Urteil des BVerfG vom 08.11.2010

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Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2643/10 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn M...
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwältin Helena Lindemann-Többen
in Sozietät Helena Lindemann-Többen & Wilfried Markus,
Poststraße 46, 26897 Esterwegen -
gegen
a)
den Beschluss des Landgerichts Osnabrück vom 13. August 2010 - 9 T 533/10 -,
b)
den Beschluss des Amtsgerichts Papenburg vom 19. Juli 2010 - 2 II 112/09, 2 II
263/09 und 2 II 512/09 -,
c)
den Beschluss des Amtsgerichts Papenburg vom 21. Januar 2010 - 2 II 512/09 -
h i e r : Antrag auf Auslagenerstattung
und Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswerts
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterin Hohmann-Dennhardt
und die Richter Gaier,
Paulus
gemäß § 93d Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 34a Abs. 3 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.
August 1993 (BGBl I S. 1473) am 8. November 2010 einstimmig beschlossen:
Der Antrag des Beschwerdeführers auf Anordnung der Erstattung seiner notwendigen Auslagen wird abgelehnt.
Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 4.000 € (in Worten: viertausend Euro) festgesetzt
(§ 37 Abs. 2 Satz 2 RVG).
Gründe:
1
Über die Erstattung der Auslagen und den Gegenstandswert hat gemäß § 93d Abs. 2 Satz 1 BVerfGG die Kammer
zu entscheiden.
2
1. Für die erstrebte Anordnung der Auslagenerstattung besteht keine rechtliche Grundlage.
3
Gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG ist im Falle der Erledigung der Verfassungsbeschwerde über die Erstattung der
Auslagen des Beschwerdeführers nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden. Dabei ist eine Gesamtwürdigung
aller bekannten Umstände vorzunehmen. Im Hinblick auf Funktion und Tragweite der Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts erscheint es grundsätzlich bedenklich, im Falle der Erledigung einer
Verfassungsbeschwerde aufgrund einer überschlägigen Beurteilung der Erfolgsaussichten über die Auslagenerstattung
zu entscheiden und dabei zu verfassungsrechtlichen Zweifelsfragen aufgrund einer lediglich kursorischen Prüfung
Stellung zu nehmen (vgl. BVerfGE 33, 247 <264 f.>). Diese Bedenken greifen nur dann nicht ein, wenn die
Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde unterstellt werden kann oder wenn die verfassungsrechtliche Lage - etwa
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in einem gleich liegenden Fall - bereits geklärt ist (vgl.
BVerfGE 85, 109 <115 f.>). Grundsätzlich spricht einiges dafür, dem Beschwerdeführer die Erstattung seiner
Auslagen zuzubilligen, wenn der verantwortliche Hoheitsträger die mit der Verfassungsbeschwerde gerügte Belastung
beseitigt oder der Verfassungsbeschwerde auf andere Weise abgeholfen hat, und diesem Verhalten entnommen
werden kann, dass der Hoheitsträger selbst davon ausgeht, dass das Anliegen des Beschwerdeführers berechtigt war
(vgl. BVerfGE 85, 109 <114 f.>; 87, 394 <397>; 91, 146 <147>). Wenn allerdings der Erfolg oder Misserfolg der
erledigten Verfassungsbeschwerde nicht auf der Hand liegt und auch nicht unterstellt werden kann, hat es in der Regel
beim Grundsatz zu verbleiben, dass der Beschwerdeführer seine eigenen Auslagen selbst zu tragen hat; eine
Auslagenerstattung kommt hier nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände in Betracht (vgl. Kunze, in:
Umbach/Clemens/Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2005, § 34a Rn. 40 ff., 49).
4
Nach diesen Grundsätzen entspricht es vorliegend nicht der Billigkeit, dem Land Niedersachsen die Erstattung der
dem Beschwerdeführer entstandenen notwendigen Auslagen aufzugeben. Ein Erfolg der Verfassungsbeschwerde
kann nicht unterstellt werden. Zwar hat das zuständige Landgericht die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene
Vergütungsfestsetzung auf die Gegenvorstellung des Beschwerdeführers durch Beschluss vom 1. Oktober 2010
antragsgemäß abgeändert. Das Landgericht hat für seine Entscheidung vom 1. Oktober 2010 jedoch ausschließlich
auf einfachrechtliche Gesichtspunkte abgestellt und sich zu verfassungsrechtlichen Fragen in keiner Weise geäußert.
Auch aus dem - teilweise pauschalen - Vorbringen des Beschwerdeführers ergibt sich nicht ohne Weiteres, dass die
angegriffenen Entscheidungen verfassungswidrig waren und dass die Verfassungsbeschwerde ohne das erledigende
Ereignis Erfolg gehabt hätte.
5
2. Der Gegenstandswert wird auf 4.000 € festgesetzt. Da vorliegend nicht auf der Hand liegt, dass die für erledigt
erklärte Verfassungsbeschwerde Erfolg gehabt hätte, ist die Festsetzung eines über dem gesetzlichen Mindestwert
von 4.000 € liegenden Gegenstandswerts nicht gerechtfertigt.
6
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Hohmann-Dennhardt
Gaier
Paulus