Urteil des BVerfG vom 12.08.2010

BVerfG: wiedereinsetzung in den vorigen stand, verfassungsbeschwerde, fristversäumnis, willkür, fristablauf, missbrauch, gefahr, mandat, gesamteindruck, sachprüfung

Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 1465/10 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn B …
- Bevollmächtigter:
Rechtsanwalt Sch…
1. unmittelbar gegen
a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg vom 8. April 2010 - 2 Ss OWi 299/2010 -,
b) das Urteil des Amtsgerichts Ansbach vom 7. Dezember 2009 - 6 OWi 1081 Js 10425/09 -
2. mittelbar gegen
§ 100h StPO
und Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richter Broß,
Di Fabio
und Landau
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S.
1473) am 12. August 2010 einstimmig beschlossen:
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgelehnt.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Dem Beschwerdeführer und dem Bevollmächtigten des Beschwerdeführers werden gemäß § 34 Abs. 2 BVerfGG
jeweils eine Missbrauchsgebühr in Höhe von 300 € (in Worten: dreihundert Euro) auferlegt.
Gründe:
I.
1
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Verurteilung zu einer Geldbuße von 180 € wegen einer
Verkehrsordnungswidrigkeit. Er macht geltend, das Amtsgericht habe § 100h StPO nicht als Rechtsgrundlage für die
Anfertigung von Bildaufnahmen heranziehen dürfen. Darin sieht er unter anderem einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1
GG.
2
Der Beschwerdeführer hat innerhalb der Beschwerdefrist weder die angefochtenen Gerichtsentscheidungen vorgelegt
noch deren wesentlichen Inhalt mitgeteilt. Auf den Hinweis des Präsidialrats des Bundesverfassungsgerichts, dass
die Ablichtungen der Entscheidungen zusammen mit weiteren Anlagen erst nach Ablauf der Monatsfrist beim
Bundesverfassungsgericht eingegangen seien, hat der Beschwerdeführer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
beantragt, ohne jedoch Gründe für die Fristversäumnis vorzutragen.
II.
3
1. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2
BVerfGG liegen nicht vor.
4
a) Der Beschwerdeführer hat die Verfassungsbeschwerde nicht fristgerecht erhoben. Der Antrag auf
Wiedereinsetzung ist abzulehnen.
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Die ordnungsgemäße Begründung einer Verfassungsbeschwerde erfordert, dass die angegriffenen Entscheidungen
selbst vorgelegt oder dass innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG wenigstens ihr wesentlicher Inhalt
mitgeteilt wird und sich die Verfassungsbeschwerde mit diesem Inhalt auseinandersetzt (vgl. BVerfGE 88, 40 <45>;
93, 266 <288>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 5. Mai 2004 - 1 BvR 341/04 -, BVerfGK 3,
207 f.). Nur so kann der die behauptete Grundrechtsverletzung enthaltende Vorgang vollständig in einer der
verfassungsgerichtlichen Prüfung zugänglichen Weise aus sich heraus verständlich und nachvollziehbar dargelegt
werden (vgl. BVerfGE 81, 208 <214>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 21. Februar 2001 -
2 BvR 1469/00 -, NJW 2001, S. 1567 <1568>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 6. Juni 2001 - 1
BvR 859/01 -, juris; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. September 2001 - 1 BvR 305/01 -, NJW
2002, S. 955).
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Diesen Anforderungen genügt die Verfassungsbeschwerde nicht. Der Beschwerdeführer hat in seiner fristgerecht
eingegangenen Beschwerdeschrift lediglich punktuell zum Inhalt der angefochtenen Entscheidungen vorgetragen.
Dem Bundesverfassungsgericht wurde es dadurch nicht ermöglicht, sich einen Gesamteindruck von deren Inhalt und
deren Grundlagen zu verschaffen. Es genügt gerade nicht, dass ein Beschwerdeführer lediglich die von ihm
angefochtenen Begründungselemente wiedergibt, ohne dass ein Gesamtzusammenhang erkennbar wird. Die
Unzulänglichkeit des Vortrages wird durch die nach Fristablauf vorgelegten Entscheidungen bekräftigt. In den
jeweiligen Entscheidungsgründen haben sich die Fachgerichte eingehend mit den einfachrechtlichen Einwendungen
auseinandergesetzt. Ob darüber hinaus auch die verfristete Vorlage der weiteren Schriftsätze zur Unzulässigkeit führt
(vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 21. Februar 2001 - 2 BvR 1469/00 -, NJW 2001,
S. 1567 <1568>), kann dahinstehen.
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Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen nicht vor. Nach § 93 Abs. 2 Satz 3
BVerfGG sind die Tatsachen, die auf eine unverschuldete Fristversäumnis schließen lassen, glaubhaft zu machen.
Der Beschwerdeführer hat sich jedoch darauf beschränkt, lediglich einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen. Gründe
dafür, warum er verhindert gewesen sein soll, die Frist einzuhalten, wurden weder vorgetragen noch sind solche sonst
ersichtlich.
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b) Die Verfassungsbeschwerde ist im Übrigen auch mangels hinreichender Substantiierung unzulässig. Der
Beschwerdeführer wendet sich lediglich gegen die tatsächliche Würdigung des Sachverhalts und die Auslegung
einfachen Rechts, die vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nicht auf ihre Richtigkeit nachgeprüft wird
(BVerfGE 15, 245 <247>; 18, 85 <92>; 20, 144 <150>). Anhaltspunkte für Verfassungsverstöße - Verkennen von
Bedeutung und Tragweite von Grundrechten oder Willkür - lassen die Feststellungen der Fachgerichte nicht erkennen.
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2. Die Verfassungsbeschwerde ist rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 34 Abs. 2 BVerfGG. Ein Missbrauch liegt
unter anderem vor, wenn eine Verfassungsbeschwerde offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und ihre
Einlegung von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (vgl. BVerfG, Beschluss der 2.
Kammer des Zweiten Senats vom 6. November 1995 - 2 BvR 1806/95 -, NJW 1996, S. 1273 <1274>; Beschluss der
1. Kammer des Ersten Senats vom 13. Februar 2001, - 1 BvR 104/01 -, juris). Dabei ist von einem Rechtsanwalt, der
das Mandat zur Führung eines Prozesses vor dem Bundesverfassungsgericht annimmt, zu verlangen, dass er sich
mit der verfassungsrechtlichen Materie auseinandersetzt (vgl. BVerfGE 88, 382 <384>), die Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts zu den aufgeworfenen Fragen prüft, die Erfolgsaussichten einer beabsichtigten
Verfassungsbeschwerde eingehend abwägt und sich entsprechend den Ergebnissen seiner Prüfung verhält (vgl.
BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Dezember 1996 - 2 BvR 673/96, 2 BvR 2190/96 -,
juris). Diese Anforderungen treffen auf einen juristisch vorgebildeten Beschwerdeführer ebenso zu. Unterlässt er und
sein Bevollmächtigter diese Sachprüfung in vorwerfbarer Weise, setzen sich beide der Gefahr einer
Gebührenbelastung nach § 34 Abs. 2 BVerfGG aus (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom
23. Dezember 1996 - 2 BvR 673/96, 2 BvR 2190/96 -, juris).
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Der Beschwerdeführer, der selbst Rechtsanwalt ist, und sein Bevollmächtigter wurden auf die
Zulässigkeitsbedenken durch das Schreiben des Präsidialrats des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich
hingewiesen. Beide hätten ohne weiteres erkennen können und müssen, dass die Verfassungsbeschwerde verfristet
war und der Wiedereinsetzungsvortrag nicht einmal den Mindestanforderungen genügt. Darüber hinaus war für einen
Rechtsanwalt auch ohne weiteres erkennbar, dass die Verfassungsbeschwerde auch sonst völlig aussichtslos war.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
12
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Broß
Di Fabio
Landau