Urteil des BVerfG vom 29.07.1999

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Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1137/96 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn B...
gegen
den Beschluß des Hanseatischen Oberlandesgerichts
Hamburg vom 17. April 1996 - 7 W 13/96 -
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungs- gerichts durch den
Vizepräsidenten Papier
und die Richter Grimm,
Hömig
gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I
S. 1473)
am 29. Juli 1999 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
1
Die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.
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1. Der angegriffene Beschluß hält einer verfassungsrechtlichen Nachprüfung allerdings nicht stand. Das gilt vor
allem für die Ansicht des Oberlandesgerichts, der Beschwerdeführer habe es schuldhaft versäumt, gegen den
Beschluß des Landgerichts vom 8. Januar 1996 rechtzeitig sofortige Beschwerde zu erheben. Dabei kann
dahinstehen, ob der Beschluß vom 8. Januar 1996 durch die Zustellung an den Prozeßbevollmächtigten des
Beschwerdeführers wirksam zugestellt und dadurch die Notfrist des § 577 Abs. 2 ZPO ausgelöst worden war.
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Denn selbst wenn man mit dem Oberlandesgericht von einer wirksamen Zustellung ausgeht, ist es mit dem
rechtsstaatlichen Gebot der fairen Verfahrensführung nicht vereinbar, dem Beschwerdeführer die Versäumung der
Beschwerdefrist entgegenzuhalten. Der Anspruch auf ein faires Verfahren gewährleistet den Prozeßbeteiligten, daß
ein Gericht sich nicht widersprüchlich verhält, aus eigenen oder ihm zuzurechnenden Fehlern oder Versäumnissen
keine Verfahrensnachteile ableitet und allgemein Rücksicht gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten
Situation übt (vgl. BVerfGE 78, 123 <126>). Im vorliegenden Fall beruhte die Versäumung der Beschwerdefrist jedoch
ersichtlich auf der (fehlerhaften) Verfahrensführung des Landgerichts. Das Landgericht selber hat seinen Beschluß
vom 8. Januar 1996 - wenn auch nach Auffassung des Oberlandesgerichts in "grob prozeßrechtswidriger Weise" - als
nicht existent behandelt und erst durch seine Verfahrensführung den Beschwerdeführer dazu verleitet, von einer
rechtzeitigen sofortigen Beschwerde abzusehen. Unter diesen Umständen hätte das Oberlandesgericht nicht von einer
verschuldeten Versäumung der Beschwerdefrist ausgehen dürfen.
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2. Gleichwohl ist die Annahme der Verfassungsbeschwerde nicht angezeigt. Die geltend gemachte
Grundrechtsverletzung hat für den Beschwerdeführer kein besonderes Gewicht (vgl. BVerfGE 90, 22 <25>). Die
Bedeutung des Rechtsstreits hat sich durch die gemeinsamen Erledigungserklärungen vor dem Land- und
Oberlandesgericht letztlich auf die Kostenfrage reduziert. Der Beschwerdeführer muß zwar nach dem Beschluß des
Oberlandesgerichts vom 22. April 1999 die Kosten des Rechtsstreits tragen; durch die ihm gewährte
Streitwertbegünstigung nach § 23 b UWG ist die Kostenlast jedoch reduziert. Insofern ist nicht ersichtlich, daß die
fehlerhafte Behandlung des Ablehnungsgesuchs den Beschwerdeführer besonders belastet. Außerdem steht nicht zu
erwarten, daß der Beschwerdeführer bei einer Zurückverweisung durch das Bundesverfassungsgericht in der Sache
ein anderes Ergebnis erreichen würde, so daß die Annahme der Verfassungsbeschwerde auch aus diesem Grund
nicht angezeigt ist (vgl. BVerfGE 90, 22 <26>).
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3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Papier
Grimm
Hömig