ungeachtet der mangelnden Zulässigkeit wäre die Verfassungsbeschwerde aber auch in der Sache unbegründet. Mit
seiner  Verfassungsbeschwerde  rügt  der  Beschwerdeführer  allein,  dass  das  von  den  kirchlichen  Behörden  und
Gerichten  angewandte  Kirchenrecht  -  Rechtsanwendungsfehler  dieser  Stellen  macht  er  nicht  geltend  -  gegen
Verfassungsrecht verstößt. Diese Rügen greifen indessen nicht durch.
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1.  Ein  Verstoß  der  Vorschriften  über  die  Versetzung  in  den  Warte-  und  Ruhestand  (§  53  Abs.  3  PfDG  1991,  §  91
PfDG  1996)  und  der  damit  verbundenen  finanziellen  Folgen  (§  6,  §  7  des  Kirchengesetzes  über  die  Versorgung  der
Pfarrer, Pfarrerinnen, Kirchenbeamten und Kirchenbeamtinnen in der Evangelischen Union - Versorgungsgesetz - vom
16. Juni 1996) gegen Art. 33 Abs. 5 GG liegt nicht vor.
10
a)  Art.  33  Abs.  5  GG  kommt  nach  der  ständigen  Rechtsprechung  des  Bundesverfassungsgerichts
(Vorprüfungsausschuss,  Beschluss  vom  29.  November  1978  -  2  BvR  316/78  -,  NJW  1980,  S.  1041;
Vorprüfungsausschuss, Beschluss vom 5. Juli 1983 - 2 BvR 514/83 -, NJW 1983, S. 2569 <2570>) auf die öffentlich-
rechtlichen Dienstverhältnisse der Kirchen weder unmittelbar noch entsprechend zur Anwendung. Art. 33 Abs. 5 GG
enthält inhaltliche Vorgaben lediglich für die Regelung des öffentlichen Dienstes als Bestandteil der Staatsverwaltung
(vgl.  Masing,  in:  Dreier,  GG,  2.  Aufl.,  2006,  Art.  33  Rn.  43;  Jarass/Pieroth,  GG,  9.  Aufl.,  2007,  Art.  33  Rn.  46;
BVerwGE 28, 345 <351>; 30, 326 <332>; 66, 241 <250>; BVerwG, Urteil vom 25. November 1982 - 2 C 38.81 -, NJW
1983, S. 2582 <2583>).
11
Die  Frage,  ob  der  mit  Besoldungskürzungen  einhergehende  Warte-  oder  der  Ruhestand  als  ein  hergebrachtes
beamtenrechtliches Institut angesehen werden kann, dessen Voraussetzungen nicht vom Verschulden des Beamten
abhängen (vgl. dazu OVG Münster, Urteil vom 23. September 1997 - 5 A 3031/95 -, DÖV 1998, S. 393 <394> m. w.
N.), kann daher dahingestellt bleiben. Selbst wenn dem staatlichen öffentlichen Dienstrecht ein solcher Typenzwang
innewohnen  sollte  (vgl.  von  Campenhausen,  Staatskirchenrecht,  4.  Aufl.,  2006,  S.  293  FN  30;  von  Tiling,  Die
Versetzung von Pfarrern, insbesondere „mangels gedeihlichen Wirkens“, ZevKR 43 <1998>, S. 55 <68 f.>; H. Weber,
Auslegung und Rechtsgültigkeit der Versetzungsbefugnis nach § 71 I c Pfarrergesetz der VELKD, ZevKR 15 <1970>,
S. 20 <43>), fehlt es jedenfalls schon an einer Grundlage, einen solchen entsprechend für das kirchliche Dienstrecht
zu postulieren. Die gegenteilige Rechtsansicht des Beschwerdeführers liefe darauf hinaus, die Religionsgesellschaften
auf  die  Grundmuster  staatlich  geregelter  Beschäftigungsverhältnisse  festzulegen.  Dies  aber  steht  mit  der  durch
Art.  140  GG  in  Verbindung  mit  Art.  137  Abs.  3  Satz  2  WRV  gewährleisteten  kirchlichen  Ämterautonomie  nicht  in
Einklang (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 8. November 2002 - 5 A 751/01 -, NVwZ 2003, S. 1002 <1003>).
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b) Auch aus den einfachgesetzlichen staatlichen Vorschriften und Grundsätzen des Beamtenrechts kann nichts in
Bezug  auf  die  Frage  der  Wirksamkeit  der  kirchenrechtlichen  Regelungen  hergeleitet  werden,  weil  sie  weder
höherrangig sind noch zu den für alle geltenden Gesetzen im Sinne des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3
Satz 1 WRV gehören (BVerwGE 28, 345 <349>; OVG Münster, Urteil vom 23. September 1997 - 5 A 3031/95 -, DÖV
1998,  S.  393  <394>).  Andere  staatliche  Rechtssätze,  die  als  für  alle  geltende  Gesetze  angesehen  werden  und
deshalb  auf  kirchliche  Dienstverhältnisse  einwirken  könnten,  sind  vom  Beschwerdeführer  weder  aufgezeigt  worden
noch sonst ersichtlich.
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2. Auch eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 3 Abs. 1 GG) ist nicht gegeben.
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Die  Vorschriften  des  Kirchenrechts  über  die  Versetzung  in  den  Warte-  und  Ruhestand  finden  ebenso  wie  die
kirchlichen Regelungen über die Gewährung eines Wartegeldes und eines Ruhegehaltes ihre Grundlage in dem durch
Art.  140  GG  in  Verbindung  mit  Art.  137  Abs.  3  Satz  1  WRV  gewährleisteten  Recht  der  Religionsgesellschaften  zur
selbstständigen  Ordnung  und  Verwaltung  ihrer  Angelegenheiten  innerhalb  des  für  alle  geltenden  Gesetzes.  Dieses
Selbstbestimmungsrecht wie auch die in Art. 137 Abs. 3 Satz 2 WRV ausdrücklich hervorgehobene Gewährleistung
der Ämterautonomie beinhaltet das Recht festzulegen, welche Kirchenämter einzurichten, wie diese zu besetzen und
welche Anforderungen an die Amtsinhaber zu stellen sind (vgl. BVerwGE 66, 241 <243>).
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a)  Die  Abberufung  eines  Pfarrers  bei  Vorliegen  eines  Tatbestandes,  der  diesem  die  gedeihliche  Führung  seines
Pfarramtes  unmöglich  macht,  ist  Ausdruck  der  kirchlichen  Ämterhoheit.  Mit  der  Regelung  eines  solchen
Abberufungsgrundes, der sich von Verschuldensmerkmalen löst, erhält die Kirchenleitung ein Steuerungsinstrument,
mit  dem  auf  eine  in  einer  Kirchengemeinde  objektiv  eingetretene  Situation  in  effektiver  und  rascher  Weise  reagiert
werden  kann.  Berücksichtigt  man,  dass  die  einzelnen  Kirchengemeinden  der  zentrale  Ort  des  kirchlichen  Wirkens
sind,  so  besteht  an  der  Beseitigung  unüberbrückbarer  Zerwürfnisse  innerhalb  der  Gemeinde  für  die  Kirche  ein
existenzielles  Interesse.  Insoweit  ist  dieser  Abberufungstatbestand  von  sachgerechten  Gründen  getragen  (vgl.  auch
von  Tiling,  Die  Versetzung  von  Pfarrern,  insbesondere  „mangels  gedeihlichen  Wirken“,  ZevKR  43  <1998>,  S.  55
<69>;  Ennuschat,  ZeVKR  53  <2008>,  S.  113  <136  ff.>).  Sie  stellt  auch  nach  ihrem  Erscheinungsbild  eine  weniger
einschneidende Maßnahme als die disziplinarische Amtsenthebung oder der Verlust der in der Ordination begründeten
Rechte  in  einem  Lehrbeanstandungsverfahren  dar  (Stein,  Neue  Aspekte  im  Pfarrerdienstrecht  -  Soll  der  Pfarrer
kündbar werden?, Kirche und Recht 310, S. 1 <2>).
16
b)  Wendet  man  sich  vor  diesem  Hintergrund  dem  im  Anschluss  an  die  Abberufung  eingreifenden  Institut  des
Wartestandes  zu,  so  kann  gleichfalls  nicht  von  einer  willkürlichen  Regelung  des  Kirchenrechts  gesprochen  werden.
Nach  §  53  Abs.  3  Satz  1  PfDG  1991  ist  der  Pfarrer  in  den  Wartestand  zu  versetzen,  wenn  er  nicht  innerhalb  eines
Jahres  nach  dem  Zeitpunkt  der  Abberufung  in  eine  neue  Pfarrstelle  berufen  wird.  Satz  2  dieser  Vorschrift  besagt
ferner,  dass  eine  Versetzung  in  den  Wartestand  erst  erfolgen  kann,  wenn  seit  dem  Eintritt  der  Unanfechtbarkeit  der
Entscheidung über die Abberufung mindestens sechs Monate vergangen sind. Die Versetzung in den Wartestand ist
daher kein Automatismus, sondern eine Reaktion darauf, dass der von einer Pfarrstelle abberufene Pfarrer innerhalb
eines  Zeitraumes  von  mindestens  einem  Jahr  -  er  kann  sich  bei  einer  längeren  Dauer  des  innerkirchlichen
Rechtszuges theoretisch verlängern - keine Wiederverwendung gefunden hat. Hierin ist eine sachgerechte Regelung
zu  erblicken.  Der  betroffene  Pfarrer  erhält  trotz  seiner  Nichtbewährung  in  einer  Pfarrstelle  zunächst  die  Möglichkeit,
eine  Wiederverwendung  zu  erreichen.  Nur  wenn  dies  scheitert,  kommt  die  Versetzung  in  den  Wartestand,  die  eine
gebundene Entscheidung darstellt, zum Tragen. Sie ist gegenüber der Beendigung des Dienstverhältnisses oder der
sofortigen Versetzung in den Ruhestand eine mildere Maßnahme. Die mit dem Bezug des Wartegeldes, das 75% der
ruhegehaltsfähigen  Dienstbezüge  (§  7  Versorgungsgesetz)  beträgt,  verbundene  Einkommenseinbuße  ist  gleichfalls
sachgerecht, da er lediglich in gewissem Umfang (vgl. § 57 Abs. 2 und 3 PfDG 1991) seine Arbeitskraft einzusetzen
verpflichtet ist.
17
Die  Versetzung  in  den  Ruhestand  nach  einem  dreijährigen  Wartestand,  währenddessen  der  Pfarrer  ebenfalls  keine
neue Pfarrstelle gefunden hat (§ 91 Abs. 1 PfDG 1996), wäre ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Erfordernis eines
dreijährigen  Wartestandes  gibt  dem  Pfarrer  ausreichend  Gelegenheit,  eine  Wiederverwendung  zu  erreichen.  Der
Gesichtspunkt,  dass  dies  wegen  der  Abberufung  mit  Schwierigkeiten  verbunden  ist,  mag  in  Zeiten,  in  denen  nur
wenige Pfarrstellen vakant sind und sich dementsprechend viele Bewerber melden, zutreffend sein. Gleichwohl kann
nicht davon ausgegangen werden, dass die Versetzung in den Ruhestand die automatische Folge ist, zumal gerade
der Zeitablauf seit der Abberufung auch eine selbstkritische Haltung zu begründen vermag und der Betroffene diese
auch im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens darstellen kann. Im Übrigen bestehen auch Funktionspfarrstellen, die
nicht unmittelbar mit einem Wirken in einer Kirchengemeinde verbunden sind. Festzuhalten ist vor diesem Hintergrund
jedenfalls, dass dem im Wartestand befindlichen Pfarrer eine Chance zu Wiederverwendung eröffnet wird. Nur wenn
sich  diese  nicht  realisiert,  erfolgt  die  -  dann  allerdings  zwingende  -  Versetzung  in  den  Ruhestand,  die  bezüglich  der
finanziellen Folgen in sachgerechter Weise mit der Gleichstellung mit anderen Ruheständlern einhergeht.
18
c) Vor diesem Hintergrund ist das kirchengesetzliche Stufenmodell mit der Abberufung sowie der Versetzung in den
Warte- und Ruhestand von sachgerechten Erwägungen getragen. Es ist ein Instrument, das sich gegenüber anderen
Möglichkeiten, wie etwa der sofortigen Beendigung des Dienstverhältnisses, als milderes Mittel erweitert. Es eröffnet
einem Pfarrer, der es nicht vermocht hat, tief greifende Spaltungen in einer Kirchengemeinde zu verhindern oder zu
überbrücken,  sich  mithin  in  seiner  Pfarrstelle  nicht  bewährt  hat,  die  Möglichkeit  der  Wiederverwendung  über  einen
Zeitraum von vier Jahren hinweg. Bleiben die Versuche über einen solchen Zeitraum ohne Erfolg, so begründet dies
die Vermutung, dass der Pfarrer auch in Zukunft keine neue Pfarrstelle finden wird. Die Versetzung in den Ruhestand
ist dann eine frei von sachfremden Erwägungen eintretende Folge. Auch die mit Beginn des Warte- und Ruhestandes
eintretenden  Einkommenseinbußen  sind  von  sachgerechten  Erwägungen  getragen,  da  der  Pfarrer  seinen  bei  der
Übertragung  einer  Pfarrstelle  bestehenden  dienstlichen  Verpflichtungen  nicht  nachzugehen  braucht  und  er  keine
Gleichstellung  mit  Pfarrern  verlangen  kann,  die  eine  Pfarrstelle  innehaben  und  demzufolge  in  vollem  Umfang  ihre
Arbeitskraft einzusetzen haben.
III.
19
Von  einer  weiteren  Begründung  der  Nichtannahmeentscheidung  wird  gemäß  §  93d  Abs.  1  Satz  3  BVerfGG
abgesehen.
20
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Broß
Di Fabio
Landau