Urteil des BVerfG vom 09.12.2008
BVerfG: freiwillige gerichtsbarkeit, gebühr, beurkundung, steuer, missverhältnis, anwendungsbereich, kostendeckung, firma, kontrolle, geschäftsführer
Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 1948/06 -
- 2 BvR 1951/06 -
In den Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerden
der Firma A... GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer A...,
gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 17. August 2006 - 11 Wx 87/04
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- 2 BvR 1948/06 -,
der Firma A... GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer A...,
gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 17. August 2006 - 11 Wx 86/04
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- 2 BvR 1951/06 -
hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten Voßkuhle,
die Richterin Osterloh
und den Richter Mellinghoff
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S.
1473) am 9. Dezember 2008 einstimmig beschlossen:
Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
1
Die  Verfassungsbeschwerden  betreffen  die  Frage,  ob  die  Kostenerhebung  durch  baden-württembergische
Amtsnotare aufgrund der Kostenordnung mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
I.
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1.  Bei  der  beschwerdeführenden  GmbH  wurde  am  12.  Juli  2002  und  am  3.  Dezember  2003  vor  einem  badischen
Amtsnotar  jeweils  eine  Sachkapitalerhöhung  beurkundet.  Außerdem  wurden  in  Vollzug  der  Sachkapitalerhöhungen
Verträge  über  die  Einbringung  von  Grundstücken  beurkundet.  Notarkosten  für  die  Beurkundung  der
Kapitalerhöhungsbeschlüsse  wurden  mit  Rücksicht  auf  die  Rechtsprechung  des  Europäischen  Gerichtshofs  zur
Richtlinie  69/335/EWG  (Gesellschaftsteuerrichtlinie)  nicht  erhoben.  Allerdings  wurden  für  die  Beurkundung  der
Einbringungsverträge  Gebühren  in  Höhe  von  1.164  €  bzw.  1.254  €  -  jeweils  zuzüglich  Umsatzsteuer  -  in  Rechnung
gestellt.
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2.  a)  Vor  den  Fachgerichten  wendete  sich  die  Beschwerdeführerin  gegen  diese  Kostenansätze  und  rügte  einen
Verstoß  gegen  Gemeinschafts-  und  Verfassungsrecht.  Ihre  weiteren  Beschwerden  wurden  vom  Oberlandesgericht
Karlsruhe mit Beschlüssen vom 17. August 2006 - 11 Wx 87/04 und 11 Wx 86/04 - als unbegründet zurückgewiesen.
Die  Kostenerhebung  verstoße  nicht  gegen  die  Gesellschaftsteuerrichtlinie.  Obwohl  die  Beurkundungspflicht  für  die
Einbringung der Grundstücke aus § 311b BGB folge, liege zwar eine Steuer im Sinne der Richtlinie vor. Es handele
sich allerdings um eine zulässige Besitzwechselsteuer im Sinne von Art. 12 Buchst. b der Richtlinie. Die Rechtslage
sei  insbesondere  durch  das  Urteil  des  Europäischen  Gerichtshofs  vom  15.  Juni  2006  (Rs.  C-264/04,  NJW  2006,
S.  2972)  geklärt,  weshalb  es  keiner  Vorlage  nach  Art.  234  Abs.  3  EG  bedürfe.  Schließlich  bestünden  auch  keine
verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Erhebung der Notarkosten. Insoweit verwies das Oberlandesgericht unter
anderem auf die Ausführungen in seinem Beschluss vom 20. August 2003 - 14 Wx 75/02 - (JurBüro 2003, S. 597 =
FGPrax 2003, S. 287).
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b) Hiergegen richten sich die Verfassungsbeschwerden, mit denen unter anderem eine Verletzung von Art. 101 Abs.
1 Satz 2 GG sowie von Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 70 Abs. 1, 105, 106 GG geltend
gemacht  wird.  Die  Gebührenfestsetzung  sei  nach  dem  Geschäftswert  erfolgt,  nicht  nach  dem  „tatsächlichen
Aufwand“.  Dieser  betrage  auf  der  Grundlage  der  Verwaltungsvorschrift  des  Finanzministeriums  Baden-Württemberg
(GABl vom 18. Oktober 1995, S. 567) „allenfalls 200 €“ für jede Beurkundung. Mit der Verfassungsbeschwerde werden
im Wesentlichen die folgenden Rügen vorgetragen:
5
Das  Oberlandesgericht  habe  die  Rechtsfrage,  ob  die  Gesellschaftsteuerrichtlinie  im  vorliegenden  Fall  zur
Anwendung komme, nicht dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 234 Abs. 1 Buchst. a EG vorgelegt und damit
Art.  101  Abs.  1  Satz  2  GG  verletzt.  Alleiniger  gesetzlicher  Richter  für  Fragen  der  Auslegung  von  Richtlinien  sei
ausschließlich  der  Europäische  Gerichtshof.  Die  hier  zu  klärenden  Fragen  seien  auch  in  der  Rechtsprechung  des
Europäischen Gerichtshofs nicht geklärt. Insbesondere betreffe dessen Urteil vom 15. Juni 2006 (Rs. C-264/04, NJW
2006,  S.  2972)  Gebühren  für  eine  Grundbuchberichtigung.  Dieser  Sachverhalt  sei  mit  dem  vorliegenden  nicht
vergleichbar. Art. 12 Buchst. b der Gesellschaftsteuerrichtlinie sei nicht einschlägig.
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Es  verstoße  gegen  Art.  3  Abs.  1  GG,  dass  für  notarielle  Dienstleistungen  im  Anwendungsbereich  der
Gesellschaftsteuerrichtlinie
aufgrund
der
Rechtsprechung
des
Europäischen
Gerichtshofs
nunmehr
aufwandsbezogene  Gebühren  erhoben  würden,  außerhalb  des  Anwendungsbereichs  der  Gesellschaftsteuerrichtlinie
hingegen weiter Wertgebühren. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erzwinge mittelbar wegen Art. 3
Abs.  1  GG  einen  generellen  Übergang  zu  einem  aufwandsbezogenen  Gebührensystem  bei  Amtsnotaren  in  Baden-
Württemberg.
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Der Gebührenerhebung stehe außerdem die Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung entgegen, wie
sie  das  Bundesverfassungsgericht  in  seinem  Urteil  vom  19.  März  2003  (BVerfGE  108,  1)  entwickelt  habe.  Die
Bemessung  der  Gebühr  sei  danach  nur  dann  gerechtfertigt,  wenn  ihre  Höhe  durch  zulässige  Gebührenzwecke
legitimiert  sei.  Erkennbar  verfolgter  Gebührenzweck  sei  nur  die  Kostendeckung.  Hierzu  stünden  die  von  den
Amtsnotaren  erhobenen  Gebühren  in  einem  groben  Missverhältnis.  Das  Land  Baden-Württemberg  erziele  nämlich
erhebliche Überschüsse aus der Tätigkeit der Amtsnotare, die nicht für den Bedarf des Notariats verwendet würden.
Durch die „zweckfremde Verwendung  der  Einnahmen“  seien  die  Notariate  auch  so  dürftig  ausgestattet,  dass  die  bei
freiberuflichen  Notaren  üblichen  Leistungen  nicht  erbracht  werden  könnten.  Auch  der  Gebührenzweck  des
Vorteilsausgleichs rechtfertige die Höhe der Notargebühren nicht. Die Erhebung der Notargebühren wirke vor diesem
Hintergrund  „funktional  wie  eine  Steuer“.  Der  rechtsuchende  Bürger  werde  durch  sie  neben  seinen  sonstigen
Steuerpflichten doppelt zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben herangezogen.
II.
8
Die  Verfassungsbeschwerden  werden  nicht  zur  Entscheidung  angenommen.  Die  Annahmevoraussetzungen  liegen
nicht vor. Den Verfassungsbeschwerden kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist
ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 BVerfGG).
Die Verfassungsbeschwerden haben keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>).
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1. a) Das Organisationsrecht der Notare in Deutschland kennt neben den beiden freiberuflichen Notariatsformen im
Sinne  von  §  3  BNotO  das  Amtsnotariat  in  Baden-Württemberg  nach  Maßgabe  der  §§  114  -  116  BNotO  sowie
landesrechtlicher  Vorschriften.  Die  baden-württembergischen  Amtsnotare  sind  Beamte  im  Landesdienst  (vgl.  §  17
Abs.  1  des  Landesgesetzes  über  die  freiwillige  Gerichtsbarkeit  in  Baden-Württemberg  -  LFGG).  Die  Erhebung  von
Notarkosten  wurde  bereits  durch  die  Reichskostenordnung  vom  25.  November  1935  (RGBl  I  S.  1371)  für  alle
Notariatsformen  im  damaligen  Reichsgebiet  vereinheitlicht.  Die  für  die  Vereinheitlichung  maßgebliche  Vorschrift
befand  sich  in  §  143  der  Reichskostenordnung  und  wurde  durch  das  Gesetz  zur  Änderung  und  Ergänzung
kostenrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 (BGBl I S. 861 <960>) im Wesentlichen wortgleich in den noch heute
gültigen § 140 KostO übernommen. Während den freiberuflich tätigen Notaren im Sinne von § 3 BNotO die Gebühren
für ihre Tätigkeit selbst zufließen, werden die Notarkosten der im Landesdienst stehenden baden-württembergischen
Amtsnotare  nach  Maßgabe  des  Landesjustizkostengesetzes  des  Landes  Baden-Württemberg  (LJKG)  grundsätzlich
zur Staatskasse erhoben. Den Amtsnotaren verbleiben allerdings Gebührenanteile (vgl. im Einzelnen §§ 10 ff. LJKG
sowohl in der Fassung des LJKG vom 15. Januar 1993, GBl S. 109, als auch in der Fassung des LJKG vom 28. Juli
2005, GBl S. 580).
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Der Bestand des bereits bei Inkrafttreten des Grundgesetzes bestehenden Amtsnotariats in Baden-Württemberg ist
nach Maßgabe des Art. 138 GG geschützt. Gegenwärtig befindet sich ein Gesetzgebungsverfahren zur Änderung der
bisherigen  Rechtslage  in  einem  fortgeschrittenen  Zustand:  Der  Bundesrat  hat  auf  Antrag  des  Landes  Baden-
Württemberg  (BRDrucks  930/07)  den  Entwurf  eines  Gesetzes  zur  Änderung  der  Bundesnotarordnung  und  anderer
Gesetze  im  Bundestag  eingebracht  (BTDrucks  16/8696).  Reformziel  des  Gesetzes  soll  der  „flächendeckende(n)
Wechsel  vom  Amtsnotariat  hin  zum  Notariat  zur  hauptberuflichen  Amtsausübung“  sein  (BTDrucks  16/8696,  S.  1).
Nach  §  114  BNotO  in  der  Fassung  des  Entwurfs  soll  der  Systemwechsel  zum  1.  Januar  2018  vollzogen  und  die
baden-württembergischen  Amtsnotare  zu  freiberuflichen  Notaren  bestellt  werden.  Die  Gründe  für  die  Länge  der
Übergangsfrist werden unter besonderer Berücksichtigung von Art. 33 Abs. 5 GG ausführlich zu der Gesetzesvorlage
erläutert (BTDrucks 16/8696, S. 8 ff.). Die Bundesregierung unterstützt in ihrer Stellungnahme (Art. 76 Abs. 3 Satz 2
GG) die Vorlage des Bundesrates und schlägt lediglich kleinere Modifikationen vor, die insbesondere die Grundzüge
der  Reform  und  die  Übergangsfrist  unberührt  lassen  (BTDrucks  16/8696,  Anlage  2).  Der  Gesetzesentwurf  wurde  am
25.  September  2008  im  vereinfachten  Verfahren  ohne  Debatte  an  die  zuständigen  Ausschüsse  überwiesen  (BT,
Plenarprotokoll 16/179, S. 19019 ff.).
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b) Das Bundesverfassungsgericht hat sich bereits mehrfach zu den verfassungsrechtlichen Grenzen der Erhebung
von  Gebühren  geäußert  (vgl. BVerfGE 50, 217; 97, 332; 108, 1),  darunter  auch  zur  Erhebung  von  Wertgebühren  im
Bereich  der  Justizkosten  (vgl. BVerfGE 80, 103; 85, 337; 115, 381; BVerfGK 3, 310). Ungeachtet dessen, dass die
Gebührentatbestände des einfachen Rechts erhebliche strukturelle Unterschiede im Hinblick auf die Bemessung der
Gebühren  aufweisen,  gilt  danach  Folgendes:  Der  Gesetzgeber  hat  der  Belastungsgleichheit  aller  Abgabenpflichtigen
Rechnung zu tragen. Die Bemessung einer Gebühr ist verfassungsrechtlich nur gerechtfertigt, wenn ihre Höhe durch
zulässige  Gebührenzwecke,  die  der  Gesetzgeber  erkennbar  verfolgt,  legitimiert  ist.  Die  verfassungsrechtliche
Kontrolle  der  gesetzgeberischen  Gebührenbemessung,  die  ihrerseits  komplexe  Kalkulationen,  Bewertungen,
Einschätzungen  und  Prognosen  voraussetzt,  darf  dabei  nicht  überspannt  werden.  Eine  Gebührenbemessung  ist
jedoch dann nicht sachlich gerechtfertigt, wenn sie in einem groben Missverhältnis zu dem verfolgten Gebührenzweck
steht.
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2.  Nach  diesen  Maßstäben  verletzt  die  Erhebung  der  Notarkosten  weder  finanzverfassungsrechtliche  Vorschriften
des Grundgesetzes noch Grundrechte der Beschwerdeführerin.
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a)  Die  im  Urteil  des  Bundesverfassungsgerichts  vom  19.  März  2003  (BVerfGE  108,  1)  behandelten
Rückmeldegebühren unterscheiden sich wesentlich von den hier betroffenen Wertgebühren. Die Rückmeldegebühren
betrafen  eine  Gebühr  jeweils  identischer  Höhe  für  eine  jeweils  identische  Verwaltungsleistung.  Aus  dem
Gebührenaufkommen  sollten  ausweislich  des  Gesetzeswortlauts  ausschließlich  die  speziellen  Kosten  für  die
Bearbeitung  der  Rückmeldung  gedeckt  werden,  nicht  jedoch  andere  Kosten.  Auch  wurden  mit  diesen  Gebühren
erkennbar keine sozialen Ausgleichszwecke verfolgt (vgl. BVerfGE 108, 1 <21 u. 32>).
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Die Wertgebühren der Kostenordnung weisen demgegenüber eine deutlich komplexere Struktur auf. Sie dienen nach
Systematik  und  Entstehungsgeschichte  einer  Vielzahl  von  Zielen  (vgl.  BVerfGK  3,  310  <312>).  Sie  gleichen  neben
den  in  der  einschlägigen  Verwaltungsvorschrift  des  baden-württembergischen  Finanzministeriums  (VwV-
Kostenfestlegung; vorliegend einschlägig die Fassungen vom 20. Dezember 2000, GABl vom 7. Februar 2001, S. 221
und  vom  21.  Oktober  2002,  GABl  vom  27.  November  2002,  S.  770)  bezeichneten  Personal-  und  Sachkosten  noch
andere  Kosten  aus,  unter  anderem  etwa  das  dem  Land  aus  der  notariellen  Tätigkeit  entstehende  Haftungsrisiko.
Neben der Kostendeckung bezweckt der Gesetzgeber mit dem Wertgebührensystem auch einen sozialen Ausgleich
zwischen  nicht  kostendeckenden  Leistungen  mit  niedrigem  Geschäftswert  und  kostendeckenden  Leistungen  mit
hohem Geschäftswert innerhalb des Bereichs notarieller und gegebenenfalls anderer Leistungen aus dem Bereich der
freiwilligen  Gerichtsbarkeit.  Der  Gebührenzweck  des  sozialen  Ausgleichs  wiederum  findet  seinen  Rückhalt  im
Sozialstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 1 GG sowie im durch Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung
mit  dem  Rechtsstaatsprinzip  gewährleisteten  Justizgewährungsanspruch  (vgl. BVerfGE  80,  103  <107>;  115,  381
<390>; BVerfGK 3, 310 <312>).
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Diese  verschiedenen  Ausgleichsziele  berechtigen  den  Gesetzgeber,  die  Notarkosten  als  Wertgebühren
auszugestalten,  ohne  dass  hierbei  die  Gebühr  unabhängig  von  der  Staatsleistung  festgesetzt  wird.  Der  Schutz-  und
Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung wird im Wertgebührensystem auch dadurch Rechnung getragen, dass der
in  §  32  KostO  geregelte  Gebührentarif  degressiv  verläuft  und  so  bei  höheren  Geschäftswerten  einen  übermäßigen
Gebührenanstieg  vermeidet.  Indem  der  Gesetzgeber  die  Gebührenmaßstäbe  und  -sätze  in  den  Grenzen  der
Wirtschaftlichkeit  so  auswählt  und  staffelt,  dass  sie  unterschiedliche  Ausmaße  in  der  erbrachten  Leistung
berücksichtigen, wahrt er schließlich auch die verhältnismäßige Gleichheit der Gebührenschuldner untereinander.
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b)  Die  Prüfung  der  Schutz-  und  Begrenzungsfunktion  der  Finanzverfassung  muss  die  Besonderheiten  in  den  Blick
nehmen,  die  sich  aus  dem  Zusammenhang  zwischen  dem  in  Art.  138  GG  dem  Grunde  nach  für  zulässig  erklärten
Sonderorganisationsrecht  des  baden-württembergischen  Amtsnotariats  mit  dessen  historischem  Bestandteil  der
Ertragshoheit  des  Landeshaushalts  für  die  Notargebühren  (jetzt  §  10  Abs.  1  LJKG)  einerseits  und  dem  bundesweit
aufgrund  einer  konkurrierenden  Bundesgesetzgebung  vereinheitlichten  Notarkostenrecht  (§  140  KostO)  andererseits
ergeben.  Art.  138  GG  lässt  sich  zwar  kein  allgemeiner  materieller  Aussagegehalt  dahingehend  entnehmen,  dass  in
seinem  Anwendungsbereich  die  allgemeinen  verfassungsrechtlichen  Anforderungen  an  das  notarielle  Organisations-
und Kostenrecht außer Acht gelassen werden könnten (vgl. auch BVerfGE 111, 191 <222 f.>). Dennoch ist die Norm
vor  dem  Hintergrund  eines  vereinheitlichten  Notarkostenrechts  zu  sehen.  Der  mit  §  140  KostO  vom  Gesetzgeber
verfolgte  Zweck,  ungeachtet  der  organisationsrechtlichen  Besonderheiten  in  Baden-Württemberg  die  Erhebung  von
Notarkosten  bundesweit  zu  vereinheitlichen,  ist  daher  auch  bei  der  Kontrolle  der  finanzverfassungsrechtlichen
Anforderungen an die Gebührenerhebung zu berücksichtigen.
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3.  Auch  soweit  die  Beschwerdeführerin  einen  Verstoß  gegen  Art.  3  Abs.  1  GG  im  Zusammenhang  mit  der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Gesellschaftsteuerrichtlinie rügt, ist eine Grundrechtsverletzung
nicht  feststellbar.  Dabei  kann  offen  bleiben,  ob  die  Rüge  bereits  daran  scheitert,  dass  ein  Gleichheitsverstoß
grundsätzlich  nicht  damit  begründet  werden  kann,  dass  unterschiedliche  Hoheitsträger  innerhalb  ihrer  jeweiligen
Rechtsetzungskompetenz unterschiedliche Sachregelungen treffen (vgl. BVerfGE 10, 354 <371>; 42, 20 <27>; 52, 42
<57 f.>; 93, 319 <351>; vgl. auch BVerfGK 3, 310 <313 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats
vom 1. Oktober 2004 - 1 BvR 2221/03 -, NJW 2005, S. 737 <738>). Denn die durch die Gesellschaftsteuerrichtlinie
mittelbar  bewirkte  Zweiteilung  des  Systems  der  Notargebühren  in  Baden-Württemberg  führt  zwar  zu  einer
Ungleichbehandlung.  Diese  hat  ihren  Ursprung  und  sachlichen  Grund  aber  jedenfalls  im  beschränkten  Schutzzweck
der  Gesellschaftsteuerrichtlinie,  der  sich  nicht  ohne  weiteres  auf  Sachverhalte  außerhalb  des  Anwendungsbereichs
der Richtlinie übertragen lässt (vgl. auch BVerfGE 116, 135 <159 f.>).
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4.  Schließlich  verletzt  die  angegriffene  Entscheidung  auch  nicht  Art.  101  Abs.  1  Satz  2  GG.  Der  Europäische
Gerichtshof  ist  gesetzlicher  Richter  im  Sinne  des  Art.  101  Abs.  1  Satz  2  GG  (BVerfGE  73,  339  <366>).  Allerdings
führt  nicht  jeder  Verstoß  gegen  die  in  Art.  234  Abs.  3  EG  statuierte  Vorlagepflicht  zu  einer  Verletzung  von  Art.  101
Abs. 1 Satz 2 GG. Das Bundesverfassungsgericht kann vielmehr erst eingreifen, wenn die Auslegung und Anwendung
dieser  Norm  offensichtlich  unhaltbar,  mithin  willkürlich  ist  (vgl. BVerfGE  29,  198  <207>;  82,  159  <194  ff.>).  Eine
solche Handhabung von Art. 234 Abs. 3 EG ist im vorliegenden Fall nicht feststellbar.
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Das  Oberlandesgericht  hat  Art.  10  der  Gesellschaftsteuerrichtlinie  als  einschlägig  angesehen,  die  erhobenen
Notarkosten aber mit ausführlicher Begründung als zulässige Besitzwechselsteuer im Sinne von Art. 12 Buchst. b der
Richtlinie  betrachtet  und  auf  dieser  Grundlage  eine  Vorlagepflicht  nach  Art.  234  Abs.  3  EG  verneint.  Das  war
angesichts  der  zum  Entscheidungszeitpunkt  bekannten  Rechtsprechung  des  Europäischen  Gerichtshofs  zu  Art.  10
und  12  der  Gesellschaftsteuerrichtlinie  (vgl.  insbesondere  die  Entscheidungen  des  Europäischen  Gerichtshofs  vom
27. Oktober 1998, Rs. C-152/97, BeckRS 2004, 74482, vom 29. September 1999, Rs. C-56/98, Slg. I 1999-8/9 ,
S. 6449, vom 21. März  2002,  Rs.  C-264/00,  Slg.  I  2002-3  ,  S.  3335,  vom  30.  Juni  2005,  Rs.  C-165/03,  DStRE
2005, S. 980, und vom 15. Juni 2006, Rs. C-264/04, NJW 2006, S. 2972) jedenfalls nicht willkürlich.
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Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
21
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Voßkuhle
Osterloh
Mellinghoff