Urteil des BVerfG vom 22.11.2007

BVerfG: verordnung, recht auf freiheit, verpachtung, verfassungsbeschwerde, inhaber, rückübertragung, einziehung, gemeinschaftsrecht, ernährung, landwirtschaft

Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2628/04 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn J...
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Bernd Meisterernst und Koll.,
Geiststraße 2, 48151 Münster -
gegen
a)
das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. September 2004 - BVerwG 3 C
35.03 -,
b)
das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Juni 2003 - 9 BV
02.3024 -,
c)
das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 24. Oktober 2002 - W
6 K 00.1360 -,
d)
den Bescheid des Amtes für Landwirtschaft und Ernährung Kitzingen vom 19.
September 2000 - A 1 - 7601.R-21 -
hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Papier
und die Richter Gaier,
Kirchhof
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S.
1473) am 22. November 2007 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
I.
1
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die teilweise Einziehung einer Anlieferungs-Referenzmenge für
Milch.
2
1. Mit der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 des Rates vom 27. Juni 1968 (ABl Nr. L 148 vom 28. Juni 1968, S. 13)
wurde auf europäischer Ebene eine gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse geschaffen,
innerhalb derer staatlich garantierte Preise für Milch festgesetzt wurden. Im Jahre 1984 wurde dieses Garantiepreis-
mit einem Milchmengensystem kombiniert, wonach die Europäische Gemeinschaft jedem Mitgliedstaat eine
Gesamtgarantiemenge an produzierter Milch zuwies, der diese in Form so genannter Referenzmengen an die
Milcherzeuger aufteilte. Die Referenzmenge stellt damit die Milchmenge dar, die ein Erzeuger abgabefrei und zum
Garantiepreis abliefern kann.
3
In Deutschland erfolgte die Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben durch das Gesetz zur Durchführung der
gemeinsamen Marktorganisationen vom 31. August 1972 (BGBl I S. 1617; seit 1. August 2004 Gesetz zur
Durchführung
der
gemeinsamen
Marktorganisationen
und
der
Direktzahlungen;
im
Folgenden:
Marktorganisationengesetz - MOG). Auf der Grundlage insbesondere des § 8 Abs. 1 Nr. 1 MOG a.F. erging zur
Umsetzung des Referenzmengensystems die Verordnung über die Abgaben im Rahmen von Garantiemengen im
Bereich der Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (Milch-Garantiemengen-Verordnung) vom 25. Mai 1984
(BGBl I S. 720; im Folgenden: MGV 1984). Nach dem Grundsatz des § 4 Abs. 2 Satz 1 MGV 1984 entsprach die
Referenzmenge eines Milcherzeugers der um 4 % gekürzten Menge, die er im Jahr 1983 geliefert hatte.
4
Die Referenzmenge war zunächst streng betriebsgebunden. In der Folgezeit gestattete die Europäische
Gemeinschaft den Mitgliedstaaten jedoch, den Handel mit solchen einzelbetrieblichen Referenzmengen zu eröffnen,
die der betreffende Erzeuger nicht ausnutzen konnte oder wollte (vgl. Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr.
3950/92 des Rates vom 28. Dezember 1992, ABl Nr. L 405 vom 31. Dezember 1992, S. 1). Der deutsche
Verordnunggeber reagierte mit der Neunundzwanzigsten Verordnung zur Änderung der Milch-Garantiemengen-
Verordnung vom 24. September 1993 (BGBl I S. 1659), mit der er durch Einfügung von § 7 Abs. 2 a MGV von dieser
Ermächtigung Gebrauch machte.
5
Da sich der Referenzmengenhandel als weiterer Kostenfaktor für die Milcherzeugung erwies, unternahm die
Europäische Gemeinschaft im Jahre 1999 den Versuch, den zuvor gestatteten Referenzmengenhandel wieder zu
begrenzen (Verordnung Nr. 1256/1999 des Rates vom 17. Mai 1999, ABl Nr. L 160 vom 17. Mai 1999, S. 73).
So wurde unter anderem die Möglichkeit der Wiedereinziehung von Referenzmengen nach Ablauf eines
Pachtvertrages eingeführt.
6
Der deutsche Verordnunggeber reagierte mit der Aufhebung der Milch-Garantiemengen-Verordnung, die mit Wirkung
ab 1. April 2000 durch die Verordnung zur Durchführung der Zusatzabgabenregelung (Zusatzabgabenverordnung) vom
12. Januar 2000 (BGBl I S. 27; im Folgenden: ZAV) ersetzt wurde. § 7 Abs. 1 ZAV schloss die freie Veräußerung und
Verpachtung flächenungebundener Referenzmengen aus. Grundsätzlich konnten diese nur noch in dem in §§ 8 ff.
ZAV streng reglementierten und zentralisierten Verkaufsstellenverfahren veräußert werden. Neue Pachtverträge über
Referenzmengen waren damit ausgeschlossen. Bereits laufende Pachtverträge konnten nach § 12 Abs. 1 ZAV aber
verlängert werden. Für Altverträge, die mit Ablauf des 31. März 2000 oder später beendet werden, machte § 12 Abs. 2
ZAV von der in Art. 8a VO Nr. 3950/92 eröffneten Möglichkeit Gebrauch und bestimmte, dass 33 % der
zurückgewährten Referenzmenge zugunsten der Landesreserve eingezogen wurden. Der Verpächter konnte dem
Einzug entgehen, indem er - oder ein im Wege der vorweggenommenen Erbfolge eingesetzter Rechtsnachfolger -
nachwies, die Referenzmenge für die eigene Milcherzeugung zu benötigen (§ 12 Abs. 4 Nr. 3 ZAV) oder im
nächstmöglichen Termin über das Verkaufsstellenverfahren zu veräußern (§ 12 Abs. 2 Satz 2 ZAV in der Fassung
vom 14. Januar 2004 ).
7
2. Der Beschwerdeführer, ein zunächst milchproduzierender Landwirt, hatte die eigene Milcherzeugung aufgegeben.
Er verpachtete ab März 1998 flächenlos seine Milchreferenzmenge von etwa 43.000 kg. Der Vertrag lief am 31. März
2000 aus. Nach Vertragsende erteilte die Behörde dem Beschwerdeführer einen Bescheid, wonach die
Referenzmenge gemäß § 12 Abs. 2 ZAV an ihn mit der Maßgabe übergehe, dass 33 %, also etwa 14.000 kg,
zugunsten der Landesreserve eingezogen würden.
8
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren klagte der Beschwerdeführer auf Aufhebung des Ausgangsbescheids und
des Widerspruchsbescheids, soweit darin ein Teil der Referenzmenge eingezogen worden war, und beantragte die
Verpflichtung zur Bescheinigung des Übergangs auch dieses eingezogenen Teils der Referenzmenge.
9
Das Verwaltungsgericht wies die Klage des Beschwerdeführers ab. Die zu der Einziehung ermächtigende Norm des
§ 12 Abs. 2 ZAV sei verfassungsgemäß, insbesondere sei nicht gegen das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG
und die Eigentumsfreiheit des Art. 14 GG verstoßen.
10
Die gegen das Urteil gerichtete Berufung des Beschwerdeführers wies der Verwaltungsgerichtshof zurück. Die
Zusatzabgabenverordnung genüge Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG. Ob auch die zum Erlass der Zusatzabgabenverordnung
ermächtigende gesetzliche Bestimmung den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genüge, sei zweifelhaft,
könne letztlich aber dahinstehen, weil es hierauf für die Entscheidung nicht ankomme. Die Zusatzabgabenverordnung
sei jedenfalls - selbst bei unterstelltem Fehlen einer tauglichen Ermächtigungsgrundlage - als befristet fortgeltend
anzusehen, um den Eintritt eines rechtlosen Zustands zu vermeiden.
11
Die Revision des Beschwerdeführers blieb vor dem Bundesverwaltungsgericht erfolglos. Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG
stehe der Gültigkeit der Zusatzabgabenverordnung nicht im Wege. Auch verletzte der Drittelabzug nach § 12 Abs. 2
Satz 1 ZAV den Beschwerdeführer weder in seinen Rechten aus Art. 14 noch aus Art. 2 Abs. 1 oder Art. 3 Abs. 1
GG.
12
3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1,
Art. 3 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
13
Art. 14 Abs. 1 GG sei verletzt, weil die Referenzmenge seit 1993, dem Zeitpunkt ihrer flächenlosen Übertragbarkeit,
Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG darstelle. Sie sei kein bloßer Annex zum Milcherzeugungsbetrieb
mehr und nicht nur eine öffentlichrechtliche Befugnis, Milch zu liefern. Vielmehr stelle sie auch ein Nutzungsrecht dar
und sei als solches mit dem Patent- und Gebrauchsmusterrecht vergleichbar. Selbst wenn der Referenzmenge
Eigentumsschutz nur im Rahmen des Milchviehbetriebs zugesprochen würde, sei der Abzug von 33 %
verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Die belastende Norm des § 12 Abs. 2 Satz 1 ZAV sei verfassungswidrig,
weil sie insbesondere gegen das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG verstoße und das Bestimmtheitsgebot des
Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG in Bezug auf die Ermächtigungsnorm nicht gewahrt sei.
14
Die verminderte Rückübertragung der Referenzmenge begründe zudem einen Eingriff in die Berufsfreiheit des
Beschwerdeführers gemäß Art. 12 Abs. 1 GG. Die Zusatzabgabe habe berufsregelnde Tendenz, weil durch sie die
Produktion der Milcherzeuger geregelt und begrenzt werden solle. Auch verletze der Abzug von 33 % der
Referenzmenge den Beschwerdeführer in seinem durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Recht auf Freiheit der
wirtschaftlichen und unternehmerischen Betätigung.
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Ferner würden Inhaber einer Milchquote, die diese nicht selbst belieferten, sondern sie übertragen hätten, im
Verhältnis zu die Milchquote selbst beliefernden Rechtsinhabern im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG unangemessen
benachteiligt. Nicht gerechtfertigt sei auch die Ungleichbehandlung von Milcherzeugern, welche die Milcherzeugung
vor dem 1. April 2000 aufgegeben und ihre Referenzmengen verpachtet hätten, im Vergleich zu Milcherzeugern,
welche die Milcherzeugung erst danach aufgegeben hätten.
16
4. Zu der Verfassungsbeschwerde haben das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft für die Bundesregierung, der Bundesgerichtshof, der Bundesfinanzhof, das Bundessozialgericht und
der Deutsche Bauernverband Stellung genommen.
II.
17
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2
BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung
(§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten
Grundrechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat. Eine Verletzung
von Grundrechten des Beschwerdeführers ist nicht gegeben.
18
1. Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG sind nicht verletzt.
19
Dem Beschwerdeführer steht keine Rechtsposition zu, die von einem dieser Grundrechte geschützt sein könnte.
Weder ist er Inhaber einer öffentlichrechtlichen Rechtsposition in Form der Referenzmenge oder eines Anspruchs auf
deren wirtschaftliche Verwertung (dazu unter a), noch steht ihm ein Rückübertragungsanspruch hinsichtlich der
ungeschmälerten Referenzmenge zu (dazu unter b).
20
a) Eine öffentlichrechtliche Rechtsposition kann der Beschwerdeführer nicht geltend machen.
21
Es kann dahinstehen, ob und inwieweit die dem Beschwerdeführer aufgrund der Milch-Garantiemengen-Verordnung
1984 ursprünglich zugeteilte Referenzmenge von 43.000 kg grundrechtlichen Schutz genossen hat. Eine etwa
geschützte Rechtsposition in Gestalt des durch die Referenzmenge gewährten Rechts auf abgabenfreie Milchlieferung
zum Garantiepreis hat der Beschwerdeführer jedenfalls dadurch verloren, dass er die ihm im Jahre 1997 noch
zustehende Referenzmenge durch Pachtvertrag vom 29. November 1997 auf einen Dritten übertrug. Durch diese
Übertragung, die das Amt für Landwirtschaft und Ernährung Kitzingen dem Pächter unter dem 19. Februar 1998
bescheinigte, war fortan - jedenfalls bis zum Ende des Pachtvertrages - der Pächter und nicht mehr der
Beschwerdeführer Inhaber der Referenzmenge.
22
22
Dies ergibt sich aus den die Möglichkeit der Übertragung von Referenzmengen regelnden Vorschriften. Gemäß Art. 7
Abs. 1 der Verordnung Nr. 3950/92 wird die Referenzmenge eines Betriebs bei Verpachtung desselben mit dem
Betrieb auf die Erzeuger übertragen, die den Betrieb übernehmen. Aus dem Wortlaut kann geschlossen werden, dass
die Referenzmenge auf den Pächter als neuen Inhaber übergeht. Zwar steht vorliegend kein Fall der Verpachtung
eines Betriebs unter Einschluss der Referenzmenge, sondern eine flächenlose Verpachtung der Referenzmenge in
Rede, jedoch kann für diesen Fall nichts anderes gelten. Dies ergibt sich ausdrücklich auch aus der die EU-
Verordnung konkretisierenden deutschen Regelung. Ausweislich des zum Zeitpunkt der Verpachtung der
Referenzmenge geltenden § 7 Abs. 2 a Satz 1 und 2 Nr. 1 MGV vom 21. März 1994, zuletzt geändert am 25. März
1996, wechselt die Referenzmenge bei ihrer Überlassung an einen anderen ohne Übergang des entsprechenden
Betriebs, also im Fall einer flächenlosen Verpachtung der Referenzmenge, ihren Inhaber.
23
Die Frage, ob dem Beschwerdeführer nach § 12 Abs. 3 Satz 3 ZAV ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung dann
zugestanden hätte, wenn der Pächter sein Übernahmerecht gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 ZAV ausgeübt hätte, bedarf
keiner Entscheidung; denn für ein solches Übernahmebegehren des Pächters hat der Beschwerdeführer nichts
vorgetragen.
24
b) Auch hatte der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Rückgewähr der - gesamten - Referenzmenge gegen den
Pächter. Denn die einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, denen Anwendungsvorrang vor dem
nationalen Recht zukommt, schlossen eine derartige Rückübertragung aus.
25
aa) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Juni 2002 - Thomsen, Rs.
C-401/99, Slg 2002, I-5775 -, Rn. 32 ff.) setzt das europäische Recht, namentlich Art. 7 der Verordnung (EG) Nr.
3950/92, für den Rückfall der Referenzmenge an den Verpächter nach Ende des Pachtverhältnisses voraus, dass der
Verpächter im Zeitpunkt des Rückfalls noch Erzeuger ist oder zum Erzeuger wird oder die Menge unverzüglich auf
einen Erzeuger im Wege der Verpachtung oder Veräußerung überträgt. Auch wenn sich die dem Urteil zugrunde
liegende Rechtslage - maßgeblich waren für die Entscheidung Normen der Milch-Garantiemengen-Verordnung sowie
der Verordnung (EG) Nr. 3950/92 - durch Inkrafttreten der Zusatzabgabenverordnung und der Verordnung (EG)
Nr. 1256/99 geändert hat, beanspruchen die vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Grundsätze auch nach
neuer Rechtslage unverändert Geltung. Die Bindung an die Erzeugereigenschaft folgt auch nach der Änderung durch
die Verordnung (EG) Nr. 1256/99 aus Wortlaut und Systematik der Verordnung (EG) Nr. 3950/92 ebenso wie aus dem
allgemeinen Sinn und Zweck der Regelung. Der Grundsatz, dass nur Milcherzeugern eine Referenzmenge eingeräumt
werden darf, soll verhindern, dass Referenzmengen nicht zur Erzeugung oder Vermarktung von Milch, sondern dazu
verwendet werden, unter Ausnutzung ihres Marktwerts lediglich finanzielle Vorteile aus ihnen zu ziehen.
26
Während das Gemeinschaftsrecht mithin jede Zuweisung von Referenzmengen an die Erzeugereigenschaft knüpft,
verwandte das deutsche Recht in § 7 Abs. 1 Satz 1 MGV sowie in § 12 Abs. 2 Satz 1 ZAV den Begriff des
Verpächters. Das deutsche Recht ermöglichte damit - wie im vorliegenden Fall gegeben - einen Rückfall von
Referenzmengen nach Pachtende auch an einen Nicht-Erzeuger. Dies ist mit dem durch den Europäischen
Gerichtshof geprägten Verständnis der einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften unvereinbar.
Entsprechend haben deutsche Gerichte einen Anspruch auf Rückübertragung von Referenzmengen dann verneint,
wenn die Erzeugereigenschaft zwischenzeitlich entfallen war und nicht nachweislich eine unverzügliche Übertragung
der Referenzmenge auf einen Erzeuger erfolgen sollte (vgl. etwa BGH, Urteil vom 11. Juli 2003 - V ZR 276/02 -, NJW-
RR 2004, S. 210 ff.; Urteil vom 27. Oktober 2004 - XII ZR 165/01 -, RdL 2005, S. 82 ff.; BVerwG, Urteil vom 18.
Dezember 2003 - 3 C 48/02 -, RdL 2004, S. 137 ff.; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. September
2006 - 20 A 4136/05 -, juris; OVG für das Land Schleswig-Holstein, Urteil vom 9. Oktober 2002 - 2 L 143/98 -, RdL
2002, S. 330 ff.; VG Oldenburg, Urteil vom 31. Januar 2006 - 12 A 3834/03 -, juris; VG Osnabrück, Urteil vom 10. Mai
2005 - 1 A 5/05 -, juris).
27
bb) Auch die vorliegend angegriffene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist in diesem Sinne zu
verstehen. Soweit das Bundesverwaltungsgericht ausführt, dass sich § 12 Abs. 2 ZAV in dem Rahmen halte, den das
Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten für eigenständige Regelungen eröffne, bezieht es sich lediglich auf die nach
Art. 8 a Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 3950/92 den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit der Einziehung
von Referenzmengen zugunsten der einzelstaatlichen Reserve. Das Bundesverwaltungsgericht legt dar, dass § 12
Abs. 2 ZAV von dieser Möglichkeit in zulässiger Weise Gebrauch mache. Keine Aussage trifft das
Bundesverwaltungsgericht hingegen zu der Frage, ob § 12 Abs. 2 ZAV insoweit mit Art. 8 a der Verordnung (EG)
Nr. 3950/92 vereinbar ist, als § 12 Abs. 2 ZAV ermöglicht, dass auch an Nicht-Milcherzeuger Referenzmengen
übertragen werden können. Ein Eingehen auf diese Frage war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht
erforderlich, weil es hierauf für die Streitentscheidung nicht ankam.
28
cc) Widersprach hiernach aber das deutsche Recht - sei es § 12 ZAV, sei es die Vorläuferregelung des § 7 MGV -
den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben, war seine Anwendung gesperrt (vgl. EuGH, Slg 1963, 1 <24 ff.>; 1964, 1251
<1269 ff.>; 1970, 1125 <1135>; 1978, 629 <643 ff.>; 1990, I-2433 <2473 f.>; BVerfGE 31, 145 <174 f.>; 73, 339
<375>; 75, 223 <244>; 85, 191 <204>). Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass dem Beschwerdeführer, der
weder Milcherzeuger ist noch substantiiert dargelegt hat, Milcherzeuger werden oder die Referenzmenge auf einen
Milcherzeuger übertragen zu wollen, nicht einmal der ihm tatsächlich zurückübertragene Teil der Referenzmenge
gemäß § 12 Abs. 2 ZAV nach Pachtende zugestanden hätte. Dementsprechend hat der Beschwerdeführer erst recht
keinen Anspruch auf die von ihm begehrte ungekürzte Rückgewährung der Referenzmenge nach Pachtende.
29
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 7. Juni 2007 (C-278/06),
mit dem der Gerichtshof auf das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Mai 2006 (3
C 32/05, RdL 2006, S. 246 ff.) antwortete, dass Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 3950/92 dahingehend auszulegen
sei, dass bei Beendigung landwirtschaftlicher Pachtverträge Referenzmengen auch an Verpächter zurückfallen
könnten, die nicht Erzeuger seien oder zu werden beabsichtigten, die aber die Referenzmenge in kürzester Frist über
eine staatliche Verkaufsstelle an einen Dritten übertrügen, der die Eigenschaft eines Milcherzeugers besitze. Es kann
dahinstehen, ob diese Rechtsprechung im Grundsatz auf den Beschwerdeführer anwendbar ist; denn der
Beschwerdeführer hat nicht vorgetragen, dass er beabsichtigte, die zurückgewährte Referenzmenge sogleich über die
staatliche Verkaufsstelle zu verkaufen.
30
dd) Damit steht dem Beschwerdeführer jedenfalls nach den maßgeblichen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts,
denen Anwendungsvorrang vor dem nationalen Recht zukommt, eine Rechtsposition, für die er grundrechtlichen
Schutz beanspruchen könnte, nicht zu. Das Bundesverfassungsgericht überprüft die Gültigkeit von Art. 7 der
Verordnung (EG) Nr. 3950/92 nicht am Maßstab der als verletzt bezeichneten Grundrechte des Beschwerdeführers.
Über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht in Deutschland übt das Bundesverfassungsgericht
seine Gerichtsbarkeit nicht mehr aus und überprüft dieses Recht mithin nicht am Maßstab der Grundrechte des
Grundgesetzes, solange die Europäischen Gemeinschaften, insbesondere die Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofes, einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell
gewährleisten, der dem vom Grundgesetz jeweils als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen
gleich zu achten ist, zumal den Wesensgehalt der jeweiligen Grundrechte generell verbürgt (vgl. BVerfGE 73, 339
<387>; 102, 147 <162 ff.>; BVerfG, Beschluss des Erstens Senats vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 -, NvWZ 2007,
S. 937 <938>). Dass die europäische Rechtsentwicklung einschließlich der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofes nach Ergehen der Solange II-Entscheidung (BVerfGE 73, 339) unter den erforderlichen
Grundrechtsschutz abgesunken und dieser in dem hier maßgeblichen Bereich generell nicht mehr gewährleistet wäre,
wurde vom Beschwerdeführer nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich.
31
2. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass der Beschwerdeführer nicht mit Erfolg eine Verletzung
seines Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG rügen kann. Da dem Beschwerdeführer nach europäischem Recht, dem
Anwendungsvorrang vor dem nationalen Gesetzesrecht zukommt, unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt ein
Anspruch auf Rückübertragung der ungekürzten Referenzmenge oder jedenfalls auf wirtschaftliche Verwertung
derselben zusteht, kommt eine Verletzung des Gleichheitssatzes durch die teilweise Einziehung der Milchquote nicht
in Betracht.
32
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
33
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Papier
Gaier
Kirchhof