Urteil des BVerfG vom 26.02.2008

BVerfG: elterliche sorge, ordre public, elterliche gewalt, entziehung der elterlichen sorge, persönliche anhörung, gesetzlicher vertreter, gesetzliche vertretung, togo, verfassungsbeschwerde

Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1624/06 -
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn A...,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Rosenboom, Menges & Partner,
Slevogtstraße 48, 28209 Bremen -
gegen
a)
den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 9. Mai 2006 -
5 W 12/06 -,
b)
den Beschluss des Landgerichts Bremen vom 3. Februar 2006 - 5-T-748/05 -,
c)
den Beschluss des Amtsgerichts Bremen vom 14. November 2005 - 41 VII 38/05 -,
d)
den Beschluss des Amtsgerichts Bremen vom 16. August 2005 - 41 VII 38/05 -
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterin Hohmann-Dennhardt
und die Richter Gaier,
Kirchhof
am 26. Februar 2008 einstimmig beschlossen:
1. Die Beschlüsse des Amtsgerichts Bremen vom 16. August 2005 und vom 14. November 2005 - 41 VII 38/05 -
sowie der Beschluss des Landgerichts Bremen vom 3. Februar 2006 - 5-T-748/05 - und der Beschluss des
Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 9. Mai 2006 - 5 W 12/06 - verletzen den Beschwerdeführer
in seinem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes.
Die Beschlüsse werden aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Bremen
zurückverwiesen.
2. Die Freie Hansestadt Bremen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen im
Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe:
1
Der togolesische Beschwerdeführer wendet sich gegen die Bestellung eines Vormunds für seinen Neffen J. -
gleichfalls togolesischer Staatsangehörigkeit -, dessen Vaterschaft er - obwohl er nicht der biologische Vater ist - in
Togo anerkannt hat.
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1. Der Beschwerdeführer ist der Onkel - der Bruder der Mutter - des am 20. Dezember 1993 in Togo geborenen
Kindes. Die Mutter des Kindes - gleichfalls togolesischer Staatsangehörigkeit - ist verstorben, sein biologischer Vater
unbekannt. Das Kind ist nach dem Tod seiner Mutter 1999 in die Obhut der Familie des Beschwerdeführers in Togo
gekommen. Dort wurde es - sowohl in persönlicher als auch in finanzieller Hinsicht - vom Beschwerdeführer und
dessen Bruder betreut. Der Beschwerdeführer, der zu diesem Zeitpunkt bereits in Deutschland in einem Krankenhaus
in L. als Neurochirurg arbeitete, wollte das Kind zu sich nach Deutschland holen, weil einerseits eine enge persönliche
Beziehung zwischen beiden bestand und er dem Kind, das seit seiner Geburt an einem Herzklappenfehler und einer
seltenen Blutkrankheit leidet, andererseits eine optimale medizinische Versorgung ermöglichen wollte. Im Frühjahr
2002 siedelte das Kind - nach Schaffung der rechtlichen und materiellen Voraussetzungen - nach Deutschland über.
Es lebte seit diesem Zeitpunkt bei der Ehefrau des Beschwerdeführers in B. und wurde von dieser während der
Woche, am Wochenende von ihr und dem Beschwerdeführer, der sich berufsbedingt während der Woche in L. aufhielt,
betreut.
3
In der Geburtsurkunde des Kindes ist der Beschwerdeführer als Vater angegeben, als Erklärungsdatum der 31.
Dezember 1993.
4
Der Bruder des Beschwerdeführers beantragte im Dezember 2003 vor dem Amtsgericht in Lome, Togo, die vormals
von ihm ausgeübte elterliche Gewalt auf den Beschwerdeführer zu übertragen. Der Antrag des Bruders des
Beschwerdeführers ist in der Übersetzung der Entscheidung des Amtsgerichts von Lome wie folgt formuliert: „Ich
habe die Ehre, Sie inständig darum zu bitten, ein Urteil zu treffen, das mich dazu ermächtigt, die elterliche Gewalt, die
ich tatsächlich auf den Minderjährigen A.A.J., mutterlose Halbweise, geboren am 20. Dezember 1993 in S. (Präfektur
von Golfe - Togo) ausgeübt habe, auf seinen Vater A.A.K.A., wohnhaft und ansässig in B., L-Str., Deutschland zu
übertragen und zwar vor allem im Interesse des Kindes A.J.“ In dem daraufhin antragsgemäß ergangenen Urteil des
Amtsgerichts vom 18. Dezember 2003 ist der Beschwerdeführer als Vater ausgewiesen.
5
Nach der Entlassung des Kindes nach einer Operation am Herzen im Februar 2005 in H.-E. wurde das Kind wegen
aufgetretener Beschwerden ins Klinikum B.-M. eingewiesen. Dort erklärte es, nicht mehr nach Hause zu wollen.
Nachdem es wohl Suizidabsichten in der Klinik geäußert hatte, wurde seitens der Verantwortlichen des
Krankenhauses das Jugendamt eingeschaltet. Dieses stellte sodann einen Antrag auf Entziehung der elterlichen
Sorge, weil - nach Meinung der behandelnden Ärztin - eine lebensgefährliche Selbstgefährdung des Kindes gegeben
sei, sollte es in den Haushalt seiner Stiefmutter zurückkehren müssen.
6
Das Amtsgericht Bremen - Familiengericht - übertrug daraufhin im Wege der einstweiligen Anordnung durch
Beschluss vom 9. Juni 2005 das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind auf das Jugendamt. Ungeklärt war zu
diesem Zeitpunkt, aus welchem Grund das Kind eine Rückkehr in den Haushalt seiner Stiefmutter verweigerte. In dem
auf die Beschwerde des Beschwerdeführers hin stattfindenden Anhörungstermin wurde - neben der familiären
Situation und des Verhältnisses des Kindes zu der nicht anwesenden Stiefmutter - erörtert, dass der
Beschwerdeführer nicht der leibliche Vater, sondern der Bruder der im Jahr 1999 verstorbenen Mutter ist, er aber
gleichwohl die Vaterschaft übernommen hat. Im Anschluss schrieb das Familiengericht dem Vormundschaftsgericht
die Akte mit der Bitte zu, zu prüfen, ob für das Kind eine Vormundschaft einzurichten sei, weil es keinen gesetzlichen
Vertreter habe.
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a) Das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - stellte bei der Bestellung des Vormunds durch Beschluss vom 16.
August 2005 und in seiner - auf die Beschwerde des Beschwerdeführers hin ergangenen - Nichtabhilfeentscheidung
vom 14. November 2005 auf die durch das Familiengericht verkündete nicht gegebene gesetzliche Vertretung für das
Kind und die fehlende elterliche Sorge ab.
8
b) Das Landgericht wies - ohne persönliche Anhörung - die Beschwerde des Beschwerdeführers durch Beschluss
vom 3. Februar 2006 zurück. Das Amtsgericht habe zu Recht für den Minderjährigen einen Vormund bestellt, weil er
nicht gemäß § 1773 BGB unter elterlicher Sorge stehe. Das Gericht sah nach Art. 24 EGBGB in Verbindung mit
Art. 13 des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des
Schutzes von Minderjährigen (MSA) vom 5. Oktober 1961 (BGBl II 1971 S. 217) den Anwendungsbereich deutschen
Rechts gegeben und verneinte im vorliegenden Fall die gemäß Art. 3 MSA grundsätzliche Bindungswirkung der
Entscheidung des togolesischen Gerichts vom 18. Dezember 2003 wegen eines Verstoßes gegen den ordre public.
Die Entscheidung des togolesischen Gerichts sei mit der unwahren Behauptung erwirkt worden, der Beschwerdeführer
sei der biologische Vater. Auch habe die erforderliche Mitwirkung des Kindes nicht festgestellt werden können. Nach
§ 1595 Abs. 2 BGB sei für die Vaterschaftsanerkennung grundsätzlich die Zustimmung des Kindes erforderlich, wenn
die Mutter einer Anerkennung nicht zustimmen könne.
9
c) Das Oberlandesgericht wies durch Beschluss vom 9. Mai 2006 die weitere Beschwerde des Beschwerdeführers
zurück. Das Gericht folgte der Begründung des Landgerichts.
10
2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Er
habe die Vaterschaft anerkannt und die sich hieraus ergebende Verantwortung und ergebenden Pflichten
übernommen. Zwischen dem Kind und ihm bestehe eine enge Verbundenheit. Die Entziehung oder Aberkennung der
Sorgerechtsstellung stelle einen massiven Eingriff in die Rechtsposition der Eltern beziehungsweise
Sorgeberechtigten dar.
11
3. Die Verfassungsbeschwerde wurde dem Senat der Freien Hansestadt Bremen, dem Amt für Soziale Dienste
Bremen, Sozialzentrum Mitte und dem Amt für Soziale Dienste Bremen, Sozialzentrum Hemelingen/Osterholz -
Jugendamt - zur Stellungnahme zugestellt.
12
Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens und des Familiengerichts vorgelegen.
13
Die Kammer gibt der Verfassungsbeschwerde statt.
14
Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Elternrechts des Beschwerdeführers geboten
(§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen
verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die zulässige -
insbesondere ausreichend substantiiert begründete (§ 92 BVerfGG) - Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet
ist (§ 93c Abs. 1 BVerfGG).
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1. Die angegriffenen Beschlüsse des Amtsgerichts, der Beschluss des Landgerichts sowie der des
Oberlandesgerichts verletzen den Beschwerdeführer in seinem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG.
16
a) Die von den Fachgerichten getroffenen tatsächlichen Feststellungen und die von ihnen im Einzelnen
vorgenommene Abwägung hat das Bundesverfassungsgericht nicht nachzuprüfen. Ebenso ist es grundsätzlich den
Fachgerichten überlassen, welchen verfahrensrechtlichen Weg sie wählen, um zu den für ihre Entscheidung
notwendigen Erkenntnissen zu gelangen (vgl. BVerfGE 79, 51 <62>). Der verfassungsgerichtlichen Prüfung unterliegt
jedoch, ob fachgerichtliche Entscheidungen auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung und
Tragweite eines Grundrechts beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>). Die Intensität dieser Prüfung hängt davon ab, in
welchem Maße von der Entscheidung Grundrechte beeinträchtigt werden (vgl. BVerfGE 83, 130 <145> m.w.N.).
17
Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG schützt die Eltern-Kind-Beziehung und sichert den Eltern das Recht auf Pflege und
Erziehung ihrer Kinder (vgl. BVerfGE 31, 194 <204>; 104, 373 <385>). Dieses den Eltern verfassungsrechtlich
gegenüber dem Staat gewährleistete Freiheitsrecht dient in erster Linie dem Kindeswohl, das zugleich oberste
Richtschnur für die Ausübung der Elternverantwortung ist (vgl. BVerfGE 61, 358 <371 f.>; 75, 201 <218>; 104, 373
<385>; 107, 104 <117>).
18
Der rechtliche Vater eines Kindes, der für dieses Elternverantwortung wahrnimmt, ist Träger des Elternrechts aus
Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 24, 119 <136>). Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geht zwar von einer auf Zeugung
begründeten leiblichen Elternschaft aus, nimmt aber über diese Zuordnung hinausgehend die Eltern-Kind-Beziehung
als umfassendes Verantwortungsverhältnis von Eltern gegenüber ihren der Pflege und Erziehung bedürftigen Kindern
unter seinen Schutz. Voraussetzung dafür, entsprechend dem Elternrecht Verantwortung für das Kind tragen zu
können, ist insofern auch die soziale und personale Verbundenheit zwischen Eltern und Kind (vgl. BVerfGE 56, 363
<382>; 61, 358 <372>; 103, 89 <107>). Die Abstammung wie die sozial-familiäre Verantwortungsgemeinschaft
machen gleichermaßen den Gehalt von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG aus (vgl. BVerfGE 92, 158 <178>).
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b) Diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben halten die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 16. August 2005 und
vom 14. November 2005, der Beschluss des Landgerichts vom 3. Februar 2006 sowie des Oberlandesgerichts vom 9.
Mai 2006 nicht stand. Die Gerichte haben das Elternrecht des Beschwerdeführers in seinem materiellen Gehalt
verkannt.
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aa) Das Landgericht und das Oberlandesgericht stellen bezüglich der Frage, ob der Beschwerdeführer wirksam die
Vaterschaft anerkannt habe, auf die Entscheidung des togolesischen Gerichts vom 18. Dezember 2003 ab, und
versagen dieser ihre Anerkennung unter Verweis auf einen Verstoß gegen den ordre public, Art. 6 EGBGB, weil der
Beschwerdeführer wahrheitswidrig als biologischer Vater vor dem togolesischen Gericht aufgetreten sei und trotz nicht
bestehender biologischer Vaterschaft diese anerkannt habe sowie die für die Anerkennung der Vaterschaft
erforderliche Mitwirkung des Kindes nach § 1595 Abs. 2 BGB fehle.
21
Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben bezüglich des Vaterschaftsanerkenntnisses auf die Entscheidung
des togolesischen Gerichts abgestellt, obgleich ausweislich des Wortlauts der Entscheidung die durch den Bruder des
Beschwerdeführers tatsächlich ausgeübte elterliche Gewalt auf den Beschwerdeführer übertragen worden ist. Sie
haben sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, welchen Anforderungen und Voraussetzungen ein
Vaterschaftsanerkenntnis nach togolesischem Recht unterliegt, das heißt ob diese Entscheidung nach togolesischem
Recht ein Vaterschaftsanerkenntnis oder nicht vielmehr - was nach dem Wortlaut der Entscheidung naheliegender
wäre - die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Beschwerdeführer ist. Folglich sind sie auch nicht der Frage
nachgegangen, ob nach togolesischem Recht die Anerkennung der Vaterschaft mit der Eintragung des
Beschwerdeführers als Vater in die Geburtsurkunde des Kindes erfolgt ist.
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Soweit das Landgericht und das Oberlandesgericht - unter Zugrundelegung der Entscheidung des togolesischen
Gerichts - einen Verstoß gegen den ordre public annehmen, lassen sie zum einen außer Betracht, dass das
togolesische Recht ebenso wenig wie das deutsche Recht Bestimmungen dahingehend enthält, dass ein bewusst
wahrheitswidrig abgegebenes Vaterschaftsanerkenntnis unwirksam wäre. Das Ergebnis - Wirksamkeit eines bewusst
unrichtigen Vaterschaftsanerkenntnisses - würde bei Anwendung deutschen Rechts nicht anders ausfallen, verstößt
also nicht gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts mit der Folge, dass auch ein Verstoß gegen den
ordre public, Art. 6 EGBGB nicht gegeben ist (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 3. August 2000 - 16 UF 180/00 -, FamRZ
2001, 246 <248>). Zum anderen ist - entgegen der Annahme des Landgerichts und des Oberlandesgerichts - eine
Zustimmung des Kindes bei einem Vaterschaftsanerkenntnis nur dann erforderlich, wenn das Kind nicht unter der
elterlichen Sorge der Mutter steht, § 1595 Abs. 2 BGB. Für ein Kind, das geschäftsunfähig oder noch nicht 14 Jahre
alt ist, kann gemäß § 1596 Abs. 2 BGB der gesetzliche Vertreter zustimmen. Einer vormundschaftsgerichtlichen
Genehmigung bedarf es nicht. Zutreffend ist, dass - unter der Prämisse, dass die Entscheidung des togolesischen
Gerichts die Anerkennung der Vaterschaft beinhaltet - eine Zustimmung des Kindes nach § 1595 Abs. 2 BGB
erforderlich war, diese aber - weil das Kind noch nicht 14 Jahre alt war - durch den gesetzlichen Vertreter hätte erteilt
werden können. Weder das Landgericht noch das Oberlandesgericht ist der Frage nachgegangen, ob der die
Entscheidung beantragende Bruder des Beschwerdeführers gesetzlicher Vertreter des Kindes nach togolesischem
Recht war.
23
Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben es unterlassen, für die Vaterstellung des Beschwerdeführers
maßgebliche rechtliche Erwägungen anzustellen.
24
bb) Das Amtsgericht stellt allein darauf ab, dass das Familiengericht in seinem Beschluss vom 3. August 2005
verkündet habe, der Minderjährige habe keinen gesetzlichen Vertreter, das heißt er mithin nicht unter elterlicher Sorge
stehe. Eine eigene Prüfung, ob der Beschwerdeführer die Vaterschaft wirksam anerkannt hat und Inhaber der
elterlichen Sorge ist, nimmt das Gericht nicht vor. Mit einer Elternstellung des Beschwerdeführers setzt sich das
Gericht in keinster Weise auseinander und hat daher das Elternrecht des Beschwerdeführers aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1
GG in seiner Entscheidung verkannt.
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c) Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer bei einer Zurückverweisung an das Ausgangsgericht im
Ergebnis keinen Erfolg haben würde (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).
26
Die Abstammung des nichtehelichen Kindes unterliegt nach Art. 224 § 1 Abs. 1 EGBGB in Verbindung mit Art. 20
Abs. 1 EGBGB [in der Fassung vom 21. September 1994 (BGBl I S. 2494)] dem Heimatrecht der Mutter (Satz 1),
dem Heimatrecht des Vaters (Satz 3, 1. Alt.) oder dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes (Satz 3, 2.
Alt.) im Zeitpunkt des Anerkenntnisses der Vaterschaft (vgl. Klinkhardt in: Münchener Kommentar, BGB, Bd. 10, 3.
Aufl., 1998, Art. 20, Rn. 27). Jede der drei Anknüpfungsmodalitäten führt zur Anwendung togolesischen Rechts. Die
Anerkennung der Vaterschaft kann gemäß Art. 194 des Code des personnes et de la famille (CPF) vom 31. Januar
1980 (vgl. Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Stand Juli 2007, Togo, S. 13, 42)
durch die Eintragung des Vaters in die Geburtsurkunde erfolgen. Gemäß Art. 246 CPF wird die elterliche Sorge bei
einem nichtehelich geborenen Kind durch den Vater ausgeübt, sofern beide Elternteile anerkannt haben.
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Der Beschwerdeführer ist - neben der Mutter des Kindes - als Vater in die Geburtsurkunde des Kindes eingetragen,
so dass ein Anerkenntnis der Vaterschaft nach Art. 194 CPF in Betracht kommt. Zwar hindert Art. 197 CPF die
Anerkennung eines aus einer inzestuösen Beziehung hervorgegangenen Kindes, jedoch ist der Beschwerdeführer
unstreitig nicht der biologische Vater. Der Wirksamkeit dürfte ein Verstoß gegen Art. 6 EGBGB wegen der fehlenden
Zustimmung des Kindes zu dem Vaterschaftsanerkenntnis nicht entgegenstehen. Das Kind dürfte bei Eintragung des
Beschwerdeführers als Vater in die Geburtsurkunde unter der elterlichen Sorge der Mutter gestanden haben, deren
Zustimmung in der gemeinsamen Eintragung als Eltern in die Geburtsurkunde gesehen werden kann, oder unter der
elterlichen Sorge des Beschwerdeführers als anerkennender Vater. Stand dem Beschwerdeführer mit der
Anerkennung die elterliche Sorge für das Kind gemäß Art. 246 CPF zu, bestand ein nach Art. 3 MSA zu beachtendes
kraft Gesetzes bestehendes Gewaltverhältnis.
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Wurde dem Beschwerdeführer die elterliche Sorge durch die Entscheidung des togolesischen Gerichts vom 18.
Dezember 2003 übertragen, besteht zwar kein gesetzliches Gewaltverhältnis im Sinne des Art. 3 MSA. Jedoch sind
auch in diesem Fall nur Schutzmaßnahmen zulässig, die zum Wohle des Kindes notwendig sind, auf der anderen
Seite aber auch die gleichwohl bestehende elterliche Sorge des Beschwerdeführers beachten. Eine völlige
Verdrängung des Beschwerdeführers aus seiner Vaterstellung - wie bei einer vollumfänglichen Bestellung eines
Vormunds - dürfte insbesondere der übernommenen Verantwortung des Beschwerdeführers für das Kind und der
bestehenden sozialen und personalen Verbundenheit des Kindes mit dem Beschwerdeführer und der damit gegebenen
sozial-familiären Verantwortungsgemeinschaft nicht gerecht werden.
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Ist das Vaterschaftsanerkenntnis des Beschwerdeführers dagegen in der gerichtlichen Entscheidung des
togolesischen Gerichts zu sehen, ist der Frage nachzugehen, ob die unter Beachtung des ordre public für ein
wirksames Anerkenntnis erforderliche Zustimmung eines gesetzlichen Vertreters des zum Zeitpunkt der Anerkennung
noch nicht 14 Jahre alten Kindes, etwa aufgrund des Antrags des die elterliche Sorge für das Kind ausübenden
Bruders des Beschwerdeführers vorlag.
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d) Die Entscheidungen beruhen auf dem Verstoß gegen das Elternrecht, weil nicht ausgeschlossen werden kann,
dass die Gerichte bei gebotener Beachtung des Elternrechts des Beschwerdeführers zu einem diesem günstigeren
Ergebnis gelangt wären.
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2. Die Verletzung des Elternrechts des Beschwerdeführers durch die angegriffenen Entscheidungen ist nach § 95
Abs. 1 Satz 1 BVerfGG festzustellen. Die Beschlüsse des Amtsgerichts sowie der Beschluss des Landgerichts und
der des Oberlandesgerichts sind aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht
zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).
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3. Die Anordnung der Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Hohmann-Dennhardt
Gaier
Kirchhof