Urteil des BVerfG vom 27.05.2002

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Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 290/02 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn S ...,
- Bevollmächtigter:
Rechtsanwalt Martin Böhmer,
Hirtengraben 16, 91257 Pegnitz/Buchau -
gegen
a)
den Beschluss des Landgerichts Bayreuth vom 10. Januar 2002 – Qs 5/02 -,
b)
den Beschluss des Amtsgerichts Bayreuth vom 11. Dezember 2001 – 3 Ds 9 Js
2383/01 -
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten Hassemer,
die Richterin Osterloh
und den Richter Mellinghoff
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I
S. 1473) am 27. Mai 2002 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
1
Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt
weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1
BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf
Erfolg.
2
Die Feststellung und die Würdigung des Tatbestands und die Auslegung und Anwendung der Vorschriften des
Strafrechts und Strafprozessrechts sind in erster Linie Sache der Fachgerichte und einer Nachprüfung durch das
Bundesverfassungsgericht regelmäßig entzogen (BVerfGE 18, 85 <92>; 30, 173 <196>; 57, 250 <271>; 96, 68 <99>).
Ein Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts kommt erst dann in Betracht, wenn die angegriffenen fachgerichtlichen
Entscheidungen gegen spezifisches Verfassungsrecht verstoßen, insbesondere wenn sie bei verständiger Würdigung
der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich sind.
3
Diesem verfassungsrechtlichen Maßstab werden die angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen gerecht.
4
Die von ihnen vorgenommene Auslegung der Vorschriften der §§ 460 Abs. 1 StPO, 59 c Abs. 2 und 55 StGB und
ihre Anwendung auf die Verwarnung mit Strafvorbehalt ist zwar in der fachgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur
umstritten (befürwortend Lackner, StGB, 24. Aufl., § 59 c Rn. 3; Leipziger Kommentar zum StGB, 10. Aufl., § 59 c
Rn. 4; Landgericht Flensburg, SchLHA 1997, S. 285 <286>; ablehnend Tröndle/Fischer, StGB, § 59 c Rn. 2; Stree in
Schöncke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 59 c Rn. 5; Amtsgericht Dieburg, NStZ 1996, S. 613). Sie ist jedoch von
Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Die Vorschrift des § 460 StPO dient in erster Linie dazu, den mit der
Vorschrift des § 55 StGB verfolgten Zweck, die durch eine verfahrensrechtlich getrennte Aburteilung an sich
gesamtstrafenfähiger Entscheidungen entstandenen Vor- und Nachteile nachträglich auszugleichen, auch dann zu
sichern, wenn die nachträgliche Gesamtstrafenbildung im Erkenntnisverfahren unterblieben ist (vgl. BGH NJW 1958,
S. 1643 <1644 f.>). Da die Vorschrift des § 59 c Abs. 2 StGB für diesen Fall die Verwarnung mit Strafvorbehalt einer
Vorverurteilung gleichstellt, ist die von den Fachgerichten getroffene Entscheidung nachträglicher
Gesamtstrafenbildung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
5
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Nr. 3 BVerfGG).
6
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Hassemer
Osterloh
Mellinghoff