Urteil des BVerfG vom 23.07.2014

BVerfG: nummer, chemische reinigung, gewährleistung, grundrecht, haushalt, nettoeinkommen, existenzminimum, unterdeckung, bundesamt, verkehr

L e i t s ä t z e
zum Beschluss des Ersten Senats vom 23. Juli 2014
- 1 BvL 10/12 -
- 1 BvL 12/12 -
- 1 BvR 1691/13 -
1. Zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG) dürfen die Anforderungen des Grundgesetzes,
tatsächlich für eine menschenwürdige Existenz Sorge zu tragen, im Ergebnis nicht verfehlt
werden und muss die Höhe existenzsichernder Leistungen insgesamt tragfähig
begründbar sein.
2. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht gehindert, aus der grundsätzlich
zulässigen statistischen Berechnung der Höhe existenzsichernder Leistungen nachträglich
in Orientierung am Warenkorbmodell einzelne Positionen herauszunehmen. Der
existenzsichernde Regelbedarf muss jedoch entweder insgesamt so bemessen sein, dass
Unterdeckungen intern ausgeglichen oder durch Ansparen gedeckt werden können, oder
ist durch zusätzliche Leistungsansprüche zu sichern.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvL 10/12 -
- 1 BvL 12/12 -
- 1 BvR 1691/13 -
Bundesadler
Im Namen des Volkes
In den Verfahren
I. zur verfassungsrechtlichen Prüfung, ob
1. § 19 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 3 Satz 1, § 20 Abs. 1, 4 und 5 SGB II in der
Fassung von Art. 2 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und
zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom
24. März 2011 (BGBl I S. 453) in Verbindung mit § 28a SGB XII in der
Fassung von Art. 3 des Gesetzes vom 24. März 2011 (BGBl I S. 453) und
§ 8 Abs. 1 Nr. 2 RBEG (Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28
des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, verkündet als Art. 1 des
Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des
Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011
) insoweit mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs.
1 GG - Sozialstaatlichkeit - und dem sich daraus ergebenden Grundrecht
auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums
vereinbar sind, als die für die Höhe der Grundsicherungsleistungen
maßgeblichen Regelbedarfe für als Ehegatten zusammenlebende
erwachsene hilfebedürftige Leistungsberechtigte für das Kalenderjahr
2011 auf einen Betrag von 328 € und für das Kalenderjahr 2012 durch die
Verordnung zur Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach § 138 Nr. 2
des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch für das Jahr 2012 (RBSFV 2012)
vom 17. Oktober 2011 auf einen Betrag von 337 € festgelegt wurden,
2. § 19 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 3 Satz 1, § 20 Abs. 1 und 2 Satz 2 Nr. 1,
Abs. 5, § 77 Abs. 4 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 28a SGB XII und § 8
Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 1 RBEG sowie die RBSFV 2012 vom 17. Oktober
2011 (jeweils in der zu 1. genannten Fassung) insoweit mit Art. 1 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG - Sozialstaatlichkeit - und dem sich
daraus ergebenden Grundrecht auf Gewährleistung eines
menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar sind, als die für die
Höhe der Grundsicherungsleistungen maßgeblichen Regelbedarfe für
hilfebedürftige Leistungsberechtigte ab Vollendung des 15. Lebensjahres
bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres für die Kalenderjahre 2011 und
2012 durch die RBSFV 2012 vom 17. Oktober 2011 auf einen Betrag von
287 € festgelegt wurden.
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. April 2012 (S 55 AS
9238/12) -
- 1 BvL 10/12 -,
II. § 19 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 3 Satz 1, § 20 Abs. 1 und 2 Satz 1, Abs. 5
SGB II in der Fassung von Art. 2 des Gesetzes zur Ermittlung von
Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches
Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (BGBl I S. 453) in Verbindung mit
§ 28a SGB XII in der Fassung von Art. 3 des Gesetzes vom 24. März 2011
(BGBl I S. 453) und § 8 Abs. 1 Nr. 1 RBEG (Gesetz zur Ermittlung der
Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch,
verkündet als Art. 1 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und
zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom
24. März 2011 (BGBl I S. 453) insoweit mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 20 Abs. 1 GG und dem sich daraus ergebenden Grundrecht auf
Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar
sind, als die für die Höhe der Grundsicherungsleistungen maßgeblichen
Regelbedarfe für Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind
oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, für das Kalenderjahr
2011 auf einen Betrag von 364 € und für das Kalenderjahr 2012 durch die
Verordnung zur Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach § 138 Nr. 2
des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch für das Jahr 2012 (RBSFV 2012)
vom 17. Oktober 2011 auf einen Betrag von 374 € festgelegt wurden.
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. April 2012 (S 55 AS
29349/11) -
- 1 BvL 12/12 -,
III.
über die Verfassungsbeschwerde
1. des Herrn A…,
2. der Frau A…,
3. des Minderjährigen A…,
gesetzlich vertreten durch seine Eltern,
- Bevollmächtigte:
KAUF Rechtsanwälte,
Karlstraße 3, 27749 Delmenhorst -
gegen
a)
das Urteil des Bundessozialgerichts vom 28. März 2013 - B 4 AS
12/12 R -,
b)
das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 10. Januar 2012 - S 48
AS 1136/11 -,
c)
den Widerspruchsbescheid des Jobcenters Delmenhorst vom 24.
Juni 2011 - 617.b-26104BG0017453-W 597/11 -,
d)
den Bescheid des Jobcenters Delmenhorst vom 12. Mai 2011 -
26104BG0017453 -
- 1 BvR 1691/13 -
hat das Bundesverfassungsgericht - Erster Senat - unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
Vizepräsident Kirchhof,
Gaier,
Eichberger,
Schluckebier,
Masing,
Paulus,
Baer,
Britz
am 23. Juli 2014 beschlossen:
1. § 20 Absatz 2 Satz 1 und 2 Nummer 1, Absatz 4, Absatz 5, § 23 Nummer 1, § 77 Absatz 4
Nummer 1 und 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch, jeweils in der Fassung von Artikel 2 des
Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften
Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (Bundesgesetzblatt I Seite 453), und § 8
Absatz 1 Nummer 1, 2, 4 und 6, Absatz 2 Nummer 1 und 3 Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz
in der Fassung von Artikel 1 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur
Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011
(Bundesgesetzblatt I Seite 453), jeweils in Verbindung mit § 20 Absatz 1 Satz 1 und 2
Sozialgesetzbuch Zweites Buch in der Fassung von Artikel 2 des Gesetzes zur Ermittlung
von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
vom 24. März 2011 (Bundesgesetzblatt I Seite 453) und § 28a Sozialgesetzbuch Zwölftes
Buch in der Fassung von Artikel 3 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur
Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011
(Bundesgesetzblatt I Seite 453), sowie die Anlage zu § 28 Sozialgesetzbuch Zwölftes
Buch in der Fassung von Artikel 3 Ziffer 42 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen
und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011
(Bundesgesetzblatt I Seite 453) sowie § 2 der Verordnung zur Fortschreibung der
Regelbedarfsstufen nach § 138 Nummer 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch für das
Jahr 2012 vom 17. Oktober 2011 (Bundesgesetzblatt I Seite 2090) sind nach Maßgabe der
Gründe mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem
Sozialstaatsprinzip des Artikels 20 Absatz 1 des Grundgesetzes vereinbar.
2. Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
A.
1
Die konkreten Normenkontrollverfahren und die Verfassungsbeschwerde betreffen die Frage, ob
das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften
Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (BGBl I S. 453) den Anforderungen aus Art. 1 Abs.
1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG auf Gewährleistung eines menschenwürdigen
Existenzminimums gerecht wird. Gegenstand dieser Verfahren sind die Leistungen für den
Regelbedarf für Alleinstehende, für zusammenlebende Volljährige sowie für Jugendliche im
Alter zwischen 15 und 18 Jahren und für Kinder bis zu sechs Jahren.
I.
2
1. Das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften
Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (BGBl I S. 453) trat, vorbehaltlich von Art. 14 Abs.
2 und 3 dieses Gesetzes, rückwirkend am 1. Januar 2011 in Kraft. Der maßgebliche
Gesetzentwurf wurde am 26. Oktober 2010 in den Bundestag eingebracht (BTDrucks 17/3404)
und im Vermittlungsverfahren verändert (BTDrucks 17/4830); Bundestag (BRDrucks 109/11) und
Bundesrat (BRDrucks 109/11 ) stimmten dem Gesetz am 25. Februar 2011 zu.
3
2. Das im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) geregelte Grundsicherungsrecht für
Arbeitsuchende zielt darauf, Hilfebedürftigkeit insbesondere durch „Eingliederung in Arbeit“ zu
beenden oder zumindest zu verringern (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 SGB II) und den Lebensunterhalt eines
Menschen zu decken (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 SGB II); daneben sichern Vorschriften im Fünften und
Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V und SGB XI) Betroffene gegen die Risiken von Krankheit
und Pflegebedürftigkeit ab. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch sollen vom Gesetzgeber anerkannte, eine menschenwürdige
Existenz sichernde Bedarfe abdecken.
4
a) § 19 SGB II legt fest, wer diese Leistungen beziehen kann und welche Bedarfe grundsätzlich
anerkannt werden. Leistungen erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte zwischen
Vollendung ihres 15. Lebensjahres und in der Regel dem Ablauf des Monats, in dem sie 65
Jahre alt geworden sind, die nicht auf absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen
Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu
sein, die hilfebedürftig sind und die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben (§ 7
Abs. 1 Satz 1 SGB II).
5
b) Der Gesetzgeber unterscheidet bei den Grundsicherungsleistungen nach unterschiedlichen
Bedarfen. Ausgangspunkt ist der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
für den Regelbedarf (§ 20 SGB II) neben bestimmten Mehrbedarfen (§ 21 Abs. 2 bis 5, § 23 Nr. 2
bis 4 SGB II), Leistungen für die tatsächlichen angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und
Heizung (§ 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II) und einer Pauschale bei dezentraler
Warmwassererzeugung (§ 21 Abs. 7 SGB II). Dazu kommt der Anspruch auf Leistungen für einen
im Einzelfall unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarf (§ 21 Abs. 6
SGB II). Für einen einmaligen, nach den Umständen unabweisbaren Bedarf, der grundsätzlich
vom Regelbedarf umfasst ist, der im Einzelfall jedoch nicht oder nicht ausreichend gedeckt ist,
kann hingegen ein Darlehen gewährt werden (§ 24 Abs. 1 SGB II), das ab dem Monat nach der
Auszahlung mit monatlich 10 % des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen ist (§ 42a Abs. 2 Satz
1 SGB II). Es besteht zudem ein Anspruch auf bestimmte einmalige Beihilfen, unter anderem für
die Erstausstattung der Wohnung mit Haushaltsgeräten und für Anschaffung und Reparatur von
orthopädischen Schuhen (§ 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB II); im Ermessen steht ein
Zuschuss für Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten und für Mietkautionen (§ 22 Abs. 6
SGB II). Schließlich ist in § 28 SGB II seit dem Jahr 2011 ein gesonderter Bedarf für Bildung und
Teilhabe von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen anerkannt.
6
3. Der Umfang der Leistungen für den Regelbedarf wird grundsätzlich in § 20 Abs. 2 bis 4 SGB II
sowie ergänzend in § 23 Nr. 1 SGB II bestimmt. Die Leistungen sollen das physische und
soziokulturelle Existenzminimum sichern (§ 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II; vgl. BVerfGE 125,
175 <228>).
7
a) Der existenzsichernde Regelbedarf soll in Form eines monatlichen Pauschalbetrags gedeckt
werden (§ 20 Abs. 1 Satz 3 SGB II). Über die Verwendung der Leistungen sollen die
Berechtigten selbst entscheiden und dabei auch unregelmäßig anfallende Bedarfe
berücksichtigen (§ 20 Abs. 1 Satz 4 SGB II). Der Gesetzgeber geht davon aus, dass der
Pauschalbetrag einen internen Ausgleich zwischen verschiedenen Bedarfspositionen
ermöglicht, die nicht immer oder nicht bei allen anfallen (BTDrucks 17/3404, S. 97).
8
b) Bei den Regelbedarfsleistungen wird nach dem Lebensalter und der Lebenssituation der
Bedürftigen unterschieden. So erfolgt eine Festsetzung für alleinstehende erwachsene
Leistungsberechtigte, eine weitere für Erwachsene, die mit anderen zusammen in einer
sogenannten Bedarfsgemeinschaft leben; daneben wird der Regelbedarf für Familienhaushalte
festgesetzt, in denen Erwachsene Kinder versorgen (§ 20 Abs. 2 und 4 SGB II), und eigenständig
für Kinder und Jugendliche bis 15 Jahre (§ 23 Nr. 1 SGB II). Diese Staffelung liegt auch der
Bildung der für die konkrete Berechnung des Regelbedarfs maßgeblichen, im Regelbedarfs-
Ermittlungsgesetz (RBEG) normierten Regelbedarfsstufen zugrunde (§ 8 RBEG).
9
c) Gesondert geregelt sind Leistungen für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen
Leben in der Gemeinschaft in § 28 und § 29 SGB II. Mit den Leistungen für Schülerinnen und
Schüler werden bestimmte Kosten erstattet und für soziale und kulturelle Aktivitäten für Kinder
und Jugendliche gibt es ein monatliches Budget von 10 € (§ 28 Abs. 7 SGB II), das für bestimmte
vorhandene Angebote eingesetzt werden kann (§ 29 SGB II). Weitere tatsächliche Kosten, die für
die Nutzung solcher Angebote entstehen, können seit August 2013 ausnahmsweise ebenfalls
übernommen werden (§ 28 Abs. 7 Satz 2 SGB II; eingefügt mit Art. 1 Nr. 2 Buchstabe b des
Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 7. Mai
2013, BGBl I S. 1167, mit Wirkung zum 1. August 2013).
10
d) Die insoweit relevanten Normen lauten:
§ 20 SGB II
Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts
(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung,
Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung
von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu
den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine
Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als
monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des
Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich;
dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.
(2) Als Regelbedarf werden bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder
deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich 364 Euro anerkannt. Für sonstige
erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft werden als Regelbedarf anerkannt
1. monatlich 275 Euro, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2. monatlich 291 Euro in den übrigen Fällen.
(3) […]
(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als
Regelbedarf für jede dieser Personen ein Betrag in Höhe von monatlich 328 Euro
anzuerkennen.
§ 23 SGB II
Besonderheiten beim Sozialgeld
Beim Sozialgeld gelten ergänzend folgende Maßgaben:
Der Regelbedarf beträgt bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres 213 Euro, bis zur
Vollendung des 14. Lebensjahres 242 Euro und im 15. Lebensjahr 275 Euro;
[…]
§ 28 SGB II
Bedarfe für Bildung und Teilhabe
(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft
werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach
Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei
Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein-
oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen
und Schüler).
(2) Bei Schülerinnen und Schülern werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für
1. Schulausflüge und
2. mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
Für Kinder, die eine Kindertageseinrichtung besuchen, gilt Satz 1 entsprechend.
(3) Für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf werden bei Schülerinnen und Schülern 70
Euro zum 1. August und 30 Euro zum 1. Februar eines jeden Jahres berücksichtigt.
(4) Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des
gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür
erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten
übernommen werden und es der leistungsberechtigten Person nicht zugemutet werden kann, die
Aufwendungen aus dem Regelbedarf zu bestreiten. Als zumutbare Eigenleistung gilt in der
Regel ein Betrag in Höhe von 5 Euro monatlich.
(5) Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene
Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach
den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen.
(6) Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entstehenden
Mehraufwendungen berücksichtigt für
1. Schülerinnen und Schüler und
2. Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird.
Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in
schulischer Verantwortung angeboten wird. In den Fällen des Satzes 2 ist für die Ermittlung des
monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zugrunde zu legen, in dem der
Schulbesuch stattfindet.
(7) Bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres wird ein Bedarf zur
Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft in Höhe von insgesamt 10 Euro
monatlich berücksichtigt für
1. Mitgliedsbeiträge in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2. Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare
angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3. die Teilnahme an Freizeiten.
Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächliche
Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an
Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im
begründeten Ausnahmefall nicht zugemutet werden kann, diese aus dem Regelbedarf zu
bestreiten.
§ 29 SGB II
Erbringung der Leistungen für Bildung und Teilhabe
(1) Leistungen zur Deckung der Bedarfe nach § 28 Absatz 2 und 5 bis 7 werden erbracht durch
Sach- und Dienstleistungen, insbesondere in Form von personalisierten Gutscheinen oder
Direktzahlungen an Anbieter von Leistungen zur Deckung dieser Bedarfe (Anbieter); die
kommunalen Träger bestimmen, in welcher Form sie die Leistungen erbringen. Sie können auch
bestimmen, dass die Leistungen nach § 28 Absatz 2 durch Geldleistungen gedeckt werden. Die
Bedarfe nach § 28 Absatz 3 und 4 werden jeweils durch Geldleistungen gedeckt. Die
kommunalen Träger können mit Anbietern pauschal abrechnen.
(2) Werden die Bedarfe durch Gutscheine gedeckt, gelten die Leistungen mit Ausgabe des
jeweiligen Gutscheins als erbracht. Die kommunalen Träger gewährleisten, dass Gutscheine bei
geeigneten vorhandenen Anbietern oder zur Wahrnehmung ihrer eigenen Angebote eingelöst
werden können. Gutscheine können für den gesamten Bewilligungszeitraum im Voraus
ausgegeben werden. Die Gültigkeit von Gutscheinen ist angemessen zu befristen. Im Fall des
Verlustes soll ein Gutschein erneut in dem Umfang ausgestellt werden, in dem er noch nicht in
Anspruch genommen wurde.
(3) Werden die Bedarfe durch Direktzahlungen an Anbieter gedeckt, gelten die Leistungen mit
der Zahlung als erbracht. Eine Direktzahlung ist für den gesamten Bewilligungszeitraum im
Voraus möglich.
(4) Im begründeten Einzelfall kann ein Nachweis über eine zweckentsprechende Verwendung
der Leistung verlangt werden. Soweit der Nachweis nicht geführt wird, soll die
Bewilligungsentscheidung widerrufen werden.
11
4. Mit den angegriffenen Regelungen hat der Gesetzgeber die Bemessung der Regelbedarfe
nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 (BVerfGE 125,
175) neu konzipiert. Die Regelbedarfe werden nun nicht mehr in einer Verordnung als
„Eckregelsätze“ festgelegt (vgl. § 2 RSV a.F.), sondern gemäß § 20 Abs. 5 Satz 2 SGB II in
Verbindung mit § 28 SGB XII und dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz durch ein
Parlamentsgesetz. Der Regelbedarf wird auf der Grundlage von Erhebungen über die
Konsumausgaben bestimmter Haushalte ermittelt, die durch Sonderauswertungen ergänzt
werden (a), um bestimmte Regelbedarfsstufen festzusetzen (b). Jedoch werden nicht alle in der
Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) erfassten Ausgabepositionen als
regelbedarfsrelevant übernommen (c).
12
a) Der Regelbedarf soll nach dem Stand und der Entwicklung von Nettoeinkommen,
Verbraucherverhalten und Lebenshaltungskosten ermittelt werden (§ 28 Abs. 2 Satz 1 i.V.m.
§ 27a Abs. 2 SGB XII). Dies geschieht auf der Grundlage der Daten der durch das Statistische
Bundesamt unter Mithilfe der Statistischen Landesämter etwa alle fünf Jahre ermittelten EVS. Sie
erfasst Einnahmen und Ausgaben, Vermögen und Schulden und die Ausstattung privater
Haushalte mit Gebrauchsgütern und die Wohnsituation. Dazu werden Haushalte nach einem für
die Länder und die soziale Schichtung repräsentativen Quotenplan in Anlehnung an den
Mikrozensus als Stichproben befragt; für die EVS 2008 wurden 55.110 und damit 0,2 % der
privaten Haushalte mit einem monatlichen Nettoeinkommen von weniger als 18.000 € erfasst.
Die Haushalte zeichnen über ein Jahr hinweg quartalsweise alle Einnahmen und Ausgaben in
einem Haushaltsbuch auf; im Nachgang werden die Eintragungen durch Kontrollfragen
verifiziert. Die Ergebnisse werden auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet. Machen nur
wenige Haushalte Angaben, wird der erhobene Wert nach internen Vorgaben des Statistischen
Bundesamtes zum Datenschutz nicht veröffentlicht, sondern bei unter 25 Haushalten mit „/“ und
bei unter 100 mit „()“ ausgewiesen. Die EVS von 2013 ist bislang nicht ausgewertet, weshalb
den hier in Rede stehenden Sätzen die Werte der EVS von 2008 zugrunde liegen.
13
aa) Die Höhe des Regelbedarfs orientiert sich daran, was Menschen in bestimmten, nach
Einkommen geschichteten „Referenzhaushalten“ ausgeben. Dabei unterscheidet der
Gesetzgeber zwischen Einpersonenhaushalten und Familienhaushalten, die er als Haushalte
eines Paares mit einem Kind definiert (§ 28 Abs. 3 Satz 2 und 4 SGB XII, § 2 RBEG). In
Sonderauswertungen zur EVS werden die Ausgaben bestimmter, statistisch in hinreichend
signifikanter Zahl zu erfassender Haushalte „unterer Einkommensgruppen“ als
Referenzhaushalte berücksichtigt (§ 28 Abs. 2 und 3 SGB XII, § 4 RBEG). Der Gesetzgeber
entschied, sich bei Einpersonenhaushalten nicht wie zuvor an den unteren 20 % der nach ihrem
Nettoeinkommen geschichteten Einpersonenhaushalte mit Ausnahme der Haushalte im
Fürsorgeleistungsbezug, sondern an den unteren 15 % als Referenzhaushalte zu orientieren. In
den Familienhaushalten hat er den Regelbedarf von Erwachsenen ebenfalls auf dieser
Grundlage von 15 % festgesetzt, den Regelbedarf für Kinder und Jugendliche demgegenüber
aus den Verbrauchsausgaben der unteren 20 % der Familienhaushalte ermittelt.
14
bb) Bestimmte Haushalte werden nicht als Referenzhaushalte berücksichtigt. Herausgerechnet
werden danach Haushalte, in denen im Erhebungszeitraum ausschließlich Hilfe zum
Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII),
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften
Buches Sozialgesetzbuch und Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 RBEG) bezogen wurde (§ 28 Abs. 3 Satz 3 SGB XII).
Einbezogen wurden jedoch Haushalte, in denen daneben weiteres Einkommen zur Verfügung
stand, also meist Hinzuverdienste aus Erwerbstätigkeit („Aufstocker“), und Haushalte mit
Studierenden, die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) erhielten.
Nicht ausgeschlossen waren auch Haushalte von Personen mit vormaligem Bezug von
Arbeitslosenhilfe oder -geld und Haushalte, die zwar auf existenzsichernde Leistungen
angewiesen wären, aber keine Anträge auf solche Leistungen stellten („verdeckte Armut“).
15
cc) Die relevanten Regelungen lauten:
§ 28 SGB XII
Ermittlung der Regelbedarfe
[…]
(2) Bei der Ermittlung der bundesdurchschnittlichen Regelbedarfsstufen nach § 27a Absatz 2
sind Stand und Entwicklung von Nettoeinkommen, Verbraucherverhalten und
Lebenshaltungskosten zu berücksichtigen. Grundlage hierfür sind die durch die Einkommens-
und Verbrauchsstichprobe nachgewiesenen tatsächlichen Verbrauchsausgaben unterer
Einkommensgruppen.
(3) Für die Ermittlung der Regelbedarfsstufen beauftragt das Bundesministerium für Arbeit und
Soziales das Statistische Bundesamt mit Sonderauswertungen, die auf der Grundlage einer
neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe vorzunehmen sind. Sonderauswertungen zu
den Verbrauchsausgaben von Haushalten unterer Einkommensgruppen sind zumindest für
Haushalte (Referenzhaushalte) vorzunehmen, in denen nur eine erwachsene Person lebt
(Einpersonenhaushalte), sowie für Haushalte, in denen Paare mit einem Kind leben
(Familienhaushalte). Dabei ist festzulegen, welche Haushalte, die Leistungen nach diesem Buch
und dem Zweiten Buch beziehen, nicht als Referenzhaushalte zu berücksichtigen sind. Für die
Bestimmung des Anteils der Referenzhaushalte an den jeweiligen Haushalten der
Sonderauswertungen ist ein für statistische Zwecke hinreichend großer Stichprobenumfang zu
gewährleisten.
[…]
§ 2 RBEG
Bestimmung der Referenzhaushalte
Der Ermittlung der Regelbedarfsstufen nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches
Sozialgesetzbuch liegen die Verbrauchsausgaben zugrunde von
1. Haushalten, in denen eine erwachsene Person allein lebt (Einpersonenhaushalte), und
2. Haushalten, in denen Paare mit einem Kind leben (Familienhaushalte).
§ 3 RBEG
Abgrenzung der Referenzhaushalte
(1) Von den Haushalten nach § 2 sind diejenigen Haushalte nicht als Referenzhaushalte zu
berücksichtigen, in denen Leistungsberechtigte leben, die im Erhebungszeitraum folgende
Leistungen bezogen haben:
1. Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch,
2. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften
Buches Sozialgesetzbuch,
3. Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch.
(2) Nicht auszuschließen von den Haushalten nach Absatz 1 sind Leistungsberechtigte nach
Absatz 1 Nummer 1 bis 3, wenn sie im Erhebungszeitraum
1. zusätzlich Erwerbseinkommen bezogen haben, das nicht als Einkommen berücksichtigt
wurde,
2. einen Zuschlag nach § 24 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch in der bis zum 31.
Dezember 2010 geltenden Fassung bezogen haben,
3. Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz bezogen haben oder
4. Anspruch auf eine Eigenheimzulage nach dem Eigenheimzulagengesetz gehabt haben.
§ 4 RBEG
Abgrenzung untere Einkommensschichten
Der Abgrenzung der Referenzhaushalte nach § 2 liegen die nach ihrem Nettoeinkommen
geschichteten Einpersonen- und Familienhaushalte der Einkommens- und
Verbrauchsstichprobe 2008 zugrunde. Nach Herausnahme der nach § 3 Absatz 1 nicht zu
berücksichtigenden Haushalte werden als Referenzhaushalte für die Ermittlung der
Regelbedarfe berücksichtigt:
1. von den Einpersonenhaushalten nach § 2 Nummer 1 die unteren 15 Prozent der Haushalte
und
2. von den Familienhaushalten nach § 2 Nummer 2 die unteren 20 Prozent der Haushalte.
16
b) Die in der EVS ausgewiesenen Verbrauchsausgaben der Referenzhaushalte sind die
Grundlage für die Bestimmung von sechs Regelbedarfsstufen (§ 8 Abs. 1 RBEG und Anlage zu
§ 28 SGB XII). Sie gelten für das Leistungssystem des SGB XII; für das SGB II gelten mit § 20
und § 23 speziellere eigene Regelungen. Die Beträge des § 8 RBEG gelten nur für das Jahr
2011, denn die Anlage zu § 28 SGB XII wird jährlich zum 1. Januar ergänzt.
17
aa) Die Regelbedarfsstufe 1 für alleinstehende oder alleinerziehende Erwachsene im eigenen
Haushalt wurde aus den Ausgaben der Einpersonenhaushalte ermittelt; die Regelbedarfsstufe 2
für Erwachsene, die als Paar zusammenleben, errechnet sich aus 90 % und die
Regelbedarfsstufe 3 für Erwachsene, die weder einen eigenen Haushalt führen noch als Paar
wirtschaften, aus 80 % von der Regelbedarfsstufe 1 (vgl. BTDrucks 17/3404, S. 90). Die
Regelbedarfsstufen 4 bis 6 für Kinder und Jugendliche werden aus den Ausgaben der
Familienhaushalte berechnet (vgl. BTDrucks 17/3404, S. 52).
18
bb) Die maßgebende Vorschrift im Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz lautet:
§ 8 RBEG
Regelbedarfsstufen
(1) Die Regelbedarfsstufen nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
belaufen sich
1. in der Regelbedarfsstufe 1 auf 364 Euro für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die
als alleinstehende oder alleinerziehende Person einen eigenen Haushalt führt; dies gilt auch
dann, wenn in diesem Haushalt eine oder mehrere weitere erwachsene Personen leben, die der
Regelbedarfsstufe 3 zuzuordnen sind,
2. in der Regelbedarfsstufe 2 jeweils auf 328 Euro für zwei erwachsene Leistungsberechtigte,
die als Ehegatten, Lebenspartner, in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher
Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führen,
3. in der Regelbedarfsstufe 3 auf 291 Euro für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die
weder einen eigenen Haushalt führt noch als Ehegatte, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder
lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führt,
4. in der Regelbedarfsstufe 4 auf 275 Euro für eine leistungsberechtigte Jugendliche oder einen
leistungsberechtigten Jugendlichen vom Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18.
Lebensjahres,
5. in der Regelbedarfsstufe 5 auf 242 Euro für ein leistungsberechtigtes Kind vom Beginn des
siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres und
6. in der Regelbedarfsstufe 6 auf 213 Euro für ein leistungsberechtigtes Kind bis zur Vollendung
des sechsten Lebensjahres.
(2) Für die Regelbedarfsstufen 4 bis 6 tritt zum 1. Januar 2011 in der Anlage zu § 28 des
Zwölften Buches Sozialgesetzbuch an die Stelle der Beträge nach Absatz 1 Nummer 4 bis 6
1. für die Regelbedarfsstufe 4 der Betrag von 287 Euro,
2. für die Regelbedarfsstufe 5 der Betrag von 251 Euro,
3. für die Regelbedarfsstufe 6 der Betrag von 215 Euro.
19
c) Die Höhe der Regelbedarfsleistungen beruht zudem auf der Entscheidung des Gesetzgebers,
nicht alle, sondern nur bestimmte in der EVS erhobene Ausgaben als regelbedarfsrelevant
anzuerkennen.
20
aa) Regelbedarfsrelevant sind nach § 28 Abs. 4 SGB XII nur solche Ausgaben, die eine einfache
Lebensweise ermöglichen, wie sie einkommensschwache Haushalte führen, und die nicht
anderweitig abgedeckt sind oder bundesweit begünstigt werden. Die maßgebliche Norm lautet
insoweit:
§ 28 SGB XII
Ermittlung der Regelbedarfe
[…]
(4) Die in Sonderauswertungen nach Absatz 3 ausgewiesenen Verbrauchsausgaben der
Referenzhaushalte sind für die Ermittlung der Regelbedarfsstufen als regelbedarfsrelevant zu
berücksichtigen, soweit sie zur Sicherung des Existenzminimums notwendig sind und eine
einfache Lebensweise ermöglichen, wie sie einkommensschwache Haushalte aufweisen, die
ihren Lebensunterhalt nicht ausschließlich aus Leistungen nach diesem oder dem Zweiten Buch
bestreiten. Nicht als regelbedarfsrelevant zu berücksichtigen sind Verbrauchsausgaben der
Referenzhaushalte, wenn sie bei Leistungsberechtigten nach diesem Buch oder dem Zweiten
Buch
1. durch bundes- oder landesgesetzliche Leistungsansprüche, die der Finanzierung einzelner
Verbrauchspositionen der Sonderauswertungen dienen, abgedeckt sind und diese
Leistungsansprüche kein anrechenbares Einkommen nach § 82 oder § 11 des Zweiten Buches
darstellen oder
2. nicht anfallen, weil bundesweit in einheitlicher Höhe Vergünstigungen gelten.
Die Summen der sich nach den Sätzen 1 und 2 ergebenden regelbedarfsrelevanten
Verbrauchsausgaben der Referenzhaushalte sind Grundlage für die Prüfung der
Regelbedarfsstufen, insbesondere für die Altersabgrenzungen bei Kindern und Jugendlichen.
Die für die Ermittlung der Regelbedarfsstufen zugrunde zu legenden Summen
regelbedarfsrelevanter Verbrauchsausgaben sind mit der sich nach § 28a Absatz 2 ergebenden
Veränderungsrate entsprechend fortzuschreiben. Die Höhe der nach Satz 3 fortgeschriebenen
Summen der regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben sind jeweils bis unter 0,50 Euro
abzurunden sowie von 0,50 Euro an aufzurunden und ergeben die Regelbedarfsstufen (Anlage).
21
bb) Bestimmte Positionen in den Abteilungen der Verbrauchsausgaben der EVS sind aus der
Berechnung des Regelbedarfs ausdrücklich herausgenommen (BTDrucks 17/3404, S. 53 ff.)
oder nur anteilig berücksichtigt.
22
(1) Die Ermittlung des Regelbedarfs für Einpersonenhaushalte beruht auf Angaben von 1.678
Haushalten. Sie baut mit einer Sonderauswertung der EVS 2008 auf einer Sonderauswertung
der EVS 2003 auf (BTDrucks 17/3404, S. 52), weicht aber teils auch von dieser ab. Die
berücksichtigten Ausgaben setzen sich für Einpersonenhaushalte aus insgesamt 11
verschiedenen Abteilungen in der Systematik der EVS zusammen und betragen insgesamt
361,81 € (§ 5 RBEG).
23
(a) Bei der EVS 2008 wurden die Verbrauchspositionen Alkohol, Tabakwaren, chemische
Reinigung, Schnittblumen, Geldspenden, Gerichtskosten (Strafen), Rasenmäher und die
Reparatur von Handwerksgeräten herausgenommen. Hingegen wurden Positionen wie
Wartungs- und Reparaturkosten, Anschaffung von Computern, Sport- und Campingartikel,
Gebühren für Kurse sowie Gebühren für den Personalausweis neu berücksichtigt.
24
(b) Andere Ausgabepositionen der EVS hat der Gesetzgeber nur anteilig als
regelbedarfsrelevant anerkannt. Bei den Verbrauchspositionen der Abteilungen 05
(„Motorbetriebene Werkzeuge und Ausrüstungsgegenstände für Haus und Garten“) und 12
(„Uhren“) werden mit einem Wägungsschema des Statistischen Bundesamtes die Anteile
bestimmt, mit denen einzelne Produkte in den Verbraucherpreisindex eingehen (BTDrucks
17/3404, S. 52 ff.). Bei anderen Ausgabepositionen wurden Sonderauswertungen durchgeführt
(BTDrucks 17/3404, S. 52). Dies betrifft die Haushaltsenergie, wo die Sonderauswertung nur
Haushalte ausgewertet hat, die angegeben hatten, nicht mit Strom zu heizen. Es betrifft den
Bereich Verkehr mit einer Sonderauswertung der Haushalte ohne Ausgaben für Kraftstoffe und
Schmiermittel, weil der Gesetzgeber davon ausging, dass sie kein privates Kraftfahrzeug
nutzten. Schließlich berücksichtigte eine Sonderauswertung zu
Kommunikationsdienstleistungen nur Haushalte mit Ausgaben lediglich für Festnetz- oder
Internetanschluss ohne Ausgaben für Mobiltelefone oder „Kombipakete“.
25
(c) Die Norm lautet:
§ 5 RBEG
Regelbedarfsrelevante Verbrauchsausgaben der Einpersonenhaushalte
(1) Von den Verbrauchsausgaben der Einpersonenhaushalte nach § 4 Satz 2 Nummer 1 werden
für die Ermittlung des Regelbedarfs folgende Verbrauchsausgaben der einzelnen Abteilungen
der Sonderauswertung für den Regelbedarf berücksichtigt (regelbedarfsrelevant):
26
Abteilung 1 (Nahrungsmittel, alkoholfreie Getränke)
128,46 Euro
Abteilung 3 (Bekleidung und Schuhe)
30,40 Euro
Abteilung 4 (Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung)
30,24 Euro
Abteilung 5 (Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände) 27,41 Euro
Abteilung 6 (Gesundheitspflege)
15,55 Euro
Abteilung 7 (Verkehr)
22,78 Euro
Abteilung 8 (Nachrichtenübermittlung)
31,96 Euro
Abteilung 9 (Freizeit, Unterhaltung, Kultur)
39,96 Euro
Abteilung 10 (Bildung)
1,39 Euro
Abteilung 11 (Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen)
7,16 Euro
Abteilung 12 (andere Waren und Dienstleistungen)
26,50 Euro
27
(2) Die Summe der regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben der Einpersonenhaushalte
nach Absatz 1 beträgt 361,81 Euro.
28
(2) Für die Ermittlung der existenzsichernden Bedarfe von Kindern und Jugendlichen wurden
523 Haushalte eines Paares mit einem Kind unter 18 Jahren, bei Paaren mit einem Kind unter
sechs Jahren 237 Haushalte, bei einem Kind zwischen sechs und 13 Jahren 184 Haushalte und
bei einem Kind zwischen 14 und 17 Jahren 115 Haushalte berücksichtigt (BTDrucks 17/3404, S.
144, 149, 154, 159). Da die EVS die Konsumausgaben dieser Haushalte insgesamt erfasst,
wurde der Bedarf für Kinder und Jugendliche daraus typisiert berechnet.
29
(a) In dem Berechnungsschema werden drei Altersgruppen unterschieden: Kinder bis zum 6.
Lebensjahr, von Beginn des 7. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres und von Beginn des 15.
bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Der Gesetzgeber stützt sich dabei auf die bereits in
den 1980er Jahren eingesetzte Arbeitsgruppe „Lebenshaltungsaufwendungen Kinder“ des
Bundesministeriums für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, wonach mit dem Zeitpunkt der
Einschulung, also etwa mit sechs Jahren, der Wohnraumbedarf in der Regel steige und sich
durch den Schulbesuch der Verbrauch verändere, und weil mit dem Einsetzen der Pubertät, also
etwa ab dem 12. Lebensjahr, erneut der Raumbedarf und der Kalorienverbrauch stiegen und
sich auch Freizeitbedürfnisse änderten (BTDrucks 17/3404, S. 65).
30
(b) Die Haushaltsausgaben werden Kindern und Jugendlichen dann mit Hilfe von
Verteilungsschlüsseln zugeordnet. Hier stützt sich der Gesetzgeber auf die Studie „Kosten eines
Kindes“ im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf Basis
der EVS 1988 (BTDrucks 17/3404, S. 64) und für einzelne Positionen (S 1 bis S 3) auf weiter
differenzierende Gutachten. Sie unterscheiden teilweise nach Alter und Geschlecht des Kindes
oder, für bestimmte Verbrauchspositionen wie Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -
gegenstände, nach dem Anteil des Kinderzimmers an der gesamten Wohnfläche, differenziert
nach alten und neuen Bundesländern, oder, bei den Verkehrsausgaben nach der Nutzung von
Fahrrad oder öffentlichen Verkehrsmitteln. Ausgaben für Gesundheit, Telefon, Zeitungen und
Bücher rechnet der Gesetzgeber den Erwachsenen und dem Kind jeweils zu einem Drittel zu;
Ausgaben für Bekleidung und Schuhe wurden ab 2003 für Kinder bis zum Alter unter 14 Jahren
erhoben und für Jugendliche ab 14 Jahren gleichmäßig auf alle Personen im Haushalt verteilt.
Bei Kühlschränken, Waschmaschinen und anderen Haushaltsgeräten sowie bei der
Körperpflege stützt sich der Gesetzgeber auf Verteilungsschlüssel einer Skala der Organisation
für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die Einkommen und damit das
Wohlstandsniveau von Haushalten unabhängig von deren Größe und Zusammensetzung
vergleicht und dazu die Kosten je Person nach Haushaltsgröße abgestuft festsetzt (BTDrucks
17/3404, S. 66). Schließlich werden einige Ausgaben, für Praxisgebühren, Post- und
Kurierdienste sowie für Finanzdienstleistungen und Mitgliedsbeiträge vollständig den
Erwachsenen zugeordnet, andere, für Spielwaren und Hobbys, nur Kindern.
31
(c) Die jetzt maßgebende Norm des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes lautet:
§ 6 RBEG
Regelbedarfsrelevante Verbrauchsausgaben der Familienhaushalte
(1) Von den Verbrauchsausgaben der Familienhaushalte nach § 4 Satz 2 Nummer 2 werden bei
Kindern und Jugendlichen folgende Verbrauchsausgaben als regelbedarfsrelevant
berücksichtigt:
1. Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres:
Abteilung 1 (Nahrungsmittel, alkoholfreie Getränke)
78,67 Euro
Abteilung 3 (Bekleidung und Schuhe)
31,18 Euro
Abteilung 4 (Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung)
7,04 Euro
Abteilung 5 (Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände) 13,64 Euro
Abteilung 6 (Gesundheitspflege)
6,09 Euro
Abteilung 7 (Verkehr)
11,79 Euro
Abteilung 8 (Nachrichtenübermittlung)
15,75 Euro
Abteilung 9 (Freizeit, Unterhaltung, Kultur)
35,93 Euro
Abteilung 10 (Bildung)
0,98 Euro
Abteilung 11 (Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen)
1,44 Euro
Abteilung 12 (andere Waren und Dienstleistungen)
9,18 Euro
2. Kinder vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres:
Abteilung 1 (Nahrungsmittel, alkoholfreie Getränke)
96,55 Euro
Abteilung 3 (Bekleidung und Schuhe)
33,32 Euro
Abteilung 4 (Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung)
11,07 Euro
Abteilung 5 (Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände) 11,77 Euro
Abteilung 6 (Gesundheitspflege)
4,95 Euro
Abteilung 7 (Verkehr)
14,00 Euro
Abteilung 8 (Nachrichtenübermittlung)
15,35 Euro
Abteilung 9 (Freizeit, Unterhaltung, Kultur)
41,33 Euro
Abteilung 10 (Bildung)
1,16 Euro
Abteilung 11 (Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen)
3,51 Euro
Abteilung 12 (andere Waren und Dienstleistungen)
7,31 Euro
3. Jugendliche vom Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres:
Abteilung 1 (Nahrungsmittel, alkoholfreie Getränke)
124,02 Euro
Abteilung 3 (Bekleidung und Schuhe)
37,21 Euro
Abteilung 4 (Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung)
15,34 Euro
Abteilung 5 (Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände) 14,72 Euro
Abteilung 6 (Gesundheitspflege)
6,56 Euro
Abteilung 7 (Verkehr)
12,62 Euro
Abteilung 8 (Nachrichtenübermittlung)
15,79 Euro
Abteilung 9 (Freizeit, Unterhaltung, Kultur)
31,41 Euro
Abteilung 10 (Bildung)
0,29 Euro
Abteilung 11 (Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen)
4,78 Euro
Abteilung 12 (andere Waren und Dienstleistungen)
10,88 Euro
(2) Die Summe der regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben, die im Familienhaushalt
Kindern und Jugendlichen zugerechnet werden, beträgt
1. nach Absatz 1 Nummer 1 für Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres 211,69
Euro,
2. nach Absatz 1 Nummer 2 für Kinder vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14.
Lebensjahres 240,32 Euro und
3. nach Absatz 1 Nummer 3 für Jugendliche vom Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18.
Lebensjahres 273,62 Euro.
32
5. Um mit den Leistungen für den Regelbedarf den jeweils aktuellen Bedarf sichern zu können,
wird deren Höhe nach einer neuen EVS neu ermittelt (§ 28 SGB XII) und dann neu festgesetzt
oder aber, in den Jahren dazwischen, jeweils zum 1. Januar fortgeschrieben (§ 28a Abs. 1 Satz
1 SGB XII) und durch Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnungen bekannt gegeben (§ 20
Abs. 5 SGB II, § 40 SGB XII).
33
a) Die regelmäßige Fortschreibung setzt in der jeweiligen Verordnung den für die
Regelbedarfsstufen maßgeblichen Vomhundertsatz fest und ändert die Beträge für die
Regelbedarfsstufen in der Anlage zu § 28 SGB XII bis zum 31. Oktober für das folgende
Kalenderjahr (§ 40 Satz 3 SGB XII). Der Vomhundertsatz ist dabei nicht mehr wie nach der
früheren Regelung an den aktuellen Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 4
RSV a.F.) gekoppelt, sondern an die bundesdurchschnittliche Entwicklung der Preise für
regelbedarfsrelevante Güter und Dienstleistungen sowie die bundesdurchschnittliche
Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter (§ 28a Abs. 2 Satz 1 SGB XII). Auch diese Daten
werden im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales durch das Statistische
Bundesamt ermittelt (§ 28a Abs. 3 SGB XII). Dabei wird in einem Mischindex die
Preisentwicklung zu 70 % und die Lohn- und Gehaltsentwicklung zu 30 % berücksichtigt (§ 28a
Abs. 2 Satz 3 SGB XII), da die Preisentwicklung den realen Wert der Leistungen zur Deckung
des physischen Existenzminimums sichere (BTDrucks 17/3404, S. 122, zu § 28a Abs. 2 SGB
XII), wohingegen die Lohnentwicklung den allgemeinen Wohlstand widerspiegele. Für die
Regelbedarfe für Kinder und Jugendliche galten, solange sich durch die Fortschreibung für sie
keine höheren Beträge ergaben, weiterhin die höheren Euro-Beträge aus der Zeit vor
Inkrafttreten der Neuregelungen zum 1. Januar 2011 (§ 77 Abs. 4 SGB II). Diese
Übergangsregelung ist seit 2013 obsolet geworden, da seither die fortgeschriebenen
Regelbedarfsstufen 4 bis 6 die Beträge in § 77 Abs. 4 SGB II überschritten.
34
Die insoweit maßgeblichen Normen lauten:
§ 20 SGB II
[…]
(5) Die Regelbedarfe nach den Absätzen 2 bis 4 sowie nach § 23 Nummer 1 werden jeweils zum
1. Januar eines Jahres entsprechend § 28a des Zwölften Buches in Verbindung mit der
Verordnung nach § 40 Satz 1 Nummer 1 des Zwölften Buches angepasst. Für die Neuermittlung
der Regelbedarfe findet § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-
Ermittlungsgesetz entsprechende Anwendung. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales
gibt jeweils spätestens zum 1. November eines Kalenderjahres die Höhe der Regelbedarfe, die
für die folgenden zwölf Monate maßgebend sind, im Bundesgesetzblatt bekannt.
§ 28a SGB XII
Fortschreibung der Regelbedarfsstufen
(1) In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 erfolgt, werden die Regelbedarfsstufen
jeweils zum 1. Januar mit der sich nach Absatz 2 ergebenden Veränderungsrate fortgeschrieben.
§ 28 Absatz 4 Satz 5 gilt entsprechend.
(2) Die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen erfolgt aufgrund der bundesdurchschnittlichen
Entwicklung der Preise für regelbedarfsrelevante Güter und Dienstleistungen sowie der
bundesdurchschnittlichen Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter je beschäftigten
Arbeitnehmer nach der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (Mischindex). Maßgeblich ist
jeweils die Veränderungsrate, die sich aus der Veränderung in dem Zwölfmonatszeitraum, der
mit dem 1. Juli des Vorvorjahres beginnt und mit dem 30. Juni des Vorjahres endet, gegenüber
dem davorliegenden Zwölfmonatszeitraum ergibt. Für die Ermittlung der jährlichen
Veränderungsrate des Mischindexes wird die sich aus der Entwicklung der Preise aller
regelbedarfsrelevanten Güter und Dienstleistungen ergebende Veränderungsrate mit einem
Anteil von 70 vom Hundert und die sich aus der Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter je
beschäftigten Arbeitnehmer ergebende Veränderungsrate mit einem Anteil von 30 vom Hundert
berücksichtigt.
(3) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales beauftragt das Statistische Bundesamt mit
der Ermittlung der jährlichen Veränderungsrate für den Zeitraum nach Absatz 2 Satz 2 für
1. die Preise aller regelbedarfsrelevanten Güter und Dienstleistungen und
2. die durchschnittliche Nettolohn- und -gehaltssumme je durchschnittlich beschäftigten
Arbeitnehmer.
§ 40 SGB XII
Verordnungsermächtigung
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat im Einvernehmen mit dem
Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
1. den für die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach § 28a maßgeblichen Vomhundertsatz
zu bestimmen und
2. die Anlage zu § 28 um die sich durch die Fortschreibung nach Nummer 1 zum 1. Januar eines
Jahres ergebenden Regelbedarfsstufen zu ergänzen.
Der Vomhundertsatz nach Satz 1 Nummer 1 ist auf zwei Dezimalstellen zu berechnen; die
zweite Dezimalstelle ist um eins zu erhöhen, wenn sich in der dritten Dezimalstelle eine der
Ziffern von 5 bis 9 ergibt. Die Bestimmungen nach Satz 1 sollen bis zum 31. Oktober des
jeweiligen Jahres erfolgen.
b) Für 2011 und für 2012 fanden gesonderte Fortschreibungen statt.
aa) Für die Fortschreibung zum 1. Januar 2011 wäre nach § 7 Abs. 1 RBEG in Verbindung mit
§ 28a Abs. 2 SGB XII die Veränderungsrate im Vergleich 2009/10 zu 2008/09 maßgeblich
gewesen, was eine Höhe des Regelbedarfs für Alleinstehende mit 367 € ergeben hätte. Der
Gesetzgeber gab mit § 7 Abs. 2 RBEG als Veränderungsrate jedoch die Jahreswerte 2009 im
Vergleich mit 2008 vor, ließ also die Entwicklung der Preise und Nettoeinkommen im ersten
Halbjahr 2010 unberücksichtigt, woraus sich ein Regelbedarf für Alleinstehende von monatlich
364 € ergab. Der Gesetzgeber wollte sich wie in der Neubemessung an Jahresergebnissen
orientieren (BTDrucks 17/3404, S. 90). Eine weitere Besonderheit galt für die Fortschreibung der
Regelbedarfe zum 1. Januar 2012. Anders als nach § 28a Abs. 2 Satz 2 SGB XII wurde ein
Vergleich des Zeitraums vom 1. Juli 2009 bis 30. Juni 2010 mit dem Jahresdurchschnittswert
2009 durchgeführt (0,75 %, § 138 Nr. 1 SGB XII), was eine Erhöhung des Regelbedarfs für
Alleinstehende um 3 € bewirkte. Sodann wurden die Sätze entsprechend § 28a SGB XII durch
§ 1 RBSFV 2012 um 1,99 % erhöht, was sich bei Alleinstehenden auf 7 € belief (§ 138 Nr. 2
i.V.m. § 28 Abs. 4 Satz 5 SGB XII). Seit 2011 ergaben sich folgende Werte für die
Regelbedarfsstufen (in Euro):
gültig ab
Regel-
bedarfs-
stufe
1
Regel-
bedarfs-
stufe
2
Regel-
bedarfs-
stufe
3
Regel-
bedarfs-
stufe
4
Regel-
bedarfs-
stufe
5
Regel-
bedarfs-
stufe
6
1.1.2011 364
328
291
287
251
215
1.1.2012 374
337
299
287
251
219
1.1.2013 382
345
306
289
255
224
1.1.2014 391
353
313
296
261
229
35
bb) Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
§ 7 RBEG
Fortschreibung der regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben
(1) Die Summen der für das Jahr 2008 ermittelten regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben
nach § 5 Absatz 2 und § 6 Absatz 2 werden entsprechend der Fortschreibung der
Regelbedarfsstufen nach § 28a des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch fortgeschrieben.
(2) Abweichend von § 28a Absatz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bestimmt sich die
Veränderung des Mischindexes für die Anpassung zum 1. Januar 2011 aus den
Jahresdurchschnittswerten des Jahres 2009 gegenüber dem Jahr 2008. Die Veränderungsrate
beträgt 0,55 Prozent.
(3) Aufgrund der Fortschreibung nach Absatz 2 und in Anwendung der Rundungsregelung nach
§ 28 Absatz 4 Satz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch beläuft sich die Summe der
regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben für Erwachsene nach § 5 Absatz 2 auf 364 Euro.
(4) Aufgrund der Fortschreibung nach Absatz 2 und in Anwendung der Rundungsregelung nach
§ 28 Absatz 4 Satz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch beläuft sich die Summe der
regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben für Kinder und Jugendliche nach
1. § 6 Absatz 2 Nummer 1 auf 213 Euro,
2. § 6 Absatz 2 Nummer 2 auf 242 Euro und
3. § 6 Absatz 2 Nummer 3 auf 275 Euro.
§ 138 SGB XII
Fortschreibung der Regelbedarfsstufen zum 1. Januar 2012
Die Regelbedarfsstufen werden in zwei Stufen zum 1. Januar 2012 wie folgt fortgeschrieben:
1. Abweichend von § 28a Absatz 2 und § 40 werden die Regelbedarfsstufen mit der
Veränderungsrate des Mischindexes fortgeschrieben, die sich ergibt aus der Veränderung in
dem Zwölfmonatszeitraum, der mit dem 1. Juli 2009 beginnt und mit dem 30. Juni 2010 endet,
gegenüber dem Jahresdurchschnittswert 2009; die Veränderungsrate beträgt 0,75 vom Hundert;
2. die sich durch die Fortschreibung nach Nummer 1 nach Anwendung der Rundungsregelung
nach § 28 Absatz 4 Satz 5 für jede Regelbedarfsstufe ergebenden Beträge werden nach § 28a
fortgeschrieben.
36
6. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hatte dem Deutschen Bundestag nach § 10
Abs. 1 RBEG bis zum 1. Juli 2013 einen unter Mitwirkung des Statistischen Bundesamtes sowie
von Sachverständigen zu erstellenden Bericht zur Regelbedarfsermittlung vorzulegen, was am
26. Juni 2013 geschah (BTDrucks 17/14282). Gegenstand des Berichts waren Untersuchungen
und Vorschläge für die Berechnung der Regelbedarfe in bestimmten Teilbereichen. Dazu gehört
die Abgrenzung zwischen den Referenzhaushalten und den Haushalten, deren Mittel tatsächlich
nicht zur Deckung ihres Grundsicherungsbedarfs ausreichen, die Verteilungsschlüssel für die
Verbrauchsausgaben von Familienhaushalten und die Bestimmung von Regelbedarfsstufen für
Kinder und Jugendliche und die Berechnung der Regelbedarfe von Erwachsenen in einem
Mehrpersonenhaushalt. Für den Bericht vergab das Bundesministerium für Arbeit und Soziales
zwei Forschungsaufträge. Das nach §§ 280 bis 282 SGB III für die Bundesagentur für Arbeit
tätige Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) führte aus, dass Haushalte „verdeckter
Armut“, also ohne zureichende eigene Mittel, aber auch ohne Leistungsbezug, statistisch nicht
erfassbar seien und nur im Rahmen von Modellberechnungen simuliert werden könnten, was ein
hohes Maß an Unsicherheit aufweise. Auch eine Festlegung von Mindesteinkommensgrenzen
zur Identifikation der verdeckten Armut garantiere nicht, dass diese eindeutig identifiziert würden
(BTDrucks 17/14282, S. 4). Die Ruhr-Universität Bochum (RUB) kam zu dem Ergebnis, dass die
Vorgaben des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes für die Regelbedarfsstufen deutlich
angemessener und sachgerechter seien als alternative Methoden (BTDrucks 17/14282, S. 5).
II.
37
1. a) Der Vorlage des Sozialgerichts im Verfahren 1 BvL 10/12 liegt eine Klage miteinander
verheirateter Eltern und ihres Kindes zugrunde, die für Januar 2011 bis Juni 2012 Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II erhielten. Dem lag bei den Eltern für 2011 ein
monatlicher Regelbedarf von je 328 €, für 2012 von je 337 € und für den minderjährigen Kläger,
der im streitgegenständlichen Zeitraum Schüler an einem Gymnasium war, ein monatlicher
Bedarf von 287 € für beide Jahre zugrunde. Der Schüler erhielt im August 2011 daneben
Leistungen für den Schulbedarf in Höhe von 70 €. Das Ausgangsverfahren zielt unter
Berücksichtigung eines höheren Regelbedarfs auf höhere Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem SGB II.
38
b) Das Sozialgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die
Frage vorgelegt, ob § 19 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 3 Satz 1, § 20 Abs. 1 und 2 Satz 2 Nr. 1, Abs.
4 und 5, § 77 Abs. 4 Nr. 1 SGB II in der Fassung von Art. 2 des Gesetzes zur Ermittlung von
Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.
März 2011 in Verbindung mit § 28a SGB XII in der Fassung von Art. 3 dieses Gesetzes und § 8
Abs. 1 Nr. 2 und 4, Abs. 2 Nr. 1 RBEG, verkündet als Art. 1 dieses Gesetzes, mit dem Grundrecht
auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar sind. Das
Sozialgericht hält die Normen über die pauschalierten Regelbedarfe einerseits für Partnerinnen
und Partner einer Bedarfsgemeinschaft, die volljährig sind, sowie andererseits für
leistungsberechtigte Jugendliche vom Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres
für unvereinbar mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG. Dies sei
entscheidungserheblich, denn sollten die Vorschriften gültig sein, seien die Klagen unbegründet
und folglich abzuweisen. Die maßgeblichen Vorschriften verstießen in mehrfacher Hinsicht
gegen das Grundgesetz.
39
Die Referenzgruppe für die Ermittlung der Bedarfe für Alleinstehende - und davon abgeleitet für
Erwachsene in einer Bedarfsgemeinschaft - sei fehlerhaft festgelegt worden; die Entscheidung
für die unteren 15 % der Alleinstehenden-Haushalte sei nicht schlüssig und nicht tragfähig
begründet worden. Die Festlegung der Referenzgruppe der Einpersonenhaushalte führe zu
Zirkelschlüssen bei der Bedarfsermittlung. Es würden Haushalte mit Erwerbseinkommen
berücksichtigt, die ergänzend (als „Aufstocker“) Fürsorgeleistungen bezögen, was
Fürsorgebedürftige selbst zum Maßstab für den Regelbedarf mache. Daneben seien
studentische Haushalte in die Referenzgruppen einbezogen worden, ohne den Bezug von
Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz auszuschließen, obwohl das
Ausbildungsförderungsrecht auch eine existenzsichernde Aufgabe zu erfüllen habe. Die
Festsetzung des Regelbedarfs für leistungsberechtigte Jugendliche vom Beginn des 15. bis zur
Vollendung des 18. Lebensjahres sei fehlerhaft, da nur sehr wenige Familienhaushalte mit nur
einem Kind berücksichtigt worden seien; dies sei schon aufgrund der Pflicht zur besonderen
Sorge für Familien mit Kindern aus Art. 6 GG unzulässig. Der existentielle Bedarf für langlebige
Konsumgüter sei nicht gedeckt, auch unter Berücksichtigung des vom Gesetzgeber geforderten
Ansparmodells. Die Daten seien statistisch nicht hinreichend signifikant und es lasse sich nicht
nachvollziehen, wie der Bedarf durch ein Darlehen für die Anschaffung langlebiger
Gebrauchsgegenstände (§ 24 Abs. 1 SGB II) gedeckt werden solle, wenn dies eine
zehnprozentige Reduzierung der Leistungsauszahlungen durch Aufrechnung (§ 42a Abs. 2 Satz
1 SGB II) zur Folge habe. Durch die umfangreiche Streichung von Gütern und Dienstleistungen
aus dem Katalog der EVS 2008 sei ein interner Ausgleich nicht mehr möglich. Der Gesetzgeber
hätte dies jedenfalls kontrollieren müssen.
40
Der Ausschluss bestimmter Positionen der EVS aus der Ermittlung der Regelbedarfe sei
entweder nicht hinreichend statistisch belegt oder nicht sachgerecht nachvollziehbar begründet.
Würde Mobilitätsbedarf mit Haushalten berechnet, die überhaupt keine Ausgaben für Verkehr
gehabt hätten, müsste der Gesetzgeber dies realistisch substituieren. Die Umrechnung der
Ausgaben für alkoholische Getränke in solche für nichtalkoholische Getränke lasse wie die
Streichung der Ausgaben für Schnittblumen oder Zimmerpflanzen den Teilhabeaspekt außer
Acht. Nicht hinreichend begründet sei es, Kosten der chemischen Reinigung nicht zu
berücksichtigen; die Annahme des Gesetzgebers, dass Reinigungskosten nur bei höherwertiger
Kleidung anfielen, sei nicht statistisch belegt. Bei Jugendlichen unterstelle der Gesetzgeber
ganz ohne statistisches Material einen Alkohol- und Tabakkonsum wie bei Erwachsenen,
obwohl Studien einen deutlichen Rückgang im Konsumverhalten verzeichneten. Die Streichung
von Ausgaben für außerschulischen Unterricht und Hobbykurse sei unzulässig. Der
Gesetzgeber verweise zu Unrecht auf die in § 28 SGB II vorgesehenen Teilhabeleistungen, da
der dortige abschließende Leistungskatalog den tatsächlich entstehenden Bedarf nicht in jedem
Fall abdecke und in den Gemeinden Leistungsangebote fehlten.
41
Nach einfachem Recht könnten keine höheren als die festgesetzten Leistungen beansprucht
werden. Auslegungsspielräume seien auch unter systematischer Berücksichtigung
grundgesetzlicher Vorgaben nicht vorhanden. Eine verfassungskonforme Situation lasse sich
auch nicht mit der Härtefallregelung des § 21 Abs. 6 SGB II herstellen, denn deren strenge
Voraussetzungen lägen nicht vor.
42
2. a) Der Vorlage im Verfahren 1 BvL 12/12 liegt die Klage eines 1961 geborenen
alleinstehenden Klägers zugrunde, der für September 2011 bis August 2012 Arbeitslosengeld II
erhielt. Die Leistung belief sich im Jahr 2011 für den Regelbedarf auf monatlich 364 € und im
Jahr 2012 auf monatlich 374 €. Er klagt auf weitere Leistungen für den Regelbedarf in Höhe von
monatlich insgesamt 487 € für den Bewilligungszeitraum. Das Sozialgericht hat das Verfahren
ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 19 Abs. 1 Satz 1 und
3, Abs. 3 Satz 1, § 20 Abs. 1 und 2 Satz 1, Abs. 5 SGB II in der Fassung von Art. 2 des Gesetzes
zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches
Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (BGBl I S. 453) in Verbindung mit § 28a SGB XII in der
Fassung von Art. 3 dieses Gesetzes und § 8 Abs. 1 Nr. 1 RBEG, verkündet als Art. 1 dieses
Gesetzes, mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums
vereinbar sind.
43
b) Das Gericht hält die vorgelegten Regelungen hinsichtlich der Leistungshöhe des
Regelbedarfs für einen alleinstehenden Leistungsberechtigten aus den Gründen des
Ausgangsverfahrens der Vorlage 1 BvL 10/12 für unvereinbar mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 20 Abs. 1 GG. Dies sei entscheidungserheblich, denn sollten die Vorschriften gültig sein, sei
die Klage unbegründet und folglich abzuweisen. Nach einfachem Recht könne der Kläger des
Ausgangsverfahrens keine höheren als die festgesetzten Leistungen beanspruchen.
44
3. a) Die Verfassungsbeschwerde im Verfahren 1 BvR 1691/13 zielt auf höhere Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Bewilligungszeitraum von Mai bis
Oktober 2011. Für den im Oktober 2009 geborenen Beschwerdeführer zu 3) wurden Leistungen
unter Berücksichtigung eines monatlichen Regelbedarfs von 215 € bewilligt, bei den
Beschwerdeführenden zu 1) und 2) war dies ein Betrag von je 328 €. Ihre Klage gegen den
Bescheid des zuständigen Jobcenters hatte vor dem Sozialgericht keinen Erfolg; das
Bundessozialgericht wies die Sprungrevision zurück.
45
b) Die Sozialgerichte waren der Auffassung, dass die Höhe des Regelbedarfs nicht
verfassungswidrig zu niedrig bemessen und daher die Festsetzung des Regelbedarfs für den
Beschwerdeführer zu 3) nicht zu beanstanden sei. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu
bemängeln, den Bedarf mittels eines Verteilungsschlüssels in Ableitung vom Bedarf des
Haushalts festzulegen, denn dieser beruhe auf einer vom zuständigen Bundesministerium
eingerichteten Arbeitsgruppe mit Sachverständigen und auf Modellrechnungen des Statistischen
Bundesamtes. Soweit keine konkret bezifferten Aufwendungen in die Bemessung eingeflossen
seien, hätten nicht genügend Haushalte Angaben zu ihrem Verbrauchsverhalten gemacht. Auch
die einzelnen Bedarfspositionen seien nicht fehlerhaft bemessen. So würden für „Kinderschuhe“
bereits ab der Geburt monatlich 7,02 € berücksichtigt, obwohl der Mensch in der Regel erst ab
einem Jahr zu laufen beginne. Desgleichen seien zwar nur 2,19 € für „sonstige Verbrauchsgüter
für die Körperpflege“ angesetzt, doch gelte dies bis zum sechsten Lebensjahr; der Gesetzgeber
dürfe hier beispielsweise für Windeln auf einen internen Ausgleich im Zeitverlauf setzen. Die
Aufspaltung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Kinder in der Altersstufe des
Beschwerdeführers in einen Regelbedarf und einen Bildungs- und Teilhabebedarf nach § 28
SGB II verletze sein Grundrecht nicht, denn die Herausnahme vormals regelbedarfsrelevanter
Positionen durch das Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz aus dem Regelbedarf werde durch die
Bildungs- und Teilhabeleistungen ausgeglichen. Die behauptete Kürzung des Regelbedarfs von
Kindern wegen der Leistungen für den persönlichen Schulbedarf träfe den Beschwerdeführer zu
3) altersbedingt nicht.
46
c) Mit der Verfassungsbeschwerde wird eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 20 Abs. 1 GG gerügt. Die Bedarfsermittlung genüge nicht den Anforderungen, die das
Bundesverfassungsgericht an die Berechnung gestellt habe, denn sie sei nicht hinreichend
transparent, realistisch und nachvollziehbar. Es seien Haushalte mit von vornherein geringem
Konsumverhalten einbezogen worden, namentlich Personen, die vormals Arbeitslosengeld oder
-hilfe bezogen hätten, und Menschen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
bezogen. Die Regelbedarfe für Kinder seien nicht realitätsgerecht ermittelt, da ihnen ein
Verteilungsschlüssel und keine Erhebung zugrunde lägen. So sei unbeachtet geblieben, dass
Kinder im Wachstum einen erhöhten Bedarf an Kleidung und Schuhen hätten. Hier sei die
Auswertung der EVS 2008 fehlerhaft, denn dort hätten Paarhaushalte mit einem Kind unter
sechs Jahren Ausgaben für Schuhe in Höhe von 7,02 € je Monat angegeben, während
Paarhaushalte mit einem Kind zwischen sieben und 14 Jahren hierfür mehr aufgebracht hätten;
dies sei nicht nachvollziehbar, denn vom Baby- bis zum Einschulungsalter wüchsen Füße
besonders schnell, weshalb Schuhe für Kleinkinder häufiger gekauft werden müssten und diese
seien auch teurer als Schuhe für Ältere.
III.
47
Zu den Vorlagebeschlüssen und der Verfassungsbeschwerde haben die Bundesregierung, die
Niedersächsische Staatskanzlei, das Bundessozialgericht, der Deutsche Gewerkschaftsbund,
der Sozialverband VdK Deutschland e.V., die Diakonie Deutschland - Evangelischer
Bundesverband -, der Deutsche Caritasverband, der Deutsche Sozialgerichtstag e.V., der
Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V., die Bundesarbeitsgemeinschaft der
Freien Wohlfahrtspflege, der Paritätische Gesamtverband, das Bündnis für ein
menschenwürdiges Existenzminimum, die Nationale Armutskonferenz, die Klagenden der
Ausgangsverfahren der Vorlagen und der Beklagte des Ausgangsverfahrens im
Verfassungsbeschwerdeverfahren Stellung genommen. Bis auf die Bundesregierung, das
Bundessozialgericht und den Beklagten des Ausgangsverfahrens im
Verfassungsbeschwerdeverfahren gehen alle Stellungnahmen davon aus, dass die Regelungen
zur Bestimmung der Höhe des Regelbedarfs für 2011 und 2012 verfassungswidrig seien.
48
1. Die Bundesregierung ist der Auffassung, der dem Gesetzgeber zugewiesene Auftrag, das
Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum mit einem gesetzlichen Anspruch zu
gewährleisten, sei erfüllt worden. Im Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
(BTDrucks 17/3404) fänden sich hinreichende Begründungen für die Ermittlung der
Regelbedarfe. Der Gesetzgeber habe tatsächliche Veränderungen berücksichtigt. Die
Bedarfsermittlung sei nicht zu beanstanden, denn die Sonderauswertungen zur Einkommens-
und Verbrauchsstichprobe (EVS) durch das Statistische Bundesamt seien durch Anhörungen
aus der Wissenschaft und der Praxis ergänzt worden. Es werde an dem System der
typisierenden Betrachtung festgehalten; bei Abweichungen von der EVS seien gesonderte
Auswertungen oder auf amtlichen Statistiken beruhende Berechnungen erfolgt. Der
Leistungsanspruch sei so ausgestaltet, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf
jedes individuellen Grundrechtsträgers decke. Es sei sichergestellt, dass die Bedarfshöhe
kontinuierlich überprüft werde und somit auf Veränderungen der wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen zeitnah reagiert werden könne.
49
Der interne Ausgleich zwischen einzelnen als bedarfsrelevant ermittelten Ausgabepositionen
bleibe möglich. Es gebe im Teilhabebereich Positionen, die flexibel eingesetzt werden könnten,
wie diejenigen für Verkehr, Nachrichtenübermittlung, Freizeit und Beherbergung, insgesamt also
mehr als 100 €.
50
Eine genaue Ermittlung des Bedarfs von Kindern und Jugendlichen und des Bildungs- und
Teilhabebedarfs sei nur bei Familien mit einem Kind möglich, denn bei Familien mit mehreren
Kindern würden nicht die Ausgaben für ein Kind eines bestimmten Alters ermittelt, sondern nur
Ausgaben für Erwachsene und Ausgaben für alle Kinder. Der daher erforderlichen Zuordnung
der Verbrauchsausgaben lägen Studien und umfangreiche Berechnungen mit methodisch
anspruchsvollen Modellen unter Beteiligung des zuständigen Ministeriums, der Wissenschaft
und des Statistischen Bundesamtes zugrunde.
51
2. Das Bundessozialgericht hat eine gemeinsame Stellungnahme der für Streitigkeiten in
Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate übersandt. Der 4.
Senat verweist auf seine Rechtsprechung, der die Revisionsentscheidung im
Ausgangsverfahren zugrunde liegt, die mit der Verfassungsbeschwerde 1 BvR 1691/13
angegriffen ist. In einem anderen Verfahren ging der 14. Senat davon aus, dass der Regelbedarf
für Alleinstehende für 2011 nicht verfassungswidrig zu niedrig festgesetzt worden sei oder zu
niedrig fortgeschrieben würde. Die Ermittlung entspreche den Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts. Der Gesetzgeber habe sich des Statistikmodells bedienen können.
Er habe die Referenzgruppe bestimmt, ohne seinen Gestaltungsspielraum zu überschreiten, und
einzelne Positionen begründet herausgenommen; auch ein interner Ausgleich sei möglich.
52
3. Auch nach Ansicht des Beklagten des Ausgangsverfahrens im
Verfassungsbeschwerdeverfahren ist die Ableitung der Regelbedarfe von Kindern und
Jugendlichen vom Bedarf der Familienhaushalte verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie
sei durch Studien abgesichert und transparent und sachgerecht bestimmt. Eine selektive Kritik
einzelner Positionen sei nicht überzeugend; die Pauschalen ermöglichten einen internen
Ausgleich. Zur Deckung des Bedarfs an Kinderschuhen könne beispielsweise auf den Betrag
von 11,30 € bei den Telekommunikationsleistungen zurückgegriffen werden.
53
4. Alle Stellungnahmen, die von der Verfassungswidrigkeit ausgehen, halten das Verfahren zur
Ableitung der Regelbedarfe aus der EVS 2008 für defizitär.
54
Sie gehen im Wesentlichen davon aus, dass die Berechnung nicht ausreichend transparent sei,
denn die Ergebnisse bei Fallzahlen von unter 25 Haushalten seien für 174 Positionen nicht
veröffentlicht und damit unüberprüfbar. Der Gesetzgeber sei seiner Obliegenheit der
nachvollziehbaren Begründung nicht nachgekommen, denn Größe und Zuschnitt der
Referenzgruppe, die Bestimmung der Altersgruppen bei Kindern und Jugendlichen und die
Verteilung von Haushaltsgemeinschaftskosten in Familienhaushalten seien nicht hinreichend
begründet. Die Größe der Referenzgruppe sei vielmehr gezielt vom gewünschten Ergebnis her
bestimmt und nicht vom Bedarf her ermittelt worden. Es gebe Zirkelschlüsse und statistische
Ungenauigkeiten. Die Referenzgruppe enthalte in erheblichem Umfang verdeckt Arme, deren
Einkommen nicht über dem Niveau derjenigen liege, die Fürsorgeleistungen bezögen; auch das
Gutachten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) besage, dass, je nach
gewähltem Simulationsmodell, 34 % bis 44 % aller Grundsicherungsberechtigten ihre Ansprüche
nicht realisierten. In die Referenzgruppe seien fälschlich erwerbstätige Aufstocker aufgenommen
worden, denn der pauschale Freibetrag für ein monatliches Erwerbseinkommen bis 100 € decke
Werbungskosten gerade für die Erwerbstätigkeit ab, steigere aber nicht das Einkommensniveau.
Auch hätten Studierende mit Anspruch nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz nicht
berücksichtigt werden dürfen, denn etwa ein Fünftel dieser Leistungen diene
Ausbildungszwecken und stehe der Existenzsicherung nicht zur Verfügung. Daneben seien
Personen mit Sozialleistungsbezug in einer Höhe ausgeschlossen worden, die im Jahr 2008
gegolten habe, aber verfassungswidrig gewesen sei.
55
Der Haushaltsstrombedarf sei nicht realitätsgerecht bestimmt worden. Es seien Haushalte ohne
Kosten für Strom einbezogen und damit offensichtlich Haushalte erfasst worden, denen das
Versorgungsunternehmen im Erhebungszeitraum den Strom abgestellt habe, denn sonst sei dies
nicht zu erklären. Das aber verzerre die Höhe des Bedarfs. Zudem seien die erheblichen
Preissteigerungen für Haushaltsenergie nicht hinreichend eingeflossen; der Preisanstieg liege
deutlich über dem Verbraucherpreisindex, der dies also nicht abbilde. Das Bündnis für ein
menschenwürdiges Existenzminimum hat mitgeteilt, dass der Stromanteil statt mit 29,69 € mit 34
€ hätte festgesetzt werden müssen, wenn die tatsächliche Preissteigerung zwischen 2008 und
2012 berücksichtigt worden wäre.
56
Der Regelbedarf sei für mehrere Verbrauchspositionen nicht folgerichtig ermittelt worden. Bei
den Verkehrsaufwendungen sei nicht hinreichend eingeflossen, dass bei Personen ohne Kosten
eines Kraftfahrzeugs die Kosten für „fremde Verkehrsdienstleistungen“ anstiegen. In der
Sonderauswertung sei ein weit überdurchschnittlicher Anteil an Haushalten ohne Ausgaben für
Verkehr enthalten, ohne dies zu substituieren.
57
Für die gesetzgeberische Wertung, die Ausgaben für alkoholische Getränke, chemische
Reinigung, Schnittblumen und Zimmerpflanzen sowie auswärtige Verpflegung als nicht
regelbedarfsrelevant anzusehen, fehle eine Begründung. Die Kürzung der Verbrauchsausgaben
für auswärtige Verpflegung auf den Betrag, der bei eigener Zubereitung von Mahlzeiten anfallen
würde, sei fehlerhaft. Der Gesetzgeber ignoriere, dass in der Referenzgruppe viele Personen mit
unterdurchschnittlichen Verbrauchskosten enthalten seien. Dazu gehörten Studierende mit
regelmäßigem Essen in Mensen und erwerbstätige Aufstocker mit regelmäßiger Versorgung in
Kantinen.
58
Das Prinzip des internen Ausgleichs als Voraussetzung für die Pauschalierung des
Regelbedarfs könne nicht aufrechterhalten werden. Der Regelbedarf sei „auf Kante genäht“ und
ermögliche nicht, notwendige Mittel anzusparen. Der Gesetzgeber könne auch nicht auf andere
Positionen verweisen, die selbst regelbedarfsrelevant seien, sondern nur auf
Ausgabepositionen, die statistisch sicher nicht für jede Person in der Referenzgruppe anfielen,
denn nur dann könne Verzicht geübt werden.
59
Es fehle eine schlüssige Begründung für die gewählte Altersstaffelung bei der Ermittlung der
Bedarfe für Kinder und Jugendliche. Die Verteilungsschlüssel müssten neu berechnet werden,
da sie auf Daten der EVS 1998 zurückgingen.
60
5. Die Niedersächsische Staatskanzlei legt ergänzend dar, dass der Gesetzgeber bei der
Ermittlung der Bedarfe für Verkehr nur solche Haushalte berücksichtigt habe, die ihren gesamten
Mobilitätsbedarf per Fahrrad, öffentlichen Personennah- und -fernverkehr und zu Fuß
befriedigten. Die Referenzgruppe sei sehr klein und die Auswahlkriterien sachwidrig. Jedenfalls
bestehe das Risiko, dass Haushalte in Kernstädten überrepräsentiert seien, obwohl insgesamt
mehr Haushalte im Umland und im ländlichen Bereich hilfebedürftig seien und dort Mobilität
auch Voraussetzung dafür sei, für den Lebensbedarf überhaupt einkaufen zu können.
61
Bei der Bemessung des Schulbedarfs seien nicht alle relevanten Ausgabenpositionen
berücksichtigt worden und die angesetzten 100 € im Jahr deckten den Bedarf in oberen Klassen
der Sekundarstufe nicht. Es sei nicht sichergestellt, dass in der Erhebung nur Haushalte mit
Schülerinnen und Schülern berücksichtigt seien. Auch bei Kindern unter sechs Jahren seien die
Verbrauchsausgaben für außerschulischen Unterricht und Mitgliedsbeiträge zu Unrecht nicht
berücksichtigt worden. Der Verweis auf Sachleistungen sei eine nicht gerechtfertigte
Ungleichbehandlung gegenüber Erwachsenen, ein Eingriff in die Handlungsfreiheit der
Minderjährigen und in die pädagogische Freiheit der Erziehungsberechtigten. Zudem zeige sich,
dass weniger als die Hälfte der Minderjährigen, die Leistungen nach dem SGB II bezögen, auch
die Teilhabeleistungen in Anspruch genommen hätten. Deshalb sei davon auszugehen, dass
die Angebote nicht genügten.
62
6. Der Deutsche Gewerkschaftsbund argumentiert insbesondere, die Berechnungen der EVS
seien nicht zum Zweck der Bedarfsberechnung konzipiert worden. Mit ihr werde nicht ermittelt,
was ein Mensch zum Leben brauche, sondern lediglich erfasst, was Haushalte für die
Lebensführung ausgäben. So tauche ein Bedarf nicht auf, wenn die Einkommensschwächsten
jeweils gerade daran sparten, wie beispielsweise bei der Bildung. Die Herausnahmen und
Kürzungen einzelner Verbrauchspositionen der EVS führten zu einem Methodenmix aus
Statistikmodell und nachgelagerten Warenkorberwägungen, beruhten nicht auf empirisch-
statistischen Erhebungen und zielten alle auf eine Senkung des existenzsichernden Bedarfs. Ein
interner Ausgleich sei nicht mehr möglich. Die Daten seien statistisch nicht hinreichend
signifikant, was die Verbrauchspositionen mit „()“ oder „/“ zeigten; die Stichprobe bei Familien sei
zu klein. Es verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, Erwachsene in Einpersonen- und
Familienhaushalten auf Grundlage der unteren 15 % der Haushalte zu behandeln, die Kinder
jedoch nach den unteren 20 %. Der Gesetzgeber habe nicht untersucht, ob Erwachsene in
Familienhaushalten gerade wegen ihrer Kinderbetreuung andere Bedarfe hätten als
Alleinlebende.
63
7. Die Diakonie Deutschland weist insbesondere darauf hin, dass die Fortschreibung der
Regelbedarfsstufen unzureichend sei. Der „Mischindex“ berücksichtige Preissteigerungen nach
dem 30. Juni immer erst bei der nächsten Fortschreibung, also um ein halbes Jahr verzögert. Der
Regelbedarf müsse jedoch den aktuellen existentiellen Bedarf sichern, weshalb die
Fortschreibung einmalig um 1 % zusätzlich anzupassen sei. Sie müsse zudem transparent
berechnet und nicht nur das Ergebnis verkündet werden.
64
8. Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. geht zudem davon aus, in den
Referenzgruppen seien Haushalte erfasst, die Lebensmittel von gemeinnützigen
Hilfsorganisationen wie den „Tafeln“ bezögen, dann aber mit den erfassten Ausgaben ihren
Bedarf an Lebensmitteln nicht auf dem freien Markt decken könnten.
65
9. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege wendet sich insbesondere gegen
die Neuberechnung der Regelbedarfe für Kinder und Jugendliche. Viele der für Kinder und
Jugendliche als relevant definierten Verbrauchsausgaben seien mit den kleinen Stichproben der
EVS statistisch nicht hinreichend signifikant. Der Teilhabebedarf werde nur zweckgebunden und
pauschal unzureichend berücksichtigt.
66
10. Die Klagenden des Ausgangsverfahrens der Vorlage 1 BvL 10/12 führen weiter aus, die
Teilhabepauschale von monatlich 10 € möge für die Mitgliedschaft in einem Sportverein noch
ausreichen, aber andere Teilhabemöglichkeiten wie beispielsweise den Besuch einer
Musikschule nicht eröffnen, wo der günstigste Gruppenunterricht von 30 Minuten in einer Woche
für Jugendliche 24 € monatlich koste.
67
11. Der Kläger des Ausgangsverfahrens der Vorlage 1 BvL 12/12 trägt ergänzend vor, es sei
methodisch nicht vertretbar, die Ausgaben für Alkohol und Tabak durch alkoholfreie Getränke zu
substituieren, denn auch alkoholische Getränke seien zur Förderung der zwischenmenschlichen
Beziehungen und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben regelbedarfsrelevant. Die
Anschaffungskosten für Brillen ließen sich aus dem monatlichen Satz für die gesamte
Gesundheitspflege in Höhe von lediglich 15,55 € nicht realistisch ansparen.
68
12. Der Paritätische Gesamtverband legt alternative Berechnungen für den Regelbedarf
alleinstehender Leistungsberechtigter im Jahr 2011 vor. Werde die EVS 2003 gemäß der
Regelsatzverordnung 2006 ausgewertet und anhand eines regelbedarfsspezifischen
Preisindexes auf das Jahr 2008 hochgerechnet, ergebe sich ein Betrag von 375 €, nicht aber die
geltenden 364 €. Ohne die „Kürzungen ins Blaue hinein“ ergäben die alten Berechnungen der
Bundesregierung sogar einen Regelbedarf von 421 €. Werde bei den Einpersonenhaushalten
nicht eine Referenzgruppengröße von 15 %, sondern von 20 % zugrunde gelegt, erhöhe sich
das Regelbedarfsniveau im Jahr 2011 um 4,9 % oder 18 €. Eigene Berechnungen ergäben
zudem, dass der Preis für Haushaltsstrom stärker steige als dies die Fortschreibung der
Regelbedarfsstufen berücksichtige. Daraus ergebe sich bei Einpersonenhaushalten zwischen
dem Strompreis und dem im Regelbedarf hierfür berücksichtigten Betrag eine monatliche
Differenz von 4,78 € im Jahr 2011 und von 4,83 € im April 2012.
B.
69
1. Die Vorlagen sind zulässig. Gegenstand der Vorlagebeschlüsse sind § 20 Abs. 1 Satz 1 und
2, Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1, Abs. 4 und 5 sowie § 77 Abs. 4 Nr. 1 SGB II in der Fassung von
Art. 2 des Gesetzes vom 24. März 2011 (BGBl I S. 453) in Verbindung mit § 28a SGB XII in der
Fassung von Art. 3 des Gesetzes vom 24. März 2011 (BGBl I S. 453) sowie § 8 Abs. 1 Nr. 1, 2
und 4, Abs. 2 Nr. 1 RBEG sowie § 2 RBSFV 2012 vom 17. Oktober 2011 (BGBl I S. 2090). Allein
von diesen Vorschriften hängen die Entscheidungen des vorlegenden Gerichts ab, denn in der
Sache geht es nur um die Höhe der Leistungen für den Regelbedarf nach dem
Grundsicherungsrecht für Arbeitsuchende. Auf die weiteren Regelungen, die das Sozialgericht
vorlegt, kommt es nicht entscheidend an, auch wenn sie für die Leistungen für den Regelbedarf
von Bedeutung sind; über dessen Höhe sagen sie hingegen nichts. Diese ergibt sich vielmehr
aus § 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II, weil dort der Bedarf definiert wird, der von der Leistung
gedeckt werden soll; die konkreten Beträge weisen § 20 Abs. 2, 4 und 5 sowie § 77 Abs. 4 SGB
II, § 8 RBEG und § 2 Abs. 1 RBSFV 2012 aus.
70
Die zu prüfenden Vorschriften bestimmen die Höhe der Leistungen für den Regelbedarf im
Verfahren 1 BvL 10/12 für den Zeitraum Januar 2011 bis Juni 2012, im Verfahren 1 BvL 12/12 für
den Zeitraum September 2011 bis August 2012. Der Erfolg der Klagen in den
Ausgangsverfahren hängt davon ab, ob diese Bestimmungen mit dem Grundgesetz vereinbar
sind.
71
Das vorlegende Gericht ist in beiden Verfahren von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung
gestellten Normen überzeugt (vgl. BVerfGE 105, 61 <67>; 121, 241 <252 f.>; 126, 77 <97 f.>
jeweils m.w.N.). Es hat ausführlich dargelegt, inwiefern diese mit übergeordneten Rechtsnormen
nicht vereinbar seien, und unter Auswertung von Rechtsprechung und Fachliteratur ausgeführt,
dass in den Ausgangsverfahren nach der Regelung im Gesetz keine höheren Leistungen in
Betracht kämen und seine Entscheidung deshalb allein von der Verfassungsgemäßheit der
Vorschriften über die Leistungen für den Regelbedarf nach dem Grundsicherungsrecht für
Arbeitsuchende abhänge.
72
2. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere ist sie fristgerecht erhoben (§ 93 Abs.
1 BVerfGG) und hinreichend substantiiert begründet worden (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG).
C.
73
§ 20 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1, Abs. 4 und 5, § 23 Nr. 1, § 77 Abs. 4 Nr. 1 und 2 SGB II und § 8
Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 und 6, Abs. 2 Nr. 1 und 3 RBEG, jeweils in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Satz 1
und 2 SGB II und § 28a SGB XII, sowie die Anlage zu § 28 SGB XII sowie § 2 RBSFV 2012, § 2
RBSFV 2013 und § 2 RBSFV 2014 sind mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines
menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem
Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG nach Maßgabe der Gründe derzeit noch vereinbar
(zum Anpassungsbedarf im Zuge der nächsten Neuermittlung der Höhe der Regelbedarfe unten
D).
I.
74
1. Das Grundgesetz garantiert mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ein
Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Art. 1 Abs. 1 GG
begründet diesen Anspruch; das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG erteilt dem
Gesetzgeber den Auftrag, ein menschenwürdiges Existenzminimum tatsächlich zu sichern. Das
Grundrecht ist dem Grunde nach unverfügbar und muss durch einen Leistungsanspruch
eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den
Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des
Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen im Hinblick auf die konkreten
Bedarfe der Betroffenen auszurichten hat. Dem Gesetzgeber steht ein Gestaltungsspielraum zu
(vgl. BVerfGE 125, 175 <222>; 132, 134 <159, Rn. 62>). Dabei ist er auch durch völkerrechtliche
Verpflichtungen gebunden (vgl. BVerfGE 132, 134 <161 f., Rn. 68>).
75
a) Der verfassungsrechtlich garantierte Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines
menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich nur auf die unbedingt erforderlichen Mittel
zur Sicherung sowohl der physischen Existenz als auch zur Sicherung eines Mindestmaßes an
Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben (vgl. BVerfGE 125, 175 <223>;
132, 134 <160, Rn. 64>).
76
b) Der Gesetzgeber muss bei der Ausgestaltung der Leistungen zur Sicherung des
menschenwürdigen Existenzminimums die entsprechenden Bedarfe der Hilfebedürftigen zeit-
und realitätsgerecht erfassen. Ihm kommt ein Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung von Art
und Höhe der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums zu. Er hat einen
Entscheidungsspielraum bei der Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie bei der
wertenden Einschätzung des notwendigen Bedarfs. Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber
seine Entscheidung an den konkreten Bedarfen der Hilfebedürftigen ausrichtet (vgl. BVerfGE
125, 175 <224 f.>; 132, 134 <160 f., Rn. 67>) und die Leistungen zur Konkretisierung des
grundrechtlich fundierten Anspruchs tragfähig begründet werden können (vgl. BVerfGE 132, 134
<162, Rn. 69> unter Verweis auf BVerfGE 125, 175 <225>).
77
aa) Die sich aus der Verfassung ergebenden Anforderungen an die methodisch sachgerechte
Bestimmung grundrechtlich garantierter Leistungen beziehen sich nicht auf das Verfahren der
Gesetzgebung, sondern auf dessen Ergebnisse (BVerfGE 132, 134 <162 f., Rn. 70>). Das
Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 20 Abs.1 GG bringt für den Gesetzgeber keine spezifischen Pflichten im
Verfahren mit sich; entscheidend ist, ob sich die Höhe existenzsichernder Leistungen durch
realitätsgerechte, schlüssige Berechnungen sachlich differenziert begründen lässt. Das
Grundgesetz enthält in den Art. 76 ff. GG zwar insofern Vorgaben für das
Gesetzgebungsverfahren, die auch die Transparenz der Entscheidungen des Gesetzgebers
sichern. Das parlamentarische Verfahren mit der ihm eigenen Öffentlichkeitsfunktion (vgl.
BVerfGE 119, 96 <128>) sichert so, dass die erforderlichen gesetzgeberischen Entscheidungen
öffentlich verhandelt (Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG) und ermöglicht, dass sie in der breiteren
Öffentlichkeit diskutiert werden (vgl. BVerfGE 70, 324 <355>; in Abgrenzung zur
Bundesversammlung BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 10. Juni 2014 - 2 BvE 2/09 -, juris,
Rn. 100). Die Verfassung schreibt jedoch nicht vor, was, wie und wann genau im
Gesetzgebungsverfahren zu begründen und zu berechnen ist, sondern lässt Raum für
Verhandlungen und für den politischen Kompromiss. Das Grundgesetz verpflichtet den
Gesetzgeber insofern auch nicht, durch Einbeziehung aller denkbaren Faktoren eine optimale
Bestimmung des Existenzminimums vorzunehmen; darum zu ringen ist vielmehr Sache der
Politik (vgl. BVerfGE 113, 167 <242>). Entscheidend ist, dass die Anforderungen des
Grundgesetzes, tatsächlich für eine menschenwürdige Existenz Sorge zu tragen, im Ergebnis
nicht verfehlt werden.
78
bb) Das Grundgesetz schreibt insofern auch keine bestimmte Methode vor, wodurch der dem
Gesetzgeber zustehende Gestaltungsspielraum begrenzt würde. Es kommt dem Gesetzgeber zu,
die Methode zur Ermittlung der Bedarfe und zur Berechnung der Leistungen zur Sicherung einer
menschenwürdigen Existenz im Rahmen der Tauglichkeit und Sachgerechtigkeit selbst
auszuwählen (vgl.
BVerfGE 125, 175 <225>). Die getroffene Entscheidung verändert allerdings nicht die
grundrechtlichen Maßstäbe. Daher darf keine Methode gewählt werden, die Bedarfe von
vornherein ausblendet, wenn diese ansonsten als existenzsichernd anerkannt worden sind (vgl.
BVerfGE 132, 134 <162 f., Rn. 71>). Werden hinsichtlich bestimmter Personengruppen
unterschiedliche Methoden zugrunde gelegt, muss dies sachlich zu rechtfertigen sein (vgl.
BVerfGE 125, 175 <225>).
79
cc) Die Ergebnisse eines sachgerechten Verfahrens zur Bestimmung grundrechtlich garantierter
Ansprüche sind fortwährend zu überprüfen und weiter zu entwickeln (vgl. BVerfGE 125, 175
<225>).
80
2. Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bemessung des Existenzminimums
entspricht eine zurückhaltende Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht. Das Grundgesetz
selbst gibt keinen exakt bezifferten Anspruch vor (vgl. BVerfGE 125, 175 <225 f.>; 132, 134 <165,
Rn. 78>). Deswegen kann auch der Umfang dieses Anspruchs im Hinblick auf die Arten des
Bedarfs und die dafür erforderlichen Mittel nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet
werden (vgl. BVerfGE 91, 93 <111 f.>). Dem Bundesverfassungsgericht kommt nicht die Aufgabe
zu, zu entscheiden, wie hoch ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums
sein muss; es ist zudem nicht seine Aufgabe, zu prüfen, ob der Gesetzgeber die gerechteste,
zweckmäßigste und vernünftigste Lösung zur Erfüllung seiner Aufgaben gewählt hat (vgl.
BVerfGE 130, 263 <294> m.w.N.). Aus verfassungsrechtlicher Sicht kommt es vielmehr
entscheidend darauf an, dass die Untergrenze eines menschenwürdigen Existenzminimums
nicht unterschritten wird und die Höhe der Leistungen zu dessen Sicherung insgesamt tragfähig
begründbar ist.
81
a) Da das Grundgesetz selbst keine exakte Bezifferung des Anspruchs auf existenzsichernde
Leistungen vorgibt, beschränkt sich die materielle Kontrolle der Höhe von Sozialleistungen zur
Sicherung einer menschenwürdigen Existenz darauf, ob die Leistungen evident unzureichend
sind (BVerfGE 125, 175 <225 f.>; 132, 134 <165, Rn. 78>). Diese Kontrolle bezieht sich im Wege
einer Gesamtschau (vgl. BVerfGE 130, 263 <295>) auf die Höhe der Leistungen insgesamt und
nicht auf einzelne Berechnungselemente, die dazu dienen, diese Höhe zu bestimmen. Evident
unzureichend sind Sozialleistungen nur, wenn offensichtlich ist, dass sie in der Gesamtsumme
keinesfalls sicherstellen können, Hilfebedürftigen in Deutschland ein Leben zu ermöglichen, das
physisch, sozial und kulturell als menschenwürdig anzusehen ist.
82
b) Jenseits dieser Evidenzkontrolle überprüft das Bundesverfassungsgericht, ob Leistungen
jeweils aktuell auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren im
Ergebnis zu rechtfertigen sind. Das Bundesverfassungsgericht setzt sich dabei nicht mit eigener
Sachkompetenz an die Stelle des Gesetzgebers, sondern überprüft lediglich die
gesetzgeberischen Festlegungen zur Berechnung von grundgesetzlich nicht exakt bezifferbaren,
aber grundrechtlich garantierten Leistungen. Lassen sich diese nachvollziehbar und sachlich
differenziert tragfähig begründen, stehen sie mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG
in Einklang (vgl. BVerfGE 125, 175 <225 f.>; 132, 134 <165 f., Rn. 79>; oben C I 1 b).
83
aa) Die gesetzgeberischen Festlegungen zur Berechnung der Höhe existenzsichernder
Leistungen müssen sachlich vertretbar sein. Auch ein politisch ausgehandelter Kompromiss darf
nicht zu sachlich nicht begründbaren Ergebnissen führen, wobei schlicht gegriffene Zahlen
ebenso wie Schätzungen ins Blaue hinein den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht
genügen (vgl. BVerfGE 125, 175 <237 f.>; 132, 134 <170 f., Rn. 90 f.>).
84
bb) Die Art und die Höhe der Leistungen müssen sich mit einer Methode erklären lassen, nach
der die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt werden
und nach der sich die Berechnungsschritte mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb
dieses Verfahrens im Rahmen des Vertretbaren bewegen. Die Berechnung des
Existenzminimums anhand eines Warenkorbes notwendiger Güter und Dienstleistungen mit
anschließender Ermittlung und Bewertung der dafür zu entrichtenden Preise ist in gleicher
Weise wie der Einsatz einer Verbrauchsstatistik für die Berechnung der Leistungshöhe zulässig
(vgl. BVerfGE 125, 175 <234 f.>). Entscheidet sich der Gesetzgeber für das Statistikmodell, muss
er Vorkehrungen gegen die damit einhergehenden spezifischen Risiken der Unterdeckung
aktuell existenzsichernder Bedarfe treffen. Er ist von Verfassungs wegen nicht gehindert, aus der
Statistik in Orientierung an einem Warenkorbmodell nachträglich einzelne Positionen wieder
herauszunehmen. Wenn er aber in dieser Weise Elemente aus dem Warenkorbmodell in die
Berechnung einführt, muss er sicherstellen, dass das Existenzminimum gleichwohl tatsächlich
gesichert ist. Die Leistungen müssen entweder insgesamt so bemessen sein, dass entstehende
Unterdeckungen intern ausgeglichen werden können (vgl. BVerfGE 125, 175 <238>), oder dass
Mittel zur Deckung unterschiedlicher Bedarfe eigenverantwortlich angespart und die Bedarfe so
gedeckt werden (vgl. BVerfGE 125, 175 <229>), oder es muss ein Anspruch auf den
anderweitigen Ausgleich solcher Unterdeckungen bestehen.
85
cc) Der Gesetzgeber kommt seiner Pflicht zur Aktualisierung von Leistungsbeträgen zur
Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach, wenn er die Entwicklung der
tatsächlichen Lebenshaltungskosten zur Deckung des existenznotwendigen Bedarfs durch
regelmäßige Neuberechnungen und Fortschreibungen berücksichtigt (vgl. BVerfGE 125, 175
<225>; 132, 134 <165 f., Rn. 79>). Auf Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen
wie auf Preissteigerungen oder auf die Erhöhung von Verbrauchsteuern muss zeitnah reagiert
werden, um sicherzustellen, dass der aktuelle Bedarf gedeckt wird (BVerfGE 132, 134 <163, Rn.
72>).
II.
86
Nach diesen Maßstäben genügen die vorgelegten Vorschriften für den
entscheidungserheblichen Zeitraum in der erforderlichen Gesamtschau noch den Vorgaben von
Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber hat den Anspruch auf
Leistungen zur Sicherung des Regelbedarfs nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch zur
Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums und die Anpassung der Leistungshöhe
mit den Regelungen der § 20 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1, Abs. 4, Abs. 5, § 23 Nr. 1, § 77 Abs. 4
Nr. 1 und 2 SGB II und § 8 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 und 6, Abs. 2 Nr. 1 und 3 RBEG, jeweils in
Verbindung mit § 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II und § 28a SGB XII, sowie der Anlage zu § 28
SGB XII sowie § 2 RBSFV 2012, § 2 RBSFV 2013 und § 2 RBSFV 2014 gesetzlich gesichert.
Es lässt sich nicht feststellen, dass die Leistungen evident unzureichend festgesetzt sind (1). Die
Vorgaben für die Bestimmung der Leistungshöhe genügen derzeit den Anforderungen an eine
sachangemessene Berechnung der Leistungshöhe; der Gesetzgeber hat jedoch nach Maßgabe
der Gründe dafür Sorge zu tragen, dass erkennbare Risiken einer Unterdeckung
existenzsichernder Bedarfe nicht eintreten werden (2). Die Vorgaben für die Fortschreibung des
Regelbedarfs sind mit der Verfassung vereinbar (3). Ein Verstoß gegen weitere Grundrechte liegt
nicht vor (4).
87
1. Die Evidenzkontrolle zielt allein auf die offenkundige Unterschreitung der insgesamt
notwendigen Höhe existenzsichernder Leistungen und grundsätzlich nicht auf einzelne
Positionen der Berechnung. Danach erweist sich die Bestimmung der Leistungen zur Sicherung
eines menschenwürdigen Existenzminimums nach den angegriffenen Vorschriften nicht als
evident unzureichend. Die Festsetzung der Gesamtsumme für den Regelbedarf lässt nicht
erkennen, dass der existenzsichernde Bedarf offensichtlich nicht gedeckt wäre.
88
Der Gesetzgeber hat die Leistungshöhe hier auch nicht dadurch evident unterschritten, dass er
die Fortschreibung an dem regelmäßig berechneten Verbraucherpreisindex (vgl. Statistisches
Bundesamt, Preise, Verbraucherpreisindizes für Deutschland, Jahresbericht 2013) orientiert und
für den Haushaltsstrom keinen Sonderindex genutzt hat, der die ungewöhnlich hohen
Preissteigerungen im entscheidungserheblichen Zeitraum hätte besser abbilden können. Aus
der immer vorhandenen Möglichkeit, den Preisanstieg existenzsichernder Leistungen genauer
abzubilden, folgt nicht, dass die nach dem Verbraucherindex angepasste Gesamtsumme der
Leistungen für den Regelbedarf evident unzureichend ist. Auch liegt im Fall des
Haushaltsstroms keine über Jahrzehnte reichende Veränderung mit einem ständig
anwachsenden Preisanstieg vor, die der Gesetzgeber nicht beachtet hätte (dazu BVerfGE 132,
134 <166 ff., Rn. 82 ff.>). Für den entscheidungserheblichen Zeitraum ist jedenfalls nicht
ersichtlich, dass der Anstieg der Stromkosten derart extrem ausgefallen wäre, dass der
Gesetzgeber dies hätte gesondert ausgleichen müssen.
89
2. Die Bestimmung der Höhe der Leistungen für den Regelbedarf durch den Gesetzgeber im
Rahmen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch genügt den Anforderungen an eine hinreichend
transparente, jeweils aktuell auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger
Berechnungsverfahren tragfähig zu rechtfertigende Bemessung der Leistungshöhe. Der
Gesetzgeber hat die relevanten Bedarfsarten berücksichtigt, die für einzelne Bedarfspositionen
aufzuwendenden Kosten mit einer von ihm gewählten, im Grundsatz tauglichen und im Einzelfall
mit hinreichender sachlicher Begründung angepassten Methode sachgerecht, also im
Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und auf dieser Grundlage die Höhe des
Gesamtbedarfs bestimmt (vgl. BVerfGE 125, 175 <225>; 132, 134 <165, Rn. 79>; oben C I 2 b).
Es ist nicht erkennbar, dass er für die Sicherung einer menschenwürdigen Existenz relevante
Bedarfsarten übersehen und die zu ihrer Deckung erforderlichen Leistungen durch gesetzliche
Ansprüche nicht gesichert hat (a). Selbst wenn die Leistungshöhe für den Regelbedarf in der
Summe einer politischen Zielvorstellung entsprochen haben mag, ist sie verfassungsrechtlich
nicht zu beanstanden, wenn sie sich mit Hilfe verlässlicher Daten tragfähig begründen lässt (b).
Zur Bestimmung der Höhe der Leistungen für den Regelbedarf hat sich der Gesetzgeber mit dem
Statistikmodell auf eine Methode gestützt, die grundsätzlich geeignet ist, die zur Sicherung eines
menschenwürdigen Existenzminimums notwendigen Leistungen bedarfsgerecht zu bemessen
(c). Er stützt sich im Ausgangspunkt mit der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) auch
auf geeignete empirische Daten (d). Soweit von der Orientierung an den so ermittelten Daten
durch die Herausnahme und durch Kürzungen einzelner Positionen abgewichen wird, bestehen
im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung keine durchgreifenden
verfassungsrechtlichen Bedenken (e). Die damit einhergehenden spezifischen Risiken der
Unterdeckung müssen allerdings im Rahmen der nächsten Aktualisierung der Regelbedarfe
bewältigt werden (f). Die geltend gemachten verfassungsrechtlichen Einwände gegen den
Regelbedarf für Kinder und Jugendliche greifen nicht durch (g).
90
a) Der Gesetzgeber hat die zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz erforderlichen
Leistungen durch gesetzliche Ansprüche gesichert. Es ist nicht zu erkennen, dass er relevante
Bedarfsarten übersehen hätte. Die zu überprüfenden Regelungen normieren ein System von
Leistungsansprüchen, das - ohne vom Grundgesetz als einzig mögliches vorgegeben zu sein -
grundsätzlich keine substantiellen Defizite enthält. Der Regelbedarf zur Sicherung des
Lebensunterhalts dient nach der Definition in § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II dazu, die physische
Seite des Existenzminimums zu sichern und dessen soziale Seite abzudecken, denn er umfasst
auch die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens einschließlich der Teilhabe am
sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Die Vorgaben der § 5 Abs. 1 Nr. 2a und
§ 10 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a und § 25 SGB XI tragen der Fürsorgepflicht bei Krankheit
und Pflegebedürftigkeit Rechnung. Zudem sind nach § 21 SGB II auch besondere Mehrbedarfe
zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz gedeckt und mit § 21 Abs. 6 SGB II liegt eine
Regelung vor, die einen Anspruch auf Leistungen für einen unabweisbaren, laufenden, nicht nur
einmaligen besonderen Bedarf vorsieht. Nach § 22 Abs. 1 SGB II werden die angemessenen
Kosten für Unterkunft und Heizung übernommen. Mit § 28 SGB II berücksichtigt der Gesetzgeber
für Kinder und Jugendliche auch Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen
Leben in der Gemeinschaft.
91
b) Der Gesetzgeber verletzt seinen grundgesetzlichen Ausgestaltungsauftrag zur Sicherung des
menschenwürdigen Existenzminimums nicht, weil sich die Leistungshöhe für den Regelbedarf
im Ergebnis tragfähig auf der Grundlage verlässlicher Daten rechtfertigen lässt. Der für das Jahr
2011 ermittelte Regelbedarf der Stufe 1 nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 RBEG entspricht zwar mit 364 €
exakt dem Betrag, der sich auf der Grundlage des 2008 geltenden Regelsatzes, der um den
jeweiligen aktuellen Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 RSV in der
Fassung bis 31. Dezember 2010 fortgeschrieben worden wäre, ergeben hätte (BTDrucks
16/11065, S. 3). Da sich dies auf der Grundlage belastbarer Zahlen nachvollziehen und nach
Maßgabe vertretbarer Wertungen verfassungsrechtlich rechtfertigen lässt, in sich nicht
unsachlich ist und nicht auf schlicht gegriffenen Zahlen oder Schätzungen ins Blaue hinein
beruht (vgl. BVerfGE 125, 175 <223, 237 f.>; 132, 134 <170 f., Rn. 90 f.>; oben C I 2 b aa), ist ein
solches Ergebnis von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
92
c) Die in § 20 Abs. 5 Satz 2 SGB II in Verbindung mit § 28 SGB XII und dem Regelbedarfs-
Ermittlungsgesetz vorgegebene Orientierung an der EVS ist als statistisches
Berechnungsmodell ein im Grundsatz geeignetes Verfahren, die zur Sicherung eines
menschenwürdigen Existenzminimums notwendigen Leistungen realitätsgerecht zu bemessen
(vgl. BVerfGE 125, 175 <232 ff.>). Die Festlegung in § 28 Abs. 2 SGB XII, dass bei der Ermittlung
der bundesdurchschnittlichen Regelbedarfsstufen der Stand und die Entwicklung von
Nettoeinkommen, das Verbrauchsverhalten und die Lebenshaltungskosten auf der Grundlage
der durch die EVS nachgewiesenen tatsächlichen Verbrauchsausgaben unterer
Einkommensgruppen zu berücksichtigen sind, ist nicht unsachlich und tragfähig begründbar. Es
ist im Ausgangspunkt verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber in § 28
Abs. 2 SGB XII insoweit das Einkommen in Bezug nimmt, als für die Festlegung der
Regelbedarfe nach den hier zu prüfenden Vorschriften nur die tatsächlichen
Verbrauchsausgaben unterer Einkommensgruppen herangezogen werden (dazu unten d bb).
Dies ist Teil der Ausrichtung auf den Entwicklungsstand des Gemeinwesens und die
bestehenden Lebensbedingungen (vgl. BVerfGE 125, 175 <222>); es stellt einen Bezug zu den
Erwerbstätigen her (vgl. BVerfGE 125, 175 <234>; dazu BTDrucks 17/3404, S. 121 f.), ermöglicht
aber für sich genommen keine Unterschreitung der verfassungsrechtlich gebotenen Mindesthöhe
der existenzsichernden Leistungen.
93
Der Gesetzgeber hat das statistisch ermittelte Ausgabeverhalten allerdings nicht unverändert
zugrunde gelegt. Für die Festlegung der Regelbedarfe nach den hier zu prüfenden Vorschriften
sind die tatsächlichen Verbrauchsausgaben unterer Einkommensgruppen, wie sie sich aus der
EVS ergeben, nur der Ausgangspunkt; dazu kommen Sonderauswertungen, Berechnungen mit
Hilfe eigener Verteilungsschlüssel sowie eine Bewertung der sich aus der Verbrauchsstatistik
ergebenden Ausgabeposten daraufhin, ob sie zur Gewährleistung eines menschenwürdigen
Existenzminimums erforderlich sind. Soweit daraus Unterdeckungen entstehen können, ist dem
Rechnung zu tragen (unten f). Entscheidend ist, dass im Ergebnis eine menschenwürdige
Existenz tatsächlich gesichert ist (oben C I 1 b aa).
94
d) Die Ermittlung der Regelbedarfe stützt sich im Ausgangspunkt mit der EVS auf geeignete
empirische Daten (vgl. BVerfGE 125, 175 <235>).
95
aa) Der Gesetzgeber ist nicht gehalten, für die Berechnung jeder Leistung eigene Erhebungen
durchzuführen, sondern darf sich auch dafür entscheiden, vorhandene Daten zu nutzen. Mit der
EVS wird zwar der Verbrauch und nicht der Bedarf ermittelt, doch ist es in einer Gesellschaft, in
der sich Menschen im Regelfall nicht mit eigenen Erzeugnissen versorgen, hinreichend
plausibel, vom Verbrauch auf den Bedarf zu schließen. Da die EVS Ausstattung und
Konsumverhalten privater Haushalte im Wege von freiwilligen Befragungen in Stichproben
ermittelt, ist diese Datengrundlage wie jede andere empirische Erhebung auch nicht fehlerfrei.
Doch bildet die EVS in statistisch hinreichend zuverlässiger Weise das Verbrauchsverhalten der
Bevölkerung ab. Das Statistische Bundesamt versucht, die freiwilligen Eintragungen in den
Haushaltsbüchern der befragten Referenzgruppen durch Kontrollfragen fachlich angemessen zu
verifizieren und kontrolliert die Ergebnisse durch Plausibilitätsprüfungen. Es ist auch nicht zu
beanstanden, dass in die Berechnung der Regelbedarfe Einzelposten aus der EVS einfließen,
die nicht mit veröffentlichten Zahlen belegt sind. Bestimmte Daten werden aus Gründen des
auch hier zu beachtenden Datenschutzes durch das Statistische Bundesamt numerisch nicht
genau ausgewiesen, sondern bei Fallzahlen unter 25 neutral („/“) oder bei Fallzahlen unter 100
durch Klammern gekennzeichnet. Der Gesetzgeber gibt in § 28 Abs. 3 Satz 4 SGB XII auch vor,
dass die Datengrundlage zur Bestimmung existenzsichernder Leistungen hinreichend groß sein
muss.
96
bb) Die vom Gesetzgeber getroffene Auswahl der für die Ermittlung des Regelbedarfs zu
berücksichtigenden Referenzhaushalte ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
97
Es ist grundsätzlich zulässig, dass der Gesetzgeber die Höhe der Leistungen für den
Regelbedarf an dem in der EVS ermittelten Verbrauchsverhalten der unteren
Einkommensgruppen orientiert. Er darf davon ausgehen, dass in höheren Einkommensgruppen
Ausgaben in wachsendem Umfang über das zur Deckung des Existenzminimums Notwendige
hinaus getätigt werden (vgl. BVerfGE 125, 175 <234>).
98
Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht gehalten, sich bei der Bestimmung der Höhe
der Regelleistungen wie zuvor bei der EVS 2003 an den unteren 20 % der nach ihrem
Nettoeinkommen geschichteten Einpersonenhaushalte zu orientieren. Die Entscheidung, nun in
Bezug auf die EVS 2008 nach § 4 Nr. 1 RBEG die Gruppe nur der unteren 15 % der Haushalte
als Bezugsgröße zu setzen, verletzt die Verfassung nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat
nicht zu prüfen, ob die Wahl einer anderen Referenzgruppe angemessener gewesen wäre.
Entscheidend ist, dass die Wahl der Referenzgruppe sachlich vertretbar ist. Dies ist hier der Fall.
Die erfassten obersten Einkommen lagen ausweislich der Stellungnahme des Paritätischen
Gesamtverbandes sogar höher als bei der EVS 2003.
99
Die Referenzgruppe ist auch so breit gefasst, dass statistisch zuverlässige Daten erhoben
werden können (vgl. BVerfGE 125, 175 <236>). In § 28 Abs. 3 Satz 4 SGB XII ist für die
Gruppengröße vorgegeben, dass diese einen für statistische Zwecke hinreichend großen
Stichprobenumfang haben muss; sie wurde abhängig vom Anteil der herausgerechneten
Haushalte festgelegt (BTDrucks 17/3404, S. 89; BTDrucks 17/3982, S. 2) und war mit 1.678
Einpersonenhaushalten (BTDrucks 17/3404, S. 139; BTDrucks 17/3982, S. 1) hinreichend groß.
100
cc) Desgleichen ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber den
Regelbedarf bei Einpersonenhaushalten und damit die Regelbedarfsstufe 1 als Ausgangswert
für die Festlegung der Höhe der Leistungen für den Regelbedarf auch derjenigen Erwachsenen
nutzt, die mit anderen ebenfalls leistungsberechtigten Erwachsenen einen gemeinsamen
Haushalt führen, also die Regelbedarfsstufe 2 für zwei erwachsene leistungsberechtigte
Personen als Ehegattin und -gatte, Lebenspartnerinnen oder -partner oder in eheähnlicher oder
lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 RBEG). Das
Bundesverfassungsgericht hat zu dieser Frage der Bedarfsgemeinschaften bereits entschieden,
dass der Bedarf einer weiteren erwachsenen Person in einer Höhe von 80 % von dem statistisch
ermittelten Bedarf der Alleinstehenden abgeleitet werden darf (vgl. BVerfGE 125, 175 <245>), da
die Erhebung nach Haushalten geeignet ist, den tatsächlichen Bedarf auch für solche
Lebenssituationen zu ermitteln. Dementsprechend ist die Bestimmung des Regelbedarfs
zusammenlebender und gemeinsam wirtschaftender Erwachsener in Höhe von 90 % des im
SGB II für eine alleinstehende Person geltenden Regelbedarfs nicht zu beanstanden.
101
dd) Es bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken in Bezug auf die
Berechnung der Leistungen für den Regelbedarf anhand der Referenzgruppe der
Familienhaushalte. Soweit beanstandet wird, diese seien nicht sachgerecht ermittelt worden,
überzeugt dies nicht. Es ist jedenfalls im Ausgangspunkt nicht erkennbar, dass die Größe der
Stichprobe nicht hinreichen würde, um den Regelbedarf statistisch zu ermitteln. Die Höhe der
existenzsichernden Grundleistungen lässt sich auch dann tragfähig begründen, wenn nicht jeder
einzelne Wert unabhängig von datenschutzrechtlichen Erwägungen auch numerisch
ausgewiesen ist (oben C II 2 d aa). Die hinter den neutral gekennzeichneten Feldern stehenden
Werte werden in der Summe berücksichtigt (BTDrucks 17/3404, S. 52), so dass hier keine
verfassungsrechtlich relevanten Einbußen zu verzeichnen sind.
102
ee) Der Gesetzgeber hat nach § 3 Abs. 1 RBEG diejenigen Haushalte aus der Berechnung
herausgenommen, die in der Ermittlung existenzsichernder Bedarfe zu Zirkelschlüssen führen
würden (vgl. BVerfGE 125, 175 <236>), weil sie ihrerseits fürsorgebedürftig sind. Was Menschen
zur Existenzsicherung benötigen, kann tragfähig nicht in Orientierung gerade an den Personen
bemessen werden, die mit gleich viel oder mit geringeren finanziellen Mitteln auskommen
müssen, als ihnen existenzsichernd zustehen.
103
(1) Aus der Berechnung der Höhe der Leistungen für den Regelbedarf sind Haushalte, soweit
erhebungstechnisch möglich, ausgenommen, deren Nettoeinkommen nicht das Niveau der
Leistungen nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch einschließlich der
Leistungen für Unterkunft und Heizung überschreitet (vgl. BVerfGE 125, 175 <236 f.>). Es
werden keine Haushalte berücksichtigt, in denen Leistungsberechtigte lebten, die im
Erhebungszeitraum ausschließlich Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des
SGB XII (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 RBEG), Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem
Vierten Kapitel des SGB XII (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 RBEG) und Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld
nach dem SGB II (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 RBEG) bezogen haben, also über kein weiteres Einkommen
verfügten. Damit sind nun 8,6 % im Gegensatz zu 0,5 % im Jahre 2003 der Haushalte aus der
Referenzgruppe herausgenommen worden (BTDrucks 17/3404, S. 89).
104
(2) Nicht herausgenommen hat der Gesetzgeber diejenigen, die neben den Leistungen nach
dem SGB II oder SGB XII über weiteres Einkommen verfügten, meist als sogenannte
„Aufstocker“ über Hinzuverdienste aus Erwerbstätigkeit (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 RBEG). Da dieses
weitere Einkommen wegen der Absetz- beziehungsweise Freibeträge des § 11b SGB II nur
teilweise bedarfsmindernd nach § 9 und § 11 SGB II berücksichtigt wird, liegt das
Gesamteinkommen dieser Haushalte oberhalb des Fürsorgeniveaus im Bereich des SGB II.
Allerdings zeigen die Freibeträge, dass die zusätzlichen Mittel gerade für die Erwerbstätigkeit
gebraucht werden, also nicht ohne Weiteres als existenzsichernde Leistungen zur Verfügung
stehen. Da sie jedoch in der Summe tatsächlich über dem Sozialhilfeniveau liegen, hält es sich
im Rahmen des gesetzgeberischen Einschätzungs- und Wertungsspielraums, diese Haushalte
nicht aus der Ermittlung der Verbrauchsausgaben herauszunehmen (vgl. Hörmann,
Rechtsprobleme des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen
Existenzminimums, 2012, S. 97; a.A. Adamy/Kolf, SozSich 2011, S. 85; Martens, SozSich 2010,
S. 331 <333>).
105
(3) Die Berechnung der Höhe der Leistungen für den Regelbedarf stößt nicht auf
verfassungsrechtliche Bedenken, weil der Gesetzgeber in der Referenzgruppe der
Einpersonenhaushalte auch solche Personen berücksichtigt hat, die trotz Anspruchs auf
Sozialleistungen solche nicht bezogen haben und ihre Ausgaben also aus anderen,
möglicherweise geringeren Mitteln bestreiten mussten (vgl. BVerfGE 125, 175 <236>). Der
Gesetzgeber ist seiner Pflicht zur entsprechenden Fortentwicklung der Bedarfsermittlung aus
§ 10 Abs. 2 Nr. 1 RBEG (vgl. BVerfGE 125, 175 <236 f.>) bei der Auswertung der EVS 2008
nachgekommen. Sowohl die Ergebnisse eines im Auftrag des zuständigen Bundesministeriums
erstellten wissenschaftlichen Gutachtens des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
(IAB) als auch die im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages
angehörten Sachverständigen einschließlich derjenigen des Statistischen Bundesamtes gaben
an, die Zahl der Haushalte in verdeckter Armut sei nur im Wege einer Schätzung zu beziffern
(Protokoll 17/41, S. 656 ff.; BTDrucks 17/14282, S. 4 f.; im Ergebnis so auch Becker, SozSich
2014, S. 93 <97>). Auch eine sachgerechte Schätzung ist jedoch mit Unsicherheiten behaftet,
weshalb der Gesetzgeber nicht gezwungen ist, zur Bestimmung der Höhe von Sozialleistungen
auf eine bloß näherungsweise Berechnung abzustellen (vgl. BVerfGE 125, 175 <236 f.>).
106
(4) Der Gesetzgeber war von Verfassungs wegen nicht gehalten, all diejenigen Haushalte aus
der Erfassung auszuschließen, die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
erhielten. Solche Personen haben an der EVS 2008 ohnehin nur teilgenommen, wenn sie
gemäß § 2 Nr. 1 RBEG im Erhebungszeitraum einen eigenen Haushalt führten (BTDrucks
17/3404, S. 88) und wenn nicht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 RBEG ein nicht ausbildungsbedingter
Bedarf bestand, der nicht aus eigenen Mitteln gedeckt werden konnte, denn dann greift ein
Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die Einbeziehung dieser Haushalte die
Höhe des Regelbedarfs erheblich verzerrt.
107
(5) Der Einwand gegen die Berechnung der Regelbedarfe, Menschen mit Leistungsbezug nach
dem Asylbewerberleistungsgesetz seien als Referenzhaushalte nicht ausgeschlossen worden,
greift nicht durch. Es werden ohnehin diejenigen nicht berücksichtigt, die in
Gemeinschaftsunterkünften leben, da für die EVS 2008 nur Personen befragt worden sind, die
einen eigenen Haushalt führten (BTDrucks 17/3404, S. 88). Das Statistische Bundesamt hat eine
Sonderauswertung der EVS 2008 durchgeführt und festgestellt, dass in den berücksichtigten
Haushalten mit Ausländerinnen und Ausländern aus Nicht-EU-Staaten keine sonstigen
Zahlungen aus öffentlichen Kassen erfolgt waren (Stellungnahme der Bundesregierung im
Verfahren 1 BvR 1691/13 vom 14. November 2013, S. 21). Damit durfte der Gesetzgeber davon
ausgehen, dass keine Haushalte erfasst worden sind, in denen Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz bezogen wurden.
108
(6) In die Berechnung der Regelbedarfe durften Haushalte mit Personen einbezogen werden, die
zuvor Arbeitslosengeld oder -hilfe erhielten. Daraus ergibt sich kein Zirkelschluss, denn ihr
Nettoeinkommen lag jedenfalls zum Zeitpunkt der Erhebung über dem Leistungsniveau nach
dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch.
109
e) Soweit der Gesetzgeber von der Orientierung an den durchschnittlichen Verbrauchsausgaben
eines Teils der Bevölkerung im Rahmen des Statistikmodells abweicht, lässt sich die Höhe des
Regelbedarfs nach der erforderlichen Gesamtbetrachtung für den entscheidungserheblichen
Zeitraum noch tragfähig begründen. Die Herausnahme einzelner Positionen der EVS aus der
Berechnung des Regelbedarfs ist nicht deshalb verfassungsrechtlich angreifbar, weil ihr
Überlegungen zugrunde liegen, die das Warenkorbmodell prägen, also eine Mischung der
Berechnungsmethoden als „Methoden-Mix“ entsteht. Die Berechnung ist damit nicht
verfassungswidrig. Die Modifikationen des Statistikmodells dürfen allerdings insgesamt kein
Ausmaß erreichen, das die Tauglichkeit des Modells für die Ermittlung der Höhe
existenzsichernder Regelbedarfe in Frage stellt. Soweit es erforderlich ist, die mittels des
Statistikmodells gewonnenen Ergebnisse etwa aufgrund offensichtlich bedarfsrelevanter
Entwicklungen zu überprüfen, kann der Gesetzgeber mit Hilfe der Warenkorbmethode vielmehr
auch kontrollierend sicherstellen, dass der existentielle Bedarf tatsächlich gedeckt ist.
Desgleichen kann er auf einzelne Waren bezogene Überlegungen nutzen, um die
Verbrauchsdaten der EVS an die Ermittlung der Bedarfe anzupassen. Vorliegend sind die vom
Gesetzgeber vorgenommenen Herausnahmen und Abschläge für den
entscheidungserheblichen Zeitraum verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden; ihnen liegen
Wertungen zugrunde, die er in Ausfüllung seines Gestaltungsspielraums politisch zu
verantworten hat, die aber nicht verfassungsrechtlich im Detail determiniert sind (oben C I 2 b
bb).
110
aa) Dass der Bedarf von Erwachsenen in Familienhaushalten nach den angegriffenen
Regelungen in Höhe des für Einpersonenhaushalte ermittelten Bedarfs festgelegt wird, lässt sich
sachlich begründen. Verfassungsrechtlich lassen sich keine konkreten Ansprüche auf bestimmte
staatliche Leistungen herleiten, die Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern zu unterstützen
(vgl. BVerfGE 130, 240 <252 ff.> m.w.N.). Die Bundesregierung erläutert in ihrer Stellungnahme,
dass Erwachsene in Familienhaushalten nach der gewählten Vorgehensweise besser gestellt
seien als nach einer Ermittlung des Regelbedarfs auf Basis der Familienhaushalte und dass sich
sonst, je nach Alter des Kindes, drei unterschiedliche Regelbedarfsstufen für die Elternteile
ergeben hätten mit der Schwierigkeit, Partner mit zwei oder mehr Kindern in unterschiedlichen
Altersstufen richtig einzuordnen. Zwar wird künftig zu beachten sein, dass der Gesamtbedarf in
Familienhaushalten auch tatsächlich gedeckt ist, da eine Berechnung für Erwachsene nach dem
Bedarf in Einpersonenhaushalten nicht berücksichtigt, dass die Bedarfe für Kinder und
Jugendliche in Bezug auf Erwachsene berechnet worden sind, für die nun aber andere Zahlen
zugrunde gelegt werden und damit die Gefahr besteht, gemeinsam anfallende Fixkosten
größerer Haushalte nicht zu decken (vgl. Lenze, in: LPK-SGB II, 5. Aufl. 2013, § 4 RBEG Rn. 3).
Jedoch ist derzeit nicht ersichtlich, dass familienspezifische Bedarfe deutlich verkannt worden
wären. Auch hier ist es nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts, zu überprüfen, ob die für
Familien beste aller denkbaren Berechnungsweisen gewählt wurde; es überprüft am Maßstab
des Grundgesetzes nur, ob den verfassungsrechtlichen Maßstäben durch eine sachgerechte und
tragfähige Berechnung genügt ist.
111
bb) Im Ausgangspunkt genügt die Ermittlung des existentiellen Bedarfs wegen der anfallenden
Kosten für Haushaltsstrom den grundgesetzlichen Anforderungen. Angesichts
außergewöhnlicher Preissteigerungen bei einer derart gewichtigen Ausgabeposition ist der
Gesetzgeber allerdings verpflichtet, nicht nur den Index für die Fortschreibung der Regelbedarfe
(oben C I 2 b cc), sondern auch die grundlegenden Vorgaben für die Ermittlung des Bedarfs
hinsichtlich des Haushaltsstroms zu überprüfen und, falls erforderlich, anzupassen. Es sind aber
keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Höhe der Gesamtpauschale für den Regelbedarf
in den vorliegenden Verfahren mit der Verfassung nicht mehr vereinbar wäre, weil das
grundgesetzlich garantierte Mindestmaß unterschritten wäre.
112
Im Unterschied zur Regelbedarfsbestimmung nach der Sonderauswertung der EVS 2003 wurde
auch kein bloßer Abschlag für Heizstrom „ins Blaue hinein“ (BVerfGE 125, 175 <237 f.>)
vorgenommen. Der Berechnung des Bedarfs für den Haushaltsstrom liegt eine
Sonderauswertung zugrunde, die Heizstromkosten aus der Erhebung ausschließt. Die so
ermittelten Verbrauchsausgaben wurden dann in vollem Umfang als regelbedarfsrelevant
anerkannt. Auch die Umrechnung des Verbrauchs im Fall von Hauseigentum auf die Höhe des
Verbrauchs bei gemieteten Unterkünften wurde tragfähig damit begründet, dass die besonderen
Stromausgaben bei Eigenheimen als gesonderte Kosten der Unterkunft gemäß § 22 SGB II
neben dem Regelbedarf gedeckt werden (BTDrucks 17/3404, S. 56). Allerdings sind in die
Durchschnittsbildung auch Haushalte ohne Kosten für Strom einbezogen. Jedoch stellen nicht
ausgewiesene Stromkosten (BTDrucks 17/3404, S. 139, lfd. Nr. 46) bei 7,4 % der befragten
Haushalte die Sicherung der menschenwürdigen Existenz nicht insgesamt in Frage. Sie sind
den Haushalten ohne Angaben weder hypothetisch zugewiesen worden noch wurde durch eine
Kontrollfrage, eine Gegenprobe nach dem Warenkorbmodell oder durch andere Methoden
gesichert, dass die Werte hier nicht unsachlich verzerrt werden. Es liegt im
Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, wie die Verbrauchsausgaben für diese Haushalte in
einer realistischen Berechnung des existenzsichernden Bedarfs einbezogen werden; dass sie
einzubeziehen sind, steht jedoch außer Frage.
113
cc) Die Entscheidung des Gesetzgebers, Ausgaben für Kraftfahrzeuge, alkoholische Getränke
und Tabakwaren, Schnittblumen und Zimmerpflanzen, Kantinenessen, chemische Reinigung,
Vorstellungsgespräche sowie Prüfungsgebühren nicht als regelbedarfsrelevant anzuerkennen,
begegnet keinen verfassungsrechtlich durchgreifenden Bedenken. Es handelt sich um wertende
Entscheidungen im Rahmen des ihm zustehenden Ausgestaltungsspielraums. Die
Begründungen, die sich dazu im Einzelnen im Gesetzentwurf der damaligen
Regierungsfraktionen (BTDrucks 17/3404, S. 53 ff.) finden, sind nachvollziehbar und nicht
unsachlich. Soweit erkennbar ist, dass aufgrund derartiger Entscheidungen eine Gefahr der
Unterdeckung entsteht, muss der Gesetzgeber dies ausgleichen (unten f).
114
Insbesondere ist die wertende Entscheidung des Gesetzgebers, ein Kraftfahrzeug sei im
Grundsicherungsrecht nicht als existenznotwendig zu berücksichtigen, vertretbar; allerdings sind
die ohne Kraftfahrzeug zwangsläufig steigenden Aufwendungen der Hilfebedürftigen für den
öffentlichen Personennahverkehr zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 125, 175 <240>). Mobilität ist
nicht nur soziokulturell bedeutsam, um Teilhabe zu ermöglichen, sondern zum Beispiel in
Lebenssituationen außerhalb der Kernortschaften mit entsprechender Infrastruktur auch mitunter
erforderlich, um die Bedarfe des täglichen Lebens zu sichern. Künftig wird der Gesetzgeber auch
mit Blick auf die Lebenshaltungskosten sicherstellen müssen, dass der existenznotwendige
Mobilitätsbedarf tatsächlich gedeckt werden kann (unten f).
115
f) Aus der statistischen Berechnung des Regelbedarfs in Orientierung an den auf der Grundlage
einer Stichprobe berechneten Verbrauchsausgaben eines Teils der Bevölkerung folgt die
Gefahr, dass mit der Festsetzung der Gesamtsumme für den Regelbedarf die Kosten für einzelne
bedarfsrelevante Güter nicht durchgängig gedeckt sind. Dies gilt insbesondere, wenn wie hier
aus der Gesamtsumme der ermittelten Verbrauchsausgaben nachträglich einzelne Positionen
wie aus einem Warenkorb herausgenommen werden. Hat der Gesetzgeber jedoch Kenntnis von
Unterdeckungen existentieller Bedarfe, muss er darauf reagieren, um sicherzustellen, dass der
aktuelle Bedarf gedeckt ist (vgl. BVerfGE 132, 134 <163, Rn. 72>; oben C I 1 b cc). Der
Gesetzgeber kann im Rahmen seiner Ausgestaltungsfreiheit entscheiden, ob dieser Ausgleich
durch zusätzliche Ansprüche auf Zuschüsse neben dem Regelbedarf erfolgen soll (aa). Er kann
auch einen internen Ausgleich vorsehen, muss aber sicherstellen, dass dafür finanzieller
Spielraum vorhanden ist (bb). Entscheidend ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nur, dass
existenzsichernde Bedarfe insgesamt tatsächlich gedeckt sind.
116
aa) Auf die Gefahr einer Unterdeckung kann der Gesetzgeber durch zusätzliche Ansprüche
(oben C I 1) auf Zuschüsse zur Sicherung des existenznotwendigen Bedarfs reagieren. Fehlt es
aufgrund der vorliegend zugrunde gelegten Berechnung des Regelbedarfs an einer Deckung der
existenzsichernden Bedarfe, haben die Sozialgerichte Regelungen wie § 24 SGB II über
gesondert neben dem Regelbedarf zu erbringende einmalige, als Zuschuss gewährte
Leistungen verfassungskonform auszulegen (vgl. BSG, Urteil vom 23. Mai 2013 - B 4 AS 79/12 R
-, juris, Rn. 13 ff.). Fehlt die Möglichkeit entsprechender Auslegung geltenden Rechts, muss der
Gesetzgeber einen Anspruch auf einen Zuschuss neben dem Regelbedarf schaffen. Auf ein
nach § 24 Abs. 1 SGB II mögliches Anschaffungsdarlehen, mit dem zwingend eine Reduzierung
der Fürsorgeleistung um 10 % durch Aufrechnung nach § 42a Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit
§ 24 Abs. 1 SGB II ab dem Folgemonat der Auszahlung verbunden ist, kann nur verwiesen
werden, wenn die Regelbedarfsleistung so hoch bemessen ist, dass entsprechende Spielräume
für Rückzahlungen bestehen.
117
bb) Der Gesetzgeber darf grundsätzlich darauf verweisen, dass punktuelle Unterdeckungen
intern ausgeglichen werden (vgl. BVerfGE 125, 175 <238>), wenn ein im Regelbedarf nicht
berücksichtigter Bedarf nur vorübergehend anfällt oder ein Bedarf deutlich kostenträchtiger ist als
der statistische Durchschnittswert, der zu seiner Deckung berücksichtigt worden ist. Für einen
internen Ausgleich darf jedoch nicht allgemein auf die Summen verwiesen werden, die den
existenzsichernden soziokulturellen Bedarf decken sollen. Zudem muss der Pauschalbetrag
hinreichend hoch bemessen sein, um einen finanziellen Spielraum für Rücklagen zu lassen.
118
(1) Zum internen Ausgleich kann nicht pauschal darauf verwiesen werden, dass Bedürftige
Leistungen zur Deckung soziokultureller Bedarfe als Ausgleichsmasse für andere
Bedarfspositionen einsetzen könnten (so die Stellungnahme der Bundesregierung, mit Verweis
auf BSG, Urteil vom 12. Juli 2012 - B 14 AS
153/11 R -, juris, Rn. 60), denn der soziokulturelle Bedarf gehört zum grundrechtlich gesicherten,
menschenwürdigen Existenzminimum. Auch die in der Pauschale für den Regelbedarf
enthaltenen Leistungen für soziokulturelle Bedarfe sind keine frei verfügbare Ausgleichsmasse,
da diese Bedarfe ebenfalls existenzsichernd zu decken sind (vgl. BVerfGE 125, 175 <223 f.>;
132, 134 <161, Rn. 64 f.>; oben C I 1 a).
119
(2) Gegen die Regelung in § 20 Abs. 1 Satz 4 SGB II, wonach Bedürftige Mittel zur
Bedarfsdeckung eigenverantwortlich ausgleichen und ansparen müssen, ist aus
verfassungsrechtlicher Sicht grundsätzlich nichts einzuwenden. Ein solches Modell ist mit dem
Grundgesetz vereinbar, wenn die Höhe der pauschalen Leistungsbeträge für den monatlichen
Regelbedarf es zulässt, einen Anteil für den unregelmäßig auftretenden oder kostenträchtigeren
Bedarf zurückzuhalten. Es ist vorliegend jedenfalls nicht erkennbar geworden, dass
existenzgefährdende Unterdeckungen eintreten. Doch muss der Gesetzgeber künftig darauf
achten, dass der existenznotwendige Bedarf insgesamt gedeckt ist (unten D I). Dies setzt voraus,
dass die Bemessung der Regelbedarfe hinreichend Spielraum für einen Ausgleich lässt.
120
Nach der vorliegenden Berechnungsweise des Regelbedarfs ergibt sich beispielsweise die
Gefahr einer Unterdeckung hinsichtlich der akut existenznotwendigen, aber langlebigen
Konsumgüter, die in zeitlichen Abständen von mehreren Jahren angeschafft werden, eine sehr
hohe Differenz zwischen statistischem Durchschnittswert und Anschaffungspreis. So wurde für
die Anschaffung von Kühlschrank, Gefrierschrank und -truhe, Waschmaschine, Wäschetrockner,
Geschirrspül- und Bügelmaschine (Abteilung 05; BTDrucks 17/3404, S. 56, 140) lediglich ein
Wert von unter 3 € berücksichtigt. Desgleichen kann eine Unterdeckung entstehen, wenn
Gesundheitsleistungen wie Sehhilfen weder im Rahmen des Regelbedarfs gedeckt werden
können noch anderweitig gesichert sind (vgl. BVerfGE 125, 175 <252 ff.>).
121
Nach den angegriffenen Regelungen sind die monatlichen Pauschalleistungen jedoch so
berechnet, dass nicht etwa alle, sondern bei Alleinstehenden 132 € weniger und damit
insgesamt lediglich 72 %, bei Kindern je nach Altersgruppe zwischen 69 € und 76 € weniger und
damit 75 % beziehungsweise 78 % der in der EVS erfassten Konsumausgaben der den unteren
Einkommensgruppen zugehörigen Referenzhaushalte als existenzsichernd anerkannt werden
(vgl. Münder, SozSich Extra September 2011, S. 63 <79>). Zwar ist es begründbar, einzelne
Verbrauchspositionen nicht als Bedarfe anzuerkennen (oben C II 2 e). Wenn in diesem Umfang
herausgerechnet wird, kommt der Gesetzgeber jedoch an die Grenze dessen, was zur Sicherung
des Existenzminimums verfassungsrechtlich gefordert ist. Verweist der Gesetzgeber auf einen
internen Ausgleich zwischen Bedarfspositionen, auf ein Ansparen oder auch auf ein Darlehen
zur Deckung existenzsichernder Bedarfe, muss er jedenfalls die finanziellen Spielräume sichern,
die dies tatsächlich ermöglichen, oder anderweitig für Bedarfsdeckung sorgen.
122
g) Es bestehen im Ausgangspunkt keine verfassungsrechtlich durchgreifenden Bedenken gegen
die Festlegung der Regelbedarfsstufen 4 und 6. Da in den Ausgangsverfahren niemand der
Altersgruppe der 7- bis 14-Jährigen (Regelbedarfsstufe 5) zuzuordnen ist, ist diese nicht
Gegenstand der Prüfung.
123
aa) Die Einwände gegen die Einteilung von Altersgruppen für die Ermittlung des Regelbedarfs
von Kindern und Jugendlichen greifen nicht durch. Der Gesetzgeber hat sich mit der
Unterscheidung in drei Altersgruppen in vertretbarer Weise an kindlichen Entwicklungsphasen
ausgerichtet und an tragfähigen Erkenntnissen aus Wissenschaft und Praxis orientiert (oben A I
4 c bb 2 a). Die bereits zuvor geltende Unterscheidung der Altersgruppen musste aus
verfassungsrechtlichen Gründen nicht zwingend erneut verändert werden, da der Regelbedarf
nun nicht mehr eine freihändige Setzung für „kleine Erwachsene“ ist (vgl. BVerfGE 125, 175
<246>).
124
bb) Die Bestimmung existenzsichernder Bedarfe von Kindern und Jugendlichen durch
Verteilungsschlüssel ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden (vgl. BVerfGE
125, 175 <249 f.>). Da deren Ausgaben nicht im Einzelnen erhoben werden, nutzt der
Gesetzgeber Verteilungsschlüssel, um die Ausgaben der Familienhaushalte den Erwachsenen
und dem Kind oder Jugendlichen mathematisch zuzuordnen (BTDrucks 17/3404, S. 65 bis 67;
Münnich/Krebs, WiSta 2002, S. 1080 ff.). Diese Verteilungsschlüssel wurden im Auftrag des
fachlich zuständigen Ministeriums erarbeitet, in Modellrechnungen des Statistischen
Bundesamtes ermittelt und in einer wissenschaftlichen Studie der Ruhr-Universität Bochum
bestätigt, über die die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag berichtet hat (BTDrucks
17/14282, S. 33 bis 36); sie sind damit auch in sich tragfähig bestimmt worden.
125
cc) Die Einwände gegen die auf diese Weise ermittelten durchschnittlichen Ausgaben für Kinder
und Jugendliche in ihrer konkreten Höhe führen nicht dazu, dass die zu prüfenden Regelungen
derzeit verfassungswidrig wären. Im Einzelfall sind Bedarfe, wenn keine anderweitige Deckung
besteht, über die verfassungskonforme Auslegung einfachen Rechts zu sichern; der
Gesetzgeber ist im Übrigen auch hier verpflichtet, ernsthaften Zweifeln an der Bedarfsdeckung
künftig Rechnung zu tragen (oben C II 2 f).
126
(1) Die Höhe des Regelbedarfs in der Regelbedarfsstufe 6 für leistungsberechtigte Kinder bis zur
Vollendung des 6. Lebensjahres (§ 8 Abs. 1 Nr. 6 RBEG) ist nach der verfassungsrechtlich
gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zu beanstanden. Der notwendige Lebensunterhalt bei
Kindern umfasst auch den besonderen, namentlich den durch ihre Entwicklung und ihr
Heranwachsen entstehenden Bedarf (BVerfGE 125, 175 <228>). Doch prüft das
Bundesverfassungsgericht nicht, ob der Gesetzgeber - wie in einem Warenkorbmodell - für jede
einzelne Position der statistischen Ermittlung einen existenzsichernden Betrag zugrunde gelegt
hat, sondern nur, ob jenseits der evidenten Unterschreitung des Existenzminimums in einer
Gesamtschau eine tragfähige Berechnung zugrunde liegt (oben C I 2 b). Dies ist der Fall.
127
(a) Kinder der Regelbedarfsstufe 6 sind nicht von den Leistungen für Bildung und Teilhabe
ausgeschlossen. Nach § 28 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 SGB II sind für Kinder, die eine
Kindertageseinrichtung besuchen, Ausflüge und Mittagsverpflegung förderfähig; dies umfasst
wie nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII neben Kindergärten - unabhängig von ihrer Bezeichnung -
alle Einrichtungen zur Betreuung von Kindern im Vorschulalter (vgl. Voelzke, in: Hauck/Noftz,
SGB II, Stand: November 2013, K § 28 Rn. 45; Leopold, in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 28
Rn. 49; Thommes, in: Gagel, SGB II/III, Stand: März 2013, § 28 SGB II Rn. 13; a.A. O. Loose, in:
GK-SGB II, Stand: Dezember 2011, § 28 Rn. 29). Daneben stehen Kindern dieser Altersstufe die
Leistungen nach § 28 Abs. 7 SGB II zur Verfügung, die mit der Verfassung vereinbar sind (unten
C II 2 g cc 3).
128
(b) Der Gesetzgeber darf bei der statistischen Berechnung eines fortlaufend gezahlten
Pauschalbetrages für Kinder im Übrigen berücksichtigen, dass sich Bedarfe je nach Lebensalter
verändern und erwarten, dass ab Geburt gezahlte, vorübergehend nicht benötigte Mittel aus dem
dennoch fortlaufend gezahlten Betrag angespart werden, um spätere Bedarfe zu decken.
Tatsächlich ist zwar der errechnete Betrag von monatlich 2,19 € für Verbrauchsgüter für die
Körperpflege für ein Kind der Altersgruppe bis sechs Jahre (BTDrucks 17/3404, S. 74, Abt. 12,
lfd. Nr. 74) sehr gering. Er kann beispielsweise Windeln lediglich für einige Tage finanzieren.
Auch der Betrag für Schuhe ist mit 7,02 € gering und liegt um 2,58 € unter dem für Kinder von
sechs bis unter 14 Jahren (BTDrucks 17/3404, S. 75, Abt. 03, lfd. Nr. 8). Dass insoweit bei einer
Gesamtbetrachtung ein interner Ausgleich etwa durch Ansparen ausgeschlossen wäre, ist
jedoch derzeit nicht erkennbar.
129
(2) Die Höhe des Regelbedarfs in der Regelbedarfsstufe 4 für Jugendliche zwischen dem 15.
und 18. Lebensjahr (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 RBEG) ist in der verfassungsrechtlich gebotenen
Gesamtbetrachtung derzeit nicht zu beanstanden. Zwar erscheinen die Abzüge für die nicht
unterstützten Verbrauchsausgaben für alkoholische Getränke und Tabakwaren von Familien mit
Kindern zu hoch, weil es Hinweise auf einen Rückgang des anteiligen Konsums bei
Jugendlichen gibt (vgl. die Alternativrechnungen bei Becker, SozSich Extra, September 2011, S.
7 <44 f.> und zum Rückgang des regelmäßigen Konsums der Jugendlichen von Alkohol im
Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung, 2011, S. 21; Drogen- und Suchtbericht der
Bundesregierung, 2013, S. 20 und von Tabak im Drogen- und Suchtbericht der
Bundesregierung, 2011, S. 34; Deutsches Krebsforschungszentrum, Rauchende Kinder und
Jugendliche in Deutschland - leichter Einstieg, schwerer Ausstieg, S. 7 f.). Dem kann der
Gesetzgeber jedoch im Rahmen der nächsten regelmäßigen Anpassung der Höhe des
Regelbedarfs Rechnung tragen.
130
(3) Die Entscheidung des Gesetzgebers, die in der EVS ausgewiesenen Kosten für
außerschulischen Unterricht und Hobbykurse im Wert von 3,58 € als nicht regelbedarfsrelevant
zu bewerten, ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Sie lässt sich tragfähig
begründen, denn der Gesetzgeber hat Bedarfe für die gesellschaftliche, politische und kulturelle
Teilhabe (vgl. BVerfGE 125, 175 <223>; 132, 134 <160, Rn. 64>) zum 1. Januar 2011 gesondert
über das sogenannte „Bildungspaket“ durch § 28 SGB II gedeckt, worauf § 19 Abs. 2 SGB II
verweist (BTDrucks 17/3404, S. 72). Die Verfassung verbietet dies nicht (vgl. BVerfGE 125, 175
<237>); sie sind damit weiterhin Teil des existenzsichernden Bedarfs, den der Gesetzgeber zu
decken hat (§ 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II) und werden darüber hinaus nach § 28 und § 29 SGB II
auch gewährt, wenn kein Anspruch auf Leistungen für den Regelbedarf besteht.
131
(a) Zwar ist der Umfang des Bildungspakets knapp bemessen, weil nach § 28 Abs. 7 Satz 1 SGB
II ein Teilhabebetrag in einer Höhe von monatlich nur 10 € geleistet wird. Der nach § 28 Abs. 7
SGB II berücksichtigte Bedarf an Leistungen zur Teilhabe in Höhe von 10 € im Monat ist
jedenfalls für Kinder unter sechs Jahren nicht „ins Blaue hinein“ geschätzt, sondern in
Orientierung an gekürzten Positionen der EVS ausgewiesen und berechnet worden (BTDrucks
17/3404, S. 106; BTDrucks 17/3404, S. 146, lfd. Nr. 159 und 160). Soweit die Höhe des
Bildungspakets bei Jugendlichen von 15 bis unter 18 Jahre ebenfalls auf 10 € begrenzt ist, ist
dies tragfähig begründet, weil daneben ermittelte Verbrauchsausgaben für Hobbys, Spielwaren,
den Besuch von Sport- und Kulturveranstaltungen oder -einrichtungen, für Gebrauchsgüter für
Bildung, Unterhaltung und Freizeit sowie Ausleihgebühren für Sportartikel und Bücher als
regelbedarfsrelevant berücksichtigt sind.
132
(b) Bildungs- und Teilhabeangebote müssen für die Bedürftigen allerdings auch tatsächlich ohne
weitere Kosten erreichbar sein. Jedenfalls seit 1. August 2013 werden nach § 28 Abs. 7 Satz 2
SGB II weitere, mit dem Bildungspaket zusammenhängende tatsächliche Aufwendungen
berücksichtigt. Zwar ist die Norm lediglich als Ermessensvorschrift ausgestaltet und die
Gesetzesbegründung zielt vorrangig auf die Finanzierung der nötigen Ausrüstung
(Musikinstrumente, Schutzkleidung bei bestimmten Sportarten; BTDrucks 17/12036, S. 7 f.). Die
Vorschrift ist jedoch einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich, womit die
Sozialgerichte sicherstellen können, dass ein Anspruch (oben C I 1) auf Fahrkosten zu
derartigen Angeboten besteht.
133
(c) Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die Leistungen im
Rahmen des § 28 Abs. 7 SGB II mit bestimmten Verwendungszwecken verknüpft hat. Er
ermöglicht Teilhabe in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit (Nr. 1), am Unterricht
in künstlerischen Fächern wie dem Musikunterricht und vergleichbaren angeleiteten Aktivitäten
der kulturellen Bildung (Nr. 2) sowie an Freizeiten (Nr. 3). Das trägt der Freiheit in der
Ausrichtung an unterschiedlichen Interessen und Neigungen bei Kindern und Jugendlichen
hinreichend Rechnung.
134
(d) Es liegt auch im Ausgestaltungsspielraum des Gesetzgebers, Leistungen für Bildung und
Teilhabe nach § 29 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 SGB II nicht unmittelbar durch eigene
Sachleistungen, sondern in Form von Gutscheinen über die Kosten für vorhandene kommunale
Angebote zu erbringen (vgl. BVerfGE 125, 175 <224>; 132, 134 <161, Rn. 67>). Die
angegriffenen Regelungen geben finanzielle Ansprüche, um vorhandene Angebote zu nutzen
und beseitigen so die finanziellen Hürden, die einer Integration von Kindern und Jugendlichen in
die Gesellschaft entgegenstehen oder sie behindern können (BTDrucks 17/3404, S. 107); ein
Anspruch auf erweiterte Angebote besteht nicht. Erst wenn Gutscheinen kein nutzbares Angebot
gegenüberstünde, wäre die Leistungserbringung durch Gutscheine aus verfassungsrechtlichen
Gründen zu überprüfen.
135
(4) Die Entscheidung des Gesetzgebers, Verbrauchsausgaben für Kinder und Jugendliche, die
durch die Beschaffung von Schreibwaren, Zeichenmaterial und Ähnlichem anfallen, über das
Schulbasispaket gesondert zu erfassen (BTDrucks 17/3404, S. 72 und 105), stößt ebenfalls nicht
auf durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken. Mit der Regelung in § 28 Abs. 3 SGB II
werden neben dem Regelbedarf für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf bei
Schülerinnen und Schülern jährlich zum 1. August 70 € und zum 1. Februar 30 € berücksichtigt.
Damit wollte der Gesetzgeber die Durchlässigkeit des deutschen Bildungssystems hervorheben
und die finanzielle Situation zu Beginn des jeweiligen Schulhalbjahres entspannen (BTDrucks
16/12972, S. 2). Die Gesetzesmaterialen verweisen zwar lediglich auf Erfahrungen der Praxis,
wonach 100 € auch bei Kindern aus bedürftigen Familien zu Schuljahresbeginn eine gute
Ausstattung ermöglichten (BTDrucks 17/3404, S. 105; dagegen Hörmann, Rechtsprobleme des
Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, 2013, S. 128;
Rothkegel, ZfSH/SGB 2011, S. 69 <80>; Lenze, in: LPK-SGB II, 5. Aufl. 2013, § 28 Rn. 16;
Klerks, info also 2011, S. 158; a.A. Münder, SozSich Extra, September 2011, S. 63 <86 f.>). Doch
ist, ausgehend von den im Gesetzentwurf in Bezug genommenen Positionen der EVS 2008, eine
Bedarfsunterdeckung jedenfalls nicht evident. Der Betrag von 100 € jährlich unterschreitet nicht
wesentlich die auf Grundlage der EVS ermittelten Durchschnittsausgaben für diesen Bedarf (bei
Kindern und Jugendlichen von sechs bis unter 14 Jahren 113,88 €; zwischen 14 bis unter 18
Jahren 104,88 €; vgl. Münder, SozSich Extra, September 2011, S. 63 <87>; Becker, SozSich
Extra, September 2011, S. 7 <46 f.>). Auch der Kläger zu 3) des Ausgangsverfahrens von 1 BvL
10/12 hat nicht vorgetragen, mit 70 € den Schulbedarf im ersten Schulhalbjahr nicht decken zu
können.
136
3. Die Vorgaben zur Fortschreibung der Regelbedarfsstufen in den Jahren, in denen keine
Neuermittlung nach § 28 SGB XII erfolgt, weichen - im Unterschied zur vormaligen Regelung
(vgl. BVerfGE 125, 175 <242 f.>) - nicht in unvertretbarer Weise von den Strukturprinzipien der
gewählten Ermittlungsmethode ab. Der Gesetzgeber kommt seiner Pflicht, auf Änderungen der
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wie auf Preissteigerungen oder auf die Erhöhung von
Verbrauchsteuern zu reagieren, um sicherzustellen, dass der aktuelle Bedarf gedeckt ist (vgl.
#BVerfGE 125, 175 <225>; 132, 134 <163, Rn. 72>), durch die angegriffenen Regelungen im
Grundsatz nach.
137
a) Eine Hochrechnung anhand der Preisentwicklung in den Ausgabepositionen, aus denen sich
der regelbedarfsrelevante Verbrauch zusammensetzt, ist mit dem Grundgesetz ebenso vereinbar
(vgl. BVerfGE 125, 175 <244>) wie die Orientierung an einem gemischten Index, der neben der
Preisentwicklung auch die Entwicklung der Löhne und Gehälter berücksichtigt. Der Gesetzgeber
hat tragfähig begründet, warum sich die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nunmehr nach
§ 28a Abs. 2 Satz 1 und 3 SGB XII an die bundesdurchschnittliche Entwicklung der Preise für
regelbedarfsrelevante Güter und Dienstleistungen sowie die bundesdurchschnittliche
Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter anlehnt. Eine stärkere Gewichtung der
Preisentwicklung nach § 28a Abs. 2 Satz 3 SGB XII ist allerdings erforderlich, weil gerade bei
Leistungen zur Deckung des physischen Existenzminimums deren realer Wert zu sichern ist
(BTDrucks 17/3404, S. 122). Die geringere Berücksichtigung der Lohnentwicklung soll
Entwicklungsstand und Lebensbedingungen berücksichtigen (vgl. BVerfGE 125, 175 <222>) und
in gewissem Maße die Wohlfahrtsentwicklung der Gesellschaft nachzeichnen (vgl. BVerfGE 125,
175 <242 f.>; Falterbaum, in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: Dezember 2011, K § 28a Rn.19). Die
Lohnentwicklung ist zwar für sich genommen zur Fortschreibung der Höhe der Leistungen zur
Sicherung einer menschenwürdigen Existenz nicht tauglich. Entscheidend ist aber auch hier, im
Ergebnis eine menschenwürdige Existenz tatsächlich zu sichern (oben C I 1 b aa; C II 2 c).
138
b) Der Gesetzgeber hat sich mit der abweichenden Regelung der Fortschreibung zum 1. Januar
2011 im Rahmen seines Gestaltungsspielraums bewegt. Zwar wird mit der Sonderregelung die
Entwicklung des Mischindexes für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2010 bei der
Anpassung zum 1. Januar 2011 ausgeblendet. Der Fortschreibungsmechanismus zum 1. Januar
2012 beruht aber nicht nur auf einem Vergleich der Indizes aus den Zeiträumen 1. Juli 2010 bis
30. Juni 2011 und 1. Juli 2009 bis 30. Juni 2010, sondern zusätzlich auf der Veränderungsrate
des Mischindexes im Vergleichszeitraum 1. Juli 2009 bis 30. Juni 2010 gegenüber dem
Jahresdurchschnitt 2009 und holt diese Entwicklung somit in verfassungsrechtlich noch
vertretbarer Weise nach (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juli 2012 - B 14 AS 153/11 R -, juris, Rn. 81;
vgl. auch Martens, ASR 2011, S. 178 <181 Fn. 11>).
139
c) Die jeweils um sechs Monate verzögerte Fortschreibung hält sich im Rahmen des
verfassungsrechtlich Vertretbaren. Zwar erfolgte eine Orientierung an Jahreszeiträumen (§ 28a
Abs. 2 Satz 2 SGB XII) erstmals tatsächlich erst für die Fortschreibung zum 1. Januar 2013,
weshalb zwischen dem Ende des jüngeren Vergleichszeitraums und dem Fortschreibungstermin
sechs Monate liegen, Preissteigerungen in diesem Zeitraum also nicht unmittelbar berücksichtigt
werden. Doch erklärt sich diese Verzögerung von sechs Monaten aus der erforderlichen Zeit für
die Ermittlung der Veränderungsrate einschließlich des für die Fortschreibung erforderlichen
Verordnungsverfahrens nach § 40 SGB XII (Falterbaum, in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand:
Dezember 2011, K § 28a Rn. 18). Die Fortschreibung im Folgejahr holt die Preisentwicklung in
dem ausgeblendeten Zeitraum ebenfalls nach.
140
4. Ein Verstoß der angegriffenen Regelungen gegen weitere Grundrechte liegt nicht vor.
Verfassungsrechtlich ist allein entscheidend, dass für jede individuelle hilfebedürftige Person
das Existenzminimum nach Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ausreichend erfasst
wird; eines Rückgriffs auf weitere Grundrechte bedarf es insofern im Ausgangspunkt nicht (vgl.
BVerfGE 125, 175 <227>). Insbesondere ist auch die Ungleichbehandlung, die in der
unterschiedlichen Bemessung des Regelbedarfs für Einpersonen- und Familienhaushalte liegt,
offensichtlich durch sachliche Gründe zu rechtfertigen (oben C II 2 e aa).
D.
I.
141
1. Die Ermittlung von Regelbedarfen, die ein menschenwürdiges Existenzminimum
gewährleisten, ist stets nur annäherungsweise möglich. Sie muss sich auf Daten zu komplexen
Verhältnissen stützen, die für die jeweils aktuell geforderte Deckung eines existenzsichernden
Bedarfs nur begrenzt aussagekräftig sind. Zwar muss die Bestimmung des menschenwürdigen
Existenzminimums nach der erforderlichen Gesamtbetrachtung auf im Ausgangspunkt
tragfähigen Grundannahmen, Daten und Berechnungsschritten beruhen, jedoch schlagen
Bedenken hinsichtlich einzelner Berechnungspositionen nicht ohne Weiteres auf die
verfassungsrechtliche Beurteilung durch. Allerdings darf der Gesetzgeber ernsthafte Bedenken,
die auf tatsächliche Gefahren der Unterdeckung verweisen, nicht einfach auf sich beruhen
lassen und fortschreiben. Er ist vielmehr gehalten, bei den periodisch anstehenden
Neuermittlungen des Regelbedarfs zwischenzeitlich erkennbare Bedenken aufzugreifen und
unzureichende Berechnungsschritte zu korrigieren.
142
2. Danach sind die angegriffenen Vorschriften nicht zu beanstanden. Die Regelung der Höhe der
Leistungen für den Regelbedarf, einschließlich ihrer Fortschreibungen, nach § 20 Abs. 2 Satz 1
und 2 Nr. 1, Abs. 4, Abs. 5, § 23 Nr. 1, § 77 Abs. 4 Nr. 1 und 2 SGB II und § 8 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4
und 6, Abs. 2 Nr. 1 und 3 RBEG, jeweils in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II und
§ 28a SGB XII, sowie die Anlage zu § 28 SGB XII sowie § 2 RBSFV 2012, § 2 RBSFV 2013 und
§ 2 RBSFV 2014, ist nach Maßgabe der Gründe mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem
Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG vereinbar.
II.
143
1. Der Gesetzgeber hat jedoch, soweit erhebliche Zweifel an der tatsächlichen Deckung
existentieller Bedarfe bestehen, bei der Neuermittlung der Regelbedarfe auf der Grundlage der
EVS 2013, die noch nicht abschließend ausgewertet ist, sicherzustellen, dass die Höhe des
Pauschalbetrags für den Regelbedarf tragfähig bemessen wird. Es liegt in seinem
Gestaltungsspielraum, erforderlichenfalls geeignete Nacherhebungen vorzunehmen, Leistungen
auf der Grundlage eines eigenen Indexes zu erhöhen oder Unterdeckungen in sonstiger Weise
aufzufangen.
144
a) Ergibt sich eine offensichtliche und erhebliche Diskrepanz zwischen der tatsächlichen
Preisentwicklung und der bei der Fortschreibung der Regelbedarfsstufen berücksichtigten
Entwicklung der Preise für regelbedarfsrelevante Güter, muss der Gesetzgeber zeitnah darauf
reagieren. So muss die Entwicklung der Preise für Haushaltsstrom berücksichtigt werden (oben
C II 2 e bb). Ist eine existenzgefährdende Unterdeckung durch unvermittelt auftretende, extreme
Preissteigerungen nicht auszuschließen, darf der Gesetzgeber dabei nicht auf die reguläre
Fortschreibung der Regelbedarfsstufen warten.
145
b) Der Gesetzgeber muss sicherstellen, dass der existenznotwendige Mobilitätsbedarf
tatsächlich gedeckt werden kann (oben C II 2 e cc).
146
c) Der Gesetzgeber muss die Verteilungsschlüssel anpassen, wenn sich bei einer
Bedarfsposition erhebliche Veränderungen zeigen, die eine Zuordnung von ermittelten
Verbrauchsausgaben der Familienhaushalte mit dem bisherigen Verteilungsschlüssel an
einzelne Mitglieder des Haushalts offensichtlich unrealistisch werden lassen (oben C II 2 g cc 2).
147
d) Der Gesetzgeber hat in dem von ihm gewählten Modell sicherzustellen, dass
Unterdeckungen, die aufgrund des statistisch ermittelten, durch nachträgliche Kürzungen
modifizierten monatlichen Pauschalbetrags entstehen, im Wege internen Ausgleichs oder
Ansparens auch tatsächlich gedeckt werden können (oben C II 2 f bb 2). Es liegt im
Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, dazu einen hinreichend großen finanziellen
Spielraum zu schaffen, einen eigenen Leistungsanspruch auf einen Zuschuss neben dem
Regelbedarf für aus dem Pauschalbetrag offensichtlich nicht zu deckende existentielle Bedarfe
vorzusehen oder, soweit es sich um öffentliche Dienstleistungen handelt, die Kosten für diese zu
erlassen oder zu stunden.
148
2. Leistungen, die über Gutscheine erbracht werden, müssen tatsächlich ohne Mehrkosten
genutzt werden können. Die neu geschaffene Regelung ist hinsichtlich der Erstattung der
Fahrkosten gemäß § 28 Abs. 7 Satz 2 SGB II als Anspruch auszulegen (oben C II 2 g cc 3 b).
III.
149
Die Entscheidung über die Ermittlung und die Höhe der Leistungen für den Regelbedarf betrifft
über die ausdrücklich angegriffenen Normen hinaus auch deren weitere Fassungen und
Nachfolgeregelungen (vgl. BVerfGE 125, 175 <256 f.>).
Kirchhof
Gaier
Eichberger
Schluckebier
Masing
Paulus
Baer
Britz